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Moers_Dezember

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TITELGESCHICHTE - Blickpunkte<br />

„DER LEIDENSWEG ENDET<br />

MIT DEM ERSTICKEN“<br />

Bruno Schmidt und Uwe Pöttmann leiden an ALS. Manuela Poschmann<br />

unterstützt Erkrankte ehrenamtlich (v.l.n.r.)<br />

Über ein Jahr nach dem Medienhype sind die Feuer<br />

verloschen und die Asche abgekühlt: Kaum einer<br />

weiß mehr – wenn er es denn je gewusst hat – welches<br />

Spendenziel die Ice Bucket Challenge hatte. MOers –<br />

Das Magazin möchte aktiv aufklären, denn Menschen<br />

wie Uwe Pöttmann aus Kamp-Lintfort und seine<br />

Familie erleben die Folgen der schweren Krankheit<br />

jeden Tag: Im Jahr 2013 diagnostizierten die Ärzte<br />

beim 51-Jährigen die unheilbare Krankheit ALS.<br />

Bei Uwe beginnt die Krankheit mit Muskelzuckungen<br />

„Ich hatte damals vor allem Probleme mit meinem<br />

Bein und habe stark gehumpelt, außerdem litt ich an<br />

heftigen Muskelzuckungen“, erinnert sich der Kamp-<br />

Lintforter. „Als mir der Arzt verkündete, dass ich eine<br />

Motoneuronerkrankung habe, hatte ich keine Vorstellung<br />

davon, was auf mich zukommt. Ähnlich wie ich<br />

war der Arzt mit der Diagnose völlig überfordert.“ Die<br />

Amyotrophe Lateralskleorose, kurz ALS, ist eine der<br />

schwersten Erkrankungen, an der der Mensch leiden<br />

kann. Im Verlauf von Monaten bis wenigen Jahren<br />

kommt es zu einer Lähmung des Körpers, die anschließend<br />

immer zum Tod führt. Bei der ALS findet<br />

eine fortschreitende und irreversible Schädigung<br />

der Nervenzellen statt, durch die die Betroffenen auf<br />

Dauer ihre Muskeln nicht mehr bewegen können:<br />

Sie werden zu versteinerten Puppen mit intaktem<br />

Bewusstsein aber bewegungslosen Körper, die nach<br />

einem langen Leidensweg meist bei vollem Verstand<br />

ersticken.<br />

Als Uwe Pöttmann die Schwere seiner Krankheit begreift,<br />

zieht er sich in sich zurück: Er möchte niemanden<br />

sehen und niemanden hören, mit niemandem sprechen<br />

und keine Gefühle zulassen. „Irgendwann habe<br />

ich dann gedacht ‚Reiß dich zusammen und genieß<br />

die Zeit, die du noch hast‘“, erinnert sich der 51-Jährige,<br />

der inzwischen im Rollstuhl sitzt. „Ich habe eine<br />

wunderbare Tochter und eine tolle Frau, die verdient<br />

haben, dass ich mich mit der Krankheit auseinandersetze.“<br />

Petra, Uwes Partnerin, erkundigt sich im<br />

Internet über die Krankheit, sie sucht nach Kontaktmöglichkeiten<br />

zu anderen Erkrankten und versucht,<br />

Unternehmungen zu organisieren. Aber Pöttmann<br />

geht es körperlich zunehmend schlechter: Er gibt<br />

seinen Beruf auf, als Prozesskoordinator bei Thyssen<br />

ist er auf seine Hände angewiesen, die lassen<br />

ihn aber zunehmend im Stich. Er kann seine Hobbys<br />

nicht mehr ausleben: Für Motorradfahren und Tanzen<br />

braucht er seine Muskelkraft. Als stiller Leser verfolgt<br />

er bei Facebook eine Gruppe, in der sich ALS-<br />

Erkrankte aus ganz Deutschland austauschen. „Und<br />

irgendwann kam er zu mir und sagte, es gebe ein Fest<br />

in der Nähe von Aachen und er wollte dahinfahren“,<br />

erklärt seine Frau. „Natürlich sind wir gefahren.“<br />

Bruno geht offensiv mit seiner Krankheit um<br />

Das Fest, zu dem Petra und Uwe aufbrechen, ist initiiert<br />

von Bruno Schmidt, einem Lebensmitteltechniker,<br />

Leistungssportler und ALS-Erkrankten aus<br />

Gereonsweiler. Schmidt ist ein ganz anderer Charaktere:<br />

Statt sich zurückzuziehen, bricht er nach seiner<br />

Diagnose aus dem Alltag aus, sucht Kontakt zu den<br />

Medien und möchte allen davon erzählen, was bei der<br />

ALS mit dem Körper passiert. „Ich habe im <strong>Dezember</strong><br />

nach der Ice Bucket-Challenge meine Diagnose<br />

erhalten“, erinnert sich der Familienvater. „Obwohl<br />

ich damals auch die Ice Bucket-Challenge verfolgt<br />

habe, hatte ich keine Ahnung, was ALS eigentlich<br />

ist. Ich habe mir gedacht, dass es vielen so geht und<br />

genau das wollte ich ändern.“ Schmidt arbeitet offensiv:<br />

Über das Intranet der Firma informiert er sein<br />

SCHICKSAL ALS<br />

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