17.01.2016 Aufrufe

pfarrei-magazin PFINGSTEN 2015

Pfarrmagazin der Pfarrei Liebfrauen-Überwasser in Münster 2015. Hier sind alle Kontaktdaten für Sie zusammengefasst.

Pfarrmagazin der Pfarrei Liebfrauen-Überwasser in Münster 2015. Hier sind alle Kontaktdaten für Sie zusammengefasst.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

tHEMA<br />

tHEMA<br />

seite<br />

//PASTORALPLAN – WOHIN DAMIT?<br />

Es ist stickig in diesem kleinen Raum, wo sich eine<br />

Gruppe von Menschen angstvoll hinter verschlossenen<br />

Türen versteckt. Sie sind zusammengerückt,<br />

tröstlich eng, um die Lücke zu füllen, die der plötzliche<br />

Tod all ihrer Hoffnungen mit sich brachte.<br />

Und es ist bedrückend eng, denn hier bewegt sich,<br />

hier tut sich überhaupt nichts mehr.<br />

So ähnlich stelle ich mir die Szene vor, die im 20.<br />

Kapitel des Johannesevangeliums die Pfingsterzählung<br />

einleitet. Und dann ist da plötzlich einer, der<br />

ihnen den Frieden wünscht, sie anhaucht und ihnen<br />

den Geist verheißt.<br />

So weit, so gut. Johannes beschreibt die Szene<br />

weit weniger imposant, als sie uns Lukas in der Apostelgeschichte<br />

berichtet, wo man vor lauter Sturmesbrausen,<br />

Feuerzungen und fremden Sprachen kaum<br />

sein eigenes Wort mehr zu verstehen meint.<br />

Was findet sich in diesem Gründungsmoment der<br />

Kirche, das auch für uns in unserer größer gewordenen<br />

Pfarrei, in unseren Teilgemeinden wichtig<br />

sein könnte?<br />

Mir fallen drei Aspekte ins Auge. Ich möchte sie<br />

einmal in folgende Stichworte fassen:<br />

ORT – WEITE – BEWEGUNG<br />

1. ORT<br />

Die Jünger Jesu suchen in dem Schock und der Haltlosigkeit,<br />

die sie nach dem Tod Jesu ergreift, nach<br />

Sicherheit, nach der Geborgenheit, die die enge Gemeinschaft<br />

mit den anderen hinter verschlossenen<br />

Türen ihnen bietet.<br />

Der Schweizer Arzt Paul Tournier leitet sein Buch<br />

„Geborgenheit – Sehnsucht des Menschen“ mit dem<br />

Bericht eines befreundeten Studenten ein, der in der<br />

Reflexion seines Lebens zu einer bemerkenswerten<br />

Erkenntnis kommt: „Im Grunde,“ so beschreibt es dieser<br />

Student, „suche ich immer einen Ort der Zugehörigkeit.“<br />

SEHNSUCHTSORTE? Wo finden wir in unserem Leben<br />

solche Orte, an denen wir uns zugehörig fühlen?<br />

Orte, an denen wir zusammenrücken und füreinander<br />

da sind, wenn es „eng“ wird, wenn uns die Hoffnung<br />

fehlt?<br />

Unsere Gemeinden, unsere Pfarrei – das könnten<br />

solche Orte der Zugehörigkeit sein. Schutz und Sicherheit<br />

bietend, verlässlich, vertraut. Sehnsuchts-Orte?<br />

Ein Ort im geographischen Sinn vermittelt auch<br />

die Sicherheit eines festen Standpunktes, eines Zentrums,<br />

einer Mitte. Worum zentriert sich das Leben in<br />

unserer Pfarrei? Wo gibt es Koordinaten, Eckdaten, die<br />

unseren Standpunkt definieren? In welcher Weise ist<br />

unsere Pfarrei auch der Ort, an dem wir Stellung beziehen,<br />

Zeugnis ablegen, uns durch unseren Standpunkt<br />

nicht nur schützen, sondern auch auf etwas<br />

verpflichten lassen?<br />

2. WEITE<br />

Die Jünger rücken eng zusammen. So eng, dass sich<br />

nichts mehr bewegt. Erst als einer unerwartet durch<br />

die verschlossenen Türen bricht, ändert sich die Lage.<br />

Allerdings ist davon in Johannes‘ Bericht kaum etwas<br />

zu spüren. Nachdem Jesus in ihrer Mitte erschienen<br />

war, ihnen den Frieden gewünscht und den Geist verheißen<br />

hatte, scheint erst einmal gar nichts zu geschehen.<br />

Die Jünger freuen sich zwar und berichten dem<br />

abwesenden Thomas von der Erscheinung Jesu, aber<br />

von Neubeginn, Aufbruch, ist nicht die Rede. Es scheint<br />

fast, als könnten die Jünger selbst das Erlebte kaum<br />

fassen. Und sie treffen sich, ihren eigenen Augen nicht<br />

trauend, acht Tage später in demselben Raum. Wenn<br />

zwischendurch etwas geschehen sein sollte, so scheint<br />

es der Evangelist wenigstens nicht für so wichtig gehalten<br />

zu haben, dass er es uns berichtet.<br />

Im Mittelpunkt des Berichts steht das entscheidende<br />

Moment der Erscheinung, die für den „ungläubigen“<br />

Thomas ein weiteres Mal geschehen und<br />

berichtet werden muss. Johannes‘ Erzählung bleibt<br />

statisch, ortsgebunden. Vielleicht auch eng?<br />

Damit die Botschaft des Evangeliums zu den Menschen<br />

kommen kann, müssen die Jünger sich auf den<br />

Weg machen. Nach draußen gehen. Es braucht also<br />

noch mehr als den Ort, die Mitte, das Zentrum: Es<br />

braucht den Weg in die Weite. Nur allzu leicht verfällt<br />

man sonst der Versuchung, sich hinter den Mauern,<br />

die einen schützen, auch zu verstecken. Denn Zusammengehörigkeit<br />

bedeutet auch immer Ausgrenzung<br />

und hinter allzu engen Mauern ist wenig Platz zum<br />

Wachsen.<br />

Haben wir schon mehr verstanden als die Jünger<br />

in Johannes‘ Pfingstbericht? Sind wir schon bereit,<br />

nicht nur vorsichtig die Tür unseres Verstecks zu öffnen<br />

und zu warten und zu hoffen, dass sich das Wunder<br />

wiederholt und einer hereinkommt, sondern die<br />

Mauern einzureißen, damit nicht nur andere zu uns<br />

finden, sondern auch wir zu ihnen hinausgehen?<br />

Das birgt auch das Risiko, dass etwas verloren geht:<br />

Sicherheit, Zusammengehörigkeit, manche Koordinaten<br />

des gewohnten Ortes. Auf der Straße passieren<br />

Unfälle, gibt es gefährliche Situationen. Können wir<br />

darauf vertrauen, dass wir uns manchmal wie die Emmaus-Jünger<br />

auf Umwege machen müssen und erst<br />

dort Jesus begegnen werden?<br />

Den Weg in die Weite nehmen, das heißt auch,<br />

den Anspruch auf etwas Bestehendes aufzugeben.<br />

Nicht nur in kritischen Situationen ist die Mauer ein<br />

Schutz; auch dann, wenn es gerade richtig gut läuft,<br />

wenn alles ist, wie es sein soll, sind wir in der Versuchung,<br />

uns im Bestehenden einzurichten, es uns am<br />

gewohnten Ort allzu gemütlich zu machen. Sind wir<br />

bereit, auch das, was uns gefällt, was gerade sehr gut<br />

oder wenigstens noch irgendwie läuft, freizusetzen,<br />

für neue Entwicklung zu öffnen?<br />

Während der Eucharistiefeier ist es ein besonderer<br />

Moment, wenn die gewandelte Hostie, der Leib<br />

Christi, ganz und intakt in die Höhe gehalten und mit<br />

Glockengeläut verehrt wird. Aber damit, mit dem Aufscheinen<br />

des wunderbaren Geheimnisses der Wandlung,<br />

ist der Gottesdienst nicht beendet. Man könnte<br />

soweit gehen zu sagen: Der Sinn der Eucharistie<br />

ist nicht, dass sie verehrt, sondern dass sie verzehrt<br />

wird. Erst wenn das Brot gebrochen und verteilt wird<br />

und bis an die Grenzen der versammelten Gemeinde<br />

wandert, geschieht, dass auch diese Gemeinde Leib<br />

Christi werden kann.<br />

3. BEWEGUNG<br />

Mit dem Aufbruch in die Weite kam auch schon das<br />

Stichwort der Bewegung ins Spiel. Da, wo Johannes<br />

statisch bleibt, ist in Lukas‘ Pfingstgeschichte alles<br />

Aufbruch, Dynamik, Bewegung. So lautstark und<br />

brausend, dass sie vielleicht sogar beängstigend klingen<br />

kann.<br />

Im französischen Bistum Poitiers begann vor einigen<br />

Jahren eine spannende Neuentwicklung ortskirchlicher<br />

Strukturen. Wo sich die fünf Mitglieder<br />

einer sogenannten Basisequipe finden, die Beauftragten<br />

für Pastoral und materielle Belange sowie für<br />

Glaubensverkündigung, Gebet und Dienst der Nähe,<br />

entsteht eine neue „örtliche Gemeinde“. Bischof Albert<br />

Rouet schildert in einem 2009 in deutscher<br />

Übersetzung erschienen Aufsatz 1 eindringlich das<br />

Ringen um Orientierung zwischen alten Strukturen<br />

und neuen Herausforderungen. Dabei fallen bemerkenswerte<br />

Sätze. Rouet betont neben der unverzichtbaren<br />

Rolle des Priesters die Kraft zur Initiative, die<br />

allen Laien aus den Initiationssakramenten von Taufe<br />

und Firmung erwächst. Gegen die reine Zentralisierung<br />

setzt er den Weg an die Ränder: „Die nun zur<br />

Mitte gehören, fühlen sich dort sicherlich wohl. Aber<br />

die anderen? […] Um seinen Glauben zu leben, muss<br />

1 Albert Rouet, Auf dem Weg zu einer erneuerten Kirche,<br />

in: Reinhard Feiter / Hadwig Müller (Hg.): Was wird jetzt aus uns Herr<br />

Bischof? Ermutigende Erfahrungen der Gemeindebildung in Poitiers,<br />

Ostfildern 2009, 17–42.<br />

man hinausgehen, anderswohin.“ Und noch ein weiterer<br />

Zentralgedanke Rouets: „Es geht nicht zuerst um<br />

eine Struktur, es gilt zurückzukehren zu dem, was die<br />

Kirche in ihrem Wesen ausmacht.“<br />

Was macht Kirche aus? Als Grundvollzüge der<br />

Kirche bezeichnet man Liturgie, Zeugnis (Martyria)<br />

und Diakonie, den Dienst am Nächsten. Alle drei Vollzüge<br />

finden sich auch in den oben genannten Beauftragungen<br />

für die Basisequipen wieder. Aber sie<br />

scheinen mir auch eng verwandt mit den Begriffen<br />

Ort, Weite und Bewegung, wie sie oben anhand der<br />

Pfingstgeschichte betrachtet wurden.<br />

Christliches Zeugnis geben<br />

Zum Zeugnis gehört der Ort, der Standpunkt, die<br />

feste Haltung. Aber auch das immer wieder neue<br />

Aufbrechen der Mauern, das Hinterfragen, damit<br />

ich mich nicht hinter Scheingewissheiten verschanze<br />

und aus dem Blick verliere, wen ich mit meinem<br />

Zeugnis eigentlich ansprechen will.<br />

Blick über den Alltag hinaus<br />

Zur Liturgie gehört für mich die Weite. Den Blick<br />

weiten über die rein diesseitigen Verbindlichkeiten<br />

hinaus, aber auch weiten über die Grenzen derer, die<br />

schon in unserer Mitte dazugehören, hin zu dem einen,<br />

zu dem wir alle auf dem Weg sind.<br />

Aufbruch in Solidarität<br />

Und schließlich der Dienst am Nächsten, den ich<br />

überhaupt nur da tun kann, wo etwas in Bewegung<br />

kommt, wo statt Strukturen die Menschen ins Zentrum<br />

der Aufmerksamkeit rücken, wo die Hoffnung<br />

auf Neuanfang das Risiko des Aufbruchs überwindet.<br />

Als neue große Pfarrei sind wir gemeinsam aufgefordert,<br />

in den nächsten Monaten und Jahren unseren<br />

eigenen Pastoralplan zu erstellen. Was soll in unseren<br />

Gemeinden, in unserer Pfarrei einmal geschehen?<br />

Wohin sind wir unterwegs? Und wagen wir, darauf zu<br />

vertrauen, dass wir alle als geistbegabte getaufte und<br />

gefirmte Christen nicht nur Verfolger und Mitläufer,<br />

sondern Gestalter dieser Kirchenzukunft sein können,<br />

sein müssen? Wo verwirklicht sich bei uns Halt und<br />

Offenheit, Bewegung und Sicherheit?<br />

Ich wünsche uns Gemeinden, die als Ort der Zugehörigkeit<br />

Halt geben und Haltung zeigen.<br />

Ich wünsche uns Gemeinden, die wenigstens ab<br />

und zu den Aufbruch in die Weite wagen.<br />

Ich wünsche uns Gemeinden, bei denen etwas<br />

in Bewegung kommt.<br />

Was da alles passieren<br />

könnte!<br />

Ruth Kubina<br />

Mitglied des Pfarreirates<br />

seite<br />

10<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!