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E&W 6/2011 - GEW

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Foto: dpa<br />

„Fanatismus gibt es im Frauenfußball nicht“<br />

Interview mit Steffi Jones, OK-Präsidentin der Frauen-WM<br />

Steffi Jones<br />

E &W: Hallo, Frau Jones, bald startet die<br />

Weltmeisterschaft (WM) des Frauenfußballs.<br />

Sind Sie froh, wenn es – nach Monaten der<br />

Vorbereitung – endlich losgeht?<br />

Steffi Jones: Ja, zumal es ja nicht Monate<br />

waren, sondern mehr als dreieinhalb<br />

Jahre. Damals, im November 2007,<br />

waren wir alle noch ein wenig unsicher.<br />

Trotz der Erfahrungen mit der Männer-<br />

WM 2006. Denn eine Frauen-WM zu<br />

organisieren, war auch für den Deutschen<br />

Fußball-Bund (DFB) Neuland.<br />

Jetzt sind die Vorbereitungen fast abgeschlossen,<br />

die Bühne ist gebaut. Jetzt<br />

möchte ich die besten Fußballspielerinnen<br />

der Welt endlich spielen sehen.<br />

E &W: Die WM 2006 hat das Deutschlandbild<br />

im Ausland angeblich verändert.<br />

Wird die Welt auch <strong>2011</strong> „zu Gast bei<br />

Freunden” sein?<br />

Jones: Ich bin überzeugt, dass eine ähnliche<br />

Atmosphäre wie bei der WM 2006<br />

entstehen kann. Natürlich alles eine<br />

Nummer kleiner. Schon allein deshalb,<br />

weil die Frauen-WM mit nur 16 Teams<br />

und nicht mit 32 wie bei den Männern<br />

gespielt wird. Auch die Stadien sind ein<br />

wenig kleiner. Wir können das schon<br />

realistisch einschätzen. Die Geste jedoch<br />

wird die gleiche sein wie im<br />

Sommer 2006: Wir freuen uns<br />

auf die besten Fußballerinnen<br />

aus aller Welt. Auch<br />

<strong>2011</strong> werden wir ein Ausrufezeichen<br />

setzen. Ein<br />

feminines!<br />

E &W: Sie haben bereits als<br />

kleines Kind die Erfahrung gemacht,<br />

aufgrund Ihrer Hautfarbe<br />

anders wahrgenommen<br />

zu werden. Würde Steffi Jones,<br />

wäre sie 2002 und nicht 1972<br />

geboren, im heutigen Frankfurt-Bonames<br />

noch solche Erfahrungen<br />

machen?<br />

Jones: Genauso wie ich<br />

hat sich aber auch Bonames<br />

seit 1972 entwickelt<br />

und verändert. Ich kann<br />

nicht genau beurteilen, wie es<br />

ist, heute dort zu leben. Ich kann<br />

mich erinnern, dass ich meine<br />

Mutter mal fragte, ob die dunkle<br />

Farbe nicht wegginge, wenn<br />

ich mich richtig wasche. Ich<br />

wünschte mir auch glatte Haare,<br />

um nicht mehr „Krollekopp“<br />

genannt zu werden.<br />

E &W: Wie hat Ihre Mutter reagiert?<br />

Jones: Meine Mutter entgegnete ganz<br />

ruhig, dass manche Menschen von solchen<br />

Locken wie meinen träumten.<br />

Mindestens genauso viel auszuhalten<br />

hatte ich übrigens, weil ich anfangs als<br />

einziges Mädchen mit den Jungen Fußball<br />

spielte. Aber als die dann merkten,<br />

dass ich gar nicht so schlecht mit dem<br />

Ball umgehen kann, hat sich das sogar<br />

umgekehrt.<br />

E &W: Hat sich das Zusammenleben in den<br />

vergangenen Jahrzehnten zum Positiven verändert?<br />

Welchen Beitrag hat der Sport dabei<br />

geleistet?<br />

Jones: Wie das Zusammenleben wahrgenommen<br />

wird, ist ja total subjektiv.<br />

Wenn es sich zum Positiven verändert<br />

hat, bedeutet dies, dass man frühere Zeiten<br />

als problematisch empfunden hat.<br />

Das ist nicht meine Auffassung, das entspricht<br />

nicht meinem Charakter. Die<br />

FRAUEN-FUSSBALL-WM <strong>2011</strong><br />

Zeiten früher waren für mich zeitweise<br />

nicht einfach, weil mein Vater uns verlassen<br />

hatte und wir in bescheidenen<br />

Verhältnissen lebten. Aber das Grundgefühl<br />

war immer sehr positiv. Mein<br />

Mittelpunkt war immer die Familie, allen<br />

voran meine Mutter, und der Fußball.<br />

Er hat mir als Mädchen großes<br />

Selbstbewusstsein vermittelt.<br />

E &W: Haben Sie als Spielerin im Alltag<br />

der Frauen-Bundesliga herabwürdigende Äußerungen<br />

erlebt bzw. hat man Ihnen darüber<br />

berichtet?<br />

Jones: Als Spielerin, aber auch in meiner<br />

Funktion als OK-Präsidentin habe<br />

ich solche Äußerungen erlebt, ja. Es<br />

sind und waren aber Einzelfälle. Damals<br />

ging ein ungeheurer Ruck durch unsere<br />

Mannschaft, die sich vor mich stellte,<br />

mich nicht nur beschützte und auffing,<br />

sondern stark machte. Wir haben die<br />

Antwort dann auf dem Platz gegeben.<br />

Auch als OK-Präsidentin erlebe ich immer<br />

wieder Zivilcourage und fast immer<br />

ein klares Bekenntnis gegen jede Form<br />

von Diskriminierung.<br />

E &W: Sind Frauen-Fußball-Fans toleranter?<br />

Jones: Der Zusammenhalt im Frauenfußball<br />

insgesamt ist sehr groß. Es geht<br />

alles ein wenig familiärer, vielleicht entspannter<br />

zu. Vielleicht sind die Fans<br />

beim Frauenfußball insofern toleranter,<br />

als auch diese tiefen Bindungen, die viele<br />

Fans zu ihren Klubs in der Männer-<br />

Bundesliga haben, nicht bestehen. Das<br />

Wort Fan stammt ursprünglich von Fanatismus.<br />

Das, denke ich, gibt es im<br />

Frauenfußball nicht.<br />

E &W: Offenbar nützt nur ein nachhaltiges<br />

Engagement gegen Rassismus. Was haben<br />

Sie, was hat der Verband in den kommenden<br />

Jahren vor?<br />

Jones: Ich habe es immer als sehr positiv<br />

eingestuft, dass sich gerade die Fußball-<br />

Verbände, der Weltfußballverband, die<br />

FIFA (Fédération internationale de<br />

Football Association), der Europäische<br />

Fußballverband UEFA (Union des Associations<br />

Européennes de Football),<br />

der DFB, oder auch die Deutsche Fußball-Liga<br />

(DFL), mit vielen Aktionen gegen<br />

jeden Anflug von Rassismus stellen.<br />

Man darf damit nicht nachlassen.<br />

Interview: Christoph Ruf, freier Journalist<br />

Okka Gundel:<br />

11 Freundinnen müsst<br />

ihr sein. Warum Frauenfußball<br />

begeistert.<br />

Knaur TB <strong>2011</strong>,<br />

224 Seiten, 9,99 Euro.<br />

6/<strong>2011</strong> Erziehung und Wissenschaft 19

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