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Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld Wissenschaftspopularisierung<br />
Um 1900 erschienen allgemeinbildende Zeitschriften und Rubriken, wurden<br />
preiswerte Buchreihen gedruckt und belebten Lesezirkel sowie zahlreiche Vortragsangebote<br />
das öffentliche Bildungsangebot. Das Wort »populär« als Synonym<br />
für allgemeinverständlich, anschaulich oder sprachliche Vereinfachung fand in<br />
zunehmendem Maße Eingang in den deutschen Sprachraum. 4 Während sich<br />
einerseits eine moderne naturwissenschaftliche Fachsprache entwickelte, war die<br />
Forderung nach Allgemeinverständlichkeit, wie Bölsche es ausdrückte: »die ›Übersetzung‹<br />
des Fachjargons in verständlichen Bildungston.« 5<br />
Zentrale Bedeutung im Popularisierungskontext hatte die Evolutionslehre<br />
Darwins, die, propagiert durch den Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919), im<br />
deutschen Sprachraum bis in die Bereiche von Philosophie, Religion, Literatur<br />
und Design diskutiert und dort auch umgesetzt wurde. Dabei wirkte der Jenaer<br />
Zoologe nicht allein durch seine eigenen, publizistisch zum Teil äußerst erfolgreichen<br />
Arbeiten, er war vielmehr von einem ganzen Kreis von Popularisatoren<br />
aus unterschiedlichen sozialen Kontexten umgeben. Die Diskussion um die<br />
Evolutionslehre Darwins wurde im zunehmenden Maße von Popularisatoren oder<br />
»Bildungsvermittlern« 6 geführt. Mit diesem populärwissenschaftlichen Schrifttum<br />
wurde nicht nur das Bild der Naturwissenschaften, sondern auch die Kultur<br />
der Naturwissenschaften im beginnenden 20. Jahrhundert geprägt. Neben<br />
den Schriftstellern Wilhelm Bölsche (1861-1939) und Carus Sterne (1839-1903)<br />
waren dessen wichtigste Vertreter im unmittelbaren Umfeld Haeckels der Verleger<br />
Wilhelm Breitenbach (1856-1937), der Zoologe Walter May (1868-1926)<br />
und der Schriftleiter Carl W. Neumann (1871-1939).<br />
Diese Popularisatoren bedienten unterschiedliche »Gruppen von Rezipienten«,<br />
wobei die Verzahnung und die Abgrenzung dieser Rezeptionskreise und somit<br />
die Konturen einer Popularkultur der Naturwissenschaften noch nachzuzeichnen<br />
sind. 7 Bölsche war ein im Kontext der Arbeiterbewegung wirkender Schrift-<br />
4 Zur Begriffsbestimmung »populär« vgl. Andreas Daum, Wissenschaftspopularisierung (wie Anm. 2), hier<br />
33-41; Carsten Kretschmann, Wissenspopularisierung (wie Anm. 2), 8; Christian Hünemörder, Vorwort,<br />
in: Gudrun Wolfschmidt, Popularisierung, (wie Anm. 2), 15.<br />
5 Wilhelm Bölsche, Volkstümliche Naturwissenschaft. Kosmos. Handweiser für Naturfreunde, Jg. 9, H. 7,<br />
235-240, hier 240.<br />
6 Andreas Daum,, Wissenschaftspopularisierung (wie Anm. 2), 377.<br />
7 Ein am Ernst-Haeckel-Haus begonnenes DFG-Projekt (BR 978/7-2) befaßt sich mit dem Thema<br />
»Wissenschaftspopularisierung in Deutschland«. Mit dieser Studie soll eine umfassende Analyse der Popularisierung<br />
der Ideen Haeckels erfolgen und damit ein Zugang zur Frage der strukturellen Bedingungen<br />
und der Konsequenzen der Wissenschaftspopularisierung um 1900 gewonnen werden. Dabei gilt es<br />
zu analysieren, inwieweit in dieser Transformation des Haeckelschen Biologismus für die einzelnen Gruppen<br />
spezifische Akzentuierungen in der Vermittlung von evolutionsbiologischem Wissen und in der Diskussion<br />
der weltanschaulichen Unterfütterung der Haeckelschen Lehren festzustellen sind.<br />
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