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Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld Wissenschaftspopularisierung die neuen Naturwissenschaften reformierenden Kultur hatten: So war etwa der Herausgeber der »Jugend«, Georg Hirth (1841-1916), 14 Gründungsmitglied des von Haeckel initiierten Monistenbundes. 15 Bisher vorliegende Analysen der Rezeption der Evolutionsbiologie in der Philosophie und der Theologie des englischen Sprachraumes zeichnen hierbei eine nur bedingt auf den deutschen Sprachraum zu übertragende Situation auf. 16 Daneben gewannen die sogenannten Vulgärmaterialisten Carl Vogt, Ludwig Büchner und Jacob Moleschott – und damit die Situation einer außeruniversitären Diskussion um die Naturwissenschaften – schon vor 1870 eingehenderes Interesse. 17 Insgesamt wurde hierbei die auch von Daum detaillierter nachgezeichnete Umschichtung in dem Kreis der Rezipienten einer Naturwissenschaft, von einer bei Lorenz Oken durchaus noch politisch verstandenen Vereinigung deutscher Wissenschaftler in einen sich als zusehends offener verstehenden sozialen Raum, 14 Vgl. auch Ingeborg Haeger, Georg Hirth und sein naturphilosophisches Werk. Diss., Berlin 1980. 15 Heiko Weber, Monistische und antimonistische Weltanschauung, Eine Auswahlbibliographie, Ernst- Haeckel-Haus-Studien, Monographien zur Geschichte der Biowissenschaften und Medizin. Berlin 2000. 16 Die strukturellen Bedingungen in der Organisation der Wissenschaft im deutschen und englischen Sprachraum sind nur bedingt zu vergleichen. Vgl. hierzu u.a. Peter Bowler, Life´s Splendid Drama: Evolutionary Biology and the reconstruction of Life´s Ancestry, 1860-1940. Chicago 1996; Rüdiger vom Bruch/A. Rainer Müller (Hg.), Außerstaatliche Wissensförderung im 19. und 20. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Stuttgart 1990. Rüdiger vom Bruch, Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Vom Modell »Humboldt« zur Humboldt-Universität 1810 bis 1949, in: Alexander Demandt (Hg.): Stätten des Geistes. Große Universitäten Europas von der Antike bis zur Gegenwart. Köln 1999, 257-278. A. Rainer Müller, Vom Ideal der Humboldt-Universität zur Praxis des wissenschaftlichen Großbetriebes. Zur Entwicklung des deutschen Hochschulwesens im 19. Jahrhundert, in: Bosbach, Fr. u.a. (Hrsg.), Prinz Albert und die Entwicklung der Bildung in England und Deutschland im 19. Jahrhundert. München 2000. Die Institutionalisierungsbedingungen von Wissenschaft und damit auch deren öffentliches Umfeld sind in England bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts speziell für die Biowissenschaften im Umfeld Darwins gut untersucht. Nicolaas Rupke, Richard Owen. Victorian Naturalist. London 1994. Ders., Goethe und Alexander von Humboldt, in: Mittler, Elmar (Hg.), »Göthe ist schon mehrere Tage hier, warum weiss Gott und Göthe«, Vorträge zur Ausstellung »Der gute Kopf leuchtet überall hervor« – Goethe, Göttingen und die Wissenschaft. Göttinger Bibliotheksschriften, Nr. 13, 197-210, Göttingen 2000; David Knight, The making of the chemist: the social history of chemistry in Europe, 1789-1914. Cambridge: 1998. Franz Bosbach u.a. (Hg)., Prinz Albert und die Entwicklung der Bildung in England und Deutschland im 19. Jahrhundert. München 2000. Für den deutschen Sprachraum liegen mit den frühen Arbeiten von Everett Mendelsohn, Sciences and cultures: anthropological and historical studies of the sciences. Dordrecht 1983 und den Studien von Lynn K. Nyhart, Biology takes Form: Animal Morphology and the German Universities, 1800-1900. Chicago 1995; Economic and Civic Zoology in Late Nineteenth-Century Germany: The »living Communities« of Karl Moebius. – Isis, 1998, 89: 605-630, speziell für die Biowissenschaften entsprechende Studien vor. 17 Kurt Bayertz, Spreading the Spirit of Science: Social Determinants of the Popularization of Science in 19th-century Germany, in: Terry Shinn/Richard Whitley (Hg.), Expository Science: Forms and Functions of Popularization, Dordrecht 1985, 209-227; Christoph Kockerbeck, Carl Voigt – Jacob Moleschott – Ludwig Büchner – Ernst Haeckel, Briefwechsel. Marburg 1999. 245
Rosemarie Nöthlich · Olaf Breidbach · Uwe Hoßfeld Wissenschaftspopularisierung deutlich. 18 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nutzte dann etwa Bölsche die Naturwissenschaften explizit als ein für die unteren sozialen Gruppen zugängliches Bildungsinstrument. 19 Bölsche gehörte auch zu den Gründungsinitiatoren einer Freien Deutschen Hochschule, der ersten Volkshochschule Deutschlands. Dieses initiierte neue Bildungsverständnis führte dann in seiner ästhetischen Umsetzung bis in den Naturalismus von Gerhart Hauptmann. 20 »Naturwissenschaft verband sich im populärwissenschaftlichen Diskurs unabdingbar mit Kunst« 21 , ihre Umsetzungen im ästhetischen, literarischen wie künstlerisch-stilistischen Bereich sind vielfältig. Zu beachten sind hier nicht nur die von Haeckels »Kunstformen« beeinflussten Werke Hermann Obrists (1862-1927) und Hendrik Berlages (1856-1934), 22 sondern eben auch beispielsweise im Verlagswesen die neuorientierte Buchgestaltung, 23 die neuartige Präsentation der Vorträge mittels Lichtbildern oder eben auch die Illustration der volkstümlichen Schriften. Hier ist z.B. die Gestaltung der Farbtafeln und Zeichnungen des Urania-Mitarbeiters Heinrich Harder (1858-1935) in den Werken Wilhelm Bölsches beachtenswert. Die neuen Bildungsvereine, aber auch Institutionen, wie die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts formierenden Zoologischen Gärten, trugen die Naturwissenschaften in eine breite Öffentlichkeit. 24 Eine konzisere Bestimmung der naturwissenschaftlichen Bildung für die deutsche Öffentlichkeit steht allerdings noch in den ersten Anfängen. Im Kontext der Naturästhetik liegen hier mit den Ar- 18 Vgl. hierzu auch Kathrin Stiefel, Zwischen Naturphilosophie und Wissenschaftspolitik: Zum Profil der Isis oder Encyklopädischen Zeitschrift von Oken als naturwissenschaftliches Publikationsorgan in den Jahren 1817 bis 1822. Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 26, 2003, 33-56. 19 Wilhelm Bölsche, Das Liebesleben in der Natur. Eine Entwickelungsgeschichte der Liebe. Leipzig, Jena 1898-1903. 20 Hartmut Baseler, Gerhart Hauptmanns soziales Drama »Vor Sonnenaufgang« im Spiegel der zeitgenössischen Kritik. Eine rezeptionsgeschichtliche Modellanalyse: Karl Frenzel, Theodor Fontane, Karl Bleibtreu, Wilhelm Bölsche. Kiel 1993. Günter Schmidt, Die literarische Rezeption des Darwinismus. Das Problem der Vererbung bei Émile Zola und im Drama des deutschen Naturalismus. Berlin, 1974. 21 Andreas Daum, Das versöhnende Element in der neuen Weltanschauung, Entwicklungsoptimismus, Naturästhetik und Harmoniedenken im populärwissenschaftlichen Diskurs der Naturkunde um 1900, in: Volker Drehsen/Helmut Zander, Vom Weltbildwandel zur Weltanschauungsanalyse. Krisenwahrnehmung und Krisenbewältigung um 1900. Berlin 1996, hier 209. 22 Vgl. hierzu u.a. Erika Krauße, Popularisierung der Biologie unter dem Einfluß Haeckels, in: Gudrun Wolfschmidt, Popularisierung der Naturwissenschaften (wie Anm. 2), hier 146-147, 23 So setzte sich hier vor allem Bölsches Verleger Eugen Diederichs für neue Wege in der Buchgestaltung ein Vgl. hierzu Antoon Berentsen, Vom Urnebel zum Zukunftsstaat, (wie Anm. 10), 145 sowie Irmgard Heidler, Buchgestaltung im Eugen Diederichs Verlag bis 1904. Magisterarbeit, 1977 Universität München. Dies., Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (1896-1930). Wiesbaden 1998. 24 Lothar Dittrich/Dietrich von Engelhardt/Annelore Rieke-Müller (Hg.), Die Kulturgeschichte des Zoos. Berlin 2001, Mitchell Ash/Christian Stifter, Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Von der Wiener Moderne bis zur Gegenwart. Wien 2002. 246
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