Ungenutzt und ungeliebt - Verein für Natur
Ungenutzt und ungeliebt - Verein für Natur
Ungenutzt und ungeliebt - Verein für Natur
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IRRGEISTER<br />
<strong>Natur</strong>magazin des <strong>Verein</strong>s <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im HSK e.V.<br />
23. Jhg. 2006<br />
25 Jahre VNV -<br />
Rückblick, Einblick, Ausblick<br />
IRRGEISTER 1/2006 1
2 IRRGEISTER 1/2006<br />
Impressum Inhalt<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im<br />
Hochsauerlandkreis e.V.<br />
Geschäftsstelle: Voßwinkelerstraße 52<br />
59757 Arnsberg-Voßwinkel<br />
VNV-Station: Sauerlandstr. 74a, (Kloster Bredelar)<br />
34431 Marsberg-Bredelar<br />
Tel. 02991/908136<br />
Internet: www.vnv-hsk.de<br />
e-mail: mail@vnv-hsk.de<br />
Vorstand:<br />
Bernhard Koch 1. Vorsitzender 02932/24243<br />
viper8410@web.de<br />
Franz-Josef Stein 1. stellv. Vors. 02991/1281<br />
bfj-stein@t-online.de<br />
Johannes Schröder 2. stellv. Vors. 02991/1599<br />
j-e-schroeder@t-online.de<br />
Harald Legge Schriftführer, Ornith. AG<br />
02962/880669<br />
Haraldlegge@web.de<br />
Richard Götte Schatzmeister 02961/908710<br />
Richard.Goette@t-online.de<br />
Erweiterter Vorstand:<br />
Veronika Falkenstein 02961/8778<br />
V.Falkenstein@t-online.de<br />
Michaela Hemmelskamp 0291/51737<br />
wilkens66@aol.com<br />
Gerd Kistner 02932/37832<br />
gerd-kistner@t-online.de<br />
Sven Kuhl 02992/907700<br />
(Reptilien <strong>und</strong> Amphibien)<br />
Jörg Langanki 02933/921119 (Botanik-AG)<br />
MrBot22@aol.com<br />
Martin Lindner 02933/5639 (Wanderfalken)<br />
Falkmart1960@aol.com<br />
Erich Neuß 02931/6879 (Nisthilfen)<br />
Norbert Schröder 02992/4764 (Rotes Höhenvieh)<br />
BrigitteNorb.S@t-online.de<br />
Wolfgang Wilkens 0291/51737<br />
wilkens66@aol.com<br />
Vorstandsitzung:<br />
Jeden 2. Freitag im Monat, 19.15-22.30 Uhr, Gasthof<br />
Hengsbach, Bestwig. Die Sitzung ist öffentlich.<br />
Die Rechte der Vervielfältigung <strong>und</strong> auszugsweisen<br />
Wiedergabe liegen bei den Herausgebern. Für den<br />
Inhalt sind die Verfasser verantwortlich.<br />
Die Irrgeister werden allen Mitgliedern des VNV<br />
kostenlos zugesandt.<br />
Die Irrgeister werden auf weißem Recyclingpapier<br />
gedruckt.<br />
Bankverbindungen:<br />
Sparkasse Hochsauerland Brilon Kto.-Nr. 68577<br />
(BLZ 41651770)<br />
Volksbank Thülen eG, Brilon-Thülen<br />
Kto.-Nr. 4002100900 (BLZ 40069371)<br />
25 Jahre VNV - ein Gr<strong>und</strong> zu feiern?! S. 3<br />
Lebendiger <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland -<br />
Ein Überblick über 25 Jahre VNV S. 4<br />
Aufruf: Doppelt gelesen hält besser! S. 8<br />
Malochen <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz - Pflegemaßnahmen<br />
im 14-Tage-Rhythmus S. 9<br />
Kleinode in unserer Landschaft - Pflanzenraritäten<br />
im Hochsauerlandkreis S. 14<br />
Schmuckstücke des <strong>Natur</strong>schutzes zu altem<br />
Glanz erweckt S. 20<br />
<strong>Ungenutzt</strong> <strong>und</strong> <strong>ungeliebt</strong> - von der erfolgreichen<br />
Rettung der Sauerländer Feuchtwiesen S. 23<br />
Die Bruchhauser Steine - auch Riesen sind<br />
bedroht S. 26<br />
Schmackhaftes aus wertvollem Lebensraum -<br />
Ostwiesen im Sauerland S. 29<br />
Verborgenes Leben - Amphibien <strong>und</strong> Reptilien<br />
im Sauerland S. 32<br />
Die „Roten“ pflegen wieder Kulturlandschaft -<br />
DAs VNV-Projekt „Rotes Höhenvieh“ S. 35<br />
<strong>Natur</strong>schutz findet nicht nur draußen statt! -<br />
Arbeit am Schreibtisch <strong>und</strong> in Gremien S. 38<br />
Faustschlg gegen die <strong>Natur</strong> - Das geplante<br />
Landschaftsgesetz S. 41<br />
Beitrag der LNU: Eckpunkte zur Novellierung<br />
des Landschaftsgesetzes S. 41<br />
Kästen <strong>und</strong> Brutnischen <strong>für</strong> seltene Vögel -<br />
Artenhilfsprogramm durch Nisthilfen S. 44<br />
Redaktion <strong>und</strong> Layout: Veronika Falkenstein<br />
Harald Legge<br />
Titelfoto: NSG „Kregenberg“<br />
Foto: H. Legge<br />
Rückseite: Schafe im NSG<br />
„Sonderkopf“ Foto: R. Götte<br />
Die Autoren dieser Ausgabe sind: Richard Götte, Bernhard Koch, Sven Kuhl, Jörg Langanki, Harald Legge, Martin Lindner,<br />
Johannes Schröder, Norbert Schröder, Werner Schubert
25 Jahre VNV -<br />
ein Gr<strong>und</strong> zu feiern?!<br />
Unser „<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong><br />
Vogelschutz im Hochsauerlandkreis“<br />
wird in diesem Jahr 25<br />
Jahre jung.<br />
Dies ist uns ein Anlass, Ihnen<br />
einen Überblick über unsere Arbeit<br />
zu geben, Resümee zu ziehen<br />
<strong>und</strong> uns natürlich auch über Erfolge<br />
unseres Einsatzes zu freuen.<br />
Lebensräume erhalten!<br />
Die Lektüre dieses IRRGEISTER-<br />
Heftes (benannt nach einem wertvollen<br />
Feuchtwiesengebiet, den „Irrgeistern“<br />
bei Winterberg-Grönebach) zeigt Ihnen,<br />
dass der Schutz der vielfältigen Lebensräume<br />
unseres Kreises unsere Arbeit bestimmt.<br />
Lebensräume <strong>und</strong> Landschaften,<br />
in denen eine ungezählte Fülle von Tieren<br />
<strong>und</strong> Pflanzen existiert – <strong>und</strong> die fast<br />
ausschließlich durch menschliche Bewirtschaftung<br />
<strong>und</strong> Lebensweise entstanden.<br />
Diese „<strong>Natur</strong>“ ist also Teil einer in<br />
Generationen gewachsenen Kulturlandschaft.<br />
Indem sich der VNV <strong>für</strong> deren<br />
Erhalt einsetzt, betreibt er nicht nur <strong>Natur</strong>schutz,<br />
sondern auch Kulturschutz.<br />
Besonders deutlich wird dies bei den<br />
Aufsätzen über das Beweidungsprojekt<br />
Kalkmagerrasen <strong>und</strong> über unsere Arbeit<br />
mit dem „Roten Höhenvieh“.<br />
Den Gefährdungen gegensteuern!<br />
Doch die Bedrohungen unserer Sauerländer<br />
<strong>Natur</strong>schätze insgesamt sind<br />
vielfältig. Darum würde eine Beschränkung<br />
unserer Aktivitäten nur auf die von<br />
uns betreuten Schutzgebiete, insgesamt<br />
immerhin gut 250 ha kreisweit, nicht<br />
ausreichen.<br />
Wie wir versuchen, der <strong>Natur</strong> im HSK<br />
eine Stimme zu geben – oft seine einzige<br />
Stimme – z. B. in verschiedenen Gremien<br />
<strong>und</strong> als gesetzlich anerkannter<br />
<strong>Natur</strong>schutzverband, können Sie ebenfalls<br />
in diesem Heft lesen.<br />
Forschung <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz!<br />
Die Verbreitung besonders der seltenen<br />
Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten zu erforschen,<br />
ist uns ebenfalls ein Anliegen (siehe<br />
z. B. die Artikel über die Ornithologische<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>und</strong> über<br />
botanische Kostbarkeiten im HSK).<br />
Nicht zuletzt dadurch können wir bei<br />
Gefährdungen seltener Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenvorkommen fachlich f<strong>und</strong>iert<br />
gegenüber Behörden <strong>und</strong> Öffentlichkeit<br />
argumentieren.<br />
Gegenwind<br />
Doch in den letzten Jahren <strong>und</strong> besonders<br />
in den zurückliegenden Monaten<br />
wird sichtbar: Der Schutz unserer<br />
<strong>Natur</strong> verliert drastisch an politischer<br />
Bedeutung. Denen, die sich <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong><br />
einsetzen, weht der Wind ins Gesicht.<br />
Auch <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />
ist deprimierend, dass ...<br />
... seltene Biotoptypen wie magere<br />
Bergwiesen nun keinen gesetzlichen<br />
Schutz mehr genießen.<br />
... Fördermittel <strong>für</strong> unsere ehrenamtlichen<br />
Pflegemaßnahmen fast nicht mehr<br />
zu bekommen sind.<br />
... die Biologischen Stationen in NRW<br />
in den letzten Jahren 25% ihrer Landesförderung<br />
verloren haben. Das heißt<br />
weniger Personal bei gleichzeitig wachsenden<br />
Aufgaben <strong>und</strong> einer steigenden<br />
Anzahl von Schutzgebieten, die sie betreuen<br />
sollen.<br />
... der Hochsauerlandkreis <strong>für</strong> seine<br />
Arbeit in den Schutzgebieten keine Mittel<br />
mehr erhält.<br />
... <strong>für</strong> die Umsetzung der Landschaftsplanung,<br />
die ja wesentlich auch<br />
<strong>Natur</strong>schutzplanung ist, keine Landesmittel<br />
mehr zur Verfügung stehen.<br />
... der Hochsauerlandkreis jedes Jahr<br />
20.000 Euro im Vertragsnaturschutz einsparen<br />
muss.<br />
Der <strong>Natur</strong>schutzetat des Landes<br />
NRW wurde von 45 Mio. in 2001 auf<br />
21 Mio. Euro 2006 zusammengestrichen.<br />
„Schlaraffenland ist eben vorbei“,<br />
meint dazu der FDP-Fraktionschef im<br />
Landtag, Papke. 1 Dies gilt angesichts<br />
leerer Kassen jedoch nicht <strong>für</strong> alle: In<br />
diesem Jahr wird <strong>für</strong> NRW-Autobahnen<br />
die Rekordsumme von 834 Mio. Euro<br />
verbaut. 2 Die Ausgaben der Landwirtschaftskammer<br />
sollen von 82 Mio. 2005<br />
auf 98 Mio. Euro im laufenden Jahr gesteigert<br />
werden. 3 Weitere Beispiele lassen<br />
sich anführen. Von allgemeinen<br />
Haushaltskürzungen ist der <strong>Natur</strong>schutz<br />
überproportional betroffen.<br />
Nicht nur wir haben den Eindruck,<br />
dass qualifizierter <strong>Natur</strong>schutz heutzutage<br />
von vielen Politkern als Bedrohung<br />
<strong>und</strong> lästiges Störelement empf<strong>und</strong>en<br />
wird – sei es der behördliche oder ehrenamtliche<br />
– <strong>und</strong> auf diese Weise<br />
ge(er?-)drosselt werden soll. Ethische<br />
Überlegungen oder der Wert von Artenvielfalt<br />
<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>räumen <strong>für</strong> unsere Lebensqualität<br />
scheinen eher unwichtig zu<br />
werden. Lesen Sie dazu den Artikel zur<br />
Novellierung des NRW-Landschaftsgesetzes.<br />
Wir bleiben am Ball!<br />
Aber auch angesichts dieser zur Zeit<br />
deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen<br />
werden wir vom VNV auch in<br />
den nächsten 25 Jahren beharrlich <strong>und</strong><br />
konsequent <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />
betreiben!<br />
Unsere Erfolge – auch hierzu finden<br />
Sie vielfältige Beispiele in diesem Heft –<br />
sowie die oft gute Zusammenarbeit mit<br />
Unterer Landschaftsbehörde, Amt <strong>für</strong><br />
Agrarordnung, Bezirksregierung <strong>und</strong><br />
Biologischer Station geben uns Mut, mit<br />
Ihrer Unterstützung diesen noch steiniger<br />
gewordenen Weg weiterzugehen.<br />
Harald Legge<br />
1 <strong>Natur</strong>schutz heute 3/06, S. 3<br />
2 Westfalenpost vom 24.06.06<br />
3 <strong>Natur</strong>schutz heute 3/06, S. 3<br />
IRRGEISTER 1/2006 3
Lebendiger <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />
- Ein Überblick über 25 Jahre VNV<br />
In punkto <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e war das Sauerland bis Anfang der 1980er Jahre ein „schwarzes<br />
Loch“. Man besaß praktisch kein aktuelles Wissen über Vorkommen <strong>und</strong> Verbreitung von Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenarten im Hochsauerlandkreis. Es gab keine ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzaktivitäten. Bereits 1980<br />
wurden daher über den damaligen Leiter der staatlichen Vogelschutzwarte, Herrn. Dr. Theodor Mebs,<br />
Ornithologen, Botaniker <strong>und</strong> sonstige an der <strong>Natur</strong> interessierte Personen angesprochen, ob es nicht<br />
möglich sei, dieses „schwarze Loch“ mit Leben zu füllen. Aus ersten lockeren Treffen entwickelte sich<br />
bald die Gründung des VNV.<br />
Am Anfang Straßenneubauamtes Soest, Herr Lahrmann,<br />
sowie R. Loske, Geseke, <strong>für</strong> den<br />
Am 08.11.1981 treffen sich 30 „naturinteressierte“<br />
Personen in Meschede zur<br />
Gründungsversammlung des „<strong>Verein</strong>s<br />
<strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im Hochsauerlandkreis<br />
e.V.“ (VNV). Zum ersten<br />
Vorsitzenden des VNV wird Herr Werner<br />
Fröhlich aus S<strong>und</strong>ern-Amecke gewählt.<br />
Im Sommer 1982 wird der <strong>Verein</strong><br />
ins <strong>Verein</strong>sregister eingetragen <strong>und</strong><br />
als gemeinnützig anerkannt.<br />
Bereits in den ersten Jahren beginnt<br />
unser <strong>Verein</strong> damit, sich in die verschiedensten<br />
Dinge einzumischen – so sahen<br />
es manche Personen, die nun nicht mehr<br />
in der <strong>Natur</strong> machen konnten, was sie<br />
wollten – bzw. viele Dinge zu verbessern.<br />
Aller Anfang ist allerdings schwer,<br />
waren doch die Behörden <strong>und</strong> Kommunen<br />
des Sauerlandes nicht gewohnt, dass<br />
nun ein <strong>Natur</strong>schutzverein der <strong>Natur</strong> eine<br />
Stimme gibt.<br />
Eine erste große Veranstaltung, die<br />
den <strong>Verein</strong> auch nach außen bekanntmachen<br />
soll, findet am 14.11.1984 in<br />
S<strong>und</strong>ern-Stockum statt, unter dem Titel<br />
„Mit Wildscheinen auf du <strong>und</strong> du“. Sie<br />
ist initiiert vom damaligen Vorsitzenden,<br />
Herrn Fröhlich. Referent ist der bekannte<br />
Wildbiologe Heinz Meynhardt aus der<br />
damaligen DDR.<br />
Am 16.09.1985 veranstaltet der VNV<br />
eine Podiumsdiskussion in Arnsberg unter<br />
dem Titel – „Fernstraßenbau im Sauerland<br />
– Pro <strong>und</strong> Contra“. Als Podiumsteilnehmer<br />
waren die damaligen B<strong>und</strong>estagsabgeordneten<br />
<strong>für</strong> das Sauerland,<br />
Herr F. Tillmann/CDU, F. Müntefering/<br />
SPD, D. J. Cronenberg/FDP <strong>und</strong> St.<br />
Schulte/Grüne, außerdem der Leiter des<br />
4 IRRGEISTER 1/2006<br />
<strong>Natur</strong>schutz eingeladen. Leider lassen<br />
sich alle Volksvertreter durch Kreisdelegierte<br />
vertreten. Die Diskussionsleitung<br />
übernimmt Herr Prof. W. Stichmann,<br />
Möhnesee. Gut 200 Zuhörer verfolgen<br />
die lebhafte Veranstaltung.<br />
Die Arbeitseinsätze<br />
Im Winterhabjahr 1983/84 führen wir<br />
erstmals an den Wochenenden Arbeitseinsätze<br />
auf <strong>Natur</strong>schutzflächen durch.<br />
Damit beginnt eine Tradition der praktischen<br />
Verbesserung vieler wertvoller<br />
Lebensräume. Als erster Termin wird der<br />
12.11.1983 auf der Wacholderheide in<br />
Hallenberg-Braunshausen festgelegt, um<br />
störende Gebüsche zu beseitigen.<br />
In den vergangenen gut 20 Jahren hat<br />
der VNV mehrere h<strong>und</strong>ert Arbeitseinsätze<br />
im gesamten Hochsauerlandkreis<br />
durchgeführt. Die Ergebnisse dieser -<br />
zigtausenden ehrenamtlichen Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />
dürfen sich sehen lassen, wäre<br />
doch so mancher Kalkmagerrasen, so<br />
manche Ginsterheide oder Feuchtwiese<br />
ohne unsere Tätigkeit wohl längs verschw<strong>und</strong>en<br />
oder als schützenswerter<br />
Landschaftsteil kaum noch zu erkennen.<br />
Behördenkontakte<br />
Aber nicht nur auf praktischem Gebiet<br />
entwickeln sich unsere Aktivitäten.<br />
Im Juli 1984 erstellt der VNV eine<br />
umfangreiche Stellungnahme zum Bau<br />
der geplanten Renau-Trinkwassertalsperre,<br />
die dem Umweltministerium in
Düsseldorf übersandt wird. Wenig später<br />
wird vom <strong>Verein</strong> ein Sperrgr<strong>und</strong>stück<br />
im Bereich der geplanten Talsperre erworben,<br />
das sich heute noch in unserem<br />
Besitz befindet. Glücklicherweise werden<br />
die weiteren Planungen zum Bau der<br />
Talsperre einige Jahre später eingestellt,<br />
die zum Verlust dieses hoch schützenswerten<br />
Tales geführt hätten.<br />
An den Oberkreisdirektor des Hochsauerlandkreises<br />
wird im Herbst 1985<br />
eine Dokumentation über die aus unserer<br />
Sicht völlig überzogenen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen<br />
im Sauerland<br />
übersandt. Damit protestieren wir gegen<br />
die Zerstörung von naturnahen Fließgewässern<br />
durch unsinnige <strong>und</strong> überzogenen<br />
Baumaßnahmen an Gewässern.<br />
Gleichzeitig soll ihm im Herbst 1985 der<br />
„Dickste Umwelthammer“ als Auszeichnung<br />
<strong>für</strong> die oftmals vermeidbaren Zerstörungen<br />
bei Unterhaltungsmaßnahmen<br />
an Fließgewässern im HSK verliehen<br />
werden. Diese Negativauszeichnung soll<br />
er symbolisch <strong>für</strong> die Arbeit der unteren<br />
Wasserbehörde überreicht bekommen.<br />
Allerdings verweigert er eine Annahme.<br />
Nach Gesprächen mit der Bezirksregierung<br />
werden die Ausbaumaßnahmen<br />
an Gewässern im Sauerland stark zurückgenommen<br />
– eines von vielen Beispielen,<br />
dass der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz<br />
nötig ist <strong>und</strong> Positives erreichen<br />
kann.<br />
Durch unseren <strong>Verein</strong> werden mehrere<br />
Bürgeranträge an alle Städte <strong>und</strong><br />
Gemeinden des HSK gestellt. Themen<br />
sind der Verzicht auf Verwendung von<br />
Torf in öffentlichen Anlagen, die Vermeidung<br />
von Tropenholz in bzw. an öffentlichen<br />
Gebäuden, die Extensivierung von<br />
kommunalen, landwirtschaftlichen genutzten<br />
Flächen <strong>und</strong> der Klimaschutz.<br />
Seit 1984 ist unser <strong>Verein</strong> Mitglied der<br />
LNU („Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz<br />
<strong>und</strong> Umwelt NRW e.V.“) <strong>und</strong> somit anerkannt<br />
nach § 29 BnatSchG (B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz).<br />
Im Rahmen dieses<br />
Paragraphen haben wir seitdem die Möglichkeit,<br />
als „Träger öffentlicher Belange“<br />
bei vielen Planungen in <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />
Landschaft eine Stellungnahme zu dem<br />
jeweiligen Planungsgegenstand abzugeben.<br />
Dieses Recht haben wir inzwischen<br />
rege genutzt. Straßenbau, Gewässerbau,<br />
Steinbrucherweiterungen, Baumaßnahmen<br />
in <strong>Natur</strong>schutzgebieten <strong>und</strong> vieles<br />
mehr gehört zu unserer §29-Arbeit.<br />
Arbeit im Landschaftsbeirat<br />
Bereits seit den 1980er Jahren engagiert<br />
sich der VNV intensiv im<br />
Landschaftsbeirat des HSK. In drei<br />
Wahlperioden stellten wir den Vorsitzenden<br />
des Beirats, was sicher auch die<br />
fachliche Kompetenz unseres<br />
<strong>Natur</strong>schutzvereins widerspiegelt.<br />
Mit den Fachbehörden des Kreises<br />
arbeiten wir seit langem sehr gut zusammen,<br />
was gewisse Spannungen bei der<br />
unterschiedlichen Beurteilung von<br />
<strong>Natur</strong>schutzfragen nicht ausschließt.<br />
Unregelmäßig finden – neben den „normalen“<br />
Kontakten zu Mitarbeitern der<br />
Unteren Landschaftsbehörde – Arbeitstreffen<br />
mit diesem Amt statt, wo versucht<br />
wird, offene Fragen zu klären.<br />
Dies gelingt auch in den allermeisten<br />
Fällen.<br />
In einem seit einigen Jahren laufenden<br />
Projekt zwischen Unterer<br />
Landschaftsbehörde, Forstbehörden <strong>und</strong><br />
dem VNV wird am Problem des Brutplatz-<br />
<strong>und</strong> besonders des Horstschutzes<br />
vom Schwarzstorch gearbeitet. Nach<br />
anfänglichen Berührungsängsten hoffen<br />
wir so, dem scheuen Waldstorch in Zukunft<br />
bei der Aufzucht seiner Jungvögel<br />
im Sauerland helfen zu können.<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Eine gute Öffentlichkeitsarbeit war<br />
uns bereits seit der Gründung unseres<br />
<strong>Verein</strong>s wichtig. Bei alljährlich wieder<br />
durchgeführten Exkursionen zu den unterschiedlichsten<br />
Themen wie Botanik,<br />
allgemeinem Landschaftsschutz <strong>und</strong> Vogelk<strong>und</strong>e<br />
versuchen wir, einem breiten<br />
Personenkreis die Schönheiten, aber<br />
auch die Schwierigkeiten in der <strong>Natur</strong><br />
näher zu bringen.<br />
In Presseartikeln stellen wir uns <strong>und</strong><br />
unsere Arbeit, aber auch die Probleme<br />
unserer Heimat ins rechte Licht.<br />
Zu Beginn unserer <strong>Verein</strong>sarbeit wurden<br />
Informationen innerhalb der <strong>Verein</strong>s<br />
mit einfachen Mitteln über kopierte „Loseblattsammlungen“<br />
an die Mitglieder<br />
weitergeben. Heute sind wir stolz auf<br />
unsere „IRRGEISTER“, in denen wir<br />
viele hoffentlich interessante Themen<br />
unseren Mitgliedern darstellen.<br />
IRRGEISTER 1/2006 5
6 IRRGEISTER 1/2006<br />
Als ein großes Projekt endlich abgeschlossen<br />
ist, sind alle Beteiligten nicht<br />
nur zufrieden mit dem Ergebnis, sondern<br />
vor allem auch erleichtert, dass nun die<br />
ganze Arbeit endlich geschafft ist: Nach<br />
jahrelangen Vorarbeiten erscheint im<br />
Herbst 1998 unser Buch „Handbuch<br />
<strong>Natur</strong> – Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt im Hochsauerland“.<br />
Wir hätten anfangs nie gedacht,<br />
wie viel Mühe es macht, ein Buch<br />
zu erstellen! Es werden in dem reich bebilderten<br />
Band allgemeinverständlich die<br />
Lebensräume des Sauerlands mit ihren<br />
typischen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten vorgestellt<br />
<strong>und</strong> beschrieben. Nach vielen<br />
überaus positiven Kritiken konnte die<br />
erste <strong>und</strong> eine zweite Auflage innerhalb<br />
kurzer Zeit verkauft werden.<br />
Wir bekommen eine<br />
Station<br />
Bald ist eine Notwendigkeit <strong>für</strong> die<br />
aktiven VNV-Mitglieder zu erkennen:<br />
Wir brauchen ein festes Domizil. Im<br />
November 1985 bezieht der <strong>Verein</strong> daher<br />
einen Teil der leerstehenden Gr<strong>und</strong>schule<br />
in Arnsberg-Bachum als Stationsgebäude.<br />
Hier werden Treffen <strong>und</strong> Veranstaltungen<br />
durchgeführt <strong>und</strong> sie dient<br />
gleichzeitig als Büro. Die Zivildienstleistenden<br />
haben hier ihre Unterkunft <strong>und</strong><br />
Arbeitsgeräte <strong>und</strong> Materialien werden<br />
hier gelagert. Von 1994 bis 2000 befindet<br />
sich unsere Station in Arnsberg-<br />
Hüsten, ab Anfang 2001 in Marsberg <strong>und</strong><br />
seit 2005 im ehemaligen Kloster<br />
Bredelar.<br />
Projekte zum großräumigen<br />
Flächenschutz<br />
1985 startet der VNV die Aktion<br />
„Rettet die Feuchtwiesen“ im HSK. Diese<br />
Spendenaktion wird auch durch die<br />
heimische Presse durch viele kostenlose<br />
Anzeigen tatkräftig unterstützt.<br />
In den 80er Jahren beteiligt sich unser<br />
<strong>Verein</strong> an allen <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Umwelttagen<br />
im Sauerland. Unsere Infotafeln<br />
über Sauerländer Lebensräume <strong>und</strong> ein<br />
großer Büchertisch sowie die Präsentation<br />
von Tierpräparaten werden von vielen<br />
Besuchern dieser Umwelttage genutzt.<br />
Mehrfach finden diese Veranstaltungen<br />
in Arnsberg, S<strong>und</strong>ern, Brilon <strong>und</strong><br />
Meschede statt.<br />
Bereits kurze Zeit nach Gründung<br />
unseres <strong>Verein</strong>s werden immer wieder<br />
teils recht umfangreiche Anträge an die<br />
Bezirksregierung zur Ausweisung von<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebieten im gesamten HSK<br />
gestellt. Einem Großteil dieser Anträge<br />
wird danach stattgegeben; wertvolle Biotope<br />
sind rechtlich langfristig gesichert.<br />
<strong>Natur</strong>wissenschaftliche<br />
Arbeit<br />
Neben der <strong>Natur</strong>schutzarbeit führt der<br />
VNV umfangreiche Bestandsaufnahmen<br />
von Tieren, Pflanzen <strong>und</strong> Lebensräumen<br />
durch, getreu dem Gr<strong>und</strong>satz „Nur was<br />
man kennt, kann man auch schützen“.<br />
Dabei kommt viel Überraschendes zu<br />
Tage.<br />
Im Auftrag der LÖBF (Landesanstalt<br />
<strong>für</strong> Ökologie, Bodenordnung <strong>und</strong> Forsten)<br />
führt der VNV 1989 eine Kartierung<br />
der Flora <strong>und</strong> Fauna in schutzwürdigen<br />
Biotopen im HSK als Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>für</strong> die Fortschreibung der Biotopkartierung<br />
durch. Diese Kartierung ist<br />
auch heute noch Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Planer<br />
bei der Erarbeitung von Landschaftsplänen.<br />
Mehrere Arbeitskreise haben sich seit<br />
den Gründungsjahren gebildet. Die ornithologische<br />
Arbeitsgemeinschaft<br />
(OAG), die Botanik-AG <strong>und</strong> die Amphibien-AG<br />
sind <strong>und</strong> waren die Stützen bei<br />
der Erarbeitung von Daten aus der Tier<strong>und</strong><br />
Pflanzenwelt des Sauerlands.<br />
Die OAG führt in den Jahren 1984-<br />
89 eine Rasterkartierung der Brut- <strong>und</strong><br />
Sommervögel des HSK durch. Federführend<br />
wurde dieses Projekt von Heinz<br />
König geleitet, der auch 1991 einen<br />
Arbeitsatlas mit den Daten dieser Kartierung<br />
fertig stellte. Innerhalb der OAG<br />
werden in jedem Jahr die Verbreitungsdaten<br />
von gut 40 seltenen Brutvogelarten<br />
im HSK gesammelt <strong>und</strong> von Artbearbeitern<br />
zusammengefasst.<br />
Für das östliche Kreisgebiet erarbeitete<br />
Richard Götte in den vergangenen<br />
Jahren einen Verbreitungsatlas der<br />
Blütenpflanzen. Diese Daten werden<br />
ebenfalls in Buchform veröffentlicht werden,<br />
voraussichtlich im kommenden Jahr.
Never ending story ...<br />
Der Schutz der Bruchhauser Steine bei<br />
Olsberg gehört seit jeher zu unseren<br />
wichtigsten Aufgaben. Bereits in einem<br />
Schreiben vom 10.04.1985 an den Regierungspräsidenten<br />
in Arnsberg weisen<br />
wir auf die besondere Wertigkeit <strong>und</strong> Einmaligkeit<br />
der Bruchhauser Steine hin <strong>und</strong><br />
mahnen einen rechtlichen Schutz an. Das<br />
ungelenkte Klettern an den Steinen bedrohte<br />
besonders die botanischen Reliktvorkommen<br />
der Alpen-Gänsekresse <strong>und</strong><br />
des Lotwurzblättrigen Habichtskrauts<br />
sowie verschiedener Moose <strong>und</strong> Flechten,<br />
die teilweise in Norddeutschland nur<br />
hier nacheiszeitliche Standorte haben.<br />
Als 1989 die „Steine“ von einem<br />
Wanderfalkenpaar als erster Brutplatz in<br />
Nordrhein-Westfalen nach über 30 Jahren<br />
wiederbesiedelt werden, organisiert<br />
der VNV von 1990-2000 eine „R<strong>und</strong>um-die-Uhr-Bewachung“<br />
während der<br />
gesamten Brutphase. Über das Umweltministerium<br />
in Düsseldorf werden Mittel<br />
aus der Jagdabgabe freigestellt, um<br />
die vielen 100 ehrenamtlichen Bewacher<br />
wenigstens mit einem kleinen Taschengeld<br />
zu versorgen. Die Unterbringung<br />
erfolgt in einem kleinen Wohnwagen in<br />
direktem Sichtkontakt zur Brutnische.<br />
Durch diese Bewachungsaktion können<br />
wir insgesamt etwa 30 Jungfalken das<br />
Flüggewerden ermöglichen. Seit dem<br />
Jahr 2001 wird der Brutplatz von einigen<br />
Personen weiterhin intensiv betreut,<br />
aber nicht mehr dauerbewacht. Besonders<br />
durch die Wiederbesiedlung der<br />
„Steine“ durch Wanderfalke <strong>und</strong> Uhu<br />
konnte bis heute ein ganzjähriges Kletterverbot<br />
durchgesetzt werde, wie es auch<br />
im Landschaftsplan Olsberg bis heute<br />
festgeschrieben ist.<br />
Aber die Kletterleute machen mobil<br />
<strong>und</strong> versuchen durch beharrliche Lobbyarbeit<br />
bei der Landesregierung, das notwendige<br />
Kletterverbot abzuschaffen. Die<br />
<strong>Natur</strong> an den Felsen muss weiter<br />
bangen ...<br />
Die Medebacher Bucht<br />
Unsere jahrelangen naturwissenschaftlichen<br />
Forschungen zeigten, dass<br />
innerhalb der Sauerländer Lebensräume<br />
eine Region den Rang einer landeswei-<br />
ten, wenn nicht b<strong>und</strong>esweiten Bedeutung<br />
innehat: die Medebacher Bucht.<br />
Unsere Erarbeitung eines Raubwürger-Schutzkonzeptes<br />
<strong>für</strong> die<br />
Medebacher Bucht 1992 ist ein erster<br />
Baustein <strong>für</strong> die spätere Ausweisung<br />
zum Europäischen Vogelschutzgebiet.<br />
Im Herbst 1995 stellt der VNV einen<br />
Antrag auf Ausweisung zum IBA<br />
(Important Bird Area). Damit sticht der<br />
<strong>Verein</strong> in ein Wespennest.<br />
Am 10.09.1997 findet in der<br />
Medebacher Schützenhalle eine Bürgerversammlung<br />
mit 800 Personen statt, auf<br />
der ein baldiges Ende der landwirtschaftlichen<br />
Arbeit <strong>und</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />
<strong>für</strong> die Medebacher Bucht<br />
durch die Ausweisung eines<br />
Vogelschutzgebietes prophezeit wird. Im<br />
Chor aufgehetzter Bürger orakeln Vertreter<br />
der Kommunen eine schwarze Zukunft<br />
voraus, käme ein solches Schutzgebiet.<br />
Im Frühjahr 1998 finden weitere<br />
Protestaktionen der Landwirtschaft gegen<br />
die geplante Ausweisung zum<br />
Vogelschutzgebiet statt.<br />
Trotz dieser von <strong>Natur</strong>schutzgegnern<br />
teilweise unter der Gürtellinie geführten<br />
Debatte findet am 19.04.2000 in<br />
Medebach die Unterzeichnung der <strong>Verein</strong>barung<br />
zum FFH- <strong>und</strong> Vogelschutzgebiet<br />
„Medebacher Bucht“ statt, die<br />
auch von unserem <strong>Verein</strong> als Vertreter<br />
der nach § 29 anerkannten Verbände<br />
mitunterzeichnet wird. Erzielt wird in<br />
langwierigen Verhandlungen unter<br />
Federführung des Umweltministeriums<br />
ein Kompromiss, den alle Seiten mittragen<br />
können. Heute profitiert auch der<br />
Tourismus von geschaffenen Möglichkeiten<br />
des <strong>Natur</strong>erlebens, z.B. in den<br />
Nuhnewiesen.<br />
Unterstützung durch die<br />
NRW-Stiftung<br />
Im Jahre 1988 bewirtschaftet der<br />
VNV bereits 16 Flächen mit gut 22 ha<br />
naturschutzgerecht nach den Vorgaben<br />
des Mittelgebirgsprogramms.<br />
Gleichzeitig wird ab 1989 auf VNV-<br />
Antrag an die NRW-Stiftung mit dem<br />
Ankauf naturschutzwürdiger Flächen im<br />
HSK begonnen. Damit beginnt eine äußerst<br />
fruchtbare Unterstützung durch die<br />
NRW-Stiftung. Ab 1991 können in großem<br />
Umfang Feuchtgrünländer auf der<br />
IRRGEISTER 1/2006 7
8 IRRGEISTER 1/2006<br />
Winterberger Hochfläche angekauft werden.<br />
So wurden z. B. im Namenlosetal<br />
bei Winterberg in den letzten Jahren die<br />
größten <strong>und</strong> wertvollsten Feuchtbereiche<br />
durch die Stiftung erworben <strong>und</strong> einige<br />
standortfremde Anpflanzungen beseitigt,<br />
beispielsweise Fichtenmonokulturen.<br />
Mit einem weiteren Bewilligungsbescheid<br />
werden uns <strong>für</strong> den Ankauf von<br />
wertvollen Kalkmagerrasen im<br />
Marsberger Stadtgebiet fast 2 Millionen<br />
DM von der NRW-Stiftung zur Verfügung<br />
gestellt. So können besonders an<br />
der Udorfer Mühle, im Hummel- <strong>und</strong><br />
Glockengr<strong>und</strong> große Flächen Kalkhalbtrockenrasens<br />
erworben werden.<br />
Diese Gebiete werden seit einigen<br />
Jahren von einem Schäfereibetrieb extensiv<br />
bewirtschaftet.<br />
Ein ähnliches Projekt läuft im Stadtgebiet<br />
Brilon, wo ein weiterer Schäfereibetrieb<br />
nach ökologischen Maßgaben<br />
Magergrünland bewirtschaftet.<br />
Heute betreut der VNV r<strong>und</strong> 250 ha<br />
erhaltenswerte Lebensräume. Der Ankauf<br />
einer kleinen Herde „Roten Höhenviehs“<br />
wird uns 1990 ebenfalls durch die<br />
NRW-Stiftung ermöglicht. Zur Zeit<br />
umfasst diese Herde 28 Tiere, die besonders<br />
am Wiemeckehang bei Obermarsberg<br />
<strong>und</strong> im Hemmecker Bruch bei<br />
Brilon-Madfeld gehalten werden.<br />
Mitstreiter gesucht!<br />
Sie, liebe Leser, wissen, dass unsere<br />
Aktivitäten sehr breit gefächert sind.<br />
Darüber sollen diese „IRRGEISTER“<br />
einen Überblick geben. Alle derzeitigen<br />
VNV-Aktiven würden sich freuen, wenn<br />
Sie bei der Lektüre Lust bekommen, in<br />
dem ein oder anderen Bereich aktiv mitzuarbeiten.<br />
Haben Sie keine Berührungsängste!<br />
Mitarbeiter werden <strong>für</strong> alle Arbeitsgruppen<br />
<strong>und</strong> sonstigen Aktivitäten gesucht<br />
<strong>und</strong> sind jederzeit willkommen!<br />
Bernhard Koch<br />
Aufruf: Doppelt gelesen<br />
hält besser!<br />
Man kann das IRRGEISTER-Heft nach dem Lesen ins Altpapier geben<br />
oder archivieren.<br />
Wir rufen alle VNV-Mitglieder auf, das Heft nach dem Lesen an andere<br />
Interessierte weiterzugeben. Auf diese Weise wird der VNV in der Öffentlichkeit<br />
bekannter, <strong>und</strong> dies ohne viel Aufwand <strong>und</strong> Kosten.<br />
Vielleicht ist dies <strong>für</strong> Ihre Bekannten der Anstoß, ebenfalls VNV-Mitglied<br />
zu werden <strong>und</strong> den <strong>Natur</strong>schutz zu unterstützen.<br />
Auch fremden Menschen können Sie das IRRGEISTER-Heft zugänglich<br />
machen, etwa indem Sie es bei Ihrem Hausarzt im Wartezimmer auslegen<br />
– oder im Aufenthaltsraum Ihrer Firma – oder in der Cafeteria Deiner<br />
Schule – oder ...<br />
Dies ist eine einfache, gute Werbung <strong>für</strong> unsere <strong>Natur</strong>schutzarbeit.<br />
Die Idee <strong>für</strong> die Aktion „Doppelt gelesen hält besser!“ stammt aus dem<br />
BUND-Magazin 3-06, der Mitgliederzeitschrift des „B<strong>und</strong>es <strong>für</strong> Umwelt<br />
<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz Deutschland“.<br />
Weitere Infos über den VNV schicken wir Ihnen<br />
gerne zu.<br />
Oder besuchen Sie unsere Homepage:<br />
www.vnv-hsk.de
Kalkmagerrasenpflege: Mähen, Entbuschen, Abharken - im NSG „Dahlberg“ bei Marsberg-Westheim,<br />
8.11.03 Foto: G. Kistner<br />
Malochen <strong>für</strong> den<br />
<strong>Natur</strong>schutz –<br />
Pflegemaßnahmen im 14-Tage-Rhythmus<br />
Jeden zweiten Samstag irgendwo im Sauerland: Um 9.00 Uhr morgens wird die Stille auf einer Feuchtwiese,<br />
einer Heide oder einem Halbtrockenrasen jäh durch den heulenden Motor einer Seilwinde, eines Freischneiders<br />
oder einer Motorsäge unterbrochen. Dann arbeiten dort etwa zehn bis 15 VNV-Aktive bis zum Nachmittag im<br />
Schweiße ihres Angesichts, um einen wertvollen Lebensraum zu erhalten.<br />
Diese Arbeitseinsätze, seit Gründung<br />
des VNV im Zwei-Wochen-Rhythmus<br />
von Mitte Juli bis Frühjahr alljährlich<br />
durchgeführt, sind ein Markenzeichen<br />
unseres <strong>Verein</strong>s. Da die von uns betreuten<br />
Schutzgebiete fast sämtlich durch<br />
kleinbäuerliche Wirtschaftsweise entstanden<br />
sind (Mähwiese, Schaf-, Ziegenoder<br />
Rinderweide), können sie nur<br />
durch diese oder eine nachgeahmte<br />
Wirtschaftsweise erhalten werden. Sonst<br />
würden die Flächen verbuschen <strong>und</strong> der<br />
Lebensraum langsam verschwinden. Wo<br />
wir eine naturschutzgerechte Bewirtschaftung<br />
nicht ermöglichen können –<br />
durch Verpachtung an Landwirte unter<br />
bestimmten Auflagen oder Beweidung<br />
mit dem vereinseigenen Roten Höhen-<br />
vieh – oder wo die Beweidung nicht so<br />
intensiv stattfindet, dass Gehölze durch<br />
sie allein zurückgedrängt werden, dann<br />
findet dort ein Arbeitseinsatz statt.<br />
Unsere Einsatzsaison beginnt im<br />
Sommer/Spätsommer mit dem Mähen<br />
von Feuchtwiesen, wenn die Wiesenvögel<br />
ihre Brut beendet <strong>und</strong> die bedrohten<br />
Pflanzen, z. B. verschiedene Orchideenarten<br />
oder die seltene Trollblume,<br />
ausgesamt haben.<br />
Von Oktober bis Februar werden<br />
Kalkhalbtrockenrasen, überwiegend im<br />
Raum Marsberg-Brilon, Heiden <strong>und</strong> andere<br />
Magerweiden kreisweit entkusselt.<br />
Das bedeutet, aufkommender Gehölz-<br />
aufwuchs wird bis auf Einzelgehölze<br />
oder Einzelbäume abgesägt bzw. abgeschnitten.<br />
Eine Beweidung, am besten in<br />
Hütehaltung mit einer von einem Hirten<br />
geführten Schaf-/Ziegenherde, kann so<br />
weiter stattfinden. Leider ist eine derart<br />
intensive Beweidung, wie sie bis etwa<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg stattfand,<br />
angesichts der großen Flächen <strong>und</strong> der<br />
wenigen Tiere nicht mehr möglich. Dennoch:<br />
Unsere Magerrasen sind dank unserer<br />
Aktivitäten in einem guten Zustand.<br />
Im frühen Frühjahr, wenn Bäume <strong>und</strong><br />
Büsche wegen der beginnenden Brutzeit<br />
der Vögel nicht mehr gerodet werden<br />
dürfen, stehen meist Aufräumarbeiten an,<br />
etwa das Verbrennen von Zweigen <strong>und</strong><br />
IRRGEISTER 1/2006 9
Ästen auf einer kürzlich entfichteten Fläche<br />
oder auch mal der Abriss einer Hütte,<br />
die wir von einem Vorbesitzer in einer<br />
Feuchtwiese „geerbt“ haben.<br />
Obwohl man manchmal bis auf die<br />
Haut durchnässt ist, manchmal kalte<br />
Zehen <strong>und</strong> Finger hat – auf einem Arbeitseinsatz<br />
genießen wir die körperliche<br />
Tätigkeit in schöner Landschaft, den<br />
Austausch <strong>und</strong> das Gespräch mit Gleichgesinnten.<br />
Wir haben die Gewissheit,<br />
Gutes <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> zu tun. Und in der<br />
Mittagspause schmecken Butterbrot <strong>und</strong><br />
Bier w<strong>und</strong>erbar!<br />
Beispielhaft soll jenes Schutzgebiet,<br />
das <strong>für</strong> den Namen unserer Mitgliederzeitschrift<br />
Pate steht, sowie unser Einsatz<br />
<strong>für</strong> dieses beschrieben werden: die<br />
„Irrgeister“.<br />
Hierbei wird deutlich, dass die Arbeit<br />
mit Forke <strong>und</strong> Harke allein nicht ausreicht,<br />
um ein Gebiet zu erhalten. Vielmehr<br />
sind da<strong>für</strong> auch Schreibtischtätigkeit<br />
<strong>und</strong> politische Überzeugungsarbeit<br />
gefragt.<br />
Die Irrgeister, ein Wiesengebiet im<br />
Hillebachtal zwischen Grönebach <strong>und</strong><br />
Niedersfeld, stellen eines der wertvollsten<br />
Feuchtwiesengebiete des gesamten<br />
Sauerlandes dar, in dem eine Vielzahl<br />
10 IRRGEISTER 1/2006<br />
Plaggen der Heide am Gräfenberg bei S<strong>und</strong>ern, 21.02.98<br />
bedrohter Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten ein<br />
letztes Refugium findet. Von der daneben<br />
vorbeiführenden Landstraße fällt die<br />
landschaftliche Schönheit des Tales auf;<br />
vom Radweg aus öffnet sich im Sommerhalbjahr<br />
der Blick auf eine bunte,<br />
insektenumschwirrte Blumenwiese.<br />
Um den Schutz <strong>und</strong> den Erhalt dieses<br />
Kleinods kümmern wir uns seit 20<br />
Jahren auf ein bis zwei Arbeitseinsätzen<br />
jährlich. Mit einem Balkenmäher mähen<br />
wir die nassen Sumpfwiesen <strong>und</strong> tragen<br />
Feuchtwiesenpflege im NSG „Irrgeister“ bei Winterberg-Grönebach, 10.09.05<br />
Fotos: G. Kistner<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
das Mähgut per Hand <strong>und</strong> Forke an den<br />
Rand. Zusätzlich befördern wir es mittels<br />
einer Plastikwanne, die von einer<br />
Seilwinde gezogenen wird, aus der Wiese.<br />
Später transportiert ein Biobauer das<br />
Mähgut zur Kompostierung ab. Diese<br />
harte, zeitintensive Arbeitsweise ist notwendig,<br />
da ein Trecker im Sumpf versinken<br />
<strong>und</strong> die empfindliche Vegetation<br />
zerstören würde.<br />
Mit unserm Tun ahmen wir die inzwischen<br />
aufgegebene, aber Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
lang praktizierte Bewirtschaftung der<br />
Irrgeister nach: Die Bauern vergangener<br />
Zeiten benutzten das Mähgut dieser zur<br />
Beweidung nicht geeigneten Nasswiesen<br />
im Winter als Einstreu <strong>für</strong> ihre Ställe –<br />
der lokale Zweitname der Irrgeister,<br />
Grönebacher Streuwiesen, verdeutlicht<br />
dies. Auf dieses Einstreumaterial waren<br />
die Bauern angewiesen, da die Äcker zu<br />
wenig Stroh lieferten, das obendrein<br />
wintertags überwiegend an die Rinder<br />
verfüttert wurde. Durch diese<br />
Wirtschaftsweise konnte sich ein einzigartiger<br />
Lebensraum entwickeln: Flächendeckend<br />
wächst das duftende, im Sommer<br />
weiß blühende Mähdesüß (die alten<br />
Germanen benutzten diese Sumpfpflanze<br />
zum Süßen ihres Mets, daher der<br />
Name), tausende Orchideen blühen jeden<br />
Juni. Von den vielfältigen Kräutern<br />
leben wiederum Schmetterlinge wie der<br />
seltene Dukatenfalter, deren Raupen als<br />
Futter diese speziellen Pflanzen benötigen.<br />
Auch der Raubwürger, ein vom<br />
Aussterben bedrohter Vogel der<br />
strukturreichen Offenlandschaft, hat hier<br />
sein Domizil.
Freischneiden der Wacholderbüsche im NSG „ Braunshauser Heide“, 03.01.04<br />
Foto: G. Kistner<br />
Schneiteln der Kopfweiden am Gut Forst im Osten des Kreises, 28.11.98<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
Alle Interessierten sind herzlich zur Teilnahme an unseren<br />
Arbeitseinsätzen eingeladen (Siehe nächste Seite!). Sie beginnen<br />
um 9.00 Uhr <strong>und</strong> dauern bis in den frühen Nachmittag.<br />
Bitte mitbringen: ein Butterbrot <strong>für</strong> die Mittagspause,<br />
ggf. Mineralwasser, ggf. Arbeitshandschuhe.<br />
Für Mitfahrgelegenheiten <strong>und</strong> den genauen Ort/Treffpunkt<br />
können Sie bei den Projektleitern anrufen, die Ihnen gerne<br />
eine Fahrmöglichkeit mit einem örtlichen VNV-Aktiven vermitteln.<br />
Da es kurzfristig zu Änderungen von Einsätzen gegenüber<br />
dieser Liste kommen kann, empfiehlt es sich immer,<br />
den Leiter vorher anzurufen!<br />
Infos auch im Internet unter: www.vnv-hsk.de<br />
Freigestellte Wacholderbüsche<br />
Foto: G. Kistner<br />
Der VNV erkannte schon vor Jahren<br />
die Bedeutung der Irrgeister <strong>und</strong> setzte<br />
sich <strong>für</strong> ihre Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
ein. Zwar hatten die Feuchtwiesen<br />
die Intensivierung der Landwirtschaft<br />
<strong>und</strong> damit ihre Zerstörung unbeschadet<br />
überstanden, doch vor 15 Jahren<br />
drohte eine andere Gefahr. Die Behörden<br />
des HSK hatten damals Klärteiche<br />
<strong>für</strong> den Steinbruchbetrieb Hildfelds<br />
mitten in den Nasswiesen genehmigt.<br />
Zum Glück erreichte der VNV eine einstweilige<br />
Sicherstellung der hoch<br />
naturschutzwürdigen Fläche – eine Rettung<br />
in letzter Minute! Nun werden die<br />
Irrgeister im Rahmen der Überarbeitung<br />
des Landschaftsplans Winterberg endlich<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />
Da aber die alte Bewirtschaftungsform<br />
längst aufgegeben wurde, würden<br />
die Wiesen langsam verbuschen <strong>und</strong> sich<br />
langfristig wieder zu Wald entwickeln.<br />
Der spezielle Lebensraum würde verschwinden,<br />
mit ihm die darauf angewiesenen,<br />
bedrohten Tiere <strong>und</strong> Pflanzen.<br />
Darum mähen wir den Sumpf in<br />
schweißtreibender Arbeit. Wir erhalten<br />
so nicht nur eine wertvolle Feuchtwiese,<br />
sondern auch ein historisches Kulturgut,<br />
ein Zeugnis längst vergangener Sauerländer<br />
Landwirtschaft.<br />
Erfolge sind sichtbar <strong>und</strong> entlohnen<br />
uns <strong>für</strong> unsere Arbeit: Der Bestand des<br />
Breitblättrigen Knabenkrauts, einer Orchideenart,<br />
erhöhte sich von 2000 Exemplaren<br />
im Jahr 1996 auf über 4000,<br />
wie ein Forschungsprojekt der Uni Bonn<br />
zeigt; der Fieberklee, eine Rote-Liste-<br />
Art, hat sich sichtbar ausgebreitet.<br />
Harald Legge<br />
IRRGEISTER 1/2006 11
Verdiente Mittagspause - Dahlberg 8.11.03<br />
Fotos: G. Kistner<br />
12 IRRGEISTER 1/2006<br />
Arbeitseinsätze im Winter 2006/07<br />
02.12.06 NSG „Dahlberg“ in Marsberg -Westheim – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten<br />
Halbtrockenrasens (Leiter: Werner Schubert, 02991/6003)<br />
16.12.06 NSG „Wulsenberg“ in Marsberg – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten Halbtrockenrasens<br />
(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />
30.12.06 NSG „Braunshauser Heide“ bei Hallenberg-Braunshausen - Entbuschen einer gemähten<br />
Heide (Leiter: Franz-Josef Stein, 02991/1281)<br />
13.01.07 NSG „Hummelgr<strong>und</strong>“ in Marsberg-Udorf – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten<br />
Halbtrockenrasens (Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />
27.01.07 Altenfils-Heide bei Brilon-Rösenbeck, Entbuschung<br />
(Leiter: Franz-Josef Stein, 02991/1281)<br />
10.02.07 NSG „Irrgeister“ bei Niedersfeld, Schneiden der Ohrweiden<br />
(Leiter: Werner Schubert, 02991/6003)<br />
24.02.07 Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschtenHalbtrockenrasens im Raum Marsberg.<br />
Der Ort wird noch bekannt gegeben. (Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />
10.03.07 Ehem. Steinbruch im NSG „Wulsenberg“ bei Marsberg, Aufräumarbeiten<br />
(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)
IRRGEISTER 1/2006 13
Kleinode in unserer<br />
Landschaft<br />
Pflanzenraritäten im Hochsauerlandkreis<br />
Alpen-Gänsekresse Foto: R. Götte<br />
Der Hochsauerlandkreis zeichnet sich durch eine große Vielfalt von Pflanzenarten aus. Pflanzengeographisch,<br />
also bezüglich der geographischen Verbreitung von Arten, ist die Lage des Sauerlandes<br />
von großer Bedeutung. Hier verlaufen Verbreitungsgrenzen verschiedener Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen.<br />
Wieder andere Arten stoßen im Hochsauerland an ihre Höhengrenze, fehlen in den höheren oder höchsten<br />
Lagen, oder sind in ihrer Verbreitung in Westfalen auf die höchsten Lagen des Sauerlandes beschränkt.<br />
Besonders bemerkenswert sind Reliktarten, deren nächste F<strong>und</strong>orte z. T. weit entfernt liegen.<br />
Es sollen einige auch über die Grenzen des Hochsauerlandkreises hinaus <strong>für</strong> Westfalen besonders<br />
bemerkenswerte Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen kurz vorgestellt werden.<br />
Montane Arten des Rothaarkammes<br />
Auf einer Wanderung durch das<br />
Hochsauerland wurde 1821 der<br />
Platanenblättrige Hahnenfuß<br />
(Ranunculus platanifolium L.) erstmals<br />
<strong>für</strong> Westfalen registriert. Im Hochsauerland<br />
besitzt er ein kleines Verbreitungsgebiet,<br />
das in etwa umgrenzt wird<br />
durch die Orte Niedersfeld, Hesborn,<br />
Hallenberg <strong>und</strong> Altastenberg im oberen<br />
Sauerland. In Westfalen beschränken sich<br />
die Vorkommen auf das Rothaargebirge,<br />
wo sie ein sehr isoliertes Verbreitungsgebiet<br />
haben.<br />
Die altbekannten Standorte sind auch<br />
heute noch weitestgehend vorhanden,<br />
14 IRRGEISTER 1/2006<br />
wobei jedoch ein Rückgang der Art<br />
durch die veränderte Nutzung der<br />
Grünländer deutlich ist. Der VNV<br />
versucht, der Art zusammen mit der<br />
Trollblume – einem weiteren, imposanten<br />
Vertreter der Hahnenfußgewächse<br />
– durch entsprechende<br />
Schutzmaßnahmen wie das Offenhalten<br />
von Wiesentälern <strong>und</strong> extensive<br />
Bewirtschaftung zu helfen.<br />
Noch seltener <strong>und</strong> nur noch in<br />
den höchsten Lagen des Hochsauerlandkreises<br />
anzutreffen ist der<br />
Alpenmilchlattich (Cicerbita<br />
alpina (L.) WALLR.). Die recht<br />
auffällige Staude wurde ebenfalls<br />
auf der Wanderung 1821 erstmals <strong>für</strong><br />
Westfalen entdeckt. In die Literatur fand<br />
sie allerdings erst mit der Flora von Westfalen<br />
von JÜNGST (1852) Eingang, der sie<br />
<strong>für</strong> die Umgebung des Astenberges <strong>und</strong><br />
des Renautals, aber auch <strong>für</strong> den Hohen<br />
Eimberg <strong>und</strong> das Schellhorn südlich von<br />
Brilon angibt. Die letztgenannten F<strong>und</strong>orte<br />
konnten in neuerer Zeit leider trotz<br />
intensiver Suche nicht wieder bestätigt<br />
werden <strong>und</strong> müssen als erloschen gelten.<br />
Im Raum Winterberg ist die prächtige<br />
Pflanze, deren nächste Vorkommen<br />
im Harz <strong>und</strong> im Vogelsberg liegen, dagegen<br />
auch heute noch an mehreren Stellen<br />
vorhanden, z. B. unterhalb des Dorfes<br />
Altastenberg. Der Schutz <strong>und</strong> die
Alpenmilchlattich Foto: V. Falkenstein<br />
Erhaltung der verbliebenen Bestände ist<br />
ein besonderes Anliegen des VNV.<br />
Die Alpen-Gänsekresse (Arabis<br />
alpina L.) wurde zuerst am 18. April<br />
1862 von MÜLLER (1864) an den<br />
Bruchhauser Steinen bei Olsberg entdeckt,<br />
<strong>und</strong> zwar am Bornstein. Später<br />
wurde die Art nach WILMS & BECKHAUS<br />
(1877) auch am Ravenstein gef<strong>und</strong>en.<br />
Als arktisch-alpines Geoelement stellt sie<br />
ein sehr bemerkenswertes Eiszeitrelikt<br />
dar (RUNGE 1972, KOPPE 1961). Die<br />
nächsten F<strong>und</strong>orte liegen am Südrand<br />
des Harzes. Die Art hat sich an den<br />
Bruchhauser Steinen bis heute gehalten,<br />
wenngleich zwischenzeitlich durch<br />
den Klettersport der Standort am<br />
Ravenstein fast völlig zerstört war.<br />
Jetzt, einige Jahre nach der notwendigen<br />
Sperrung der Felsen, kann man eine<br />
Erholung der relativ kleinen Bestände<br />
feststellen. Damit besteht die Hoffnung,<br />
dass sich die Pflanze hier auch auf Dauer<br />
halten kann – sofern das geltende<br />
Kletterverbot bestehen bleibt.<br />
Die Plästerlegge, ein beeindruckender<br />
Wasserfall in einem Schluchtwald<br />
im Stadtgebiet Olsberg, wurde schon<br />
im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert von westfälischen<br />
Botanikern aufgesucht. Im Juni<br />
1859 entdeckte hier der Lippstädter Botaniker<br />
Hermann Müller im Juni 1859<br />
das Zweiblütige Veilchen (Viola<br />
biflora L.). Als Eiszeitrelikt konnte das<br />
gelb blühende Veilchen an dem kühlen<br />
<strong>und</strong> feuchten Standort bis heute überdauern.<br />
Die Plästerlegge ist der einzige<br />
Standort dieser Veilchenart in NRW. In<br />
Deutschland gibt es aktuell noch einen<br />
Standort im Thüringer Wald bei Eisenach<br />
<strong>und</strong> in der sächsischen Schweiz.<br />
Sonst kommt es nur im Alpenbereich<br />
vor.<br />
Weitere besondere <strong>und</strong> ziemlich seltene<br />
Arten der montanen Lagen sind der<br />
Weiche Pippau (Crepis mollis<br />
(JACQ.) ASCH), die Bärwurz (Meum<br />
athamanticum JACQ.), der Alpen-<br />
Perücken-Flockenblume<br />
Foto: M. Jütte<br />
Flachbärlapp Diphasiastrum alpinum<br />
(L.) HOLUB <strong>und</strong> die Perücken-<br />
Flockenblume (Centaurea<br />
pseudophrygia C.A. MEY).<br />
Briloner Kalkkuppen<br />
Die Kalkmagerrasen der Briloner<br />
Hochfläche sind die höchstgelegenen in<br />
NRW. Hier haben sich einige Pflanzen<br />
angesiedelt, die in Westfalen oder NRW<br />
ihre einzigen Vorkommen haben.<br />
Besonders bemerkenswert sind Vorkommen<br />
mehrerer Sommerwurzarten.<br />
Sie sind Schmarotzer, die auf den<br />
Wurzeln anderer Wirtspflanzen gedeihen.<br />
Die Nelken-Sommerwurz<br />
(Orobanche caryophyllacea SM.)<br />
wächst auf Labkrautarten <strong>und</strong> hat bei<br />
Brilon die einzigen Vorkommen in<br />
Westfalen.<br />
Die Wirtspflanze des Quendel-<br />
Sommerwurzes (Orobanche alba<br />
WILLD.) ist der Thymian. Obwohl die-<br />
Nelken-Sommerwurz Foto: R. Götte<br />
ser nicht selten ist, ist das Vorkommen<br />
des Quendel-Sommerwurzes das einzige<br />
aktuelle in NRW. Durch den Schutz<br />
der Kalkkuppen mit der entsprechenden<br />
Pflege konnte die Art bisher vom Aussterben<br />
bewahrt werden, obwohl erst<br />
kürzlich ein Vorkommen im Industriegebiet<br />
von Brilon durch Gewerbeansiedlung<br />
vernichtet wurde.<br />
IRRGEISTER 1/2006 15
Auch die Distel-Sommerwurz<br />
(Orobanche reticulata WALLR.) ist sehr<br />
selten. Im Hoppecketal bei Brilon sind<br />
die einzigen Vorkommen in Westfalen.<br />
Die nächsten Vorkommen befinden sich<br />
am Niederrhein. Die Art schmarotzt bei<br />
uns auf der Kohl-Kratzdistel.<br />
Der Steppen-Bergfenchel (Seseli<br />
annuum L.) ist ein Doldenblüter, der<br />
schon 1841 von J. B. MÜLLER in seiner<br />
Flora erwähnt wird. Erst in den letzten<br />
Jahren konnte die Art in den Magerrasen<br />
der Kalkkuppen wiederentdeckt werden.<br />
Diese sind die einzigen Vorkommen <strong>für</strong><br />
Westfalen.<br />
Die Kugelige Teufelskralle<br />
(Phyteuma orbiculare L.) hat auf den<br />
Kalkkuppen die einzigen Vorkommen in<br />
Westfalen. Die nächsten Vorkommen<br />
befinden sich in der Eifel.<br />
Der Feldenzian (Gentianella<br />
campestris (L.) BÖRNER), ehemals eine<br />
nicht seltene Enzianart der<br />
Magerwiesen, ist durch Aufforstungen<br />
<strong>und</strong> Intensivierung der Landwirtschaft<br />
stark zurückgegangen. Nur um Brilon<br />
befinden sich die letzten Vorkommen der<br />
Art in NRW. Der VNV kümmert sich<br />
besonders um diese sehr seltene Art, <strong>und</strong><br />
es können durch Beweidung <strong>und</strong><br />
Entbuschungsmaßnahmen erste Erfolge<br />
festgestellt werden. Die Bestände haben<br />
sich nach unseren <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen<br />
auf einer Heide mit den<br />
letzten Vorkommen stabilisiert.<br />
16 IRRGEISTER 1/2006<br />
Medebacher Bucht<br />
Im Regenschatten des Rothaarkammes<br />
im Bereich der Medebacher<br />
Bucht hat sich eine Vegetation mit<br />
vielen interessanten Arten ansiedeln<br />
können, die <strong>für</strong> ganz Westfalen bemerkenswert<br />
ist.<br />
Das Saatlabkraut (Galium<br />
spurium L.), eine seltene Pflanze der<br />
Äcker, wird <strong>für</strong> Medebach schon<br />
von FELD (1910) erwähnt, der es als<br />
zerstreut verbreitet in Äckern angibt.<br />
Salomonssiegel Foto: R. Götte<br />
Kugelige Teufelskralle Foto: R. Götte<br />
Im Rahmen der Ackerrandstreifenkartierung<br />
der letzten Jahre konnte das<br />
Labkraut in der Medebacher Bucht auf<br />
verschiedenen Äckern wiedergef<strong>und</strong>en<br />
werden. Die Pflanze besitzt in der genannten<br />
Region heute ihren<br />
Verbreitungsschwerpunkt in Westfalen.<br />
An ähnlichen Ackerstandorten wächst<br />
auch der Breitblättrigen Hohlzahn<br />
(Galeopsis ladanum L.). Auch diese Art<br />
wurde schon von FELD <strong>für</strong> die Äcker der<br />
Medebacher Bucht erwähnt. Außer in<br />
der Medebacher Bucht ist die Art in<br />
Westfalen heute nur noch im benachbarten<br />
Wittgenstein sehr selten anzutreffen.<br />
Beide Arten sind durch die Intensivierung<br />
der Ackerwirtschaft vom Aussterben<br />
bedroht.<br />
Felsenstandorte bei<br />
Marsberg<br />
Zu den floristisch bemerkenswertesten<br />
Kalkfelsen des Hochsauerlandkreises<br />
gehören die Iberg-Felsen bei<br />
Marsberg. Sie zeichnen sich durch das<br />
Vorkommen einer Fülle gefährdeter Arten<br />
aus, von denen hier zwei besonders<br />
hervorgehoben werden sollen.<br />
Der einzige aktuelle F<strong>und</strong>ort des<br />
Blutroten Storchschnabels (Geranium<br />
sanguineum L.) in Westfalen ist an den<br />
Iberg-Felsen bei Marsberg. Doch auch<br />
hier gibt es inzwischen nur noch kleine<br />
Restbestände dieser Wärme liebenden<br />
Pflanze, einer Waldsaumart, die hier ihre<br />
Verbreitungsgrenze erreicht.
Für Brilon wurde sie von SCHMITZ<br />
(1897) noch vom Flozberg angegeben.<br />
Dieser Standort ist jedoch schon Anfang<br />
des Jahrh<strong>und</strong>erts einem Steinbruchbetrieb<br />
zum Opfer gefallen. Auch die<br />
F<strong>und</strong>orte bei Bielefeld, wo die gelegentlich<br />
auch in Gärten angepflanzte Art früher<br />
mehrfach beobachtet wurde, sind<br />
längst erloschen. Um so wichtiger ist der<br />
Schutz des letzten verbliebenen Wuchsortes<br />
<strong>für</strong> Westfalen.<br />
Weitere Besonderheiten am Iberg sind<br />
z. B. die Erd-Segge (Carex humilis<br />
LEYSS.), der Salomonsiegel<br />
(Polygonatum odoratum (MILL.)<br />
DRUCE) <strong>und</strong> die Zwerg-Mispel<br />
(Cotoneaster integerrinus MEDIK.).<br />
Am gleichen Felsen sowie an einem<br />
weiteren Kalkfelsen bei Canstein wächst<br />
das Gabelige Habichtskraut<br />
(Hieracium bifidum HORNEM.). Die<br />
F<strong>und</strong>orte, die einzigen in Nordrhein-<br />
Westfalen, liegen an der nordwestlichen<br />
Verbreitungsgrenze dieser typischen<br />
Felspflanze. Sie wurden erst 1988 entdeckt<br />
(GOTTSCHLICH & RAABE 1991).<br />
An den Kalkfelsen bei Canstein wurde<br />
2005 als einziger F<strong>und</strong>ort <strong>für</strong> NRW<br />
der Geöhrte Braunstielige Streifenfarn<br />
(Asplenium trichomanes, ssp.<br />
hastatum (CHRIST) S.JESS.) nachgewiesen.<br />
Ein weiterer Felsen mit einer sehr seltenen<br />
Flora ist der Lüchtenberg bei<br />
Padberg. Es kommen einige Pflanzenarten<br />
vor, die hier ihre nordwestlichste<br />
Verbreitung erreichen. Neben dem Bleichen<br />
Schafschwingel (Festuca pallens<br />
HOST) konnte in diesem Jahr als einziger<br />
Standort in NRW die Erbsenwicke<br />
(Vicia pisiformis L.) von Werner Schubert<br />
<strong>und</strong> Prof. Türk nachgewiesen werden.<br />
Eine weitere Besonderheit ist der<br />
Farnbastard zwischen Nordischem<br />
Streifenfarn <strong>und</strong> der Mauerraute<br />
(Asplenium x murbeckii ).<br />
Almequellen<br />
An den Almequellen bei Brilon-Alme<br />
finden wir eine weitere Besonderheit der<br />
heimischen Flora. Im Frühjahr blühen<br />
hier große Bestände des Pyrenäen-Löffelkrautes<br />
(Cochlearia pyrenaica DC.).<br />
Auch diese Pflanze ist an diesem Ort als<br />
Eiszeitrelikt zu verstehen. Es ist heute<br />
das einzige Vorkommen in Nordrhein-<br />
Westfalen. In Deutschland ist die Pflanze<br />
vor allem in Bayern verbreitet.<br />
Bleikuhlen bei Blankenrode/Wäschebachtal<br />
Der historische Abbau von Zinn <strong>und</strong><br />
Blei hat an den alten Bergwergstandorten<br />
die Böden der Halden vergiftet. Diese<br />
Böden sind <strong>für</strong> die meisten Pflanzen<br />
unbesiedelbar. Nur wenige Arten konnten<br />
<strong>für</strong> sich Strategien entwickeln, auf<br />
solchen Standorten zu wachsen. Hier hat<br />
sich eine ganz spezielle, bemerkenswerte<br />
Flora <strong>und</strong> Vegetation über einen langen<br />
Zeitraum entwickelt.<br />
Die größte Besonderheit der Flora<br />
Westfalens stellt das prächtige Westfälische<br />
Galmeiveilchen (Viola<br />
guestfalica NAUENB.) dar. Es ist ein<br />
Endemit, der nur an den Bleikuhlen bei<br />
Blankenrode <strong>und</strong> im angrenzenden östlichsten<br />
Hochsauerlandkreis im Wäschebachtal<br />
vorkommt. Lange Zeit wurde die<br />
Pflanze als Varietät oder Unterart eines<br />
anderen Stiefmütterchens angesehen.<br />
Erst vor einigen Jahren wurde festgestellt,<br />
dass es sich um eine eigene Art<br />
handelt.<br />
Der endemische Bastard der Elternarten<br />
des Galmeiveilchens <strong>und</strong> des<br />
Ackerstiefmütterchens konnte ebenfalls<br />
an den beiden Standorten nachgewiesen<br />
werden (Viola x preywischiana<br />
NAUENB.).<br />
Erbsenwicke Foto: R. Götte<br />
Der Verantwortung <strong>für</strong> diese große<br />
Anzahl an floristischen Besonderheiten<br />
im HSK ist sich der VNV bewusst <strong>und</strong><br />
wird sich auch in Zukunft aktiv <strong>für</strong> die<br />
Förderung <strong>und</strong> den Erhalt der Lebensräume<br />
einsetzen.<br />
Richard Götte<br />
Pyrenäen-Löffelkraut Foto: R. Götte<br />
IRRGEISTER 1/2006 17
Literatur:<br />
BECKHAUS, K. (1893): Flora von Westfalen,<br />
1893<br />
BERTOLD, C. (1869): Darstellungen aus<br />
der <strong>Natur</strong><br />
EHLERT, A. (1865): Flora von Winterberg,<br />
Verh. Des naturh. <strong>Verein</strong>s der<br />
Preuss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen<br />
FALKENSTEIN,V. (2004): Zwei Neuf<strong>und</strong>e:<br />
Der Geöhrte Braune Streifenfarn<br />
<strong>und</strong> der Schwarzstielige Streifenfarn,<br />
Irrgeister, 21. J., Heft 2<br />
FELD, J. (1910): Verzeichnis der bei<br />
Medebach beobachteten<br />
Phanerogamen <strong>und</strong> Gefäßkryptogamen,<br />
<strong>Natur</strong>hist. <strong>Verein</strong> der<br />
preusss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen<br />
GOTTSCHLICH, G. <strong>und</strong> U. Raabe (1991):<br />
Zur Verbreitung, Ökologie <strong>und</strong><br />
Taxonomie der Gattung Hieracium in<br />
Westfalen <strong>und</strong> angrenzender Gebiete,<br />
Abhandlungen Westf. Museum <strong>für</strong><br />
<strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e, 53.Jg. Heft 4<br />
18 IRRGEISTER 1/2006<br />
GOTTSCHLICH, G. <strong>und</strong> U. Raabe (1989):<br />
Arabis alpina, Hieracium schmidtii <strong>und</strong><br />
H. onosmoides an den Bruchhauser<br />
Steinen, Hochsauerlandkreis, Floristische<br />
Briefe,22. Jg., Heft1, S. 10-13<br />
JÜNGST,L.V. (1869): Flora Westfalens,<br />
3.Aufl.<br />
KARSCH, A. (1867): Zur Flora der Provinz<br />
Westfalen, 2. Aufl.<br />
KOENE, J. (1930): Sind die von Ehlerts<br />
Flora von Winterberg gemachten<br />
Standortsangaben heute noch zutreffend?<br />
Abhandl. aus dem westf. Museum<br />
f. <strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e<br />
MÜLLER, H. 1860): Nachträge zu<br />
Karsch´s Phanerogamenflora der Provinz<br />
Westfalen. Verh. <strong>Natur</strong>h. <strong>Verein</strong>s<br />
preuss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen, 17<br />
NIESCHALK, Ch. (1991): Handschriftliche<br />
Aufzeichnungen aus der Pflanzenkartei,<br />
<strong>für</strong> das Sauerland, unveröffentlicht<br />
RUNGE, F. (1972): Die Flora Westfalens<br />
RUNGE, F. Die Flora Westfalens, 1998,<br />
Münster<br />
SCHMITZ, E. (1896): Einige seltene<br />
Pflanzen der Briloner Gemarkung,<br />
Berichte des Gymnasiums Petrinum<br />
Brilon<br />
SCHWIER, H. (1938): Vorläufiger Bericht<br />
über die Ergebnisse einer<br />
pflanzensiedlungsk<strong>und</strong>lichen Untersuchung<br />
des südöstlichen westfälischen<br />
Grenzgebietes, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> Heimat,5 (3)<br />
WENDEROTH, Prof. (1826): Aufzeichnungen<br />
einer botanischen Reise durch<br />
das Herzogtum Westfalen, Flora oder<br />
Botanische Zeitung,Nr. 17<br />
Westfälisches Galmeiveilchen Foto: W. Schubert
IRRGEISTER 1/2006 19
Schmuckstücke des<br />
<strong>Natur</strong>schutzes<br />
zu altem Glanz erweckt<br />
Kalkmagerrasen im Raum Marsberg-Brilon<br />
dauerhaft gerettet<br />
Auf kalkhaltigem Gestein wuchsen in vorgeschichtlicher Zeit Kalkbuchenwälder, wie wir sie heute noch<br />
in <strong>Natur</strong>schutzgebieten wie dem Drübel bei Brilon oder den Leitmarer Felsen bei Marsberg sehen können.<br />
Durch die Übernutzung der Wälder durch Holzeinschlag <strong>und</strong> Beweidung entstanden dort im Laufe<br />
von Jahrh<strong>und</strong>erten neue Offenlandlebensräume, die Kalkmagerrasen.<br />
Der artenreichste Lebensraum<br />
Mitteleuropas<br />
Erstmals <strong>für</strong> den östlichen HSK erwähnt<br />
werden diese Kalkhalbtrockenrasen,<br />
wie die Magerrasen auf Kalkstandorten<br />
auch genannt werden, in einem<br />
Grenzrezess von 1668 über den<br />
Wulsenberg bei Marsberg. Wahrscheinlich<br />
sind sie noch wesentlich älter. (Vgl.<br />
ROGGE 1986)<br />
Die über Jahrh<strong>und</strong>erte gleichgebliebene<br />
Beweidung mit Schafen <strong>und</strong> Zie-<br />
20 IRRGEISTER 1/2006<br />
gen in Hütehaltung eröffnete einer Vielzahl<br />
von Pflanzenarten – zum Teil aus<br />
mediterranen Gegenden – neue Lebensräume.<br />
Verschiedene Orchideenarten<br />
blühen auf den Halbtrockenrasen, u. a.<br />
das Dreigezähnte Knabenkraut (Orchis<br />
tridentata). Es erreicht im Raum Marsberg<br />
die Nordwestgrenze seines mitteleuropäischen<br />
Verbreitungsgebietes. Zu<br />
den floristischen Besonderheiten dieser<br />
artenreichsten Lebensräume im Hochsauerlandkreis<br />
<strong>und</strong> sogar ganz Mitteleuropas<br />
gehören auch der Deutsche Ziest<br />
(Stachys germanica) <strong>und</strong> der<br />
Heidegünsel (Ajuga genevensis), die bei<br />
uns ihre Verbreitungsgrenzen erreichen.<br />
Floristisch artenreiche Lebensräume<br />
sind zumeist auch sehr insektenreich.<br />
Erwähnt werden sollen hier nur der<br />
Heidegrashüpfer (Stenobothrus lineatus)<br />
<strong>und</strong> die Zweipunkt-Dornschrecke (Tetrix<br />
bipunctata), die eine enge Bindung an<br />
diesen Lebensraum aufweisen. Stellvertretend<br />
<strong>für</strong> die vielen Schmetterlingsarten<br />
stehen der Zwergbläuling (Cupido<br />
minimus), dessen Raupe am W<strong>und</strong>klee<br />
frisst, <strong>und</strong> der Silbergrüne Bläuling<br />
(Lysandra coridon). Die Raupen der<br />
NSG „Glockengr<strong>und</strong>“ bei Marsberg-Udorf<br />
Foto: W. Schubert
Silbergrüner Bläuling Foto: T. Fartmann<br />
letztgenannten Art ernähren sich vom<br />
Hufeisenklee (Hippocrepis comosa),<br />
dessen Verbreitung im Hochsauerlandkreis<br />
auf den Marsberg-Briloner Raum<br />
beschränkt ist.<br />
Fortsetzen könnte man die Aufzählung<br />
von Besonderheiten aus den Artengruppen<br />
Wildbienen, Käfer, Spinnen,<br />
Schnecken <strong>und</strong> mehr. Da<strong>für</strong> ist an dieser<br />
Stelle leider kein Platz.<br />
Aktive Hilfsmaßnahmen<br />
Seit 1984 hat sich der VNV besonders<br />
um die Wiederherstellung der Kalkmagerrasen<br />
im Stadtgebiet von Marsberg<br />
gekümmert. Aber auch in S<strong>und</strong>ern <strong>und</strong><br />
Brilon wurden Flächen gemäht, von<br />
Müllablagerungen befreit oder durch<br />
Beweidung mit der vereinseigenen Ziegenherde,<br />
die bis 1991 bestand, offengehalten.<br />
Gleichzeitig wurden verschiedene<br />
Anträge auf Ausweisung dieser<br />
hochgradig gefährdeten Lebensräume als<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet erarbeitet. Da<br />
Schutzgebietsausweisungen oft lange<br />
dauern, wie das Beispiel „Briloner Kalkkuppen“<br />
gezeigt hat, hat sich der VNV<br />
parallel dazu bemüht, schutzwürdige<br />
Gebiete anzupachten oder mit Mitteln<br />
der NRW-Stiftung anzukaufen, um handlungsfähig<br />
zu werden <strong>und</strong> nicht auf andere<br />
warten zu müssen. Im Laufe der<br />
zurückliegenden über zwanzig Jahre haben<br />
wir ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schützer -<br />
zigtausende Arbeitsst<strong>und</strong>en in den<br />
Schutzgebieten erbracht. Hinzu kommen<br />
die Arbeiten der Zivildienstleistenden,<br />
die in der Woche auf den vereinseigenen<br />
Flächen arbeiten. Viele Magerrasen präsentieren<br />
sich nun wieder in einem optimalen<br />
Zustand. Kiefern, Fichten <strong>und</strong> andere<br />
Gehölze wurden entfernt <strong>und</strong> verbrannt,<br />
ausufernde Gebüsche zurückgeschnitten<br />
<strong>und</strong> die Flächen wieder in<br />
einen beweidbaren Zustand gebracht. Im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet „Dahlberg“ haben<br />
sich die Vorkommen des Dreigezähnten<br />
Knabenkrauts vervielfacht. Im Jahr 2005<br />
konnten r<strong>und</strong> 35.000 Exemplare dieser<br />
Art gezählt werden.<br />
Dreizähniges Knabenkraut<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
Schafherde im NSG „Dahlberg“ Foto: V. Falkenstein<br />
Erfolg: dauerhafte Bewirtschaftung<br />
durch Schäfer<br />
Da die Kalkmagerrasen durch Bewirtschaftung<br />
entstanden, brauchen sie diese<br />
oder eine möglichst gleiche Bewirtschaftung<br />
<strong>für</strong> ihren Erhalt. Ziel des langfristigen,<br />
konsequenten <strong>Natur</strong>schutzes<br />
muss daher immer die dauerhafte, wirtschaftlich<br />
tragfähige, naturschutzgerechte<br />
Landbewirtschaftung solcher<br />
schutzwürdiger Lebensräume sein.<br />
Dies hieß <strong>für</strong> den Marsberger Raum<br />
zum einen, dass ein neuer Wanderschäfer<br />
angesiedelt werden musste, zum anderen<br />
mussten diesem die Flächen dauerhaft<br />
zur Verfügung gestellt werden, um<br />
ihm eine wirkliche Perspektive zu bieten.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> suchte der VNV die<br />
Hilfe der Nordrhein-Westfalen-Stiftung.<br />
Erst mit ihrer Unterstützung konnte das<br />
ehrgeizige Projekt gelingen:<br />
IRRGEISTER 1/2006 21
<strong>Natur</strong>weg im NSG „Glockengr<strong>und</strong>“ - Exkursion im Mai 2002<br />
Foto: G. Kistner<br />
Von 1990 bis heute wurden r<strong>und</strong> 95<br />
ha <strong>für</strong> dieses <strong>Natur</strong>schutzgroßprojekt der<br />
Stiftung erworben. Hinzu kommen Flächen,<br />
die das Land NRW gekauft hat.<br />
Der Schäfereibetrieb Bauer kam 1991<br />
wieder ins Sauerland <strong>und</strong> hat heute seinen<br />
Betrieb in Marsberg-Udorf. Er bewirtschaftet<br />
die Flächen im östlichen Teil<br />
des Marsberger Stadtgebiets <strong>und</strong> grenzüberschreitend<br />
in Nordhessen. Am <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
„Glockengr<strong>und</strong>“ wurde<br />
mit Mitteln der NRW-Stiftung <strong>für</strong> diesen<br />
Betrieb ein Schafstall errichtet.<br />
Seit 1994 bewirtschaftet der<br />
Schäfereibetrieb Wagner mit Sitz in<br />
Brilon-Radlinghausen die westlichen Flächen<br />
des Projektgebietes bis in das Stadtgebiet<br />
von Brilon.<br />
Als Schafrassen werden Rhönschafe<br />
<strong>und</strong> Coburger Fuchsschafe eingesetzt.<br />
Den Herden ist ein bis zu 10%iger<br />
Ziegenanteil beigemischt, um den<br />
Verbissdruck auf die Gehölze zu verstärken.<br />
Heute gibt es damit in den Stadtgebieten<br />
Marsberg <strong>und</strong> Brilon zwei neue<br />
landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe<br />
mit über 1000 Mutterschafen <strong>und</strong> r<strong>und</strong><br />
100 Ziegen, mit denen ehemals brachgefallene,<br />
aufgeforstete oder zu Ackerland<br />
umgebrochene Kalkmagerrasen bewirtschaftet<br />
werden.<br />
22 IRRGEISTER 1/2006<br />
Die Kalkmagerrasen in Brilon, deren<br />
Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet auf<br />
einen Antrag des VNV zurückgeht, sind<br />
die höchstgelegenen in Nordrhein-Westfalen.<br />
Neben dem Land NRW erwirbt der<br />
VNV auch hier mit Mitteln der NRW-<br />
Stiftung <strong>Natur</strong>schutzflächen, die dann an<br />
ortsansässige Landwirte zur Bewirtschaftung<br />
mit Schafen oder Rindern vergeben<br />
werden. Dieses Projekt ist noch<br />
nicht abgeschlossen.<br />
Blick in die Zukunft<br />
„Unsere“ Kalkmagerrasen um Marsberg<br />
<strong>und</strong> Brilon bedürfen auch weiterhin<br />
der Betreuung durch den VNV, damit<br />
der neue Glanz der alten Schmuckstücke<br />
nicht wieder verblasst.<br />
Mit einem Problem werden wir immer<br />
zu kämpfen haben: Gehölzaufwuchs.<br />
In vergangenen Zeiten war der<br />
Beweidungsdruck auf die kargen Grünländer<br />
infolge mangelnden Weidelandes<br />
viel höher als heute. Die aufkommenden<br />
Gebüsche <strong>und</strong> jungen Bäume wurden<br />
viel stärker verbissen. Heute können,<br />
allein aus wirtschaftlichen Gründen, die<br />
Halbtrockenrasen nicht so stark<br />
beweidet werden. Dadurch kommen<br />
fortlaufend Triebe von Schwarz- <strong>und</strong><br />
Weißdorn sowie junge Kiefern <strong>und</strong> Birken<br />
hoch. Diese müssen in schweißtreibender<br />
Arbeit zurückgedrängt werden.<br />
Uns wird die Arbeit <strong>für</strong> unsere 14-tägigen<br />
Pflegeeinsätze also nicht ausgehen.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ist ganz<br />
anders gelagert: Schon seit Jahren bemühen<br />
wir uns, dass in den letzten Jahrzehnten<br />
aufgeforstete, ehemalige Kalkhalbtrockenrasen<br />
wieder von den nicht<br />
heimischen Fichten, Kiefern oder Lärchen<br />
befreit werden – etwa im Rahmen<br />
von Ersatzmaßnahmen. Dort könnten<br />
sich dann wieder Kalkmagerrasen entwickeln.<br />
Denn die heute bestehenden<br />
Halbtrockenrasen sind nur noch ein kleiner<br />
Rest der ehemaligen Flächen. Doch<br />
ein Gesetz aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, auf<br />
das die Forstbehörden pochen, macht<br />
dies fast unmöglich: Wo Wald ist, muss<br />
auch Wald bleiben. Sollte Wald mit gutem<br />
Gr<strong>und</strong> entfernt werden, muss an anderer<br />
Stelle eine Neu-Aufforstung erfolgen.<br />
Da die Ausgleichsmaßnahmen dadurch<br />
extrem verteuert werden, bleiben<br />
die Bäume leider da wo sie sind – auf<br />
entwicklungsfähigen Kalkmagerrasen im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />
Und last, but not least: Die derzeitige<br />
Landesregierung kürzt drastisch die Mittel<br />
<strong>für</strong> den Vertragsnaturschutz. Doch <strong>für</strong><br />
die Schäfer bleibt die Bewirtschaftung<br />
von magerem Grünland nur rentabel,<br />
wenn sie Geld da<strong>für</strong> bekommen, dass sie<br />
die Flächen nicht düngen <strong>und</strong> nicht intensiv<br />
bewirtschaften, also den Lebensraum<br />
erhalten.<br />
Die ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />
erhält erst recht kaum noch Fördergelder.<br />
Zum Entfernen von Gebüschen benötigen<br />
wir jedoch Geräte wie Motorsägen<br />
<strong>und</strong> Freischneider.<br />
Wird bald eine Zeit kommen, wo der<br />
artenreichste Lebensraum Mitteleuropas<br />
der Allgemeinheit schlicht zu teuer<br />
scheint?<br />
Werner Schubert<br />
Literatur:<br />
ROGGE, M. (1986): Entstehung <strong>und</strong> Weiterentwicklung<br />
der Pflanzengesellschaften<br />
einer extensiven Schaf<strong>und</strong><br />
Ziegenweide bei Erlinghausen<br />
(Hochsauerlandkreis); Diplomarbeit,<br />
Göttingen, unveröffentlicht
<strong>Ungenutzt</strong> <strong>und</strong> <strong>ungeliebt</strong><br />
- Von der erfolgreichen Rettung<br />
der Sauerländer Feuchtwiesen<br />
Das Namenlosetal bei Winterberg-Silbach, in dem Fichtenbestände entfernt wurden, um wieder ein offenes Wiesental zu bekommen.<br />
Siehe auch Karten auf der folgenden Seite! Foto: Biol. Station<br />
Das Charakteristikum der Sauerländer Landschaft ist der Wechsel zwischen Berg <strong>und</strong> Tal, zwischen<br />
Wald <strong>und</strong> Grünland. Die schmalen Waldwiesentäler erstrecken sich kilometerweit in die bewaldeten<br />
Berge.<br />
In der Nähe von Ortslagen weiten sich die Täler oftmals <strong>und</strong> ermöglichten die Entwicklung ausgedehnterer<br />
Feuchtwiesen: Im Laufe der Besiedlung des Sauerlandes hat der Mensch die Tallagen durch<br />
Holz- <strong>und</strong> Weidenutzung aufgelichtet. Teilweise wurden Erlenwälder auch gezielt zur Anlage von Grünland<br />
gerodet <strong>und</strong> Be- <strong>und</strong> Entwässerungssysteme eingerichtet, um die Nutzbarkeit zu erhöhen. Bis vor<br />
wenigen Jahrzehnten waren die Talwiesen absolut wertvoll, da Grünland Mangelware war.<br />
Die letzten Zwölf<br />
Nachdem durch künstliche Düngung<br />
viele Ackerflächen in Grünland umgewandelt<br />
worden waren, fielen die<br />
„schlechten“ Feuchtwiesen brach oder<br />
wurden mit Fichten oder anderen Gehölzen<br />
aufgeforstet. Straßen- <strong>und</strong> Wohnbebauung<br />
taten ihr übriges, so dass die<br />
Feuchtwiesen auf Reste zurückgedrängt<br />
wurden. Arten wie Wollgras oder Fieberklee,<br />
Breitblättriges Knabenkraut oder<br />
Sumpf-Dotterblume, ob sehr selten oder<br />
noch etwas verbreiteter, sie haben alle<br />
viel von ihrer ursprünglich ausgedehnten<br />
Verbreitung verloren.<br />
Der Schutz <strong>und</strong> der Erhalt der Feuchtwiesen<br />
im Hochsauerlandkreis war von<br />
Anfang an ein besonderer Arbeitsschwerpunkt<br />
des VNV. 1984 begann dieses<br />
Projekt mit der sogenannten Zwölfer-Liste.<br />
Sie enthielt unsere bedeutsamsten<br />
Feuchtwiesengebiete: die Irrgeister<br />
bei Winterberg-Niedersfeld, das Springebachtal<br />
bei Winterberg-Grönebach, das<br />
Hillebachtal <strong>und</strong> die Waldwiese am<br />
Hillekopf bei Winterberg-Hildfeld, den<br />
Hemmeker Bruch bei Brilon-Madfeld,<br />
die Nuhnewiesen bei Hallenberg, die<br />
Hooren bei Medebach, den<br />
Helmeringhauser Bruch bei Olsberg-<br />
Helmeringhausen, den Bintel bei Brilon-<br />
Scharfenberg, das Helletal bei Winterberg-Elkeringhausen,<br />
die Neue Born bei<br />
Winterberg-Küstelberg <strong>und</strong> das<br />
Namenlosetal bei Winterberg-Silbach.<br />
Mittlerweile sind all diese Gebiete<br />
durch Anträge auf Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
gesichert oder durch die<br />
Erstellung <strong>und</strong> Überarbeitung der<br />
Landschaftspläne als solches vorgeschla-<br />
IRRGEISTER 1/2006 23
24 IRRGEISTER 1/2006<br />
Deutliche Fichtenreduzierung im Namenlosetal
Feuchtwiesenmahd durch den VNV: 1. NSG „Helmeringhauser Bruch“ bei Olsberg (Foto: VNV-Archiv), 2. Elkeringhausen bei Winterberg<br />
(Foto: G. Kistner), 3. NSG Wäschebachtal bei Marsberg (Foto: R. Pohlmeyer) - <strong>und</strong> ein Resultat: Massenbestand des Schmalblättrigen<br />
Wollgrases im Hillebachtal (Foto: Biol. Station)<br />
gen. Acht dieser Gebiete wurden aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer Wertigkeit sogar als FFH-<br />
Gebiete in das europäische<br />
Schutzgebietsnetz NATURA 2000 aufgenommen.<br />
Es hat allerdings 20 Jahre<br />
gedauert, bis die Bedeutsamkeit der Gebiete<br />
auch zu einem Schutz geführt hat.<br />
Erhalt der Bewirtschaftung<br />
Um handlungsfähig zu werden im<br />
Feuchtwiesenschutz, pachtete der VNV<br />
Flächen von Privatpersonen an <strong>und</strong> stellte<br />
1990 einen Antrag an die NRW-Stiftung,<br />
um Gebiete in den Feuchtwiesen<br />
des höheren Sauerlandes erwerben zu<br />
können. Bis heute wurden r<strong>und</strong> 92 ha<br />
gekauft! Mit Mitteln des Landes wurde<br />
noch einmal etwa die gleiche Flächengröße<br />
erworben. Die Nuhnewiesen, ehemals<br />
in Landeseigentum, heute im Besitz<br />
der NRW-Stiftung <strong>und</strong> betreut durch<br />
die Biologische Station, sind innerhalb<br />
des Projektes mit r<strong>und</strong> 70 ha das größte<br />
<strong>und</strong> zusammenhängendste Gebiet. Doch<br />
mit dem Ankauf allein ist es nicht getan.<br />
Die Flächen müssen entwickelt <strong>und</strong> dauerhaft<br />
naturschutzgerecht bewirtschaftet<br />
werden. Insgesamt 13 ortsansässige<br />
Landwirte bewirtschaften heute die<br />
Stiftungsflächen r<strong>und</strong> um Winterberg.<br />
Parzellen, die durch Entfichtung oder<br />
Erstpflege wieder landwirtschaftlich<br />
nutzbar wurden, wurden zumeist durch<br />
die angrenzenden Landwirte mit in die<br />
Bewirtschaftung genommen.<br />
Das Gebiet, in dem sich die Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Flächenankäufe am besten veranschaulichen<br />
lassen, ist das Tal der Namenlose<br />
bei Winterberg-Silbach. Der<br />
Vergleich der beiden Luftbildausschnitte<br />
zeigt eindrucksvoll, was sich dort getan<br />
hat.<br />
Power to the Bauer!<br />
Am Beispiel der Feuchtwiesen zeigt<br />
sich einmal mehr, dass der VNV früh die<br />
Schutzwürdigkeit dieser Lebensräume<br />
erkannt hat. Mit viel ehrenamtlichem<br />
Engagement <strong>und</strong> durch Unterstützung<br />
der NRW-Stiftung ist der Schutz der<br />
Sauerländer Feuchtwiesen – <strong>und</strong> mit ihnen<br />
einer Vielzahl bedrohter Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenarten – zu einem guten Teil gelungen.<br />
Ohne eine lebensfähige Landwirtschaft<br />
jedoch, deren Arbeit um den Erhalt<br />
der Kulturlandschaft angemessen<br />
honoriert wird, werden die Erfolge entweder<br />
schnell dahin sein oder die Feuchtwiesen<br />
würden sich schnell zu unbezahlbaren<br />
Pflegefällen des <strong>Natur</strong>schutzes<br />
wandeln!<br />
Werner Schubert<br />
IRRGEISTER 1/2006 25
Die Bruchhauser Steine -<br />
auch Riesen sind bedroht<br />
Die Bruchhauser Steine bei Olsberg-Bruchhausen mit den vier großen Felsen Bornstein (91 m hoch), Goldstein<br />
(60 m), Ravenstein (72 m) <strong>und</strong> Feldstein (45 m) sind eine der eindruckvollsten Felsgruppen in ganz NRW.<br />
Die herausragende Stellung der Bruchhauser Steine <strong>für</strong> die Flora von NRW zeigt sich im Vorkommen von<br />
Pflanzenarten, die einzigartig in Norddeutschland sind (vgl. den Artikel über die Flora im HSK in diesem Heft).<br />
RAABE (1989) stellte 75 Arten der Roten Liste NRW (höhere Pflanzen, Moose <strong>und</strong> Flechten) fest!<br />
Die bekannteste Schriftstellerin Westfalens, Annette von Droste-Hülshoff, schreibt über die Bruchhauser Steine<br />
im Buch „Das malerische <strong>und</strong> romantische Westphalen“ (SCHÜCKING & FREILIGRATH 1840): „Habichte, Falken <strong>und</strong><br />
Käuze siedeln in den zerklüften Felsen <strong>und</strong> steigern durch ihr Gepfeife oder lautloses Umkreisen der Zacken den<br />
Eindruck des wild-pittoresken Bildes.“<br />
Erfolgsstory des <strong>Natur</strong>schutzes<br />
Mit Käuzen dürfte Droste-Hülshoff<br />
den Uhu gemeint haben. Bis 1876 hat<br />
unser größter Nachtgreif hier gebrütet<br />
(FELDMANN 1963). 1876 wurden die letzten<br />
drei Junguhus ausgehorstet <strong>und</strong> in<br />
den Zoo nach Münster gebracht. Erst<br />
1995 besiedelte der Uhu die Bruchhauser<br />
Steine erneut <strong>und</strong> gehört nun wieder<br />
zum festen Bestandteil der Brutvögel<br />
dort.<br />
Auch die von Annette von Droste<br />
Hülshoff erwähnten Falken, genauer die<br />
Wanderfalken, bereichern heute wieder<br />
die Lebensgemeinschaft der Bruchhauser<br />
26 IRRGEISTER 1/2006<br />
Steine. Bis 1969 konnte sich der durch<br />
direkte Verfolgung von Taubenzüchtern<br />
<strong>und</strong> Falknern <strong>und</strong> durch Umweltgifte<br />
dezimierte Großfalke halten, bevor er,<br />
wie zuvor im restlichen NRW, auch hier<br />
als Brutvogel ausstarb. Der Jungvogel<br />
dieser letzten Brut wurde von einem<br />
Falkner geraubt.<br />
Als am 7. März 1989 erstmals wieder<br />
ein Wanderfalkenpaar vom VNV an<br />
den Bruchhauser Steinen beobachtet<br />
wurde, war es das erste Mal in NRW seit<br />
dem Verschwinden der Art, dass ein Paar<br />
an einem <strong>Natur</strong>felsen nachgewiesen wurde.<br />
Sofort war uns klar, dass der VNV<br />
eine Felssperrung <strong>und</strong> eine<br />
Wanderfalkenbewachung organisieren<br />
Foto: C. Finger<br />
musste, um den Falken eine Brutansiedlung<br />
zu ermöglichen.<br />
Am 8. März informierten wir das<br />
Umweltministerium in Düsseldorf. Da<br />
man sich auch dort der Bedeutung dieses<br />
Ereignisses <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz<br />
bewusst war, wurden noch am selben<br />
Tag (!) Bornstein <strong>und</strong> Ravenstein per<br />
Erlass <strong>für</strong> das Klettern gesperrt. Denn<br />
eine weitere Ausübung des Klettersports,<br />
bis dato regelmäßig an den Felsen betrieben,<br />
hätte eine eventuelle Brut nicht<br />
möglich gemacht.<br />
Schon am 18. März konnten zwei<br />
VNV-Mitglieder mit einer R<strong>und</strong>-um-die-<br />
Uhr-Bewachung beginnen, dank der in<br />
diesem Fall hervorragenden Zusammenarbeit<br />
zwischen den Behörden <strong>und</strong> dem
ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutz. Neben einer<br />
Aushorstung durch Falkner war die<br />
Missachtung des Kletterverbots eine<br />
ständige Bedrohung. Schon ein Kletterer<br />
in der weiteren Nistplatzumgebung<br />
hätte die Ursache sein können, dass das<br />
Wanderfalkenpaar nicht zur Brut schritte<br />
oder Eier bzw. Jungvögel während<br />
solcher Störung unterkühlten.<br />
1989 begann das Paar aber trotz Balz<br />
nicht mit der Brut, da das junge Männchen<br />
noch nicht fortpflanzungsfähig war.<br />
Der Erfolg kam im Folgejahr: 1990<br />
flogen erstmals seit 1964 wieder<br />
Jungfalken, <strong>und</strong> gleich drei Vögel, am<br />
Bornstein aus! Die Bewachung durch<br />
den VNV dauerte in jenem Jahr vom<br />
13.03. bis zum 10.06.<br />
Bis 1999 wurde eine solche Bewachung<br />
in jeweils ähnlichen Zeiträumen<br />
durchgeführt. Die in der Regel zwei Bewacher<br />
waren in einem Wohnwagen untergebracht.<br />
Von 1989 bis 1999 wurden<br />
ca. 48.000 Bewachungsst<strong>und</strong>en von ehrenamtlichen<br />
<strong>Natur</strong>schützern aus ganz<br />
Deutschland geleistet. Die gesamte Organisation<br />
lag ausschließlich beim VNV<br />
<strong>und</strong> war eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit,<br />
zumal von 1993 bis 1999 noch<br />
ein zweiter Wanderfalken-Brutplatz von<br />
uns bewacht wurde.<br />
Seit 2000 gibt es keine Dauerbewachung<br />
durch den VNV mehr. Aber<br />
nach wie vor werden die Bruchhauser<br />
Steine durch örtliche VNV’ler intensiv<br />
kontrolliert. Von 1991 bis 2004 wurden<br />
20 Jungfalken beringt, um über Ringwiederf<strong>und</strong>e<br />
zu wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />
zu gelangen.<br />
Die Wiederbesiedlung der Bruchhauser<br />
Steine <strong>und</strong> weiter Teile Deutschlands<br />
durch Uhu <strong>und</strong> Wanderfalke ist eine Erfolgstory<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes <strong>und</strong> kam nur<br />
durch massiven Einsatz von Tausenden<br />
<strong>Natur</strong>schützern in ganz Deutschland zustande.<br />
An den Felsen Vorrang <strong>für</strong><br />
den <strong>Natur</strong>schutz!<br />
Schon seit 1921 liefen Bemühungen,<br />
die Bruchhauser Steine unter <strong>Natur</strong>schutz<br />
zu stellen. Eine Ausweisung als<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet (NSG) erfolgte aber<br />
erst 1951. Das Beklettern der Felsen<br />
wurde verboten.<br />
Immatures Wanderfalkenweibchen<br />
Foto: B. Zoeller<br />
Später wurde allerdings dem Eigentümer<br />
erlaubt, Erlaubnisscheine zum<br />
Beklettern der Felsen an Sektionen des<br />
Deutschen Alpenvereins (DAV) auszugeben.<br />
Fortan nutzten zahlreiche Sportkletterer<br />
die <strong>Natur</strong>felsen <strong>für</strong> ihr Hobby<br />
– mit sehr negativen Auswirkungen gerade<br />
<strong>für</strong> solche Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten,<br />
<strong>für</strong> deren Erhalt das Schutzgebiet ausgewiesen<br />
wurde. Beispielsweise wurden<br />
das Bleiche Habichtskraut (Hieracium<br />
pallidum) <strong>und</strong> das Lotwurzblätterige<br />
Habichtskraut (Hieracium onosmoides),<br />
beides Felsarten an ihrer nordwestlichen<br />
Verbreitungsgrenze, während des<br />
Kletterbetriebs deutlich seltener.<br />
Bereits von 1984 an bemühte sich der<br />
VNV darum um eine Änderung der Ver-<br />
Eine Schulklasse aus Bruchhausen informiert sich<br />
bei den Wanderfalkenbewachern<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
IRRGEISTER 1/2006 27
Nur die vorgegebenen Stufen dürfen zum Besteigen<br />
des Feldsteins von Wanderern betreten werden<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
ordnung, um sowohl die floristischen<br />
Kostbarkeiten zu erhalten, als auch eine<br />
Wiederansiedlung des Wanderfalken zu<br />
ermöglichen.<br />
Seit 1992 endlich ist das Klettern an<br />
allen vier Hauptfelsen verboten. Nur der<br />
Feldstein darf von der östlichen Seite aus<br />
erwandert werden.<br />
Im Landschaftsplan Olsberg (HOCH-<br />
SAUERLANDKREIS 2004) findet sich unter<br />
dem Stichwort NSG „Bruchhauser Steine“:<br />
„Schutzzweck: Mit höchster Priorität<br />
sind die Felsen zu sichern als<br />
Habitat spezifischer Pflanzenarten <strong>und</strong><br />
als Brutplatz gefährdeter Vogelarten.<br />
Der Erhalt der o. g. Lebensräume erfordert<br />
vor allem eine naturnahe Waldbewirtschaftung<br />
<strong>und</strong> ein Kletterverbot.“<br />
Soweit wäre alles in Ordnung. Wenn<br />
nicht, ja wenn nicht nach wie vor das<br />
Damoklesschwert der Freigabe des Kletterns<br />
über den Steinen schweben würde.<br />
Denn die Klettersportler, zusammengeschlossen<br />
in der „IG Klettern“, bemühen<br />
sich fortlaufend, dass das <strong>für</strong> den<br />
Schutz der Pflanzen <strong>und</strong> seltenen Vögel<br />
notwendige Kletterverbot aufgeweicht<br />
oder aufgehoben wird – mit einem<br />
Aktionstag an den Steinen, bei dem ille-<br />
28 IRRGEISTER 1/2006<br />
gal von Kletterern zwei<br />
Transparente in den<br />
Felsen angebracht wurden,<br />
<strong>und</strong> hartnäckiger<br />
Lobbyarbeit bei Politikern.<br />
1<br />
Seit es zum Wechsel<br />
der Landesregierung in<br />
Düsseldorf kam, haben<br />
die Aktivitäten der IG<br />
Klettern deutlich zugenommen.<br />
Sie gibt sich<br />
oberflächlich<br />
kompromissbereit: „An<br />
den Bruchhauser Steinen<br />
könnten 80 % der<br />
Felsen gesperrt werden,<br />
in den verbleibenden<br />
Felsen sind 90 % der<br />
Kletterrouten.“ Die<br />
Kletterer wollen, dass<br />
an allen senkrechten<br />
Felsen über 10 m Höhe<br />
geklettert werden darf.<br />
Dem <strong>Natur</strong>schutz<br />
möchten sie die kleinen<br />
Felsen <strong>und</strong> Felsbrocken,<br />
dann tatsächlich 80-90 %,<br />
überlassen. Würde dies<br />
Wirklichkeit, wäre es ein<br />
Armutszeugnis von<br />
<strong>Natur</strong>schutzpolitik.<br />
Für eine einzige Interessengruppe -<br />
die Felsenkletterer - soll der einzige<br />
Wuchsort vieler Pflanzenarten in NRW<br />
geopfert werden, obwohl Alternativen in<br />
Steinbrüchen vorhanden wären. Dies<br />
wäre das Todesurteil <strong>für</strong> die einmalige<br />
Flora an den Felsen, denn Kletterersportler<br />
können am Fels nicht über die<br />
Standorte von seltenen Moosen, Flechten<br />
<strong>und</strong> höhere Pflanzen hinwegschweben.<br />
Im HSK wird zur Zeit an zwölf Standorten<br />
geklettert, davon sind zehn illegal.<br />
Dass die Gefahr durch Kletterer durchaus<br />
real ist, zeigt der Tod von 2 Junguhus<br />
in einem NSG im Stadtgebiet Marsberg<br />
(Lindner 2006). Diese beiden Junguhus<br />
starben, nachdem illegale Kletterer das<br />
hudernde Weibchen von den Jungen trieben.<br />
Schon 1990 beschreibt SCHUBERT die<br />
bis heute gültige Position des VNV zur<br />
von uns unterstützten Suche nach Alternativen<br />
zu den Bruchhauser Steinen <strong>für</strong><br />
die Kletterer: „Die Ausweisung von<br />
Klettergärten ist ... eine sinnvolle Möglichkeit,<br />
um naturschonend Klettersport<br />
zu betreiben. Bei der Suche nach alternativen<br />
Klettermöglichkeiten in Steinbrüchen<br />
arbeiten VNV <strong>und</strong> DAV zusammen,<br />
damit mögliche Konflikte bei der<br />
Auswahl solcher Klettergärten von vorneherein<br />
vermieden werden.“ Damals<br />
scheiterte die Suche nach Alternativen<br />
zu den Bruchhauser Steinen nicht am<br />
VNV, sondern der Deutsche Alpenverein<br />
konnte sich nicht mit den Flächeneigentümern<br />
einigen.<br />
Zur Zeit arbeitet der VNV bei der Erstellung<br />
von zwei Kletterkonzeptionen<br />
in stillgelegten Steinbrüchen mit. Zu einem<br />
ehrlichen Kompromiss kann es aber<br />
nur kommen, wenn nicht nur den Interessen<br />
der Kletterer, sondern auch den<br />
Belangen der <strong>Natur</strong> ausreichend Rechnung<br />
getragen wird. Der VNV sagt klar:<br />
Die Sportkletterer sollen an ausgewählten,<br />
<strong>für</strong> sie geeigneten Steinbrüchen im<br />
HSK klettern dürfen.<br />
Aber die Bruchhauser Steine müssen<br />
tabu bleiben!<br />
Martin Lindner<br />
Anmerkung: Im nächsten IRR-<br />
GEISTER-Heft erscheint ein ausführlicher<br />
Artikel über die Bruchhauser<br />
Steine.<br />
Literatur:<br />
FELDMANN, R. (1963): Der Uhu in Westfalen.<br />
Nat. u. Heimat 23: 19-26.<br />
LINDNER, M. (2006): Uhubrut durch<br />
Sportkletterer vernichtet. Falke 53: Heft<br />
10, S. 356.<br />
RAABE, U. (1989): Gutachten der Landesanstalt<br />
<strong>für</strong> Ökologie, Landschaftsentwicklung<br />
<strong>und</strong> Forstplanung zur Vegetation<br />
der Bruchhauser Steine. (unveröffentlicht).<br />
SCHUBERT, W. (1990): Die Bruchhauser<br />
Steine – <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Klettersport<br />
im Konflikt. <strong>Natur</strong>- u. Landschaftsk<strong>und</strong>e<br />
26: 1-6.<br />
SCHÜCKING, L. & F. FREILIGRATH<br />
(Hersg.)(1840): Das malerische <strong>und</strong> romantische<br />
Westphalen. Barmen + Leipzig.<br />
1 Aufschlussreich ist, sich die<br />
Internetseite der IG Klettern (www.igklettern-nrw.de),<br />
die Dokumentation<br />
ihrer Aktion „Free-NRW“ (über<br />
www.on-sight.de) <strong>und</strong> auch<br />
www.klettern-in-bruchhausen.de anzusehen.
Schmackhaftes aus<br />
wertvollem Lebensraum<br />
Obstwiesen im Sauerland<br />
Heutzutage kauft man die Äpfel im Supermarkt. Sie stammen aus Plantagen <strong>und</strong> sind manchmal schon<br />
um die halbe Welt geflogen, bevor sie auf unserem Tisch landen. Noch vor einigen Jahrzehnten war dies<br />
bei uns gänzlich anders: Äpfel <strong>und</strong> auch Birnen, Pflaumen <strong>und</strong> Kirschen wuchsen im eigenen Garten<br />
oder stammten von Bäumen, die es r<strong>und</strong> um unsere Dörfer gab. Noch in den 1950er Jahren waren viele<br />
Sauerländer Siedlungen umgeben von einem Kranz aus Wiesen, auf denen Obstbäumen parkähnlich<br />
standen; Feldwege wurden kilometerlang von Obstbäumen flankiert. Die Bäume pflanzte man in den<br />
vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten, um die Versorgung der Bevölkerung mit energie- <strong>und</strong> vitaminreicher Kost<br />
sicher zu stellen.<br />
Bestimmen von Obstbäumen in S<strong>und</strong>ern-Weninghausen Foto: G. Kistner<br />
Der Lebensraum Obstwiese<br />
Auch die Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt profitierte<br />
von diesen Streuobstwiesen. 1<br />
Denn anders als die heutigen<br />
kleinwüchsigen, gedüngten <strong>und</strong> gespritz-<br />
ten Bäume der Obstplantagen bieten<br />
unsere Obstwiesen einen wertvollen Lebensraum:<br />
In den <strong>Natur</strong>höhlen der alten,<br />
hochstämmigen Bäume können höhlenbrütende<br />
Vögel wie Gartenrotschwanz<br />
<strong>und</strong> Steinkauz ihre Jungen ebenso großziehen<br />
wie Fledermäuse. Eine Vielzahl<br />
von Insekten, z. B. Schmetterlinge <strong>und</strong><br />
Wildbienen, lebt in den Obstbäumen <strong>und</strong><br />
in den blütenreichen, extensiv als<br />
Mähwiese oder Viehweide genutzten<br />
Flächen.<br />
IRRGEISTER 1/2006 29
Über die Sorten<br />
Bei den meisten Obstwiesen im Hochsauerlandkreis<br />
finden wir ein Standardsortiment<br />
an Sorten. Durch eine behördliche<br />
Verordnung aus den ersten Jahren<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, der Zeit der Anlage<br />
vieler heute bestehender Obstwiesen,<br />
wurde dies festgelegt. In der so genannten<br />
Reichsobstsortenliste wurden Sorten<br />
empfohlen, die <strong>für</strong> das jeweilige Gebiet<br />
geeignet waren,. Westfalen wurde z. B.<br />
in Sauer- <strong>und</strong> Siegerland, Hellweggebiet<br />
<strong>und</strong> Westfälische Bucht eingeteilt. In diesen<br />
Listen kommt ein Gr<strong>und</strong>sortiment an<br />
Obstsorten vor.<br />
Darüber hinaus gibt<br />
es aber in jedem<br />
Gebiet auch so genannte<br />
Lokal- <strong>und</strong><br />
Regionalsorten.<br />
Aber auch dieses„Standardsortiment“,<br />
weiter<br />
bereichert durch<br />
örtliche Auslesen,<br />
die nirgendwo<br />
sonst angepflanzt<br />
wurden, spiegelt<br />
Sortenvielfalt wieder,<br />
verglichen mit<br />
dem heutigen<br />
Standartsortiment.<br />
Denn handelsübliches<br />
Obst gehört<br />
heutzutage nur<br />
noch wenigen Sorten<br />
an, <strong>und</strong> dies<br />
deutschland- <strong>und</strong><br />
sogar europaweit<br />
betrachtet.<br />
Alte Sorten (im<br />
folgenden soll nur von Äpfeln die Rede<br />
sein), die in Westfalen <strong>und</strong> in ganz<br />
Deutschland vorkommen, sind z. B. die<br />
Rote Sternrenette, Jakob Lebel <strong>und</strong><br />
Dülmener Rosenapfel. Typisch westfälische<br />
Sorten sind die Graue Herbstrenette<br />
<strong>und</strong> der Westfälische Gulderling sowie<br />
die Westfälische Tiefblüte. Auch die Luxemburger<br />
Renette ist unter anderem in<br />
Westfalen verbreitet. Zu den Lokalsorten<br />
gehören der Liesener Kantapfel <strong>und</strong> der<br />
Schöne aus Oesdorf. Letztgenannter<br />
wurde, der Name verrät es, im Dorf<br />
Oesdorf bei Marsberg entdeckt, <strong>und</strong> ist<br />
dort noch vereinzelt zu finden.<br />
Vor dem Erscheinen der Reichsobstsortenliste<br />
wurden die einzelnen Sorten<br />
30 IRRGEISTER 1/2006<br />
von Generation zu Generation weitergegeben.<br />
Dabei waren zum Teil einige sehr<br />
seltene wie der Edelborsdorfer – vor<br />
wenigen Jahren von uns in S<strong>und</strong>ern-<br />
Weninghausen wiederentdeckt – oder die<br />
Osnabrücker Renette.<br />
Obstwiesen sind heute meistens sehr<br />
alt – <strong>und</strong> hochgradig schutzwürdig.<br />
Nicht nur wegen des wertvollen Lebensraums,<br />
sondern auch, weil Obstwiesen<br />
ein wichtiges Element unserer gewachsenen<br />
Kulturlandschaft darstellen <strong>und</strong><br />
wegen der in Jahrh<strong>und</strong>erten gewachsenen<br />
genetischen Vielfalt der Obstbäume.<br />
Sorte „Kaiser Wilhelm“<br />
Foto: G. Kistner<br />
Leider sind die Bäume wegen Überalterung<br />
<strong>und</strong> mangelnder Pflege größtenteils<br />
in einem sehr schlechten Zustand.<br />
Das, was noch übrig geblieben<br />
ist<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es<br />
mit den Obstwiesen bergab: Das Obst<br />
kaufte man nun im Supermarkt, die Bäume<br />
standen <strong>und</strong> stehen den landwirtschaftlichen<br />
Maschinen im Weg. Industrialisierung<br />
<strong>und</strong> Intensivierung sind<br />
seitdem die Schlagwörter der Landwirtschaftspolitik.<br />
Noch in den 1970er Jah-<br />
ren wurde die Rodung von Obstwiesen<br />
durch EU-Mittel subventioniert <strong>und</strong> so<br />
deren Vernichtung massiv gefördert!<br />
Die meisten Obstwiesen verschwanden,<br />
<strong>und</strong> mit ihnen wertvoller Lebensraum<br />
<strong>und</strong> landschaftliche Schönheit.<br />
Denn wer erfreut sich nicht gerne im<br />
Frühjahr an blühenden, in Wiesen <strong>und</strong> an<br />
Feldern stehenden Apfel- <strong>und</strong> Birnbäumen?!<br />
Auch im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist diese Entwicklung<br />
nicht gestoppt, obwohl der<br />
Wert von Obstwiesen <strong>für</strong> <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />
Landschaft außer Zweifel steht. Und obwohl<br />
die lokalen,<br />
ungespritzten Äpfel,<br />
Birnen, Kirschen<br />
<strong>und</strong> Pflaumen eine<br />
ges<strong>und</strong>e Alternative<br />
zum Obst der<br />
Supermarktketten<br />
wären. Doch obwohl<br />
die Sortenvielfalt<br />
vergangener Tage<br />
erhalten bleiben<br />
müsste, obwohl der<br />
Überalterung von<br />
Obstwiesen durch<br />
Nachpflanzen lokaler<br />
Sorten entgegengewirkt<br />
werden<br />
müsste: Nicht immer<br />
können Besitzer von<br />
Streuobstwiesen von<br />
der Wichtigkeit <strong>und</strong><br />
von dem Nutzen von<br />
Obstbäumen in der<br />
Landschaft überzeugt<br />
werden.<br />
Grünlandsintensivierung,<br />
Baugebietserweiterung. Und wenn dort<br />
eine alte Streuobstwiese steht – weg<br />
damit! Das ist leider immer noch viel zu<br />
oft die bittere Realität!<br />
Dazu zwei konkrete Fälle:<br />
Auf einer großen, im städtischen Besitz<br />
befindlichen Obstwiese am westlichen<br />
Stadtrand von S<strong>und</strong>ern stehen etwa<br />
80 Apfelbäume, unter anderem 17 Bäume<br />
der Sorte „Schöner aus Boskoop“.<br />
Die Stadt ist jedoch nicht bereit, einen<br />
Vertrag mit dem VNV über die Pflege<br />
dieser wertvollen Fläche abzuschließen<br />
oder anderweitig <strong>für</strong> den Erhalt der Bäume<br />
zu sorgen. Wir dürfen keine neuen<br />
Bäume anpflanzen <strong>und</strong> auch die vorhandenen<br />
nicht schneiden, also <strong>Natur</strong>schutz-
„Winterrambour“ auf dem Spreiberg bei Arnsberg Foto. J. Langanki<br />
maßnahmen durchführen. Denn die Fläche<br />
soll Baugebiet werden ...<br />
Nahe Marsberg befindet sich am<br />
Diemeltal eine ausgedehnte, landschaftsprägende<br />
Obstwiese, die als Rinderweide<br />
genutzt wird. Der Landwirt darf zwar<br />
die Obstbäume nicht roden, da sie gesetzlich<br />
geschützt sind. Aber weil die<br />
Bäume ihn stören, wollte auch er nicht<br />
dem VNV gestatten, an ihnen einen<br />
Pflegeschnitt durchzuführen, um sie zu<br />
erhalten, ganz zu schweigen von der<br />
Erlaubnis, junge Bäume nachzupflanzen.<br />
Er weiß genau, dass die überalterten<br />
Bäume nach <strong>und</strong> nach umstürzen <strong>und</strong><br />
freut sich schon auf eine baumfreie Weide.<br />
Dem Trend gegensteuern!<br />
Schon seit Jahren ist der VNV aktiv<br />
im Obstwiesenschutz. In den Stadtgebieten<br />
Arnsberg <strong>und</strong> S<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> im östlichen<br />
HSK um Marsberg führten wir an<br />
h<strong>und</strong>erten Obstbäumen im Außenbereich<br />
einen Pflegeschnitt durch. Dadurch verlängert<br />
sich das Lebensalter der Bäume,<br />
die als Kulturpflanzen auf Pflege angewiesen<br />
sind. Des weiteren legten wir in<br />
den Stadtgebieten Marsberg <strong>und</strong> Brilon<br />
neue Obstwiesen an <strong>und</strong> pflanzten in<br />
bestehenden Obstwiesen neue Bäume<br />
nach. Bis jetzt setzten wir knapp 150<br />
junge Bäume, inklusive der Anbringung<br />
von Verbissschutz eine langwierige Arbeit!<br />
Die gepflanzten Bäume gehören<br />
sämtlich regionalen, standortgerechten<br />
Sorten an.<br />
Vor einigen Jahren sind mit Hilfe der<br />
Forstgenbank in Arnsberg <strong>und</strong> der<br />
Biostation junge Apfelbäume veredelt<br />
worden. Bei einem Termin im Winter<br />
wurden alte Apfelbäume, bei denen ich<br />
wusste, um welche Sorte es sich handelt,<br />
im Westteil des HSK aufgesucht, <strong>und</strong><br />
von uns markiert. Zu einem späterem<br />
Zeitpunkt wurden von diesen Bäumen<br />
Reiser geschnitten, um daraus neue Bäume<br />
zu ziehen bzw. zu veredeln. Im darauf<br />
folgenden Herbst wurden insgesamt<br />
62 einjährige Apfelbäume auf dem ehemaligen<br />
Truppenübungsplatz Spreiberg<br />
bei Müschede gepflanzt. Diese werden<br />
zur Zeit zu Hochstämmen erzogen.<br />
Eine ähnliche Aktion initiierten wir <strong>für</strong><br />
den Erhalt seltener Sorten einer von uns<br />
betreuten Streuobstwiese bei Marsberg-<br />
Udorf. Hier wurden im letzten Winter<br />
junge Bäume nachgepflanzt, die zuvor<br />
aus ihren nun in Nachbarschaft stehenden<br />
„Elternbäumen“ gezogen wurden.<br />
Auch in Zukunft wird sich der VNV<br />
um den Erhalt von Streuobstwiesen<br />
kümmern <strong>und</strong> versuchen, alte Sorten zu<br />
erhalten. An den von uns gepflanzten<br />
Obstbäume führen wir regelmäßig<br />
Pflegeschnitte durch, um sie in „die richtige<br />
Form zu bringen“. Auch möchten<br />
wir wie bisher auch weiterhin an alten<br />
Bäumen einen Erhaltungsschnitt durchführen.<br />
Zur Zeit werden da<strong>für</strong> aber keine<br />
Fördergelder bewilligt, so dass <strong>für</strong> uns<br />
die Unkosten zu hoch wären.<br />
Jörg Langanki<br />
Literatur:<br />
LUCKE, R., R. SILBEREISEN, E. HERZ-<br />
BERGER (1992): Obstbäume in der<br />
Landschaft<br />
1 Streuobstwiesen sind eine landwirtschaftliche<br />
Mehrfachnutzung einer Fläche,<br />
sie dienen der Obsterzeugung <strong>und</strong><br />
werden zudem als Mähwiese oder Viehweide<br />
genutzt. Die Herkunft der Bezeichnung<br />
Streuobstwiese stammt von<br />
dem Begriff „Obstbau in Streulage“, der<br />
nach derzeitigen Erkenntnissen erstmals<br />
1940 <strong>für</strong> den nichtgewerblichen, hochstämmigen<br />
Obstbau in Schleswig-Holstein<br />
verwendet wurde.<br />
IRRGEISTER 1/2006 31
32 IRRGEISTER 1/2006<br />
Verborgenes Leben<br />
Amphibien <strong>und</strong> Reptilien im Sauerland<br />
Die Amphibien <strong>und</strong> Reptilien im Sauerland führen nicht nur wegen ihrer oftmals heimlichen Lebensweise<br />
unter Steinen, im Pflanzengewirr, in <strong>und</strong> an Gewässern ein Leben im Verborgenen, sondern auch,<br />
weil der derzeitige Wissensstand über die Verbreitung der meisten Arten gering ist.<br />
Indikatorfunktion<br />
Dabei spielen diese beiden Artengruppen<br />
eine bedeutende Rolle bei der<br />
Qualitätsbeurteilung von Lebensräumen<br />
<strong>und</strong> sind somit Schlüsselarten <strong>für</strong> die<br />
Ausweisung von Schutzgebieten.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> bemüht sich der<br />
VNV derzeit, die bestehenden Wissenslücken<br />
über die Vorkommen der Amphibien<br />
<strong>und</strong> Reptilien im Hochsauerlandkreis<br />
zu schließen. Hierbei müssen wir<br />
vor allem die gefährdeten <strong>und</strong> an spezielle<br />
Lebensraumstrukturen angepassten<br />
Arten beachten. Dies betrifft im Sauerland<br />
besonders Zauneidechse, Ringel<strong>und</strong><br />
Schlingnatter, Kammmolch sowie<br />
Kreuz- <strong>und</strong> Geburtshelferkröte.<br />
Vielfältige Gefahren<br />
Die Gefährdungsursachen sind umfangreich<br />
<strong>und</strong> betreffen zunehmend auch<br />
häufige Arten, z.B. Feuersalamander,<br />
Grasfrosch <strong>und</strong> Erdkröte. Hohe Verluste<br />
durch Straßenverkehr,<br />
Laichverpilzung infolge<br />
Gewässerversauerung, Gewässerausbau<br />
<strong>und</strong> intensive Fischhaltung in Teichen,<br />
Bächen <strong>und</strong> Flüssen mit überhöhtem<br />
Fischbesatz sorgen da<strong>für</strong>, dass auch die<br />
Bestände der weit verbreiteten Arten<br />
zurückgehen.<br />
Eine generell <strong>und</strong> überall gegebene<br />
Gefährdung geht von der enormen<br />
Nährstoffanreicherung unserer Landschaft<br />
durch Gülle, Kunstdünger <strong>und</strong><br />
Schlingnatter Foto: G. Kistner<br />
Stickstoffimmissionen aus. Dies führt<br />
dazu, dass Laichgewässer <strong>und</strong> offene<br />
Landlebensräume wie Magerrasen,<br />
Steinbrüche <strong>und</strong> Böschungen immer<br />
schneller zuwachsen <strong>und</strong> so wichtige<br />
Bedingungen des Kleinklimas, z. B.<br />
Bodenfeuchtigkeit <strong>und</strong> Sonneneinstrahlung,<br />
nachhaltig <strong>und</strong> <strong>für</strong> Kriechtiere<br />
negativ verändert werden.<br />
Einige Arten, beispielsweise<br />
Schlingnatter <strong>und</strong> vor allem Kreuzkröte,<br />
reagieren sehr sensibel auf das Zuwachsen<br />
ihrer Habitate; ihre Vermehrung verringert<br />
sich oder bleibt ganz aus. Auf<br />
diese Weise verschwinden lokale oder<br />
sogar regionale Vorkommen.
Verinselung durch<br />
Lebensraumzerstörung<br />
Besonders negativ wirken sich auch<br />
Grünlandumbruch, Aufforstung mit Nadelgehölzen<br />
<strong>und</strong> die Vernichtung von<br />
Hecken <strong>und</strong> Säumen aus. Diese Maßnahmen<br />
führen dazu, dass die ohnehin geringe<br />
Ausbreitungsfähigkeit der Amphibien<br />
<strong>und</strong> Reptilien weiter eingeschränkt<br />
wird <strong>und</strong> einzelne Vorkommen zunehmend<br />
isoliert werden, da ihnen keine<br />
deckungs- <strong>und</strong> nahrungsreichen Verb<strong>und</strong>systeme<br />
mehr zur Verfügung stehen.<br />
Ein Genaustausch zwischen einzelnen<br />
Populationen wird somit unterb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> führt auf Dauer zum Erlöschen<br />
vieler kleiner Vorkommen, die auf Zuwanderung<br />
angewiesen sind.<br />
Blindschleiche Foto: G. Kistner<br />
Zauneidechse<br />
Foto: W. Schubert<br />
Feuersalamander Foto. N. Schröder<br />
IRRGEISTER 1/2006 33
Schutzstrategien<br />
Wie die Gefährdungsbeispiele zeigen,<br />
müssen Schutzstrategien <strong>für</strong> die Amphibien<br />
<strong>und</strong> Reptilien viel komplexer gestaltet<br />
werden, als allein durch die Anlage<br />
von Tümpeln <strong>und</strong> Krötenzäunen an Straßen.<br />
Der VNV unterstützt durch Lebensraum<br />
verbessernde Maßnahmen wie<br />
Entbuschung von offenen Magerweiden<br />
<strong>und</strong> Grünlandextensivierung natürlich<br />
einzelne Vorkommen. Doch betrachten<br />
wir die fortschreitende, intensive Nutzung<br />
unserer Landschaft durch Land<strong>und</strong><br />
Forstwirtschaft einerseits <strong>und</strong> die<br />
völlige Nutzungsaufgabe von Flächen<br />
andererseits, wird deutlich, dass nur die<br />
Abkehr einer Intensivnutzung zugunsten<br />
einer naturverträglichen Wirtschaftsweise<br />
helfen kann, dass die Amphibien<br />
<strong>und</strong> Reptilien im Sauerland weiterhin im<br />
Verborgenen leben können.<br />
Sven Kuhl<br />
34 IRRGEISTER 1/2006<br />
Erdkröten bei der Paarung Foto: G. Kistner<br />
Von VNV-Mitgliedern gerettete Kaulquappen aus austrocknenden Pfützen Foto: G. Kistner
Rotes Höhenvieh des VNV im NSG „Auf der Wiemecke“ bei Marsberg Foto: V. Falkenstein<br />
Die „Roten“ pflegen wieder<br />
Kulturlandschaft -<br />
Das VNV-Projekt „Rotes Höhenvieh“<br />
Der VNV betreibt – wie die meisten anderen <strong>Natur</strong>schutzverbände Mitteleuropas – überwiegend nicht <strong>Natur</strong>schutz<br />
im eigentlichen Sinn, sondern Kulturschutz. Denn die Sauerländer Landschaft mit ihren vielfältigen Lebensräumen,<br />
um dessen Erhalt sich der VNV bemüht, ist ein Produkt der über die Jahrh<strong>und</strong>erte stattgef<strong>und</strong>enen,<br />
kleinbäuerlichen Wirtschaftsweise. Das Sauerland ist eine Kulturlandschaft, entstanden erst durch die Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
lange Nutzung durch den Menschen <strong>und</strong> sein Weidevieh. Diese Kulturlandschaft ist geprägt durch vielfältige,<br />
kleinräumige Strukturen <strong>und</strong> spezielle Lebensräume, die einer Vielzahl unterschiedlicher Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten<br />
einen Überlebensraum bieten.<br />
Im Rahmen der historischen Landwirtschaft<br />
entwickelten sich im Laufe der<br />
Zeit Nutztiere die sich an diese Landschaften<br />
<strong>und</strong> deren Nahrungsangebote<br />
anpassten. Die Weideflächen entwickelten<br />
sich zu blühenden Oasen, denn viele<br />
Pflanzen, z. B. verschiedene Orchideenarten,<br />
Enziane <strong>und</strong> Kräuter, kamen besonders<br />
gut mit den dort herrschenden<br />
Bedingungen (magere, offene Standorte,<br />
besonders viel oder wenig Bodenfeuchte)<br />
zurecht. Im Zuge solcher Pflanzen<br />
konnten dann Tierarten diese Lebensräume<br />
besiedeln, die sich, wie viele<br />
Insekten, auf solche Pflanzen als Nahrung<br />
spezialisiert haben.<br />
Als dann die Mechanisierung in das<br />
bäuerliche Leben Einzug hielt, brauchten<br />
die Landwirte keine Tiere mehr, die<br />
Spanndienste leisteten. Die Fahrkühe, die<br />
den Wagen oder den Pflug gezogen hatten,<br />
waren „out“. Kühe sollten nur noch<br />
Milch oder nur noch Fleisch liefern. Dies<br />
konnten die einfarbig roten Landschläge,<br />
klassische Dreinutzungsrinder, nicht leisten<br />
<strong>und</strong> wurden eingekreuzt oder abgeschafft<br />
<strong>und</strong> durch hochgezüchtete,<br />
neue Rinderrassen ersetzt.<br />
Das einfarbig rote <strong>und</strong> mit einem hellen<br />
Flotzmaul versehene „Rote Höhenvieh“,<br />
eine sich im Sauerland über Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
hin entwickelte Rinderrasse,<br />
war an die rauen Mittelgebirgslagen<br />
angepasst: klein, zäh <strong>und</strong> kräftig. Es hat,<br />
wie auch Ziegen <strong>und</strong> Schafe, unsere<br />
Weidelandschaft geprägt.<br />
Mit dem Verschwinden dieser alten<br />
Haustierrasse wurden die nassen oder<br />
mageren Flächen nicht mehr als Viehweide<br />
genutzt <strong>und</strong> sie verbuschten. Denn <strong>für</strong><br />
Hochleistungsrinder sind extreme Standorte<br />
nicht geeignet. Die Folge war, dass<br />
mit der Nutzungsaufgabe oder durch<br />
bodenverbessernde Maßnahmen (Düngung,<br />
Drainage) die artenreichen Lebensräume<br />
wie magere Bergwiesen <strong>und</strong><br />
Feuchtwiesen verschwanden <strong>und</strong> weiter<br />
IRRGEISTER 1/2006 35
Helles Flotzmaul Foto: N. Schröder<br />
verschwinden. Unsere Landschaft wird<br />
daher seit Jahrzehnten artenärmer; viele<br />
von Magerweiden abhängige Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste.<br />
Mit dem Projekt „Rotes Höhenvieh<br />
(RHV)“ will der VNV dieser negativen<br />
Entwicklung entgegensteuern. Wir wollen<br />
dazu beitragen, diese alte, heimische<br />
Haustierrasse zu erhalten <strong>und</strong> durch<br />
Widerkäuen Foto: N. Schröder<br />
36 IRRGEISTER 1/2006<br />
Zucht wieder an das ehemals hier gehaltene<br />
Rote Höhenrind heranzuführen.<br />
Gleichzeitig betreiben die Tiere<br />
Lebensraumschutz <strong>und</strong> bewahren Tiere<br />
<strong>und</strong> Pflanzen vor dem Aussterben. Durch<br />
die Bewirtschaftung von Magerweiden,<br />
so wie sie seit Jahrh<strong>und</strong>erten praktiziert<br />
wurde, erhält das Rote Höhenvieh diese<br />
Lebensräume, indem es bei der Beseitigung<br />
von Aufwuchs hilft.<br />
Der VNV betreibt den Schutz wertvoller<br />
Sauerländer Biotope <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
Kulturschutz durch den Erhalt einer<br />
historischen Rinderrasse in Anlehnung<br />
an die historische Wirtschaftsweise.<br />
Im Jubiläumsjahr 2006 – dem 16. Jahr<br />
seit Beginn des Projektes – setzt der<br />
VNV die Rinder auf verschiedenen<br />
Weideflächen ein.<br />
Die größte <strong>und</strong> als erste mit Rotem<br />
Höhenvieh beweidete VNV-Fläche befindet<br />
sich bei Brilon-Madfeld im NSG<br />
„Hemmecker Bruch“. Für diese in Teilbereichen<br />
sehr nasse Wiese ließ sich damals<br />
kein Bewirtschafter finden. Vor<br />
kurzem konnte mit Hilfe der NRW-Stiftung<br />
eine weitere Feuchtwiese bei<br />
Madfeld am „Prinzknapp“ erworben <strong>und</strong><br />
so erhalten werden. Eine andere Feuchtwiese<br />
wird in Marsberg-Essentho im<br />
geplanten NSG „Auf dem Bruch“ gepflegt.<br />
Im Gegensatz zu diesen sehr feuchten<br />
Flächen beweidet das „Rote Höhenvieh“<br />
auch Flächen in Marsberg-Obermarsberg<br />
im Glindegr<strong>und</strong> <strong>und</strong> im nahen<br />
NSG „Auf der Wiemecke“.<br />
Die Unterschutzstellung dieser Flächen<br />
erfolgte zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />
der seltenen <strong>und</strong> gefährdeten<br />
Magerweiden mit ihren typischen Pflanzen-<br />
<strong>und</strong> Tierarten. Die einmaligen Steilhänge<br />
der Wiemecke sind durch Gebüsche<br />
<strong>und</strong> Feldhecken reich gegliedert.<br />
Dem Wanderer <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>liebhaber fällt<br />
die herausragende Schönheit der<br />
strukturreichen, halboffenen Hänge auf.<br />
Die VNV-Herde zählt zur Zeit ca. 30<br />
Tiere im Alter von 15 Jahren bis hin zu<br />
Kälbern.<br />
Der Anfang unserer traditionellen <strong>und</strong><br />
tierfre<strong>und</strong>lichen Mutterkuhhaltung im<br />
VNV war 1990. Die Beweidung wurde<br />
mit drei Tieren begonnen <strong>und</strong> schon 1991<br />
konnten sieben Tiere aufgestallt werden.<br />
Die Herde wuchs stetig <strong>und</strong> somit auch<br />
die Anforderungen an die <strong>Verein</strong>smitglieder<br />
der Projektgruppe „RHV“.<br />
Als Hilfsmittel hat die Gruppe mittlerweile<br />
einen zweiten Viehanhänger <strong>und</strong><br />
acht Elemente eines beweglichen<br />
Treibgitters angeschafft. Diese werden<br />
ständig gebraucht: Tiere müssen von einer<br />
Weide zur anderen gefahren werden.<br />
Verkaufs- oder Schlachttiere sind zu separieren<br />
<strong>und</strong> zu transportieren. Die Gitter<br />
leisten außerdem sehr gute Dienste<br />
bei tierärztlichen Untersuchungen <strong>und</strong><br />
bei den Blutkontrollen.<br />
Die Mitglieder der Projektgruppe<br />
„RHV“ sind in den letzten 16 Jahren zu<br />
Fachleuten in der Rinderzucht geworden.<br />
Dies zeigt sich in der Mitgliedschaft<br />
<strong>und</strong> in der Mitarbeit in folgenden <strong>Verein</strong>igungen:<br />
„<strong>Verein</strong> zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />
des Roten Höhenvieh e.V.“;<br />
„<strong>Verein</strong> zur Förderung der Rotviehzucht<br />
in Westfalen e.V.“,<br />
„Gesellschaft zur Erhaltung alter <strong>und</strong><br />
gefährdeter Haustierrassen e.V.“ (GEH)<br />
„B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Rotes<br />
Höhenvieh“ (BAG-RHV).<br />
Unser großes Fernziel ist das Finden<br />
bzw. Erstellen eines Winterquartiers oder<br />
größeren Stalls <strong>für</strong> die gesamte Herde,<br />
die zur Zeit noch im Winter in verschiedenen<br />
Ställen steht. In diesen Ställen stehen<br />
die Tiere nicht einzeln auf engem<br />
Raum, schon gar nicht auf Gitterrosten
Rotes Höhenvieh des VNV am Unterstand im NSG „Hemmecker Bruch“ bei Brilon-Madfeld Foto: N. Schröder<br />
oder in Anbindehaltung. Vielmehr achten<br />
wir auch hier auf tiergerechte Haltung:<br />
Die Tiere bleiben als typische Herdentiere<br />
im Stall zusammen, stehen auf<br />
Stroh <strong>und</strong> bekommen als Nahrung kein<br />
Kraftfutter, sondern kräuterhaltiges Heu<br />
von vorwiegend mageren Wiesen.<br />
Tiere, die wir selbst nicht zur Zucht<br />
brauchen <strong>und</strong> die nicht an andere Züchter<br />
verkauft werden können, zeigen dem<br />
Genießer wie sich das Nahrungsangebot<br />
auf den Fleischgeschmack auswirkt. Das<br />
Fleisch der Bullen <strong>und</strong> Ochsen zeigt sich<br />
feinfaserig, mit wenig Auflagefett abgedeckt,<br />
aber mit ausreichend intramuskulärem<br />
Fett durchsetzt. Durch diese Vermarktung<br />
trägt sich die Herde selbst <strong>und</strong><br />
benötigt keine weiteren finanziellen Unterstützungen<br />
durch den <strong>Verein</strong>.<br />
Norbert Schröder<br />
„Espe“ - 15 Jahre alt Foto: N. Schröder<br />
IRRGEISTER 1/2006 37
<strong>Natur</strong>schutz findet nicht nur<br />
draußen statt!<br />
38 IRRGEISTER 1/2006<br />
Arbeit am Schreibtisch <strong>und</strong> in Gremien<br />
„Es gibt Feiertage, die stehen nicht im Kalender. Sie kommen aus heiterem Himmel.“ So beginnt ein Artikel in unserer<br />
<strong>Verein</strong>szeitschrift im Jahr 1991, 1 in dem das Aus der geplanten Renautalsperre verkündet wird. Der VNV war – neben dem<br />
BUND als überregionaler <strong>Natur</strong>schutzverband – maßgeblich an der Verhinderung der <strong>Natur</strong>zerstörung größten Stils beteiligt.<br />
Erfolge wie diese geben Kraft, sich auch in Zukunft mit arbeitsaufwendiger Schreibtischarbeit <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> einzusetzen, auch<br />
wenn man immer mal wieder öffentlich diffamiert wird <strong>und</strong> von vielen Seiten Prügel einstecken muss.<br />
Die Renautalsperre gegen<br />
das Verdursten?<br />
Je größer, desto besser. Dies war das<br />
Motto von Behörden bzw. Regierungen,<br />
die Projekte <strong>für</strong> den „Fortschritt“ entwarfen<br />
– <strong>und</strong> ist es leider oft immer noch.<br />
Um den wachsenden Trinkwasserbedarf<br />
der Bevölkerung zu decken, war im HSK<br />
eine große Talsperre geplant: Die<br />
Renautalsperre im Stadtgebiet Winterberg.<br />
Das Renautal ist ein einmaliger <strong>Natur</strong>raum:<br />
Bergwiesen, Bergwälder mit<br />
Eiszeitrelikten in der Tierwelt <strong>und</strong> subalpine<br />
Bäche prägen die völlig unverbaute,<br />
extensiv genutzte Landschaft. Darum<br />
kämpfte der VNV seit seiner Gründung<br />
jahrelang gegen dieses Großprojekt,<br />
mit umfangreichen schriftlichen<br />
Stellungnahmen, Klinken Putzen bei regionalen<br />
Behörden <strong>und</strong> der Landesregierung<br />
in Düsseldorf, auf mehrtägigen<br />
Erörterungsterminen, durch Medienarbeit<br />
<strong>und</strong> durch Erwerb eines Sperrgr<strong>und</strong>stücks,<br />
dass uns ein Klagerecht sicherte<br />
– letztendlich ein erfolgreicher<br />
Kampf.<br />
Denn zum Glück <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> fand<br />
nicht nur deren Schutz bei den ursprünglichen<br />
Planungen praktisch keine Berücksichtigung.<br />
Der VNV konnte darüber<br />
hinaus das zugr<strong>und</strong>e liegende Konzept<br />
<strong>für</strong> die Trinkwasserversorgung als<br />
schlecht <strong>und</strong> unf<strong>und</strong>iert entlarven.<br />
Der VNV als DER Hauptwidersacher<br />
der Talsperre wurde in den Medien <strong>und</strong><br />
von Politikern als Buhmann hingestellt,<br />
der verhindern wolle, dass die Menschen<br />
einer ganzen Region ausreichend zu trinken<br />
hätten. Wir konnten dagegen erreichen,<br />
dass das aus verschiedensten Gründen<br />
schlechte Konzept einer zentralen<br />
Renautalsperre?<br />
Liebe Leute, laßt Euch sagen,<br />
die Trockenheit hat zugeschlagen.<br />
Menschheit dürstet wie noch nie -<br />
<strong>und</strong> dann erst das liebe Vieh!<br />
Das ganze Jahr in Saus <strong>und</strong> Braus<br />
Läuft’s durchs Klo <strong>und</strong> durch die Braus.<br />
Trotz der Rufe vieler Unken<br />
Tun wir mit dem Wasser prunken.<br />
Bis auf einem Mal – potzblitz –<br />
man wieder auf dem Trocknen sitzt.<br />
Und nun merkt es auch der Letzte:<br />
Klares Wasser ist das Beste!<br />
Gestern stand’s in der WP,<br />
einer hatte ‘ne Idee!<br />
Laßt uns in die Zukunft schaun<br />
<strong>und</strong> uns einen Speicher bau’n!<br />
Und er wusste, wo genau,<br />
in ein Tal, genannt Renau.<br />
Wasser sparen ist ‘ne Qual,<br />
lieber opfern wir ein Tal.<br />
Wer wirklich hat nach vorn geschaut<br />
keinesfalls auf Renau baut.<br />
Setzt auf Sparen, nicht auf Sperren,<br />
denn sonst werden wir uns wehren.<br />
Und es liegt mir schwer im Magen,<br />
wenn mich einst die Kinder fragen,<br />
dieses eine Wort „Warum?“,<br />
bleiben wir dann wieder stumm?<br />
Werner Schubert (1987)<br />
Trinkwasserversorgung schließlich<br />
Ende 1990 in Düsseldorf gekippt<br />
wurde, zugunsten einer dezentralen<br />
Trinkwassergewinnung <strong>und</strong> der<br />
Vernetzung der lokalen Wasserwerke.<br />
Dies funktioniert reibungslos,<br />
wie die inzwischen langjährige Praxis<br />
zeigt.<br />
Almetal: NSG statt<br />
Talsperre<br />
Auch bei einer weiteren, konkret<br />
geplanten Talsperre schlugen die<br />
Wellen in den 1980er Jahren hoch,<br />
als der VNV versuchte, diese zu kippen.<br />
Die Planung der Almetalsperre<br />
war eine Altlast. Sie war Jahre zuvor<br />
in überregionalen Entwicklungsplänen<br />
festgeschrieben worden. Und<br />
wie es das Wesen von Altlasten ist,<br />
man wird sie schlecht los. Die Alme<br />
ist ein naturnaher Fluss in malerischer<br />
Wald- <strong>und</strong> Wiesenlandschaft<br />
auf Briloner Stadtgebiet. Ursprünglich<br />
angedacht als Trinkwassertalsperre<br />
(der wirkliche Bedarf<br />
rechtfertigte den Bau aber selbst <strong>für</strong><br />
den stärksten Be<strong>für</strong>worter des Vorhabens<br />
nicht), sollte daraus nun ein<br />
Freizeitsee werden, der gleichzeitig<br />
dem Hochwasserschutz dienen sollte.<br />
Aber auch hier konnten sich die<br />
Argumente des VNV durchsetzen:<br />
Hochwasserschutz findet in unverbauten<br />
Auen statt. Der Schutz seltener<br />
Arten <strong>und</strong> Lebensräume hat<br />
Vorrang vor dem fraglichen Nutzen<br />
eines weiteren Sauerländer Freizeitsees.
Das Almetal wurde Anfang der<br />
1990er Jahre <strong>Natur</strong>schutzgebiet (NSG),<br />
allerdings nur temporär ausgewiesen. So<br />
hielten sich die Behörden ein Hintertürchen<br />
offen, <strong>für</strong> den Fall der Notwendigkeit<br />
einer Talsperre. In der NSG-Verordnung<br />
<strong>für</strong> das Almetal ist festgeschrieben:<br />
Zwar solle der Status quo der extensiven,<br />
artenreichen Magerwiesen <strong>und</strong> der<br />
Laubwälder erhalten werden. Es dürfen<br />
jedoch keine Optimierungsmaßnahmen<br />
<strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> stattfinden! Damit sollen<br />
neue Argumente gegen eine Talsperre<br />
ausgeschlossen werden – womöglich siedelt<br />
sich noch eine weitere seltene Tierart<br />
dort an?!<br />
Weil aber <strong>für</strong> eine Almetalsperre<br />
nichts mehr spricht, ist das Tal aus unserer<br />
Sicht gerettet.<br />
Straßenplanungen: Stimme<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes<br />
nicht gefragt!<br />
Diesen beiden großen Erfolgen des<br />
<strong>Natur</strong>schutzes im Sauerland, die sich der<br />
VNV auf die Fahnen schreiben kann, stehen<br />
aber auch viele Misserfolge gegenüber.<br />
Ein Großteil unserer Stellungnahmen<br />
<strong>Natur</strong>zerstörung im großen Stil: Bau der A 46 Foto: VNV-Archiv<br />
bezüglich Straßenbauvorhaben, die wir<br />
als gesetzlich anerkannter <strong>Natur</strong>schutzverband<br />
abgeben, bleiben ohne konkrete<br />
Auswirkungen auf die Projekte, sei es<br />
bei Monsterstraßen wie der A 46, die<br />
unseren Kreis durchschneidet, sei es bei<br />
kleineren Straßenneubauen oder –ausbauen.<br />
Gemeint ist nicht nur die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Verhinderung derjenigen Projekte,<br />
deren Nutzen gegenüber den gravierenden<br />
Nachteilen oft zumindest fraglich<br />
ist. Auch unsere Vorschläge zu sinnvollen<br />
Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen<br />
oder zu Trassenalternativen,<br />
die weniger Schaden in <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> Landschaft<br />
anrichten, wurden bisher kaum berücksichtigt.<br />
Beispiel A 46<br />
Die Autobahn A 46 ist eine extreme<br />
<strong>Natur</strong>zerstörung, die wir nicht verhindern<br />
konnten, obwohl kleinere Alternativen<br />
zur A 46 wie Umgehungsstraßen<br />
um Städte <strong>und</strong> Dörfer an der parallel<br />
verlaufenden B 7 schonender <strong>und</strong> deutlich<br />
kostengünstiger gewesen wären.<br />
Immerhin gibt es wohl kaum eine deutsche<br />
Autobahn, deren Bau so teuer war<br />
wie der des Teilstücks zwischen<br />
Arnsberg <strong>und</strong> Meschede, besteht dieser<br />
Abschnitt doch fast ausschließlich aus<br />
Brücken, Tunneln <strong>und</strong> Bergeinschnitten,<br />
die aufwändig gegen Nachrutschen der<br />
Gesteinsmassen gesichert werden müssen.<br />
Unsere Vorschläge zu Ausgleichs<strong>und</strong><br />
Ersatzmaßnahmen wurden gänzlich<br />
nicht berücksichtigt; die stattfindenden<br />
Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis<br />
zur Schwere des Eingriffs in die <strong>Natur</strong>.<br />
Warum also die Arbeit?<br />
Warum opfern wir also viel Zeit mit<br />
dem Durcharbeiten von Akten über<br />
Straßenplanungen, wenn (fast) nichts<br />
dabei heraus kommt?<br />
Erstens: Wenn eine Behörde <strong>und</strong> die<br />
verantwortlichen Politiker wissen, dass<br />
sie kontrolliert werden, werden sie die<br />
gesetzlich vorgeschriebene Beachtung<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes (zumindest formal)<br />
erfüllen. Der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz<br />
ist bei Planverfahren nicht nur im Straßenbau<br />
die einzige unabhängige Kontrollinstanz.<br />
Zweitens: Manch kleiner Erfolg ist<br />
immerhin ein Erfolg. Beim Ausbau der<br />
Landstraße bei Brilon-Rixen retteten wir<br />
die alten Bäume entlang der Straße, die<br />
ursprünglich gefällt werden sollten. Beim<br />
IRRGEISTER 1/2006 39
Ausbau der B 7 in Brilon-Altenbüren<br />
wurden drei alte Bäume im Ort verschont.<br />
2 Das Straßenbauamt argumentierte<br />
dort, die Bäume müssten gefällt<br />
werden, da sonst die vorgeschriebene<br />
Breite einer B<strong>und</strong>esstraße nicht eingehalten<br />
werden könne. Wir maßen nach<br />
<strong>und</strong> bewiesen, dass die Straße auch mit<br />
Bäumen breit genug gebaut werden<br />
kann.<br />
Der Landschaftsbeirat<br />
Im Landschaftsbeirat des HSK, einem<br />
beratenden Gremium aus <strong>Natur</strong>nutzern<br />
<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schützern, arbeitet der VNV<br />
fast seit seinem Bestehen mit. Seit drei<br />
Wahlperioden stellen wir mit Bernhard<br />
Koch bzw. Johannes Schröder den Vorsitzenden.<br />
Die trockene Arbeit ist wichtig,<br />
da wir auf diesem Weg frühzeitig<br />
Einfluss auf Planungen nehmen können,<br />
wodurch unsere Vorschläge <strong>und</strong> Anmerkungen<br />
eher berücksichtigt werden. Beispielsweise<br />
ist der Schutz wertvoller<br />
Gebiete durch die in den letzten Jahren<br />
verabschiedeten Landschaftspläne deutlich<br />
verbessert worden.<br />
Resümee: Behörden- <strong>und</strong><br />
Gremienarbeit notwendig<br />
Als <strong>Natur</strong>schützer muss man ein dikkes<br />
Fell haben. Denn Eintreten <strong>für</strong><br />
<strong>Natur</strong>schutzbelange wird oft dargestellt<br />
als Miesmacherei <strong>und</strong> grüne<br />
Verhinderungsspinnerei. Dennoch: Wir<br />
werden zu Eingriffen weiterhin gegenüber<br />
Behörden Stellung beziehen. Dabei<br />
sehen wir uns als Stimme der <strong>Natur</strong>,<br />
werden uns aber immer<br />
kompromissbereit zeigen <strong>und</strong> einen ehrlichen<br />
(!) Ausgleich mit anderen Interessengruppen<br />
suchen. Wir werden weiterhin<br />
in Gremien wie dem Landschaftsbeirat<br />
mitarbeiten.<br />
Denn: <strong>Natur</strong>schutz wird nicht nur<br />
draußen gemacht!<br />
Johannes Schröder<br />
<strong>und</strong> Harald Legge<br />
1 IRRGEISTER 1990/4-1991/1, S. 5<br />
2 Die Bäume leben heute noch, <strong>und</strong><br />
zwar ca. 50 m westlich der Ampel.<br />
40 IRRGEISTER 1/2006
Faustschlag gegen die <strong>Natur</strong> –<br />
Das geplante Landschaftsgesetz<br />
Zur Zeit wird die Novellierung des Landschaftsgesetzes Nordrhein-Westfalens vorbereitet. Würde das<br />
Gesetzespaket so verabschiedet, wie es derzeit innerhalb der CDU-FDP-Koalition diskutiert wird, wäre<br />
das ein Faustschlag gegen die <strong>Natur</strong> unseres Landes <strong>und</strong> ein eindeutiger <strong>und</strong> einschneidender Rückschritt<br />
in den Bemühungen um den Erhalt unserer <strong>Natur</strong>schätze. Auch das ehrenamtliche Engagement<br />
des VNV würde behindert <strong>und</strong> beschädigt werden.<br />
Dazu einige Beispiele:<br />
• Die <strong>Natur</strong>schutzverbände werden bei vielen Eingriffen generell nicht mehr beteiligt, z. B. bei Forst- <strong>und</strong> Wasserbaumaßnahmen,<br />
Abgrabungen (Steinbrüche!), Eingriffen in besonders geschützten Biotopen außerhalb von Schutzgebieten.<br />
• Magerweiden <strong>und</strong> Felsen, Höhlen <strong>und</strong> Stollen fallen aus der Liste der gesetzlich geschützten Biotope.<br />
• Eingriffe in die <strong>Natur</strong> sollen nur noch 1:1 ausgeglichen werden, d. h. Ausgleichsmaßnahmen finden nur noch auf einer<br />
Fläche statt, die nicht größer ist als der Eingriff selbst. Würde z. B. ein Magerrasen von 1 ha Größe durch eine<br />
Baumaßnahme zerstört, müsste die Ausgleichsfläche eigentlich viel größer sein, um die erheblichen <strong>Natur</strong>zerstörungen<br />
zu kompensieren. Auch die <strong>Natur</strong>schutzbehörden der Kreise finden diese geplante Regelung fachlich nicht nachvollziehbar.<br />
• Sanierungsmaßnahmen zur Wiedernutzung von Industriebrachen sollen von der Eingriffsregelung freigestellt werden,<br />
d. h. der Eingriff muss nicht ausgeglichen werden. Würde z. B. eine stillgelegte Bahntrasse in einen Radweg umgewandelt<br />
<strong>und</strong> dabei Vorkommen <strong>und</strong> Lebensraum von Rote-Liste-Arten zerstört, fänden keine Ausgleichsmaßnahmen<br />
statt.<br />
• Kompensationsmaßnahmen <strong>für</strong> Eingriffe sollen vorrangig dort stattfinden, wo keine zusätzliche Fläche <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz<br />
„verbraucht“ wird, am besten in bestehenden, sowieso schon ausgewiesenen Schutzgebieten.<br />
• Statt durch Ausgleich- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen Eingriffe zu kompensieren, soll zukünftig auch ein Ersatzgeld gezahlt<br />
werden können. Dieses muss nicht <strong>für</strong> spezielle <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen genutzt werden, es können damit auch Personalkosten<br />
bei Behörden <strong>und</strong> Biostationen bestritten werden.<br />
• Die Verbandsklage der <strong>Natur</strong>schutzverbände wird faktisch abgeschafft. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die<br />
<strong>Natur</strong>schutzverbände diese Einflussmöglichkeit selten <strong>und</strong> mit Augenmaß genutzt haben <strong>und</strong> die Verbandsklage keinesfalls<br />
die wirtschaftliche Entwicklung des Landes lahm gelegt hat.<br />
• Die Pflicht, 10 % Landesfläche vorrangig <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz zur Verfügung zu stellen, soll in einer Soll-Bestimmung<br />
umgewandelt werden.<br />
Unser Dachverband, die Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Umwelt (LNU), hat ein „Eckpunkte-Papier“ erarbeitet, in<br />
dem wesentliche Forderungen des ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzes begründet werden. Damit davon möglichst viel in die Gesetzesnovelle<br />
einfließt <strong>und</strong> Schaden <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz noch vermindert werden kann, bedarf es einer großen argumentativen<br />
Anstrengung auf allen Ebenen der Politik.<br />
Im Folgenden:<br />
Das Eckpunkte-Papier der LNU<br />
Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Umwelt Nordrhein-Westfalen e.V.<br />
Landesgeschäftsstelle: Heinrich-Lübke-Str. 16 59759 Arnsberg-Hüsten Telefon 02932 / 4201 Telefax 02932 / 54491 e-Mail: LNU.NRW@t-online.de<br />
Eckpunkte zur Novellierung des Landschaftsgesetzes, Beschluß der LNU-Mitgliederversammlung<br />
v. 16.9.2006 in Lüdenscheid<br />
1. Die LNU wendet sich gegen die Abschaffung der Beiräte bei den Höheren Landschaftsbe-hörden der Bezirksregierungen.<br />
An einer Fülle von Beispielen lässt sich von den ehrenamtlich tätigen Vorsitzenden schlüssig nachweisen,<br />
welch fach- <strong>und</strong> sachkompetenten, aber auch klugen Empfehlungen Höhere Beiräte ihren Behörden<br />
gegeben haben, die aufgr<strong>und</strong> ihrer ausführlichen <strong>und</strong> sorgfältigen Diskussionen in den Gremien vor allem auch<br />
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§<br />
zu einer Befriedung zuvor hitziger Debatten in der Region geführt haben. Das Instrument der einstweiligen<br />
Sicherstellung von Schutzgebieten durch die Höheren Landschaftsbehörden muß erhalten bleiben.<br />
2. Die LNU wendet sich gegen die Schwächung der Beiräte bei den unteren Landschaftsbehörden auf der Ebene<br />
der Kreise <strong>und</strong> kreisfreien Städte – zwar sollen die Beiräte auch wei-terhin durch das Widerspruchsrecht eine<br />
besondere Stellung haben. Die Absicht jedoch, die Entscheidung über einen Widerspruch nicht mehr der übergeordneten<br />
Fachbehörde zu überlassen, sondern den Widerspruch in der Gebietskörperschaft zu entscheiden, ist<br />
eine erhebliche Schwächung des Beirats <strong>und</strong> macht aus einer fachlichen Angelegenheit eine politische. Die<br />
Verwaltung, die mit ihrer fachlichen Vorlage <strong>für</strong> den Beirat nicht zum Zuge kam, legt jetzt eine fachlich nicht<br />
konsensfähige Vorlage einem politischen, nicht Fachgremium zur abschließenden Entscheidung vor. Damit wird<br />
die fachliche Beurteilung ausschließlich auf die Ebene der Verwaltung verlagert, die Funktion <strong>und</strong> Stellung des<br />
unteren Beirats er-heblich geschwächt.<br />
3. Die LNU plädiert <strong>für</strong> eine Zusammensetzung der Landschaftsbeiräte wie sie bis 1994 bestand. Die damalige<br />
Besetzung umfasste alle relevanten Gruppen, die im <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsschutz ehrenamtlich tätig sind oder<br />
ein unmittelbares Interesse an der Nutzung intakter <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsstrukturen haben, <strong>und</strong> erteilte den<br />
Verbänden aus dem <strong>Natur</strong>-schutz <strong>und</strong> der Landschaftspflege ein Primat durch eine 8:7-Verteilung. Dabei war die<br />
LNU mit vier Sitzen vertreten – was sie auch jetzt wieder reklamiert: Zwei Sitze <strong>für</strong> Vertreter aus dem <strong>Natur</strong>schutz<br />
<strong>und</strong> der Landschaftspflege, ein Sitz <strong>für</strong> das LNU-Mitglied Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW),<br />
ein Sitz <strong>für</strong> einen Vertreter aus den Verbänden der Heimatpflege <strong>und</strong> der Erholung in der freien Landschaft.<br />
4. Die LNU lehnt die Abschaffung des gr<strong>und</strong>sätzlichen Schutzes von Alleen <strong>und</strong> Streuobstwiesen entschieden ab.<br />
Damit werden bedeutsame <strong>und</strong> prägende Elemente der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft, die sowohl<br />
Heimatverb<strong>und</strong>enheit, Landschaftsästhetik <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz ansprechen, dem Einzelschutz in Landschaftsplänen,<br />
die es in großen Teilen des Landes noch immer nicht gibt, ausgesetzt, nicht aber unter leicht nachvollziehbaren,<br />
transparenten generellen Schutz gestellt. Insbesondere die Mitgliedsverbände der LNU ha-ben dazu beigetragen,<br />
dass Alleen in Nordrhein-Westfalen wieder wahrgenommen werden <strong>und</strong> ihr Wert von weiten Teilen der Bevölkerung<br />
geteilt wird; das Gleiche gilt <strong>für</strong> Streuobstwiesen, <strong>für</strong> deren Erhalt <strong>und</strong> Pflege sowie Vermarktung als<br />
Regionalprodukt vor allem ehrenamtliche Initiativen aus dem <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsschutz eintreten. Es wäre<br />
verheerend, wenn die Ehrenamtler in den Beiräten, in den Heimatvereinen <strong>und</strong> den Streuobstinitiativen mit der<br />
Verabschiedung dieses Gesetzes erfahren müssten, dass ihre jahrelange Ar-beit <strong>für</strong> die Allgemeinheit nicht länger<br />
von Bedeutung ist, weil ihr Wert an sich nicht erkannt, besser: verkannt wird. Die LNU spricht sich insbesondere<br />
dagegen aus, die erst in 2005 eingeführten Schutzregelungen <strong>für</strong> Alleen <strong>und</strong> Streuobstwiesen schon jetzt wieder<br />
zu ändern, bevor sie überhaupt in der Praxis erprobt <strong>und</strong> die Erfahrungen mit ihnen ausgewertet wurden. Unverzichtbar<br />
<strong>für</strong> einen erfolgreichen Alleenschutz ist die Aufstellung eines landesweiten Alleenkatasters, zu dem die<br />
LNU im Auftrag des MUNLV bereits erhebliche Arbeiten geleistet hat.<br />
5. Die LNU hält die Einschränkung der nach §62 geschützten Biotope, bezogen auf<br />
die Gegebenheiten in Nordrhein-Westfalen, <strong>für</strong> nicht ausreichend: Sowohl natürliche Felsformationen wie Dünen<br />
sind auch <strong>und</strong> gerade in Nordrhein-Westfalen nicht alltägliche Landschaftselemente, die deshalb genauso wie<br />
Quellen oder Magerwiesen einem gr<strong>und</strong>sätzlichen Schutz unterliegen sollten.<br />
6. Die LNU fordert nachhaltig, dass Landschaftsplanung in Nordrhein-Westfalen flächendeckend zu erfolgen hat.<br />
Das heißt, dass auch <strong>für</strong> den städtischen Bereich ein stadtökologischer Fachbeitrag zu erstellen ist, um die<br />
Wechselwirkungen zwischen städtischem Grün, städtischen Brachen <strong>und</strong> dem Umland auch planerisch darzustellen.<br />
7. Die LNU erwartet, dass die Landesregierung von ihrer Absicht, die Landes-<strong>Natur</strong>schutz-gesetzgebung im<br />
Verhältnis 1:1 zum B<strong>und</strong>esnaturschutz- <strong>und</strong> EU-Recht umzusetzen, nicht abweicht. Der Entwurf der<br />
Landschaftsgesetz-Novelle erfüllt in knapp einem Dutzend Fälle diese Vorgabe nicht, sondern bleibt hinter den<br />
Standards von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> EU zurück.<br />
8. Die LNU fordert die Landesregierung auf, besonders im Bereich der wasserrechtlichen Verfahren auf die<br />
Beteiligung des ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzes nicht zu verzichten. Gerade die frühzeitige Beteiligung der äußerst<br />
orts- <strong>und</strong> sachk<strong>und</strong>igen <strong>Natur</strong>schutz-Vertreter vor Ort hat in der Vergangenheit nicht zu Behinderungen einer
Planung, sondern wegen der frühen Einbindung zu schnellen <strong>und</strong> einvernehmlichen Regelungen geführt. Die<br />
Bedeutung des Ehrenamts sollte auch hier nicht vernachlässigt werden, da gerade die Mitgliedsver-bände der<br />
LNU aus den Bereichen Angeln, Zoologie <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz über ein ausgeprägtes Fachwissen verfügen, auf das<br />
in der Absicht, zuträgliche Lösungen zu erreichen, nicht verzichtet werden sollte.<br />
9. Die LNU spricht sich da<strong>für</strong> aus, die bisher vollzogene Praxis, die von Kreisen oder kreisfreien Städten als<br />
Satzung verabschiedeten Landschaftspläne durch die Bezirksregierung genehmigen zu lassen, beizubehalten.<br />
Eine Anzeige reicht unseres Erachtens nicht aus. Vielmehr sollte – wie bisher – bei Unstimmigkeiten die Aufsichtsbehörde<br />
in die Lage versetzt werden, den Landschaftsplan über eine Anweisung korrigieren zu können; der<br />
einfache Hinweis auf Fehler oder Versäumnisse reicht nicht aus. Dies ist auch wichtig, um die Kohärenz zwischen<br />
Landschaftsplänen <strong>und</strong> Landschaftsrahmenplänen zu erhalten.<br />
10. Die LNU geht mit der Landesregierung einig in der Auffassung, dass die Verlegung von Leitungen in Straßen<br />
<strong>und</strong> befestigten Wegen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich ein Eingriff ist. Allerdings sollte nach Auffassung der LNU der Passus<br />
um einen Abschnitt ergänzt werden, wonach die gr<strong>und</strong>sätzliche Befreiung einer Überprüfung zu unterziehen ist,<br />
wenn Einzelbäume, Baumreihen, Vogelhecken sowie Feuchtbereiche <strong>und</strong> Gewässer unmittelbar am Straßen- <strong>und</strong><br />
Wegesrand oder im nahen Umfeld sich befinden.<br />
11. Die LNU spricht sich in der Eingriffs-Regelung nachdrücklich da<strong>für</strong> aus, Kompensation nicht auf beliebig<br />
verfügbaren Flächen ohne ein zugr<strong>und</strong>e liegendes Fachkonzept durchzuführen. Vielmehr muss oberstes Ziel sein,<br />
Vernetzungsstrukturen zwischen <strong>Natur</strong>schutz- <strong>und</strong> FFH-Gebieten zu erreichen <strong>und</strong> dabei die Kompensation<br />
vorrangig in der Optimierung der Ge-wässersysteme zu betreiben als in der Aufwertung von land- oder forstwirtschaftlichen<br />
Flä-chen. Die Vorgaben der Landschaftspläne <strong>und</strong> der Landschaftsrahmenpläne müssen Gr<strong>und</strong>lage<br />
eines solchen Fachkonzeptes sein. Eine Beschränkung der Größe der Ausgleichsflächen ist besonders bei<br />
Eingriffen in wertvolle Biotope nicht sachgerecht.<br />
12. Die LNU spricht sich <strong>für</strong> den Erhalt der Unabhängigkeit der Biologischen Stationen aus <strong>und</strong> wendet sich<br />
gegen die Absicht, ihre Tätigkeiten auf Aufträge der Landschaftsbehörden zu beschränken. Biologische Stationen<br />
müssen auch weiterhin im Auftrag ihrer Trägervereine <strong>und</strong> der darin vertretenen Organisationen tätig sein können.<br />
Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter.<br />
Der Mensch beherrscht die <strong>Natur</strong>,<br />
bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.<br />
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Kästen <strong>und</strong> Brutnischen <strong>für</strong><br />
seltene Vögel -<br />
Artenhilfsprogramme durch Nisthilfen<br />
Artenschutz durch Lebensraumschutz – das ist die Devise des VNV <strong>und</strong> allgemein heute gängige Praxis<br />
im <strong>Natur</strong>schutz. Denn fast immer ist eine Art nur deshalb vom Aussterben bedroht oder sogar schon<br />
ausgestorben, weil der Lebensraum, den diese Art benötigt, verschwindet. Warum also hängt der VNV<br />
trotzdem Nistkästen auf, hilft also gezielt bestimmten Vogelarten, ohne – in diesen Fällen – einen besonderen<br />
Focus auf deren Lebensräume zu richten?<br />
Bernhard Koch in jungen Jahren<br />
am Raufußkauznistkasten<br />
Foto: VNV-Archiv<br />
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Nistkästen als Höhlenersatz<br />
In Deutschland beschäftigt sich der<br />
Vogelschutz schon seit Ende des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts intensiv mit dem Aufhängen<br />
von Nistkästen. Denn <strong>Natur</strong>fre<strong>und</strong>e<br />
hatten damals bereits erkannt, dass in den<br />
modernen Forsten Nisthöhlen fehlen.<br />
Gerade alte Bäume mit Spechthöhlen<br />
oder anderen <strong>Natur</strong>höhlen fielen <strong>und</strong> fallen<br />
nämlich der Säge des Menschen zum<br />
Opfer. Ab 1897 ist die „v. Berlep’sche<br />
Höhle“ im Vogelschutz im Einsatz<br />
(BERLEPSCH 1923). Diesem ersten „modernen“<br />
Nistkastentyp sind bis heute<br />
unzählige weitere <strong>für</strong> alle möglichen<br />
Tierarten gefolgt, hauptsächlich <strong>für</strong> verschiedene<br />
Vogelarten. Heute werden<br />
Nistkästen auch <strong>für</strong> Fledermäuse <strong>und</strong><br />
Insekten aufgehängt.<br />
Viele Vogelschutzvereine beschäftigten<br />
sich Anfang des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
vor allem mit Nistkästen, welche in so<br />
genannten Vogelschutzgehölzen angebracht<br />
wurden (ebd.). Noch bis vor wenigen<br />
Jahren gab es z. B. am Einlauf des<br />
Sorpesees ein Hinweisschild<br />
„Vogelschutzgehölz“. In der Vergangenheit<br />
wurden vor allem Nistkästen <strong>für</strong><br />
Meisen <strong>und</strong> Stare angebracht, häufig<br />
auch zur biologischen Schädlingsbekämpfung<br />
vom Forst <strong>und</strong> von Gärtnern.<br />
Laut eines Prospekts (2001) hat allein<br />
die Firma Schwegler, größter Nistkasten-<br />
Produzent in Deutschland, bisher mehr<br />
als 8,5 Mio. Kästen produziert <strong>und</strong> verkauft.<br />
Insgesamt scheint jedoch inzwischen,<br />
vor allem im Forst, das Anbringen von<br />
Nistkästen stark nachgelassen zu haben.
Eine andere Nistkastenform <strong>für</strong> den Raufußkauz<br />
Foto. A. Kämpfer-Lauenstein<br />
Stütze <strong>für</strong> seltene Arten<br />
Nistkästen <strong>für</strong> Meisen, Stare <strong>und</strong> andere<br />
häufige Vogelarten hängt der VNV<br />
aber nicht auf. Denn diese Arten finden<br />
allerorten genug Nistmöglichkeiten, wie<br />
man schon aus ihrer generellen Häufigkeit<br />
folgern kann.<br />
Der VNV hängt vielmehr nur <strong>für</strong> seltenere<br />
Vögel Nistkästen auf, <strong>für</strong> die ihr<br />
Lebensraum noch mehr oder weniger in<br />
Ordnung ist, das Fehlen geeigneter Brutplätze<br />
aber ein bedeutender limitierender<br />
Faktor ist.<br />
1984 startete der VNV mit dem Anbringen<br />
von Nistkästen, <strong>und</strong> zwar mit 10<br />
künstlichen Brutröhren <strong>für</strong> den Steinkauz<br />
(FRIES 1984). Damit versuchten wir, diese<br />
in Obstbäumen <strong>und</strong> Kopfweiden brütende<br />
kleine Eule als Brutvogel im HSK<br />
zu halten. Leider wurden die Röhren in<br />
den Folgejahren nur von Staren angenommen,<br />
der Steinkauz war im HSK<br />
ausgestorben.<br />
Im Jahr 1985 wird im VNV-INFO<br />
dazu aufgerufen, alle Standorte von Nistkästen<br />
<strong>für</strong> seltene Vogelarten zu melden,<br />
die von <strong>Verein</strong>smitgliedern aufgehängt<br />
worden waren (FRIES & HÖLKER 1985).<br />
Im gleichen Jahr läuft die „Aktion<br />
Wasseramsel“ an (VNV 1985). Dieser<br />
Ein 1986 unter einer Brücke bei S<strong>und</strong>ern-Seidfeld angebrachter Kasten, auch 2006 noch<br />
von Wasseramseln besetzt Foto: J. Langanki<br />
an naturnahe Fließgewässer geb<strong>und</strong>ene<br />
Singvogel – übrigens der einzige „Taucher“<br />
in dieser Artengruppe, denn die<br />
Wasseramsel sucht ihre Insektennahrung<br />
hauptsächlich unter Steinen im Wasser<br />
– ist im Tiefland relativ selten, bei uns<br />
aber noch häufiger zu finden. Für 10,-<br />
DM konnte man die Patenschaft <strong>für</strong> ei-<br />
nen Wasseramsel-Nistkasten übernehmen<br />
<strong>und</strong> bekam eine Patenschaftsurk<strong>und</strong>e<br />
(s. Abb.). Es wurden bis 1987<br />
200 Wasseramsel-Nistkästen unter Brücken<br />
angebracht <strong>und</strong> anfangs auch kontrolliert<br />
(HÖLKER 1988). Bei einer Kontrolle<br />
der Settmecke in S<strong>und</strong>ern am 4.<br />
Juni 2006 zeigte sich, dass von den fünf<br />
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dort damals angebrachten Nistkästen<br />
noch vier vorhanden waren. Dies dürfte<br />
daran liegen, dass diese Kästen unter den<br />
Brücken witterungsgeschützt sind <strong>und</strong><br />
bei der Settmecke keine Hochwässer auftreten,<br />
da deren Hochwasser über einen<br />
Tunnel in den Sorpesee geleitet wird.<br />
Alle vier Nistkästen waren auch besetzt<br />
(2x Wasseramsel, 1x Gebirgsstelze, 1x<br />
Bachstelze). Wie viele Jungvögel mögen<br />
allein aus diesen Kästen ausgeflogen sein!<br />
Eulenschutz<br />
Zwischen 1983 <strong>und</strong> 2003 wurden<br />
auch 60 Raufußkauz-Nistkästen aufgehängt.<br />
Dies brachte mehr Erfolg als beim<br />
Steinkauz. 1985 kann KÖNIG die erste<br />
erfolgreiche Brut unseres Wappenvogels<br />
in einem VNV-Kasten bei Arnsberg melden.<br />
Denn wie anfangs gesagt: In unseren<br />
Wäldern fehlen vielerorts natürliche<br />
Baumhöhlen. Von 1988 bis zum Winter<br />
1990/91 wurden zusätzlich vom inzwischen<br />
verstorbenen VNV-Mitglied Bernhard<br />
Düsterhaus 62 Raufußkauz-Nistkästen<br />
im Stadtgebiet Schmallenberg aufgehängt<br />
(DÜSTERHAUS 1991). Schon im<br />
Jahr 1991 kann Düsterhaus 27 Bruten<br />
nachweisen!<br />
Im Arnsberger Wald wurden 1979 <strong>und</strong><br />
1981 insgesamt 55 Raufußkauz-Nistkästen<br />
von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft<br />
Biologischer Umweltschutz<br />
(ABU) aus dem Kreis Soest aufgehängt<br />
(KÄMPFER-LAUENSTEIN & LEDERER 2005).<br />
Ein Großteil dieser Kontrollfläche von<br />
125 km 2 befindet sich im Kreis Soest, ein<br />
Teil aber auch im HSK. Dieses Gebiet<br />
ist das einzige im HSK, wo intensive<br />
Kontrollen der Kästen <strong>und</strong> auch die Beringung<br />
von Jungvögel <strong>und</strong> gefangenen<br />
Altvögel stattfinden.<br />
Mit der Schleiereule stand eine weitere<br />
Eulenart von Anfang unserer<br />
Nistkastenaktivitäten bis heute im Visier<br />
der VNV-Arbeit (HÖLKER 1986, LEGGE<br />
& LINDNER 2001). Bis heute wurden 95<br />
Nistkästen <strong>für</strong> die Schleiereule in landwirtschaftlichen<br />
Gebäuden <strong>und</strong> Kirchtürmen<br />
aufgehängt. Leider schafft es der<br />
VNV wegen Arbeitsüberlastung nur im<br />
Raum Marsberg/Brilon, diese Kästen regelmäßig<br />
zu kontrollieren <strong>und</strong> zu warten.<br />
Beim Aufhängen <strong>und</strong> der Überprüfung<br />
von Schleiereulenkästen wollen wir<br />
aber nicht nur die Art an sich unterstüt-<br />
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Aufhängen eines Schleiereulennistkastens<br />
Foto: V. Falkenstein<br />
zen. Wir möchten auf diesem Weg auch<br />
mit den Landwirten ins Gespräch kommen,<br />
sie sensibel <strong>für</strong> diesen alten Kulturfolger<br />
<strong>und</strong> eine naturverträgliche Landwirtschaft<br />
machen. Denn die Schleiereule<br />
ist auf wiesenreiche, strukturreiche<br />
Nahrungsgründe angewiesen, die allgemein<br />
wegen einer Vielzahl von Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenarten wertvoll sind.<br />
Balance halten!<br />
Beim Aufhängen <strong>und</strong> der Kontrolle<br />
von Nistkästen ist, besonders beim Hantieren<br />
mit den sperrigen Schleiereulenkästen,<br />
Vorsicht angesagt. Jeder <strong>Natur</strong>schützer,<br />
der schon einige Nisthilfen in<br />
luftiger Höhe anbrachte – balancierend<br />
auf einer Leiter, den Nistkasten irgendwie<br />
zwischen sich <strong>und</strong> Baum geklemmt<br />
<strong>und</strong> sich noch eine zusätzliche Hand an<br />
seinem Körper wünschend – wird schon
einmal wackelige Situationen im<br />
wahrsten Wortsinn erlebt haben. Bei<br />
Geseke, Kreis Soest, kam es vor einigen<br />
Jahren tragischerweise sogar zu einem<br />
tödlichen Unfall, als ein <strong>Natur</strong>schützer<br />
beim Kontrollieren eines Schleiereulen-<br />
Nistkastens abstürzte.<br />
Wendehals <strong>und</strong> Hohltaube<br />
Als 1988 der Wendehals – auch er ein<br />
Bewohner des strukturreichen, extensiv<br />
genutzten Offenlandes – zum „Vogel des<br />
Jahres 1988“ gekürt wird, kündigt unser<br />
Vorsitzender Bernhard Koch eine<br />
Nistkasten-Aktion <strong>für</strong> die verbliebenen<br />
10 Wendehals-Reviere im HSK an (KOCH<br />
1988). Der VNV hängte in den Folgejahren<br />
20 Nistkästen <strong>für</strong> den Wendehals<br />
auf. Letztendlich konnte aber nur eine<br />
Wendehals-Brut in einem VNV-Nistkasten<br />
nachgewiesen werden, übrigens der<br />
letzte Brutnachweis der Art im HSK. Die<br />
Brut fand 1991 am Kregenberg statt, einem<br />
VNV-Schutzgebiet bei Marsberg.<br />
Inzwischen ist der Wendehals im HSK<br />
längst ausgestorben; dies hat aber wohl<br />
maßgeblich überregionale Gründe. Nur<br />
noch einzelne Durchzügler werden seitdem<br />
unregelmäßig nachgewiesen.<br />
Auch <strong>für</strong> die Hohltaube wurden, als<br />
die Art noch viel seltener im Sauerland<br />
war als heute, einzelne Nistkästen aufgehängt<br />
<strong>und</strong> in den IRRGEISTERN<br />
1989/2 aus der Reihe „<strong>Natur</strong>schutz Praktisch“<br />
das Artenhilfsprogramm Hohltaube<br />
der Landesanstalt <strong>für</strong> Ökologie,<br />
Landschaftsentwicklung <strong>und</strong> Forstplanung<br />
(LÖLF) nachgedruckt. Inzwischen<br />
sind <strong>für</strong> diese Waldtaube derartige<br />
Artenschutzmaßnahmen erfreulicherweise<br />
nicht mehr erforderlich. Denn sie<br />
hat sich in den vergangenen Jahren im<br />
Sauerland stark ausgebreitet.<br />
Zwei junge Raufußkäuze Foto: A. Kämpfer-Lauenstein<br />
Brutnischen mit Hammer<br />
<strong>und</strong> Meißel<br />
Den o. g. Arten lässt sich mit Nistkästen<br />
helfen, da sie allesamt höhlenbrütende<br />
Vögel sind.<br />
Nachdem der Wanderfalke in den<br />
1970er Jahren in ganz Deutschland<br />
schon nahezu ausgestorben war, kam <strong>für</strong><br />
diesen imposanten Greif Rettung in letzter<br />
Minute. Nach dem Verbot des Eier<br />
schädigenden DDT half ebenfalls gezielter<br />
Artenschutz seinem Überleben: eine<br />
R<strong>und</strong>-um-die-Uhr-Bewachung der letzten<br />
verbliebenen Bruten <strong>und</strong> später,<br />
nachdem sich der süddeutsche Bestand<br />
wieder über die B<strong>und</strong>esrepublik ausbreitete<br />
bzw. immer noch ausbreitet, ein mit<br />
Menschenhand vergrößertes Brutplatzangebot.<br />
Der Wanderfalke besiedelt natürlicherweise<br />
hohe Felswände, wo er in einer<br />
Nische seine Brut großzieht. Da in<br />
den letzten Jahrzehnten im Sauerland<br />
viele Steinbrüche entstanden – eigentlich<br />
gute Bruthabitate, bis auf das Fehlen<br />
von optimalen Brutnischen – lag/liegt<br />
es nahe, dem „Ritter der Lüfte“ darin<br />
witterungsgeschützte Brutnischen anzulegen.<br />
Dies tat in den Jahren 1992, 1993<br />
<strong>und</strong> 1997 Heinz Nickolaus aus<br />
Neckarburken / Baden-Württemberg<br />
vom NABU, inzwischen auch VNV-Mitglied,<br />
auf unsere Bitte hin. In fünf Steinbrüchen<br />
baute er acht Brutnischen <strong>für</strong><br />
Wanderfalken in den Fels (LINDNER 1997,<br />
LINDNER 1998). Eine dieser Nischen im<br />
Stadtgebiet Brilon wurde von 1993 bis<br />
1998 vom Wanderfalken <strong>und</strong> von 1999<br />
bis 2005 vom Uhu zum Brüten genutzt.<br />
Mit dem Aufhängen von Nistkästen<br />
bzw. im Falle der Wanderfalken mit der<br />
Anlage von Brutnischen können wir also<br />
die Populationen seltener Vogelarten<br />
stützen, wenn unsere Landschaft ihnen<br />
noch ausreichenden Lebensraum bietet.<br />
Martin Lindner<br />
Literatur:<br />
BERLEPSCH, H. FRHR. V. (1923): Der gesamte<br />
Vogelschutz – Seine Begründung <strong>und</strong><br />
Ausführung auf wissenschaftlicher, natürlicher<br />
Gr<strong>und</strong>lage. Neudamm.<br />
DÜSTERHAUS, B. (1992): Explosionsartige<br />
Bestandsentwicklung des Rauhfußkauzes<br />
(Aegolius funerus) 1991 in den Höhenlagen<br />
des Schmallenberger Sauerlandes.<br />
Charadrius 28: 142-146.<br />
FRIES, G. (1984): Steinkauz im HSK unmittelbar<br />
vom Aussterben bedroht!! VNV-<br />
INFO 1984/3: 13-14.<br />
FRIES, G. & M. HÖLKER (1985): Nistkästen<br />
melden !!! VNV-INFO 1985/2: 37.<br />
HÖLKER, M. (1986): Die Schleiereule (Tyta<br />
alba). VNV-INFO 1986/3: 14-17.<br />
HÖLKER, M. (1987): Nistkasten-Kontrolle.<br />
IRRGEISTER 4/4: 5.<br />
KÄMPFER-LAUENSTEIN A. & W. LEDERER<br />
(2005): 25 Jahre Raufußkauz im Arnsberger<br />
Wald. IRRGEISTER 22/1+2:8-11.<br />
KOCH, B. (1988): Vogel des Jahres 1988 –<br />
Der Wendehals. IRRGEISTER 5/2: 38-39.<br />
KÖNIG, H. (1985): Erfolgreiche Rauhfußkauzbrut!<br />
VNV-INFO 1985/3: 14.<br />
LEGGE, H. & M. LINDNER (2001): Die Schleiereule<br />
– ein heimlicher Jäger der Nacht.<br />
IRRGEISER 18/2: 10-17.<br />
LINDNER, M. (1997): Brutnischen <strong>für</strong> Wanderfalken<br />
gebaut. IRRGEISTER 15/1: 6.<br />
LINDNER, M. (1998): Bau von Horstnischen<br />
im Hochsauerlandkreis. Jber. AGW-NRW:<br />
11.<br />
VNV(1985): Aktion Wasseramsel. VNV-<br />
INFO 1985/1: 18.<br />
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