Untitled - Industrieensemble Neuthal
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Teil I<br />
Annelis Geschichte
Anneli Lüssi lebte mit ihren Eltern und ihren sieben Geschwistern in Turbenthal,<br />
einem kleinen Dorf hinten im Tösstal. Auch die Grossmutter wohnte im gleichen<br />
Haus, im oberen Stockwerk.<br />
Anneli hatte keine Zöpfe wie die anderen Mädchen, denn ihre wilden, schwarzen<br />
Locken liessen sich nicht in ein Haarband zwängen. Die Mutter wurde jeweils ganz<br />
stigelisinnig, wenn sie versuchte, ihre Tochter ordentlich zu kämmen. Aber Anneli lachte<br />
dann nur und sprang davon. Sie ging vom Frühling bis in den späten Herbst hinein<br />
barfuss auf die Felder zur Arbeit oder zum Spielen mit den anderen Kindern. Denn<br />
Schuhe waren sehr wertvoll, die Kinder durften sie nur im Winter und am Sonntag in<br />
der Kirche anhaben.<br />
Anneli musste oft die Kühe hüten. Dann sass sie jeweils auf einem Ast des alten<br />
Apfelbaumes, dessen Äste fast bis zum Boden herabhingen, während das Vieh unten<br />
weidete. Sie war es sich gewohnt, viel zu arbeiten und auch zur Schule ging sie sehr<br />
gern, besonders seit sie den jungen Lehrer hatten, der immer so spannende Geschichten<br />
erzählte.<br />
1
Doch eines Abends geschah ein grosses Unglück: Annelis Vater, der<br />
Malermeister Lüssi, stand während dem Abendessen plötzlich auf. Unten auf der<br />
Strasse sass ein betrunkener Mann auf seinem Fuhrwerk, das von einem jungen Stier<br />
gezogen wurde. "Der fährt ja auf der falschen Strasse! Ich will schnell hinuntergehen<br />
und dem Mann helfen den Wagen zu kehren", meinte der Vater, als er schon im<br />
Türrahmen stand," esst ihr ruhig weiter!"<br />
Doch der Vater kam nicht mehr zurück.<br />
Der Vater war von dem scheu gewordenen Stier fortgerissen worden und hatte<br />
sich dabei so schwer verletzt, dass er bald darauf im Spital Zürich starb.<br />
Nachher wurde alles schwieriger für die Familie Lüssi. Nun arbeitete ein<br />
anderer Mann in der Malerwerkstatt des Vaters und die Mutter wusste nicht, wo sie<br />
das Geld hernehmen sollte, um acht hungrige Mäuler zu stopfen.Der älteste Sohn, der<br />
Ruedi, ging nach Winterthur, um dort als Malergeselle zu arbeiten und die anderen<br />
Kinder mussten in die Fabrik, wie die meisten Kinder aus dem Dorf.<br />
2
Anneli hatte sich sehr gefreut auf ihren ersten Tag in der Fabrik. Endlich konnte<br />
sie auch arbeiten gehen wie die Grossen. Von jetzt an würde sie auch jeden Tag ein<br />
grosses, leckeres Stück Vesperbrot bekommen von der<br />
Mutter. Und zum ersten Mal in ihrem Leben konnte<br />
sie selber Geld verdienen!<br />
Zwischen den anderen Kindern schritt Anneli<br />
auf die Fabrik zu.<br />
"Du kommst zu meinem Spinnermeister",<br />
verkündete ihre Freundin Babettli, " der ist ganz streng, du darfst nie aus dem Fenster<br />
schauen, aber wenn du fleissig arbeitest, macht er dir nichts, und dann verdienst du<br />
sechzig Rappen am Tag!"<br />
Zwischen Baumstämmen hindurch drang blendend das grelle Weiss des<br />
mächtigen Fabrikgebäudes mit den unzähligen Fenstern. "Im zweiten Stock arbeiten<br />
wir beide an den Spinnmaschinen", meinte Babettli, die sich freute, Anneli alles<br />
erklären zu können. "Im ersten Stock wird die Baumwolle gesäubert und gekämmt,<br />
und schau dort hinten, das ist das Herrschaftshaus."<br />
Anneli aber sah nur den dunklen Fabrikeingang. Kinder und Grosse drängten<br />
sich plaudernd und lachend hinein. Auch Anneli lachte, als käme sie zu einem Fest<br />
und schritt mit den anderen durch den düsteren Eingang die schmale, lange<br />
Holztreppe hinauf.<br />
3
Nun stand Anneli mitten in dem grossen, niedrigen Fabriksaal mit den vielen<br />
trüben, fest verschlossenen Fenstern. Maschinen rasselten. Spulen tanzten. Breite,<br />
braune Lederriemen durchbrachen singend Boden und Decke. Und zwischen dem<br />
ohrenbetäubenden Rasseln, Klappern und Sausen hindurch eilten Kinder und<br />
Erwachsene. Mit heissen, roten Backen stand sie mitten in dem Wirrwarr und staunte.<br />
Das dort waren also die Spinnermeister, die wie Könige auf hohen Sitzen thronten, an<br />
Hebeln drehten und über Maschinen und Leute regierten!<br />
5
Anneli wurde vom Ruf ihrer Freundin aus dem Staunen gerissen. "Schau Anneli,<br />
so geht das!", rief Babettli, während sie unter das Dach aus Fäden huschte, die der<br />
Spulenwagen laut rasselnd abspann. Am Boden kauernd, benetzte sie ihre Hände und<br />
säuberte die kleinen Walzen von den Baumwollfetzen. Während der schwere, breite<br />
Maschinenwagen schon zurückschnellte, kroch das Mädchen unter dem Fadendach<br />
hervor und lächelte breit. "Ab nächster Woche bist du Aufsteckerin, dann musst du<br />
auch die Walzen putzen. Ich werde dann Ansetzerin und muss die gerissenen Fäden<br />
wieder verknüpfen", sagte sie mit einer Spur Stolz in ihrer Stimme."Komm, versuch es<br />
auch einmal, aber pass auf, dass du nicht eingeklemmt wirst zwichen den Maschinen!"<br />
wei Jahre waren verstrichen und Anneli arbeitete Tag für Tag in der Spinnerei.<br />
ZZwei Jahre waren verstrichen und Anneli arbeitete Tag für Tag in der Spinnerei.<br />
Während die Maschinen lärmten, kroch sie unter das Fadendach, putzte die Walzen<br />
und achtete darauf, dass die Spulen nicht leer liefen. Aber Annelis Blicke schweiften<br />
oft zu den anderen Kindern, die barfuss über den öligen Boden eilten und zu den<br />
Fenstern, die zu trübe waren um hindurch zu sehen. Von Zeit zu Zeit schob sie sich<br />
einen Brocken Brot in den Mund, aber sie konnte kaum schlucken. Wenn nur das Öl<br />
nicht wäre! Es klebte an den Händen und den Kleidern und auch das Brot schien<br />
diesen bitteren, öligen Geschmack aufgesogen zu haben.<br />
Als sie eines Morgens neben Jakobli auf dem<br />
Weg zur Fabrik war, fragte Anneli ihn: "Gehst du<br />
eigentlich gerne in die Fabrik?" Der Junge schaute<br />
sie nur verwundert an. Eigentlich hatte er noch<br />
nie darüber nachgedacht.<br />
Der Vater ging ja auch und schon der Grossvater<br />
hatte in der Fabrik gearbeitet.<br />
Aber bei Anneli war es anders. Noch nie<br />
war ihr die Welt so grau erschienen. Von Tag zu<br />
Tag verabscheute sie die Arbeit in dem dunklen,<br />
engen Fabriksaal mehr. Der Baumwollstaub in<br />
der Luft kratzte so in ihrem Hals, dass sie das<br />
Gefühl hatte, zu ersticken. Anneli konnte nichts<br />
mehr essen und lachte nicht mehr so oft wie<br />
früher.<br />
An einem schönen Herbstmorgen konnte<br />
Anneli den Anblick der kalten, weissen Mauern des Spinnereigebäudes einfach nicht<br />
mehr ertragen. Und plötzlich, ohne zu wissen, was mit ihr geschah, bog das Mädchen<br />
vom Weg zur Spinnerei ab und rannte davon. Sie lief und lief und je weiter sie sich<br />
von der Fabrik entfernte, desto leichter wurde es ihr ums Herz. Trotzig dachte sie:"Nie,<br />
nie mehr gehe ich zurück!"<br />
Doch als die Sonne unterging und die Schatten der Bäume zu wachsen begannen,<br />
fühlte sie sich auf einmal schrecklich einsam und hungrig.<br />
Die Dunkelheit machte ihr Angst, und plötzlich tauchte eine gebückte, schwarze<br />
Gestalt vor ihr auf. Anneli konnte sich kaum rühren vor Schreck, bis die Gestalt mit<br />
fester Stimme befahl: "Anneli!"<br />
6
Die Grossmutter machte einen Schritt auf das zitternde Mädchen zu und legte<br />
ihm schützend den Arm um die Schultern. Anneli schluchzte in die harte Schürze der<br />
alten Frau: "Lieber will ich sterben, als wieder in die Fabrik zu gehen!" Der ganze<br />
Kummer, den sie so lange für sich behalten hatte, brach aus ihr heraus.<br />
Die Grossmutter sass da und strich, ohne es zu wissen, immer wieder über<br />
Annelis Haar. "Aber man läuft doch nicht einfach davon. Das ist keine Art. Schäme<br />
dich Anneli, uns solchen Kummer zu machen! Und in die Fabrik wirst wohl gehen<br />
können, wie die andern auch. Es muss sein. Die Mutter hat es dem Fabrikherrn<br />
versprochen, damals, als er ihr aus der Not half, nachdem der Vater gestorben war."<br />
Aber die alte Frau kannte Anneli gut, sie merkte, wie schlimm es um das<br />
Mädchen stand, das da in ihrem Schoss lag und leise weinte. Tief seufzend runzelte sie<br />
ihre Stirn und tröstete Anneli: "So will ich morgen mit dir in die Fabrik hinunter<br />
kommen..."<br />
7
Langsam und kerzengerade schritt die Grossmutter in ihrer seidenen Haube mit<br />
Anneli der Fabrik zu. Alle die sie sahen, grüssten höflich. Die Grossmutter war im<br />
ganzen Dorf bekannt und wenige lebten,denen die stille Frau nicht schon einen guten<br />
Rat gegeben hatte.<br />
Ihre scharfen Augen hefteten sich auf die surrende Fabrik mit den unzähligen<br />
Fenstern. Diese Maschinenhäuser brachten nichts Gutes in die Welt! Das Geld lockte,<br />
dafür nahmen sie einem dort drinnen Licht, Sonne und Luft... und die Freude an der<br />
Arbeit. Sie hatte auch gewoben, am Webstuhl, Leinen und Seide, und im Winter Flachs<br />
gesponnen und dazu gesungen. Nun<br />
verstanden die Maschinen alles besser,<br />
arbeiteten schneller und feiner. Den Menschen<br />
gefiel das dünne, baumwollene Zeug besser als<br />
die selbstgewobene Leinwand.<br />
Doch nun musste sie zum Fabrikherrn,<br />
musste ihm zu verstehen geben, dass Anneli<br />
nicht mehr in der<br />
Fabrik arbeiten konnte.<br />
Die Unterredung dauerte lange, aber am<br />
Schluss gab der alte Herr nach: "Das mit dem<br />
Anneli ist nun wirklich ein besonderer Fall, und<br />
wenn es die Arbeit in der Fabrik nicht mehr<br />
aushält, so soll es halt gehen und sich etwas<br />
anderes suchen."<br />
Aufrecht, aber schwer atmend kam die Grossmutter von dieser Unterredung<br />
nach Hause. "Grossmutter!", rief Anneli vor Freude, als sie hörte, dass sie vom<br />
nächsten Monat an nicht mehr in die Fabrik zu gehen brauchte. Sie weinte, lachte und<br />
streichelte die alten, runzligen Hände.<br />
8
An diesem Abend schlief die Grossmutter friedlich ein mit der Gewissheit, dass<br />
es ihrem Anneli von nun an besser gehen würde. Und tatsächlich, Anneli stand schon<br />
wenig später mit einem grossen Reisesack am Bahnhof und nahm Abschied von der<br />
Mutter und den Geschwistern.<br />
Sie ging nach Zürich, um bei einer Herrschaft zu arbeiten. Ein bisschen bange<br />
ums Herz war ihr schon, als sie an die grosse Stadt dachte, aber sie spürte auch eine<br />
ungeheure Freude in sich aufsteigen.<br />
Es war kaum zu glauben; sie, Anneli Lüssi, fuhr in die Welt hinaus!<br />
9
Kinderarbeit heute: Südasien, 2004<br />
10
Teil II<br />
Auf den Spuren Annelis
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung...................................................................................................... 1-2<br />
2. Vom Arbeitermädchen zur erzählenden Mutter: Wer war Anneli?.......... 2-4<br />
2.1. "Kannte ich das Tösstal denn nicht schon lange?"..................................... 2-3<br />
2.2. Das tapfere Anneli....................................................................................... 3-4<br />
3. Der Geschichtliche Hintergrund................................................................. 5-8<br />
3.1. Die Fabriken kommen ins Tösstal............................................................... 5<br />
3.2. Der Alltag in der Fabrik................................................................................ 6-7<br />
3.3. "Jedermann soll ruhig und fleissig seiner Arbeit warten"............................. 7<br />
3.4. Die finanzielle Situation der Fabrikarbeiterfamilie....................................... 8<br />
4. Die Schabkartontechnik............................................................................. 9-12<br />
4.1. Meine Arbeit mit Schabkarton................................................................... 9-11<br />
a) Die Skizze......................................................................................... 9<br />
b) Der Schabkarton............................................................................ 10-11<br />
4.2. Düster, spannend, humorvoll: die Vielseitigkeit<br />
des Schabkarton und seiner Protagonisten............................................ 11-12<br />
5. Schlusswort............................................................................................... 13<br />
6. Anhang<br />
7. Literaturverzeichnis................................................................................. 14-15<br />
7.1. Primärliteratur......................................................................................... 14<br />
7.2. Sekundärliteratur..................................................................................... 14-15<br />
7.3. Internetseiten.......................................................................................... 15<br />
8. Bildnachweis............................................................................................ 15
1. Einleitung<br />
Da ich aus dem Tösstal stamme, kenne ich die Geschichte von Anneli Lüssi und<br />
ihren Geschwistern schon seit meiner Kindheit. Ich war schon früher fasziniert<br />
von dem lebendigen und starken Mädchen, das in einer mir fernen und<br />
unbekannten Welt lebte, obwohl die Geschichte in unserem Nachbardorf vor nicht<br />
mehr als 140 Jahren spielt.<br />
Geschichtliche Themen interessierten mich schon immer, aber in meiner<br />
Maturarbeit wollte ich den Schwerpunkt auf einen bildnerisch/gestalterischen Teil<br />
legen. Deshalb lag die Idee nahe, das alte Kinderbuch von Olga Meyer als<br />
Vorlage zu benutzen und Teile daraus zu illustrieren.<br />
Natürlich musste ich für meine Arbeit eine Sequenz aus der Anneli-Trilogie<br />
auswählen, da es unmöglich gewesen wäre, in der Zeit, die mir zur Verfügung<br />
stand, alle drei Bände zu illustrieren. Ich konzentrierte mich vor allem auf den<br />
zweiten Band, da die Hauptfigur in diesem Zeitraum einen schwierigen<br />
Lebensabschnitt durchlebt; sie steht am Anfang der Entwicklung zu einer<br />
erwachsenen Frau und leidet unter der Arbeit in der Fabrik.<br />
Dies ist auch ein Grund, weshalb sich die Technik des Schabkartons sehr gut<br />
eignet, um diesen Teil der Erzählung zu illustrieren; da an Schabkartonbildern<br />
meistens etwas Melancholisches oder fast Düsteres haften bleibt, selbst wenn<br />
man grosse weisse Flächen zum Vorschein bringt.<br />
Auch vom historischen Gesichtspunkt her erscheint mir der gewählte Abschnitt<br />
als der Interessanteste, da er ein gutes Beispiel für das Leben einer<br />
Fabrikarbeiterfamilie im Tösstal um 1870 darstellt.<br />
Natürlich musste ich die ausgewählten Szenen noch zu einer Geschichte<br />
verdichten und sie mit Hilfe der Bilder untermalen und anschaulich machen. Um<br />
den originalen Wortlaut zumindest teilweise zu bewahren, habe ich manchmal<br />
ganze Sätze aus dem Buch übernommen. (Zum Beispiel war das oft bei direkten<br />
Reden der Fall).<br />
Um mich in das Thema einzuarbeiten, las ich Bücher über die Zeit der<br />
Industriellen Revolution in der Schweiz, besuchte die Museumsspinnerei <strong>Neuthal</strong><br />
1
ei Bäretswil und erforschte historische Originaldokumente der Fabrik 1 , in<br />
welcher Anneli gearbeitet hat. Ich habe dabei gemerkt, dass es zum Verständnis<br />
meiner künstlerischen Arbeit hilfreich ist, den geschichtlichen Hintergrund der<br />
Erzählung zu kennen. Deshalb schildere ich im schriftlichen Teil der Maturarbeit<br />
in Kurzform die Lebensumstände der Fabrikarbeiter im Tösstal um 1870.<br />
Als Vorbereitung auf den praktischen Teil setzte ich mich mit der damaligen Mode<br />
und der Architektur der Fabrikgebäude auseinander. Ich hatte zudem die<br />
Möglichkeit, den bekannten Ilustrator Hannes Binder in seinem Atelier zu<br />
besuchen und von ihm im technischen Bereich zu profitieren.<br />
2. Vom Arbeitermädchen zur erzählenden Mutter: Wer war Anneli?<br />
2.1. "Kannte ich das Tösstal denn nicht schon lange?" 2<br />
1918 gab Olga Meyer ihr erstes Buch, "Anneli, Geschehnisse eines kleinen<br />
Landmädchens" heraus und löste damit einen Sturm der Begeisterung unter den<br />
Lesern aus. Das Buch bestand aus den niedergeschriebenen<br />
Kindheitserlebnissen ihrer Mutter; Anna oder "Anneli" Lüssi.<br />
Während Olgas Kindheit in Zürich hatte ihr ihre Mutter immer wieder von den<br />
eigenen Erlebnissen als Kind im Tösstal erzählt, so dass die Autorin, obwohl sie<br />
den Heimatort des Anneli bis zu diesem Zeitpunkt nie besucht hatte, später<br />
schrieb: "Aber kannte ich es [das Tösstal] denn nicht schon lange? War ich denn<br />
nicht seit meiner Kindheit in diesem Tösstal daheimgewesen? ... Ich ging in<br />
diesem Dorf [Turbenthal] wie in meinem Kinderland ein und aus." 2<br />
Als junge Lehrerin in Zürich erzählte Olga Meyer zuerst ihren Schülern die<br />
Kindheitserlebnisse ihrer Mutter. Aufgrund des grossen Interesses seitens der<br />
Kinder begann sie dann, die Geschichten aufzuschreiben und zu sammeln, bis<br />
zuletzt ein stark pädagogisch gefärbtes Buch daraus wurde, welches 1918 beim<br />
Rascher-Verlag, Zürich, erschien.<br />
1 Die Fabrik Boller-Winkler in Turbenthal, heute bekannt unter dem Namen "Bonjour".<br />
2Meyer, Olga, "Olga Meyer erzählt aus ihrem Leben", Rascher Verlag, Zürich und Stuttgart, 1968<br />
2
Mit ihrer kindgemässen und gefühlvollen Sprache vermochte Olga Meyer ihr<br />
"Anneli" zum Liebling von Generationen junger Leser zu machen. Nicht nur in der<br />
Schweiz sondern auch in Deutschland wurde die Erzählung bekannt.<br />
Der Erfolg des Buches mag wohl auch daher gekommen sein, dass in jener Zeit,<br />
am Ende des ersten Weltkriegs, ein starkes Verlangen nach einer heilen,<br />
ländlichen und heimatlichen Welt bestand, wie sie im ersten Anneliband<br />
beschrieben wird.<br />
Auch der zweite Band, "Anneli kämpft um Sonne und Freiheit", welcher 1927<br />
herauskam, erhielt gute Kritiken. "Kulturgeschichtlich äusserst wertvoll", oder "Ein<br />
gesundes, gutes Jugendbuch, das auch Erwachsene mit Gewinn lesen werden",<br />
hiess es in Besprechungen 1 .<br />
Sieben Jahre später folgte der dritte und letzte Band der Anneligeschichte und<br />
diesem wiederum zahlreiche weitere Kinderbücher.<br />
2.2. Das tapfere Anneli<br />
Abb. 1: Umschlag des ersten Bandes der Anneli-Trilogie:<br />
"Anneli. Erlebnisse eines kleinen Landmädchens".<br />
Hans Witzig trifft mit seiner anrührenden Illustration<br />
des glücklichen Landmädchens den Zeitgeist um 1919.<br />
Aus den Erzählungen Olga Meyers über ihre Mutter lässt sich schliessen, dass<br />
Anna Lüssi um 1860 in Turbenthal geboren wurde. Sie war eines von acht<br />
Kindern und lebte in ärmlichen Verhältnissen. Trotzdem wird Annelis Kindheit als<br />
sehr glücklich beschrieben, zuminderst bis ihr Vater Rudolf Lüssi 1868 starb und<br />
sie nach dem sechsten Schuljahr 1873 in die Fabrik eintreten musste. Von<br />
diesem Zeitpunkt an verflog die Unbeschwertheit ihrer Kindheitstage und eine<br />
schwierige Zeit begann für das Mädchen. Mit Hilfe ihrer Grossmutter und nicht<br />
1 zit. in Meyer, Olga, "Olga Meyer erzählt aus ihrem Leben", Rascher Verlag, Zürich und Stuttgart,<br />
1968<br />
3
zuletzt dank des Wohlwollens des Fabrikherrn gelang ihr schliesslich die<br />
Befreiung von der Fabrikarbeit. Sie konnte nach Zürich gehen, wo ihr die<br />
Pfarrfrau von Turbenthal eine Stelle als Hausangestellte bei einer gewissen Frau<br />
Bühler vermittelt hatte.<br />
Beim Lesen von Olga Meyers Buch entsteht vielleicht der Eindruck, die Fahrt in<br />
die Stadt sei als eine grosse Befreiung des Mädchens zu verstehen. Allerdings<br />
genoss sie als Bedienstete einer "Herrschaft" bestimmt nicht mehr Freiheit als in<br />
Turbenthal und hatte zudem ebenso strenge Arbeit zu verrichten, wenn auch<br />
nicht in einer stickigen Fabrikhalle.<br />
Anneli blieb schliesslich in der grossen Stadt und heiratete später den Briefträger<br />
Jean Meyer. Mit ihm bekam sie einen Sohn und zwei Töchter - eine davon hiess<br />
Olga, welche 1898 zur Welt kam. Mutter und Tochter hatten zeitlebens eine sehr<br />
enge Beziehung und Olga Meyer sah die Annelibücher immer als eine Art<br />
Gemeinschaftswerk, da sie selbst nur die gehörten Erzählungen niederschrieb.<br />
Abb. 2: Anneli arbeitete damals in einer Spinnerei in Hutzikon. Diese Postkarte von<br />
Hutzikon-Turbenthal wurde um 1890 gedruckt.<br />
4
3. Der Geschichtliche Hintergrund<br />
3.1. Die Fabriken kommen ins Tösstal<br />
Im 18. Jahrhundert war die textile Heimarbeit im Tösstal weit verbreitet. Von den<br />
kargen Erträgen, die auf den kleinen Bauernhöfen erwirtschaftet wurden, konnte<br />
sich kaum eine Familie ihr Überleben sichern. So waren diese darauf<br />
angewiesen, neben der Bewirtschaftung des Hofes einen Verdienst aus der<br />
Spinnerei oder Weberei im eigenen Haus zu erhalten.<br />
Die Erfindung der Spinnmaschine in England um 1770 löste anfangs des 19.<br />
Jahrhunderts die Mechanisierung der Textilindustrie in ganz Europa aus. Nun<br />
konnte durch Massenproduktion in arbeitsteiligen Fabriken billiges Garn<br />
hergestellt werden. Der Preisdruck stieg, und die Existenz der Heimarbeiter in der<br />
Schweiz war bedroht.<br />
Überall auf dem Land, entlang den Wasserläufen, schossen ab1816 Fabriken<br />
und Arbeitersiedlungen wie Pilze aus dem Boden. Auch in Turbenthal wurde zu<br />
dieser Zeit die erste Baumwollspinnerei errichtet.<br />
Das Tösstal war sehr geeignet für die Entwicklung einer maschinellen<br />
Textilindustrie, da seine Bewohner bereits Erfahrung in der Heimindustrie hatten<br />
und die Töss als Antriebskraft für die Spinnmaschinen genutzt werden konnte.<br />
Ein grosser Teil der Tösstaler Bevölkerung verlagerte seine Tätigkeit von der<br />
Heimarbeit auf die Arbeit in der Fabrik.<br />
Im Annelibuch kann dieser Wechsel von Heimarbeit zu Fabrikarbeit, welcher sich<br />
oft innerhalb einer Generation abspielte, sehr gut gezeigt werden. So bearbeitete<br />
Annelis Grossmuter noch zu Hause die Baumwolle, ihre Enkelkinder jedoch<br />
arbeiteten in der Fabrik für einen kaum besseren Lohn.<br />
Ein wichtiger Schritt in der Industrialisierung des Tösstals war auch der Bau der<br />
Eisenbahn von Winterthur nach Bauma um 1875, welcher eine Senkung der<br />
Transportkosten für Fabrikgüter zur Folge hatte.<br />
5
3.2. Der Alltag in der Fabrik<br />
Abb. 3: Verglichen mit dem ganzen Kanton<br />
Zürich, arbeitete im Tösstal um 1855 ein<br />
sehr grosser Teil der Bevölkerung in der<br />
Baumwollindustrie.<br />
Der Arbeitstag in der Fabrik begann im allgemeinen um etwa sechs Uhr morgens<br />
und dauerte bis zwanzig Uhr mit einer Mittagspause von einer Stunde. Es wurde<br />
also insgesamt zwölf bis vierzehn Stunden gearbeitet. (Solche Arbeitszeiten<br />
werden auch im Annelibuch erwähnt). Die meisten Arbeiten im Spinnereisaal<br />
waren körperlich nicht besonders anstrengend, sondern bedingten vor allem eine<br />
grosse Gelenkigkeit der Finger, weshalb sie oft den Kindern und Frauen zugeteilt<br />
wurden. Für die Unternehmer war es zudem lohnender, Frauen und Kinder zu<br />
beschäftigten, da diese einen tieferen Lohn verlangten als die erwachsenen<br />
Männer.<br />
Bei dem Eintritt in die Fabrik wurden die Knaben und Mädchen Aufstecker. Als<br />
solche mussten sie die vollen Spulen auswechseln und die Maschinen reinigen<br />
und ölen. Nach einer kurzen Anlernzeit übernahmen die jungen Arbeiter die<br />
Aufgabe des Ansetzers, das hiess, die gerissenen Fäden wieder zu verknüpfen.<br />
In den grossen Fabriksälen herrschte immer der ohrenbetäubende Lärm der<br />
Maschinen und es war oft sehr eng, heiss und stickig. Die Arbeit war sehr<br />
eintönig, und trotzdem musste die Belegschaft immer aufmerksam sein, da die<br />
schweren Maschinen, Zahnräder und rotierenden Riemen eine ständige<br />
6
Bedrohung für die Belegschaft darstellten. Nicht selten kam es zu schweren<br />
Unfällen, wobei die Fabrikbesitzer bis 1881 1 nicht verpflichtet waren, für die<br />
Schäden aufzukommen. Auch gesundheitliche Langzeitschäden traten bei den<br />
Fabrikangestellten auf; zum Beispiel führte die Staubentwicklung in den<br />
Baumwollspinnereien sehr oft zu einer Erkrankung der Atmungsorgane. Auch<br />
dieses Thema wird im Annelibuch erwähnt: eine junge Fabrikarbeiterin und gute<br />
Freundin der Hauptfigur stirbt infolge einer Lungenkrankheit.<br />
3.3. "Jedermann soll ruhig und fleissig seiner Arbeit warten" 2<br />
In der Fabrik herrschten autoritäre Strukturen, die Arbeiter mussten sich den<br />
Anordnungen des Fabrikherren und der Spinnermeister fügen. Es wurde<br />
Gehorsam, Pünktlichkeit und Fleiss gefordert. In dem 1850 verfassten<br />
Fabrikreglement von der Firma Kölla und Renker in Gossau heisst es:<br />
"Jedermann soll ruhig, ... und fleissig seiner Arbeit warten, auf gute Ordnung und<br />
Pünktlichkeit halten,...besonders wird das Weggehen vom angewiesenen Posten<br />
und das unnötige Sprechen untersagt..." 2<br />
Jedes Vergehen wurde bestraft, entweder mit Bussen, welche vom Lohn<br />
abgezogen wurden oder jüngere Arbeiter wurden teilweise auch körperlich<br />
gezüchtigt von den Aufsehern. Bei schwereren Vergehen drohte die sofortige<br />
Entlassung ohne Auszahlung des ausstehenden Lohnes.<br />
1 1881: Erlass des eidgenössischen Haftpflichtgesetzes verpflichtet die Fabrikbesitzer, für<br />
Unfallschäden der Angestellten aufzukommen.<br />
2 Fabrik-Reglement der Firma Kölla und Renker, zit. in: Jäger, Reto u.a. , "Baumwollgarn als<br />
Schicksalsfaden", Chronos, Zürich, 1986<br />
7
3.4. Die finanzielle Situation der Fabrikarbeiterfamilie<br />
Im heimindustriellen Umfeld war es üblich, dass die Kinder spätestens ab dem<br />
sechsten Lebensjahr mithalfen bei den alltäglichen Arbeiten. Da mit der Arbeit in<br />
den mechanischen Baumwollspinnereien aber höhere Löhne erzielt werden<br />
konnten, war die Bereitschaft der Heimarbeiter, ihre Kinder in die Spinnerei zu<br />
schicken, recht gross.<br />
Anneli verdiente an einem Tag 60 Rappen. Fr. 3.60 pro Woche - das war ein<br />
durchschnittlicher Lohn für junge Arbeiter. Obwohl dieser Lohn aus heutiger Sicht<br />
sehr gering erscheint, konnten sich viele Familien nur dank des Verdienstes der<br />
Kinder über Wasser halten. Die Einkommen reichten oft kaum für das Nötigste.<br />
Die Ernährung bestand hauptsächlich aus Kartoffeln, Brot und Milch. Im<br />
Annelibuch werden auch oft Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten<br />
erwähnt.<br />
Abb. 4: Fotografie von Hutzikon um 1910. Rechts vorne im Bild die Fabrik der "Boller,<br />
Winkler AG", heute bekannt unter dem Namen "Bonjour".<br />
8
4. Die Technik des Schabkarton<br />
4. 1. Von der Skizze bis zum fertigen Werk<br />
a) Die Skizze<br />
Ich machte die Erfahrung, dass es bei der Verwendung der Schabkartontechnik<br />
sehr wichtig ist, eine möglichst detaillierte Skizze anzufertigen, bevor man zur<br />
Bearbeitung des Kartons übergeht. Daher skizzierte ich zuerst alle Ilustrationen<br />
genau mit Bleistift. Schon während dieser Arbeit musste ich mir allerdings<br />
darüber im Klaren sein, was später im Rahmen des Möglichen der<br />
Schabkartontechnik liegen würde, wo ich mit Hilfe eines Schattens eine Person<br />
ein bisschen klarer hervortreten lasse oder wo eine schwarze Umrisslinie<br />
weggelassen werden kann.<br />
Als alle Skizzen schliesslich angefertigt waren, stellte sich die Frage, wie ich die<br />
Bleistiftzeichnungen auf den Schabkarton übertragen könne: Durchpausen war<br />
beispielsweise nicht möglich, da der Karton lichtundurchlässig ist.<br />
Ich löste das Problem, indem ich von sämtlichen Skizzen Kopien anfertigte,<br />
welche ich auf der Hinterseite mit einem weichen Bleistift anschwärzte, um sie<br />
schliesslich auf den Schabkarton zu legen und mit einem harten Bleistift die<br />
wichtigsten Linien nachzuzeichnen, welche dadurch wiederum auf die Unterlage -<br />
den Schabkarton - übertragen wurden.<br />
1. 2. 3. 4.<br />
Abb. 5: Schabkartonwerkzeuge:<br />
1. Bleistift<br />
2. Cutter<br />
3. Linolschnittmesser<br />
4. Tuschschreiber (Edding 1800)<br />
9
) Der Schabkarton<br />
Der dünne Schabkarton ist aus verschiedenen Schichten aufgebaut. Die oberste,<br />
sichtbare Schicht ist vollständig schwarz. Die darunterliegende weisse Schicht<br />
kommt nur zum Vorschein, wenn die schwarze Deckschicht weggekratzt oder<br />
-geschabt wird. Dies geschieht normalerweise mit einem Schaber, einem<br />
Chinamesser oder einer Tuschefeder. Ich habe auch mit anderen spitzigen<br />
Gegenständen, wie zum Beispiel einer Nadel, experimentiert und teilweise<br />
überraschende Effekte erzielt.<br />
Nach einigen Versuchen fand ich meine bevorzugten Werkzeuge: einen feinen<br />
Cutter und ein spitz zulaufendes Messerlein, das eigentlich für Linoldrucke<br />
verwendet wird. Mit diesen beiden Instrumenten konnte ich sowohl sehr feine<br />
Linien, als auch solche von bis zu 3 Millimetern Durchmesser herausschaben, je<br />
nach dem, wie ich die Klinge ansetzte.<br />
Ich musste auch die Erfahrung machen, dass die Qualität der verschiedenen<br />
Kartons sehr unterschiedlich ist. Meine ersten Versuche machte ich auf einem<br />
Schabkarton mit einer stark glänzenden und sehr harten Oberfläche. Zwar war<br />
dieser nicht so heikel gegenüber mechanischen Einwirkungen, aber folglich auf<br />
Grund seiner Härte auch schwieriger zu bearbeiten. Später entdeckte ich jedoch<br />
zum Glück einen Schabkartonhersteller 1 , dessen Produkt viel eher meinen<br />
Wünschen entsprach; seine Oberfläche glänzte nur matt und war viel weicher<br />
und angenehmer zu bearbeiten.<br />
Eine grosse Herausforderung war es nun, mit Hilfe der wenigen Bleistiftstriche,<br />
die von der Skizze auf den Karton übertragen worden waren, ein<br />
zusammenhängendes, glaubhaftes Bild herzustellen. Es kam noch dazu, dass<br />
bei der Bleistiftskizze dunkle Striche und Flächen eingezeichnet werden, mit den<br />
Schabwerkzeugen aber lässt man helle Linien erscheinen. Das heisst, es ist<br />
immer ein direktes Umdenken erfordert.<br />
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass eine Verbesserung von einmal gemachten<br />
Fehlern auf dem Schabkarton fast unmöglich ist. Kleine Ausrutscher können zwar<br />
relativ leicht mit einem schwarzen Tuschschreiber 2 übermalt werden, aber die<br />
Behebung von grossflächigeren Fehlern gestaltet sich um einiges schwieriger. In<br />
diesem Fall kann zum Beispiel die oberste Schicht des Kartons abgetrennt und<br />
1 Schwarzer Schabkarton von Canson<br />
2 Zum Beispiel Edding 1800.<br />
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ein genau zugeschnittenes Ersatzteil eingesetzt werden. Diese recht aufwändige<br />
Methode, Fehler zu beheben, musste ich jedoch nie anwenden.<br />
Mit dieser Technik lassen sich relativ einfach krasse Kontraste bilden, da die<br />
weissen Stellen stark aus dem schwarzen Untergrund hervortreten. Weit<br />
schwieriger zeigt sich aber das Erreichen von fliessenden Übergängen, da man<br />
nicht mit Farben ein Fliessen von hellen zu dunklen Stellen bewirken kann,<br />
sondern dies anhand von auslaufenden Strukturen darstellen muss.<br />
4.2. Düster, spannend, humorvoll: die Vielseitigkeit des Schabkartons und seiner<br />
Protagonisten<br />
In der Schweiz sind vor allem zwei Künstler bekannt für ihr Schaffen mit<br />
Schabkarton: Hannes Binder und Thomas Ott. Aber auch die Grattagebilder 1 von<br />
Gabi Kopp sind durch Zeitungen wie "Tages-Anzeiger" oder "NZZ am Sonntag" in<br />
der Schweiz bekannt geworden.<br />
Vergleicht man die Werke dieser Künstler, fallen schnell grosse Unterschiede<br />
bezüglich der Technik, des Duktus und auch der Themenwahl auf.<br />
Thomas Ott ist bekannt für seine makabren, Angst einflössenden Bilder.<br />
Totenköpfe, Skelette und menschliche Wracks sind beliebte<br />
Sujets in seinen Schabkartoncomics, welche immer von einem<br />
gewissen schwarzen Humor behaftet sind.<br />
Abb. 6: Schabkartonillustration von Thomas Ott<br />
1 Die Schabkartontechnik wird teilweise auch als Grattage bezeichnet. Grattage kommt vom<br />
französischen "gratter", was soviel wie kratzen bedeutet.<br />
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Auch Gabi Kopp hat sich früh auf Comics spezialisiert, so war sie beispielsweise<br />
in den achtziger Jahren eine der ersten Frauen, die in der Schweiz professionell<br />
als Comic-Zeichnerin arbeiteten. Ein Markenzeichen ihrer Schabkartonbilder sind<br />
die feinen weissen Linien, mit welchen sie oft die<br />
Gegenstände umrandet, so wie es beim klassischen<br />
Comic üblich ist, sie schwarz einzurahmen.<br />
Abb. 7: Gabi Kopp, Illustration in der NZZ am Sonntag<br />
Eine sehr interessante und bereichernde Erfahrung war für mich der Besuch im<br />
Atelier von Hannes Binder, der mich sehr freundlich empfing und bereitwillig<br />
meine Fragen beantwortete. Zudem hatte ich die Möglichkeit, dem Künstler bei<br />
der Arbeit ein wenig "über die Schulter zu schauen". Spätestens von diesem<br />
Zeitpunkt an war ich begeistert von dem Medium<br />
Schabkarton.<br />
Hannes Binder ist deshalb wohl auch derjenige<br />
Künstler, welcher meine Bilder am meisten beeinflusst<br />
hat und dessen Werke ich mir ein Stück weit - bewusst<br />
oder unbewusst - zum Vorbild genommen habe. Seine<br />
Schabkartonbilder sind sehr naturalistisch,<br />
ansprechend, bewegend und spannend. Ein Beispiel<br />
dafür sind die Illustrationen zu Lisa Tetzners Roman,<br />
"Die Schwarzen Brüder" 1 .<br />
Abb. 8: Illustration von Hannes Binder aus dem Roman "Glausers Fieber".<br />
1 Hannes Binder / Lisa Tetzner, "Die Schwarzen Brüder", Verlag Sauerländer, 2002, (2. Auflage)<br />
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5. Schlusswort<br />
Mit meiner Themenwahl ist es mir gelungen, zwei Aspekte, die mich sehr<br />
interessieren - künstleriche Gestaltung und Illustration sowie Geschichte - zu<br />
verbinden.<br />
Die Arbeit hat während der ganzen Zeit für mich nicht an Faszination verloren.<br />
Vor allem das Experimentieren mit Schabkarton und Messer begeisterte mich.<br />
Wo braucht es noch einen Glanz um den Gegenstand plastisch wirken zu<br />
lassen? Wie muss ich den Zug perspektivisch darstellen, damit man erkennt,<br />
dass er sich vom Betrachter entfernt? Wie erreiche ich anhand von dunklen und<br />
hellen Flächen ein Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens?<br />
Auch das Sammeln der Grundlagen für den schriftlichen Teil fand ich spannend.<br />
Beim einscannen der Bilder ergaben sich zwar einige Probleme, über die ich aber<br />
hinwegsehen kann angesichts des guten Resultates.<br />
Dank der Maturarbeit machte ich auch ein paar interessante Bekanntschaften,<br />
wie zum Beispiel diejenige mit dem Illustrator Hannes Binder, dem ich danken<br />
möchte für die vielen guten Ratschläge. Auch Frau Schnabel-Winkler, der<br />
Nachfahrin des Fabrikherren Winkler, welcher die "Boller, Winkler AG"<br />
mitbegründet hat, möchte ich herzlich danken. Sie gewährte mir grosszügig<br />
Einblick in die alten Dokumente der Fabrik, in welcher Anneli damals gearbeitet<br />
hat.<br />
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Literaturverzeichnis<br />
1. Primärliteratur<br />
Meyer, Olga, "Anneli, Erlebnisse eines kleinen Landmädchens", Verlag<br />
Sauerländer, Aarau und Frankfurt am Main, 1977 (10. Auflage)<br />
Meyer, Olga, "Anneli kämpft um Sonne und Freiheit", Verlag Sauerländer, Aarau<br />
und Frankfurt am Main, 1977 (10. Auflage)<br />
2. Sekundärliteratur<br />
Bärtschi, Hans-Peter, "Der Industrielehrpfad Zürcher Oberland", Wetzikon:<br />
Buchverlag Druckerei Wetzikon, 1994<br />
Bärtschi-Baumann, Sylvia und Weiss, Heinz W., "Das <strong>Industrieensemble</strong> <strong>Neuthal</strong><br />
bei Bäretswil ZH", Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern,<br />
1998 (2. erweiterte Auflage)<br />
Fritzsche, Bruno u.a., "Geschichte des Kantons Zürich, 19. und 20. Jahrhundert",<br />
Band 3, Werdverlag, Zürich, 1994<br />
Graf, Barbara u.a., "Bahnsaga Schweiz, 150 Jahre Schweizer Bahnen", AS<br />
Verlag & Buchkonzept AG, Zürich, 1996<br />
Jäger, Reto u.a., "Baumwollgarn als Schicksalsfaden", Chronos, Zürich, 1986<br />
Meyer, Olga, "Olga Meyer erzählt aus ihrem Leben", Rascher Verlag, Zürich und<br />
Stuttgart, 1968<br />
Treichler, Hans Peter, "Die Schweiz um die Jahrhundertwende", Verlag Das<br />
Beste Zürich-Stuttgart-Wien, Zürich, 1985<br />
Zogg-Landolf, Annemarie, "Olga Meyer (1889-1972), Leben und Werk",<br />
Schweizerisches Jugendbuch-Institut Zürich; Kantonale Kommission für<br />
Gemeinde- und Schulbibliotheken Zürich; Pestalozzianum Zürich, Zürich,<br />
1989<br />
3. Zeitungsartikel<br />
Manzer, Dora, "Olga Meyers "Anneli" und "Sabinli" auf der Spur", in: Der<br />
Landbote, 1998<br />
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4. Internetseiten<br />
Baer, Reto, "Hannes Binder", http:/www.swisscomics.ch/magazine/newsdeut.htm<br />
(04.10.2004)<br />
Bieri, Christian, "Olga Meyer",<br />
http://www.svbbpt.ch/Literatur/deutsch/treschT20a.htm (06.10.2004)<br />
Verein zur Erhaltung alter Handwerks- und Industrieanlagen, "Der geschichtliche<br />
Hintergrund", http://www.industrielehrpfad-zo.ch/start.htm (07.07.2004)<br />
o.A., "Gabi Kopp", http://www.fumetto/02/gabi_kopp.cfm (04.10.2004)<br />
o.A., "Thomas Ott", http://www.fumetto.ch/02/thomas-ott.cfm (04.10.2004)<br />
Bildnachweis<br />
Abb. 1: Buchumschlag des ersten Annelibandes: Meyer, Olga, "Anneli,<br />
Erlebnisse eines kleinen Landmädchens", Verlag Sauerländer, Aarau und<br />
Frankfurt am Main, 1977 (10. Auflage). Illustration: Hans Witzig<br />
Abb. 2: Verein für ein Ortsmuseum Turbenthal, "Ansichtskarten von anno<br />
dazumal aus der Gemeinde Turbenthal"<br />
Abb. 3: Verein für ein Ortsmuseum Turbenthal, "Ansichtskarten von anno<br />
dazumal aus der Gemeinde Turbenthal"<br />
Abb. 4: Fritzsche, Bruno u.a., "Geschichte des Kantons Zürich, 19. und 20.<br />
Jahrhundert", Band 3, Werdverlag, Zürich, 1994, Seite 46<br />
Abb. 5: Henn, Rahel, "Werkzeug auf Schabkarton"<br />
Abb. 6: Ott, Thomas, http://www.fumetto.ch/02/thomas-ott.cfm (04.10.2004)<br />
Abb. 7: Kopp, Gabi, in: "Die NZZ am Sonntag", 07.11.04<br />
Abb. 8: Binder, Hannes, http://www.limmatverlag.ch/binder/bindfieb.htm<br />
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