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Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld Wissenschaftspopularisierung Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld »Was ist die Natur?« 1 Einige Aspekte zur Wissenschaftspopularisierung in Deutschland Was ist die Natur? … so lautet der Titel eines populärwissenschaftlichen Essays, welches 1907 im Berliner Georg Bondi-Verlag erschien. Dessen Autor, Wilhelm Bölsche, war einer der erfolgreichsten populärwissenschaftlichen Schriftsteller seiner Zeit. Sein volkstümliches Schrifttum – allein seine Kosmosbändchen erreichten eine Gesamtauflagezahl von 1,5 Millionen Exemplaren – ist ein bedeutender Bestandteil einer Popularkultur der Naturwissenschaften, die im endenden 19. Jahrhundert mit einer zum Teil auch direkt weltanschaulichen Ausrichtung 2 entstand und u.a. durch naturwissenschaftliche Vereine und Lesekreise, Wilhelm Bölsche, ca. 1900 (Nachlaß Frau Dr. Erika Krauße) 1 Bölsche, Wilhelm, Was ist die Natur? Berlin 1907. 2 Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von Andreas Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert: Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit. München 1998; Angela Schwarz, Der Schlüssel zur modernen Welt: Wissenschaftspopularisierung in Großbritannien und 239
Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld Wissenschaftspopularisierung über öffentlich zugängliche Museen, Bibliotheken und zoologische Gärten getragen wurde. Um 1900 gewinnt diese Popularisierung der Wissenschaften nicht nur mit Bölsche einen bedeutenden Aufschwung. Es ist sogar zu fragen, ob nicht erst mit der Periode des ausgehenden 19. Jahrhunderts überhaupt solch eine Wissenschaftspopularisierung entstanden ist. Die Popularisierung zielt auf eine im wissenschaftsinternen Dialog nicht mit umfaßte Gemeinschaft möglicher Adressaten wissenschaftlicher Inhalte und Ergebnisse. Sie grenzt also einen innerwissenschaftlichen und einen außerwissenschaftlichen Raum voneinander ab, d.h. die Popularisierung der Wissenschaften geht mit der Professionalisierung der Wissenschaften und damit einer entsprechenden Eingrenzung eines innerwissenschaftlichen, dann zu popularisierenden Diskussionszusammenhanges einher bzw. setzt diese voraus. Popularisierung und Professionalisierung der Wissenschaften weisen sich von daher nicht als bloßes add on zu einer Wissenschaftsdiskussion aus. Sie stehen in direktem Bezug zu den und sind selbst Effekt der strukturellen Veränderungen des Kommunikationsraumes, den wir als wissenschaftlich attributieren. Interessanterweise ist zudem um 1900 diese Popularisierung nicht eine einfache Fortführung alter Review Strategien, wie etwa solcher Organe wie der Jenaer ALZ 3 , die ein umfassendes Spektrum von Interessenten bedienen. Diese Wissenschaftspopularisierung wird vielmehr explizit als solch eine Popularisierung angelegt, die sich ihre Rezipienten auch regelrecht rekrutiert. Von daher bedarf der Befund, daß parallel zu der offensiven Präsentation der Naturwissenschaften in der Öffentlichkeit das Interesse der Bevölkerung an wissenschaftlicher Bildung stetig zunahm, dann auch einer Deutung. Wird Wissenschaft hier – wie etwa im Programm einer Arbeiterbildung – explizit als Moment einer Aufklärung benutzt, die dann ein weiteres Bildungsbedürfnis induziert, oder reagiert diese Popularisierung auf ein Bedürfnis? Aufzuzeigen ist zunächst eine komplexe, miteinander verzahnte Dynamik von Wissenschaftsentwicklung, öffentlicher Diskussion, Popularisierungsversuchen und den sich für diesen Bereich des Populären neu bildenden Strukturen. Deutschland im Übergang zur Moderne (1870-1914), Stuttgart 1999; Gudrun Wolfschmidt (Hg.), Popularisierung der Naturwissenschaften, Berlin 2002; Carsten Kretschmann, Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel, Berlin 2003. 3 Die »Allgemeine Literatur-Zeitung« erschien zwischen 1785-1849, um 1800 etablierte sie sich zu einem der führenden literaturkritischen, auch naturwissenschaftliche Texte und Arbeiten besprechenden, Revieworgan. Vgl. Die Ergebnisse des Teilprojektes C 3 »Zeitschriften und Periodika« des SFB 482 »Ereignis Weimar-Jena-Kultur um 1800« (http://www.uni-jena.de/ereignis/index.htm). 240
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