Neue Szene Augsburg 2015-11
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31<br />
War dein erstes Kind ein Wunschkind, oder ist es<br />
“einfach passiert“?<br />
Das war schon ein Wunsch von mir und es hat eben<br />
erst mal gedauert, bis ich die richtige Partnerin hatte.<br />
Wobei ich mit 44 älter war als viele Väter, die meisten<br />
fangen ja früher an.<br />
Was denkst du, wann die meisten anfangen?<br />
Ich denke, so mit 30, oder? Erst will man sich ja beruflich<br />
bisschen absichern und Party machen. Das gehört<br />
natürlich auch dazu, dass man öfter mal eine andere<br />
Freundin hat.<br />
Und irgendwann sagt die Freundin: „Ich bin<br />
schwanger.“ Und es ist vorbei mit der Freiheit.<br />
Das war bei mir nie der Fall. Ab dem Moment, in dem<br />
ich mich entschieden habe, Vater werden zu wollen,<br />
hatte ich nie das Gefühl, meine Freiheit aufzugeben.<br />
Ich fühle mich jetzt auch nicht unfreier als vorher,<br />
man hat eben mehr Verantwortung, nicht nur für sich<br />
selbst, sondern auch für jemand anderen. Ich finde,<br />
das ist eine Erweiterung und keine Einschränkung.<br />
Hattest du während der Schwangerschaft auch<br />
Fressanfälle und hast zugenommen?<br />
Nein, das war aber auch bei meiner Freundin nicht so.<br />
Und hat man dauernd Angst, dass was schiefgehen<br />
könnte, oder ist man total euphorisch?<br />
Also deine Gefühle als Mann sind natürlich in einer<br />
anderen Perspektive verankert als die der werdenden<br />
Mutter. Ich hatte keinen Hormonrausch, aber<br />
man teilt die Ängste und die werden durch die<br />
medizinische Behandlung, die man zwangsläufig als<br />
Schwangere hat, gefördert. Da wird einem gesagt,<br />
dass man das machen muss und das und da noch<br />
eine Untersuchung und da noch eine Nackenfaltenmessung<br />
und Schießmichtot. Aber andererseits:<br />
Die Natur bekommt das seit tausenden von Jahren<br />
gebacken. Die Vorfreude überwiegt die Sorge auf<br />
jeden Fall.<br />
Wird man ernsthafter durch die Schwangerschaft?<br />
Ne, ich war vorher schon ernsthaft (lacht). Also<br />
ernsthaft ist vielleicht nicht die richtige Kategorie. Du<br />
musst halt Vorbereitungen treffen, das Nest bauen.<br />
Die Verantwortung für das Kind fängt ja schon an,<br />
wenn die Frau schwanger ist, das beeinflusst das Handeln<br />
schon. Wenn du so willst, ist man schon ernster<br />
geworden, in dem Sinn, dass man sich vorbereitet und<br />
guckt, dass die Kohle reinkommt. Ich als Selbstständiger<br />
habe da viel stärker drauf geachtet als vorher.<br />
Man wächst in die Rolle der Versorgers rein.<br />
(überlegt) Ich hatte das vorher schon so im Gefühl,<br />
das kam nicht erst durch die Schwangerschaft.<br />
Wie war es bei der Geburt dabei zu sein?<br />
Das war schon aufregend, aber ich musste jetzt<br />
weder weinen noch bin ich in Ohnmacht gefallen.<br />
Ich war einfach derjenige, der während der ersten<br />
halben Stunde nach der Geburt aufs Kind aufgepasst<br />
hat, während meine Frau versorgt wurde. Da kann<br />
man sich eher keinen Ausfall leisten und ohnmächtig<br />
werden. Das Kind lag einfach auf meinem Bauch und<br />
ich habe ihn gewärmt, bis die Mama aus dem OP kam<br />
und übernehmen konnte.<br />
Jetzt eine der wichtigsten Fragen: Kommt man die<br />
ersten Monate nach der Geburt wirklich kaum zum<br />
Schlafen?<br />
Kommt aufs Kind an. Ich habe wenig geschlafen, das<br />
stimmt tatsächlich. Aber wir haben uns da gegenseitig<br />
unterstützt, so dass einer auch mal das Sofa nimmt<br />
und richtig ausschlafen kann.<br />
Wie sieht ein typischer Tag aus? Wie viele<br />
Stunden schläft das Baby und wie viele Stunden<br />
schreit es?<br />
Es gibt Kinder, die schlafen 16 Stunden am Tag,<br />
werden mal kurz wach, nuckeln bisschen am Busen<br />
und das war’s dann. Andere sind so lange wach, wie<br />
das andere Baby schläft, schauen in der Gegend rum<br />
und wollen bespaßt werden. Ansonsten wechselst du<br />
halt alle zwei Stunden mindestens die Windel. In der<br />
ersten Zeit braucht das Kind schon viel Aufmerksamkeit,<br />
das ist für ein Elternteil schon ein Fulltimejob.<br />
Aber wenn das Baby so viel schläft, wie wechselst<br />
du dann alle zwei Stunden die Windel? Etwa im<br />
Schlaf?<br />
Ne, wenn ein Kind sein Geschäft gemacht hat, meldet<br />
es sich schon. Es wird wach und weint und wenn es<br />
das nicht macht, muss man nachschauen. Das kann<br />
man schon im Schlaf machen, oder es wird eben kurz<br />
wach und schläft wieder ein.<br />
Bist oder warst du dann jemand, der von außen<br />
aussieht wie einer, der dringend Schlaf braucht,<br />
aber innerlich fröhlich über eine Blumenwiese<br />
rennt?<br />
So kann man das ungefähr ausdrücken. Die Anstrengung<br />
wird schon kompensiert durch das Glücksgefühl.<br />
Ich kenne aus meinem Bekanntenkreis auch keinen<br />
Vater, bei dem das viel anders gewesen wäre. Da gibt<br />
es zwar Unterschiede und man jammert mal, aber<br />
wenn man dann nachhakt, ist das schon okay.<br />
Warst du stolz, als du das erste Mal mit Kinderwagen<br />
unterwegs warst?<br />
Stolz ist keine Kategorie, in der ich da denke oder<br />
fühle. Für mich war es einfach schön. Auf was soll<br />
ich stolz sein? Dass ich einen Kinderwagen schieben<br />
kann? (lacht)<br />
Darauf, dass das dein Kind ist und du der Vater<br />
bist.<br />
Ne, habe ich so nicht empfunden.<br />
Ist ein Kind wirklich so teuer, wie man immer liest?<br />
Es ist schon ein Kostenfaktor, ich habe den nie ausgerechnet.<br />
Das Kind gehört einfach zur Familie und was<br />
soll ich da berechnen, wie viel jedes Mitglied an Kohle<br />
verbraucht? Angeblich kostet es 150.000 Euro, bis das<br />
Kind 18 ist. Das muss man sich schon vorher überlegen.<br />
Gab’s mal einen inoffiziellen Moment, in dem<br />
du dachtest: Jetzt ohne Kind, wäre auch nicht<br />
schlecht?<br />
Nicht ernsthaft, nein.<br />
Wie macht ihr das eigentlich beruflich? Kann man<br />
Kind und Karriere unter einen Hut bringen?<br />
Wir haben uns entschieden, erst mal das klassische<br />
Rollenmodell zu fahren, meine Frau als Mutter und ich<br />
als „Ernährer“. Das ist nicht aus einer konservativen<br />
Haltung heraus entstanden, sondern weil es vom Job<br />
her passt und meine Frau einfach gerne Mutter ist.<br />
Von diesem Trend, die Kinder jetzt möglichst früh in<br />
soziale Betreuung wie Hort und Kita zu geben und<br />
sich stattdessen der Karriere zu widmen, halte ich<br />
wenig. Ich finde, die ersten Jahre sollten die Kinder<br />
schon viel Kontakt zu Gleichaltrigen haben, aber auch<br />
sehr viel Elternbezug. Und wie viele Leute kennst<br />
du denn, die wirklich Karriere machen? Die meisten<br />
sind halt Normalverdiener, die schauen müssen, wie<br />
sie finanziell klarkommen. Wenn man sich anschaut,<br />
wie viel so eine Kinderkrippe kostet, kann man das<br />
Arbeiten fast schon wieder sein lassen. Ich kenne ein<br />
Paar, die zahlen 700 Euro im Monat.<br />
Gab es wegen eurem Modell negative Reaktionen<br />
aus dem Umfeld?<br />
Das kommt schon ab und zu, aber viele finden es<br />
eigentlich toll. Wir haben eben mehr Zeit für das Kind.<br />
Vielen Müttern, die ich kenne, taugt das gar nicht so<br />
sehr, auch noch im Job zu sein und das Kind in der<br />
Kita zu haben.<br />
Ändert sich die Beziehung zur Frau, wenn das Kind<br />
da ist?<br />
Die Frau hat einfach eine neue Rolle, die der Mutter.<br />
Das ist ein wesentlicher Rollenwechsel, oder eine<br />
Rollenerweiterung, und auch nichts, das sie vorher<br />
gelernt hätte. Ich habe das eher so empfunden, dass<br />
beide in die Elternrolle wachsen. Wenn du meine Frau<br />
fragen würdest, würde sie sicher auch sagen, dass ich<br />
jetzt eben zu einem großen Teil Vater bin und weniger<br />
Ehemann. Das liegt einfach an der neuen Aufgabe,<br />
die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Das find ich aber<br />
völlig normal.<br />
Findest du die ganzen Ängste, die mit Kinderkriegen<br />
verbunden sind, doof?<br />
Ich kriege gar nicht so viele negative Geschichten<br />
mit, aber ich weiß schon, dass es auch Leute gibt,<br />
denen das überhaupt nicht gefällt, dass sie Kinder<br />
bekommen haben und es bereuen. Ich kenne zwar<br />
niemanden, bei dem es so wäre, aber ich kann es mir<br />
schon vorstellen, dass sich manche in ihrer Freiheit<br />
eingeschränkt fühlen oder überfordert sind, aber ich<br />
glaube, das ist eine Minderheit. Sonst gäbe es uns als<br />
Menschheit ja gar nicht mehr.<br />
Wird man durch Kinder weniger egoistisch?<br />
Ich war vorher auch schon altruistisch, ich habe keine<br />
so große Veränderung gespürt. Kann schon sein, dass<br />
Egoisten dadurch etwas weicher werden.<br />
Kannst du ein paar schöne Dinge nennen, die man<br />
so mit Babys erlebt?<br />
Richtig schön wird es, wenn man mit dem Kind richtig<br />
reden kann, das ist dann echt der Hammer. Es gibt<br />
da so viele süße Momente, wenn das Baby zum<br />
Beispiel seine ersten Geräusche macht, oder das erste<br />
Lächeln.