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Strategischer Energieeinkauf - BME

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4 Gaseinkauf<br />

Die Liberalisierung der Energiemärkte hat nun endlich auch den Gasmarkt erreicht. Marktentwicklungen<br />

der letzten Jahre haben die bisherigen Strukturen und Machtgefüge in Deutschland und Europa nachhaltig<br />

verschoben. Insbesondere das Jahr 2010 war durch einen mehr als deutlichen Umbruch gekennzeichnet,<br />

was zu drastischen Veränderungen hinsichtlich der Beschaffungsmöglichkeiten führte. Man<br />

kann gar sagen, dass der Gasmarkt die gesamte Öffnung bzw. Entwicklung des Strommarktes der letzten<br />

Jahre innerhalb eines Jahres aufgeholt hat. Doch zunächst ein kurzer Exkurs in die bisherige Gaswelt:<br />

Alter Gasmarkt<br />

Der Einkauf von Gas unterschied sich bisher deutlich vom Strommarkt aufgrund der speziellen Gasmarktcharakteristik.<br />

So zeichnete sich der europäische Gasmarkt durch eine hohe Konzentration auf<br />

der Lieferantenseite aus. Zudem führten die regionalen Lieferantenstrukturen und der länderspezifische<br />

Deregulierungsstatus und somit die unterschiedlichen Preise zu abgeschlossenen Märkten. Der Wettbewerbsdruck<br />

war daher überschaubar und es waren keine europaweiten Angebote verfügbar. Auf<br />

dem deutschen Gasmarkt führten immerhin einige Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren<br />

zu neuen Impulsen, die die Transparenz und den Wettbewerb erhöhen sollten. So zum Beispiel die<br />

Umsetzung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zum 01.10.2006 oder die Implementierung von<br />

GABI-Gas (Richtlinien zum Bilanzkreismanagement) zum 01.10.2008. Trotz alledem war die Zu sammen<br />

setzung der Preise, auch bedingt durch den hohen Anteil der nachgefragten All-Inclusive-Verträge,<br />

insgesamt intransparent. Erschwerend kam hinzu, dass die Gaspreise den Entwicklungen auf dem<br />

Ölmarkt stets folgten, da keine Lösung von den Ölpreisindizes (HEL = leichtes Heizöl; HSL = schweres<br />

Heizöl) möglich schien. Diese Faktoren bedingten im Zusammenspiel mit den vielen verschiedenen<br />

Marktzonen und den regulierten Tarifen den eingeschränkten Spielraum, dem sich ein Energie einkäufer<br />

bei der Gasbeschaffung gegenübersah. Eine zusätzliche Einschränkung zeigte sich, wenn statt<br />

dem H-Gas das methanärmere L-Gas nachgefragt wurde, da die Zahl der L-Gas-Anbieter noch einmal<br />

deutlich geringer war und die Einkäufer an einem Markt mit nur sehr geringer Liquidität agierten.<br />

Neuer Gasmarkt<br />

Die in den ersten Jahren (seit 1998) mehr als schleppende Gasmarktliberalisierung hat sich plötzlich<br />

innerhalb der letzten ein bis zwei Jahre vollzogen. Doch was waren die entscheidenden Rahmenbedingungen<br />

hierfür? Zunächst gelang es, im Zuge der Gasmarktliberalisierung, die Zahl der Marktgebiete<br />

in Deutschland deutlich einzuschränken. Aus der einst stark zerklüfteten Gaslandkarte<br />

entstand im zunächst letzten Schritt am 01.10.2009 ein überschaubares Konstrukt aus sechs Marktgebieten.<br />

Dies führte im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu einer zunehmenden<br />

Zahl marktgebietsübergreifender Angebote und somit zu einem tatsächlichen Wett bewerb<br />

am Gasmarkt. Doch dies war nicht der einzige Einschnitt in die bestehende Gaswelt. Seit 2010 geistert<br />

ein völlig neuer Begriff am Gasmarkt: Von einer sogenannten „Gasschwemme“ ist hier die Rede. Was<br />

sind die Ursachen dieser Entwicklung? Hierbei sind zwei entscheidende technische Entwicklungen<br />

anzuführen. Zum einen LNG, „liquefied natural gas“ oder Flüssigerdgas. Mit der technischen Lösung<br />

Erdgas durch Abkühlung zu verflüssigen, verliert Erdgas seine Eigenschaft der Leitungsgebunden heit.<br />

Dies ermöglicht neben den Pipelines eine flexiblere und unabhängigere Transportmöglichkeit, die in<br />

Abhängigkeit der jeweiligen Marktstrukturen und der Gaspreisentwicklung sogar absolut wettbewerbs<br />

fähig ist. Hinderlich war hierbei einzig der Bedarf an Landungs- oder Einspeisepunkten, um<br />

das LNG in die hiesigen Erdgasnetze einzuspeisen. An diesem Punkt kommt die zweite gravierende<br />

Veränderung der letzten Jahre hinzu. Der weltweite große Energiehunger, insbesondere des nordamerikanischen<br />

Kontinents, und die steigenden Rohstoffpreise bis Mitte 2008 ließen zahlreiche Investoren<br />

in eine entsprechende LNG-Infrastruktur investieren, um speziell Nordamerika mit dem begehrten<br />

Gas zu versorgen. Doch bewirkte eine technische Innovation auch hier eine einschneidende Wende.<br />

Dank neuer Bohrtechnologien ist es nun mehr möglich, sogenannte unkonventionelle Gasmengen<br />

(bisher nicht wirtschaftlich förderbare Mengen) zu erschließen. Dies hat das Nachfrageverhalten der<br />

USA auf dem Weltmarkt signifikant verändert. Denn durch die hohen Fördermengen unkonventionellen<br />

Gases in den USA werden die am Weltmarkt verfügbaren LNG-Mengen nicht mehr allein durch<br />

die USA abgenommen, sondern stehen auch anderen Märkten wie Europa verstärkt zur Verfügung.<br />

Somit ist der bisher determinierende Faktor Abhängigkeit von pipelinegebundenen Erdgasvorräten<br />

aus gehebelt und das Thema Ölpreisbildung völlig neu strukturiert, da nicht mehr einzig die langfristige<br />

Ölpreisbindung bestimmend ist.<br />

Gaseinkauf<br />

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