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Umbruch 2002 - Techumania San Gallensis

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<strong>Umbruch</strong> <strong>2002</strong><br />

«Fiat exercitium Salamandri in honorem<br />

defuncti NN!» Dieser verläuft wie der gewöhnliche<br />

Salamander mit der Ausnahme,<br />

dass am Schluss die leergetrunkenen Gläser<br />

nicht auf den Tisch gestellt, sondern<br />

zerschmettert werden. Als letzter Teil der<br />

Trauerfeier findet zum Zeichen, dass das<br />

Leben weitergeht, analog dem bürgerlichen<br />

Leid- oder Leichenmahl ein würdiger Kommers<br />

statt.<br />

Der Ablauf des Trauersalamanders ist nicht<br />

bei allen Korporationen gleich. Bei der<br />

Thurgovia Frauenfeld zum Beispiel wird er<br />

am Schluss der Trauerkneipe «still» gerieben,<br />

indem man die Gläser lautlos in der<br />

Luft kreisen lässt. Alsdann schmettert das<br />

Präsidium das Glas des Dahingeschiedenen,<br />

welches mit einem Trauerflor umhangen<br />

rechts vom Präsidenten an einem leeren<br />

Platz steht, zu Boden und die übrigen<br />

Trauergäste tun dasselbe mit ihren Gläsern.<br />

Hierauf entfernt sich die Corona, um still<br />

nach Hause zu gehen.<br />

Der «stille» Trauersalamander ist auch bei<br />

den Verbindungen des Wingolf üblich. Dort<br />

wird der letzte Schluck ausgegossen und<br />

das Glas des Toten zerbrochen. Laut dem<br />

Allgemeinem deutschen Biercomment, §<br />

148, kann das Reiben der Gläser statt in der<br />

Luft auch «auf der Erde erfolgen».<br />

Die Angehörigen der Manessia Turicensis<br />

treffen sich am ersten Freitagabend nach<br />

Allerseelen im Totenmonat November in<br />

ihrem Verbindungslokal zur Feier des Totensalamanders.<br />

Nach dem Cantus «Vom<br />

hoh'n Olymp», dem oder den Nachrufen<br />

und dem Leibcantus des oder der Verstorbenen<br />

beginnt der Salamander. Auf dem<br />

Tisch stehen drei Teller, gefüllt mit Kochsalz,<br />

getränkt mit Spiritus. Das Licht im<br />

Raum wird gelöscht und das Salz in den<br />

Tellern angezündet. Nun steigt der Cantus<br />

«Es hatten drei Gesellen ein fein Collegium»,<br />

und dann wird der Salamander ge-<br />

die kluge Seite<br />

rieben. Klirrend zerschellen die Gläser auf<br />

dem Fussboden: Aus diesen Bechern des<br />

Zutrunks an die Heimgegangenen soll kein<br />

Lebender mehr trinken.<br />

Im Cartell-Verband der katholischen deutschen<br />

Studentenverbindungen (CV) gilt<br />

folgendes Ritual: Vor dem Trauersalamander<br />

werden alle Kerzen bis auf diejenige vor<br />

dem leeren Stuhl des Verstorbenen gelöscht.<br />

Der Senior spricht: «Corona hoch!<br />

Auf unseren Bundesbruder trinken wir den<br />

letzten Schluck.» Leise werden die Gläser<br />

ausgetrunken, worauf der Senior erklärt:<br />

«Alle Gläser sind leer, nur eines ist voll. Der<br />

es trank, ist nicht mehr. Höre es, toter Bruder,<br />

ich trinke Dir das letzte Glas (der Senior<br />

trinkt es aus). Wie Dein Leben zerbrochen<br />

ist, so zerbreche dieses Glas (er wirft<br />

es auf den Boden, so dass es zerspringt).<br />

Wie Dein Leben erloschen ist, so verlösche<br />

dieses Licht (er löscht die Kerze). Im Reiche<br />

des Lichts sehen wir uns wieder. Trauerkneipe<br />

ex!» Hernach verlassen alle schweigend<br />

den Kneipraum. Es darf an diesem<br />

Tage weder auf dem Verbindungshaus<br />

noch in Lokalen oder anderswo gekneipt<br />

werden.<br />

Das Brauchtum der studentischen Trauerkneipe<br />

ist, soweit ich das als Nichteingeweihter<br />

beurteilen kann, freimaurerisch beeinflusst.<br />

Und der Totensalamander birgt<br />

auch archaische Abwehrriten in sich. Die<br />

Stille symbolisiert nicht nur die Trauer («stille<br />

Anteilnahme»), sondern hat auch eine<br />

apotropäische, d.h. gegen die bösen Dämonen<br />

gerichtete, unheilabwehrende Bedeutung.<br />

Den dem Verstorbenen von allen<br />

oder nur vom Präsidenten dargebrachten<br />

letzten Schluck können wir als Libation, als<br />

Trankspende an die Götter und den Verblichenen<br />

deuten. Und das Zerschmettern des<br />

oder der Gläser wird entweder als Zeichen<br />

des Glücks für die Hinterbliebenen (glückbringende<br />

Scherben) oder — wohl eher —<br />

als Symbol für die Endgültigkeit des Todes,<br />

als Ausdruck der Trauer und Unwieder<br />

<strong>Techumania</strong> <strong>San</strong> <strong>Gallensis</strong>

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