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(vor) dem - Dinges und Frick GmbH

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Die Operette tanzt<br />

Iris Ini Gerath ist als 1. Spielleiterin <strong>und</strong> Regisseurin in<br />

Wiesbaden bereits gut bekannt. Lange Jahre war sie<br />

fest am Staatstheater tätig, inszenierte hier Operetten<br />

<strong>und</strong> Musicals wie My Fair Lady, La Cage aux folles, Land<br />

des Lächelns oder Kiss me, Kate. Nun führt sie Regie bei<br />

der Neuproduktion von Franz Lehárs Die lustige Witwe.<br />

4<br />

Ini, willkommen zurück am Staatstheater.<br />

Deine letzte Wiesbadener<br />

Inszenierung liegt inzwischen drei<br />

Jahre zurück. Was lag künstlerisch<br />

dazwischen?<br />

Mein selbstgewählter Weggang aus<br />

Wiesbaden war für mich eine große<br />

Umstellung in meinem beruflichen<br />

Leben. Nach 17 Jahren Festengagement<br />

musste ich erstmal Fuß fassen<br />

in der freiberuflichen Welt. So begann<br />

zunächst eine Zeit der Neuorientierung,<br />

der Bildung von neuen Kontakten<br />

zu Theaterleitern, Bühnen- <strong>und</strong> Kostümbildnern,<br />

Choreografen, aus denen<br />

auch mein jetziges Team her<strong>vor</strong>gegangen<br />

ist. Parallel dazu habe ich<br />

meine Arbeit als Dozentin für szenischen<br />

Unterricht an der Wiesbadener<br />

Musikaka<strong>dem</strong>ie ausgebaut. Zu<strong>dem</strong><br />

toure ich mit eigenen Leseprogrammen<br />

durch Deutschland. Aktuell<br />

komme ich gerade aus Lüneburg, wo<br />

ich die Fledermaus inszeniert habe.<br />

Jetzt steht deine Inszenierung von<br />

Franz Lehárs Die lustige Witwe auf<br />

<strong>dem</strong> Spielplan. Die Witwe gilt als<br />

erfolgreichste aller Operetten. Was<br />

ist das Besondere an diesem Werk?<br />

Mal abgesehen von der schönen<br />

Musik, ist für mich das Interessante<br />

<strong>und</strong> damit auch das Besondere an<br />

der Witwe das Aufeinanderprallen<br />

zweier Welten. Zum einen gibt es eine<br />

oberflächliche, auf Vergnügen <strong>und</strong><br />

Spaß ausgerichtete Gesellschaft, die<br />

mitten im schlimmsten Staatsbankrott,<br />

fast schon zur Karikatur ihrer<br />

selbst werdend, im walzenden Taumel<br />

Probenfoto mit Ute Döring <strong>und</strong> Annette Luig (Hanna Glawari) <strong>und</strong> Joachim Goltz (Danilo)<br />

ihre Feste feiert – zum anderen, gibt<br />

es die Geschichte einer Liebe, die in<br />

ihrer Tiefe <strong>und</strong> Wahrhaftigkeit eher<br />

selten in Operetten zu finden ist. Da<br />

sind zwei Menschen, die sich innig<br />

verb<strong>und</strong>en sind, aber aufgr<strong>und</strong> äußerer<br />

Umstände nicht zueinander kommen<br />

können. Diese Operette ragt<br />

eigentlich schon nah an die hehren<br />

Grenzen der Oper, ohne jemals ihren<br />

ureigenen Charme, ihren Witz <strong>und</strong><br />

ihre Ironie zu verlieren.<br />

Wie ist die Ausgangssituation der<br />

Handlung in der lustigen Witwe?<br />

Armes Mädchen <strong>und</strong> adeliger Mann<br />

lieben sich. Die Verbindung wird aus<br />

Standes-Raison gelöst – er verdrängt<br />

seinen Schmerz in Paris in den Armen<br />

der Grisetten. Sie – mittlerweile reiche<br />

Witwe – kommt nach Paris um<br />

ihn zu suchen. Dort wird sie aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Millionen schnell zur begehrten<br />

Frau. Danilo wird beauftragt, französische<br />

Bewerber beiseite zu schaffen,<br />

um die Millionen der Witwe im eigenen<br />

bankrotten Staat zu halten. Doch<br />

ihm, <strong>dem</strong> sie als einzigen ihre Hand<br />

reichen würde, wenn er sich denn<br />

endlich klar zu ihr bekennen würde,<br />

sind Hände geb<strong>und</strong>en, Lippen verschlossen,<br />

da jedes Liebesbekenntnis<br />

nun, in dieser Situation wie ein Echo<br />

der nach den Millionen gierenden<br />

Beute tönen würde. So belauern sie<br />

sich gegenseitig wie zwei Raubtiere,<br />

umkreisen, nähern, umarmen, küssen,<br />

trennen <strong>und</strong> foltern sich, in einer<br />

endlosen Spirale, die sie in ihrer Zentrifuge<br />

unaufhörlich sich aufeinander<br />

zu bewegen lässt.<br />

Nicht nur die Liebe, sondern auch<br />

Geld spielt eine Rolle. Macht dieser<br />

Aspekt die viel zitierte Modernität<br />

der Operette aus?<br />

Die Frage ist, was bedeutet überhaupt<br />

‚modern’. Die Modernität dieser<br />

Operette steckt in der Wahrhaftigkeit<br />

der Auseinandersetzung der Figuren<br />

zueinander. Deren Unmittelbarkeit,<br />

ihre Authentizität, hat hier <strong>und</strong> jetzt,<br />

gestern <strong>und</strong> <strong>vor</strong>gestern Bedeutung<br />

<strong>und</strong> Berechtigung. Gefühle ändern<br />

sich nicht <strong>und</strong> sagen uns heute<br />

genauso viel wie <strong>vor</strong> über h<strong>und</strong>ert<br />

Jahren. Der Unterschied ist vielleicht<br />

nur, dass man sie heute nicht mehr<br />

so zulässt. Die Operette in ihrer Zeit,<br />

war direkt, unsentimental, hoch<br />

emotional <strong>und</strong> niemals falsch. Dieser<br />

spontane Zugriff ins zutiefst Menschliche,<br />

verleiht besonders der Witwe<br />

eine zeitlose Wahrheit, gestützt <strong>und</strong><br />

untermauert von kongenialer Musik.<br />

Stichwort „Tanzoperette“. Wird<br />

nicht in jeder Operette getanzt?<br />

Ich finde, dass der Tanz in der Witwe<br />

geradezu zwingend aus <strong>dem</strong> dramatischen<br />

Geschehen entspringt, <strong>und</strong><br />

um Volker Klotz zu zitieren, einen<br />

großartigen Musikwissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Operettenforscher, „Tanz ist<br />

hier keine flotte Zugabe oder gar<br />

selbst-genügsame Einlage, dieweil<br />

die eigentliche Aktion aussetzt. Hier<br />

wird in <strong>und</strong> mit Tänzen agiert. Der<br />

Tanz, ein Agon der Liebe, gesteigert<br />

durch äußere <strong>und</strong> innere Hindernisse,<br />

der im Tanz her<strong>vor</strong>bricht, im Tanz<br />

ausgetragen <strong>und</strong> schließlich im Tanz<br />

geschlichtet wird.“ An dieser Stelle<br />

danke ich auch sehr meiner Choreografin<br />

Teresa Rotemberg, mit der<br />

gemeinsam ich diesen körpersprachlichen<br />

Aspekt in der Witwe erarbeite,<br />

so dass Szene <strong>und</strong> Tanz miteinander<br />

verschmelzen können.<br />

Die lustige Witwe ist voller hinreißend<br />

schöner Melodien. Hast du<br />

eine Lieblingsmelodie?<br />

Ach, das ist schwer zu sagen, eigentlich<br />

ist fast alles w<strong>und</strong>erschöne<br />

Musik... Aber ‚Lippen schweigen’ ist<br />

schon was ganz besonderes, dessen<br />

Sogkraft man sich kaum entziehen<br />

kann ...<br />

Hessisches Staatsthea ter Wiesbaden / Theaterblatt • Oktober 2012

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