Ungenutzt und ungeliebt - Verein für Natur
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<strong>Natur</strong>weg im NSG „Glockengr<strong>und</strong>“ - Exkursion im Mai 2002<br />
Foto: G. Kistner<br />
Von 1990 bis heute wurden r<strong>und</strong> 95<br />
ha <strong>für</strong> dieses <strong>Natur</strong>schutzgroßprojekt der<br />
Stiftung erworben. Hinzu kommen Flächen,<br />
die das Land NRW gekauft hat.<br />
Der Schäfereibetrieb Bauer kam 1991<br />
wieder ins Sauerland <strong>und</strong> hat heute seinen<br />
Betrieb in Marsberg-Udorf. Er bewirtschaftet<br />
die Flächen im östlichen Teil<br />
des Marsberger Stadtgebiets <strong>und</strong> grenzüberschreitend<br />
in Nordhessen. Am <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
„Glockengr<strong>und</strong>“ wurde<br />
mit Mitteln der NRW-Stiftung <strong>für</strong> diesen<br />
Betrieb ein Schafstall errichtet.<br />
Seit 1994 bewirtschaftet der<br />
Schäfereibetrieb Wagner mit Sitz in<br />
Brilon-Radlinghausen die westlichen Flächen<br />
des Projektgebietes bis in das Stadtgebiet<br />
von Brilon.<br />
Als Schafrassen werden Rhönschafe<br />
<strong>und</strong> Coburger Fuchsschafe eingesetzt.<br />
Den Herden ist ein bis zu 10%iger<br />
Ziegenanteil beigemischt, um den<br />
Verbissdruck auf die Gehölze zu verstärken.<br />
Heute gibt es damit in den Stadtgebieten<br />
Marsberg <strong>und</strong> Brilon zwei neue<br />
landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe<br />
mit über 1000 Mutterschafen <strong>und</strong> r<strong>und</strong><br />
100 Ziegen, mit denen ehemals brachgefallene,<br />
aufgeforstete oder zu Ackerland<br />
umgebrochene Kalkmagerrasen bewirtschaftet<br />
werden.<br />
22 IRRGEISTER 1/2006<br />
Die Kalkmagerrasen in Brilon, deren<br />
Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet auf<br />
einen Antrag des VNV zurückgeht, sind<br />
die höchstgelegenen in Nordrhein-Westfalen.<br />
Neben dem Land NRW erwirbt der<br />
VNV auch hier mit Mitteln der NRW-<br />
Stiftung <strong>Natur</strong>schutzflächen, die dann an<br />
ortsansässige Landwirte zur Bewirtschaftung<br />
mit Schafen oder Rindern vergeben<br />
werden. Dieses Projekt ist noch<br />
nicht abgeschlossen.<br />
Blick in die Zukunft<br />
„Unsere“ Kalkmagerrasen um Marsberg<br />
<strong>und</strong> Brilon bedürfen auch weiterhin<br />
der Betreuung durch den VNV, damit<br />
der neue Glanz der alten Schmuckstücke<br />
nicht wieder verblasst.<br />
Mit einem Problem werden wir immer<br />
zu kämpfen haben: Gehölzaufwuchs.<br />
In vergangenen Zeiten war der<br />
Beweidungsdruck auf die kargen Grünländer<br />
infolge mangelnden Weidelandes<br />
viel höher als heute. Die aufkommenden<br />
Gebüsche <strong>und</strong> jungen Bäume wurden<br />
viel stärker verbissen. Heute können,<br />
allein aus wirtschaftlichen Gründen, die<br />
Halbtrockenrasen nicht so stark<br />
beweidet werden. Dadurch kommen<br />
fortlaufend Triebe von Schwarz- <strong>und</strong><br />
Weißdorn sowie junge Kiefern <strong>und</strong> Birken<br />
hoch. Diese müssen in schweißtreibender<br />
Arbeit zurückgedrängt werden.<br />
Uns wird die Arbeit <strong>für</strong> unsere 14-tägigen<br />
Pflegeeinsätze also nicht ausgehen.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ist ganz<br />
anders gelagert: Schon seit Jahren bemühen<br />
wir uns, dass in den letzten Jahrzehnten<br />
aufgeforstete, ehemalige Kalkhalbtrockenrasen<br />
wieder von den nicht<br />
heimischen Fichten, Kiefern oder Lärchen<br />
befreit werden – etwa im Rahmen<br />
von Ersatzmaßnahmen. Dort könnten<br />
sich dann wieder Kalkmagerrasen entwickeln.<br />
Denn die heute bestehenden<br />
Halbtrockenrasen sind nur noch ein kleiner<br />
Rest der ehemaligen Flächen. Doch<br />
ein Gesetz aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, auf<br />
das die Forstbehörden pochen, macht<br />
dies fast unmöglich: Wo Wald ist, muss<br />
auch Wald bleiben. Sollte Wald mit gutem<br />
Gr<strong>und</strong> entfernt werden, muss an anderer<br />
Stelle eine Neu-Aufforstung erfolgen.<br />
Da die Ausgleichsmaßnahmen dadurch<br />
extrem verteuert werden, bleiben<br />
die Bäume leider da wo sie sind – auf<br />
entwicklungsfähigen Kalkmagerrasen im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />
Und last, but not least: Die derzeitige<br />
Landesregierung kürzt drastisch die Mittel<br />
<strong>für</strong> den Vertragsnaturschutz. Doch <strong>für</strong><br />
die Schäfer bleibt die Bewirtschaftung<br />
von magerem Grünland nur rentabel,<br />
wenn sie Geld da<strong>für</strong> bekommen, dass sie<br />
die Flächen nicht düngen <strong>und</strong> nicht intensiv<br />
bewirtschaften, also den Lebensraum<br />
erhalten.<br />
Die ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />
erhält erst recht kaum noch Fördergelder.<br />
Zum Entfernen von Gebüschen benötigen<br />
wir jedoch Geräte wie Motorsägen<br />
<strong>und</strong> Freischneider.<br />
Wird bald eine Zeit kommen, wo der<br />
artenreichste Lebensraum Mitteleuropas<br />
der Allgemeinheit schlicht zu teuer<br />
scheint?<br />
Werner Schubert<br />
Literatur:<br />
ROGGE, M. (1986): Entstehung <strong>und</strong> Weiterentwicklung<br />
der Pflanzengesellschaften<br />
einer extensiven Schaf<strong>und</strong><br />
Ziegenweide bei Erlinghausen<br />
(Hochsauerlandkreis); Diplomarbeit,<br />
Göttingen, unveröffentlicht