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Handelsblatt_26-01-2016

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<strong>26</strong> DIENSTAG, <strong>26</strong>. JANUAR 2<strong>01</strong>6, NR. 17<br />

MEINUNG<br />

1<br />

UNTERNEHMEN & MÄRKTE DIENSTAG, <strong>26</strong>. JANUAR 2<strong>01</strong>6, NR. 17 27<br />

1<br />

KONTOWECHSEL<br />

An der Praxis<br />

vorbei<br />

Moderne Banken<br />

haben die<br />

Hürden längst<br />

abgebaut,<br />

sagt Laura<br />

de la Motte.<br />

Es gibt sie<br />

noch, die ewige<br />

Treue.<br />

Während in der<br />

Liebe so mancher<br />

damit hadert, fällt<br />

sie in einem anderen<br />

Bereich ganz<br />

leicht: beim Girokonto.<br />

Doch ganz<br />

freiwillig stecken<br />

die meisten von<br />

uns nicht in diesem<br />

Finanz-Bund<br />

fürs Leben – und<br />

wären offen für frischen<br />

Wind. Weil<br />

die Kontogebühren<br />

steigen, Zinsen gestrichen<br />

wurden und man woanders die<br />

Kreditkarte auch kostenlos bekommt.<br />

Schon längst hätte man den alten Bankpartner<br />

vor die Tür gesetzt, wenn da nicht<br />

der ganze Aufwand wäre, der mit dem Kontoumzug<br />

verbunden ist. Ein neues Gesetz<br />

auf Initiative des Verbraucherschutzministeriums<br />

soll die Untreue nun vereinfachen.<br />

Dann entsteht mehr Wettbewerb, wodurch<br />

sich die Konditionen für alle verbessern.<br />

Und dann lieben alle den klugen Politiker,<br />

der die tolle Idee zu dem Gesetz hatte. Ein<br />

Traum.<br />

Ein Irrtum! Denn die neue Regulierung<br />

ist so halbherzig, dass der Kontowechsel in<br />

der Praxis für Verbraucher kaum seinen abschreckenden<br />

bürokratischen Aufwand verliert.<br />

Mehr noch, die ersten Geldhäuser haben<br />

das Problem sowieso schon erkannt<br />

und lösen es weit besser. Andere Institute<br />

werden bald folgen.<br />

Der Grund, warum sich die Masse so<br />

schwertut, das Girokonto zu wechseln, sind<br />

die vielen Daueraufträge und Lastschrifteinzüge,<br />

die sich im Laufe eines Lebens angesammelt<br />

haben. Miete, Energie, Telefon,<br />

Gehalt, Bausparvertrag, Zeitschriftenabo,<br />

Paypal-Account, diverse Versicherungen<br />

und und und. Überall die Kontoverbindung<br />

zu ändern hat in etwa den Lästigkeitswert<br />

einer Steuererklärung.<br />

Diesen Aufwand will die Politik minimieren,<br />

indem sie die Bank verpflichtet, dem<br />

abtrünnigen Kunden innerhalb von fünf<br />

Werktagen eine Liste aller regelmäßigen<br />

Zahlungsein- und -ausgänge anzufertigen.<br />

Diese fünf Werktage wird so ziemlich jede<br />

Bank auch ausnutzen. Anschließend muss<br />

der Kunde alle Verbindungen ändern. Der<br />

Wechsel beschäftigt ihn also mindestens eine<br />

ganze Woche hinweg. In Zeiten, wo man<br />

mit drei Klicks den Stromanbieter wechselt,<br />

ist das zu lange und wird die meisten weiter<br />

vom Kontowechsel abhalten.<br />

Moderne Banken haben das erkannt. Die<br />

DKB zum Beispiel bietet bereits ein Tool,<br />

das regelmäßige Bewegungen des alten<br />

Kontos auflistet. Per Klick entscheidet der<br />

Kunde, wann welche Zahlung über das<br />

neue DKB-Konto laufen und wer über die<br />

neue Bankverbindung informiert werden<br />

soll. Selbst die Kündigung des alten Kontos<br />

übernimmt das Tool. Alles in unter zehn Minuten.<br />

Das ist kein Hexenwerk, und andere Häuser<br />

werden sicher schnell folgen. Genau wie<br />

immer mehr Banken „Video-Ident“ anbieten,<br />

so dass Kunden per Webcam ein Konto<br />

eröffnen können, ohne zur Post zu gehen.<br />

Wenn die Politik den Kontowechsel verbessern<br />

will, muss sie einen Gang höher schalten.<br />

Die Autorin ist Bankenkorrespondentin<br />

in Frankfurt. Sie erreichen sie unter:<br />

delamotte@handelsblatt.com<br />

Caro/Zensen<br />

LEITARTIKEL<br />

Zukunft braucht<br />

keine Bahnsteigkarte<br />

Wer zu spät<br />

kommt, dem<br />

fährt die digitale<br />

Revolution vor<br />

der Nase weg,<br />

glaubt Torsten<br />

Riecke.<br />

Bevor die Deutschen einen Bahnhof<br />

stürmen, kaufen sie sich<br />

noch eine Bahnsteigkarte“, lästerte<br />

einst Lenin über die deutsche<br />

Ordentlichkeit selbst in revolutionären<br />

Zeiten. Das gilt im<br />

übertragenen Sinne auch für die<br />

digitale Revolution. Hiesige Unternehmen neigen<br />

nämlich dazu, erst einen ordentlichen Plan<br />

zu machen, bevor sie sich ins digitale Abenteuer<br />

stürzen. Denn erst ein Mindestmaß an Ordnung<br />

macht aus Innovationen Geschäftsmodelle<br />

und schafft dafür Vertrauen bei Kunden und<br />

Nutzern. So weit, so gut.<br />

Manchmal steht der Ordnungssinn der Zukunft<br />

aber auch im Wege. Viele Manager kommen<br />

in dieser Woche mit großem Tatendrang<br />

vom Weltwirtschaftsforum<br />

in Davos nach Hause. Die<br />

Digitalisierung hat längst<br />

begonnen, wer nicht aufpasst,<br />

wird abgehängt. Die<br />

meisten Unternehmen<br />

wollen deshalb sofort loslegen,<br />

wissen aber nicht,<br />

wie. Wer nicht weiterweiß,<br />

gründet bekanntlich einen<br />

Arbeitskreis. Der soll möglichst<br />

einen Fünfjahresplan<br />

für die Digitalisierung<br />

erarbeiten. Außerdem<br />

muss ein „Lab“ her, um<br />

nach außen Innovationsfreude<br />

zu signalisieren.<br />

Und schließlich wird jeder<br />

Mitarbeiter noch zum<br />

„Change-Manager“ und<br />

damit zum Berufsrevolutionär ernannt.<br />

Ein Beispiel aus Amerika zeigt jedoch, dass<br />

sich die Zukunft nur selten mit großen Zukunftsplänen<br />

gewinnen lässt. Besser ist es, mit<br />

der Zukunft einfach zu beginnen. Das hat auch<br />

US-Präsident Obama im Oktober 2<strong>01</strong>3 erfahren<br />

müssen, als er seine Gesundheitsreform mit<br />

dem Start der Webseite „Healthcare.gov“ einläuten<br />

wollte. Ganze Ministerien hatten zwei<br />

Jahre auf diesen Internetauftritt hingearbeitet<br />

und mehr als 500 Millionen Dollar dafür ausgegeben.<br />

Es war das größte „Start-up“ der Welt.<br />

Die Webseite brach jedoch schon in den ersten<br />

Tagen zusammen, wodurch das politisch wichtigste<br />

Reformprojekt des Präsidenten in Gefahr geriet.<br />

Obama engagierte daraufhin eine kleine<br />

Gruppe von Softwareentwicklern, um die Probleme<br />

in den Griff zu bekommen. Nach fünf Wochen<br />

hatten die Experten aus dem Silicon Valley die<br />

meisten Fehler ausgemerzt, und die Webseite lief.<br />

Warum schafft eine Handvoll von jungen<br />

Technologiefreaks in fünf Wochen etwas, das<br />

zuvor Tausende von Angestellten der Regierung<br />

in zwei Jahren nicht hinbekommen haben?<br />

Die Antwort der Beteiligten sagt viel darüber,<br />

wie die digitale Revolution gemanagt werden<br />

muss. Während nämlich die Regierung<br />

„Hermann Gröhe ist ein sehr teurer Minister.“<br />

Martin Litsch<br />

Vorstandsvorsitzender AOK Bundesverband<br />

Es gibt bekanntlich<br />

nicht nur Ewiggestrige,<br />

sondern auch<br />

Ewigmorgige.<br />

Mit beiden Haltungen<br />

kommt man im<br />

digitalen Zeitalter<br />

nicht weiter.<br />

viele Monate damit verbrachte, einen großen<br />

Plan für den digitalen Start der Gesundheits -<br />

reform zu entwerfen, begann die schnelle Eingreiftruppe<br />

aus dem Silicon Valley direkt mit<br />

der Umsetzung. „Learning by doing“ heißt deshalb<br />

die Zauberformel der Digitalisierung.<br />

Das sollten vor allem die vielen deutschen Industrieunternehmen<br />

beherzigen, die gerade<br />

erst entdecken, dass „Big Data“ ihrer vernetzten<br />

Maschinen eine wahre Goldader sind. Wo<br />

immer sich im Rahmen von „Industrie 4.0“<br />

durch die digitale Erfassung, Verarbeitung und<br />

Auswertung von Datenströmen neue Geschäftsmöglichkeiten<br />

ergeben, sollten sie genutzt werden.<br />

Dafür braucht es nicht das „Grand Design“<br />

einer „Digitalstrategie“.<br />

Eine langfristige Strategie ist als Kompass in<br />

der sich mit hohem Tempo<br />

verändernden Welt weiterhin<br />

wichtig. Tempo ist jedoch<br />

die neue Währung des<br />

digitalen Zeitalters. Nur<br />

wer schnell auf die sich bietenden<br />

Chancen reagiert<br />

oder wer sich dank einer<br />

Monopolstellung Langsamkeit<br />

erlauben kann, wird<br />

die Früchte der Revolution<br />

einfahren. „Average is<br />

over“, sagen die Amerikaner.<br />

Studien belegen, dass<br />

dies sowohl für die Qualifikation<br />

der Mitarbeiter als<br />

auch für die Leistungsfähigkeit<br />

der Unternehmen gilt.<br />

Wie lässt sich das Veränderungstempo<br />

erhöhen?<br />

Sogenannte „Labs“ sind sicher kein schlechter<br />

Anfang. Selbst konservative Firmen wie die<br />

Deutsche Bahn und die Munich Re leisten sich<br />

heute solche Zukunftswerkstätten, um neue<br />

Geschäftsmodelle auszuprobieren. Die „Labs“<br />

sollten jedoch mehr sein als ein Aushängeschild.<br />

Zukunft lässt sich nämlich nicht auslagern.<br />

Entscheidend ist, dass neue Ideen schnell<br />

in der Praxis getestet werden und nicht im<br />

Korb „Wiedervorlage“ verschwinden. Auch auf<br />

die Gefahr hin, dass vermeintliche Zukunftsprojekte<br />

dem Praxistest nicht standhalten.<br />

Auch das „Change-Management“ ist wichtig,<br />

um den kulturellen Wandel in den Unternehmen<br />

zu befördern. Der Begriff ist jedoch ähnlich<br />

wie die „Labs“ zu einem Modewort für Zukunftsfähigkeit<br />

geworden. Und zwar so sehr,<br />

dass in einigen Firmen die Mitarbeiter mehr<br />

über den Plan für übermorgen nachdenken, als<br />

die Chancen von heute zu nutzen. Es gibt bekanntlich<br />

nicht nur die Ewiggestrigen, sondern<br />

auch die Ewigmorgigen. Mit beiden Haltungen<br />

kommt man im digitalen Zeitalter nicht weiter.<br />

Der Autor ist International Correspondent.<br />

Sie erreichen ihn unter:<br />

riecke@handelsblatt.com<br />

GASTKOMMENTAR<br />

„Die tägliche Höchstarbeitszeit<br />

von zehn Stunden entspricht nicht<br />

der Lebenswirklichkeit.“<br />

Ernst Fischer<br />

Präsident Gaststättenverband Dehoga, fordert<br />

Wochenarbeitszeiten für die Branche<br />

Unternehmer als Bürger<br />

Johannes<br />

Bohnen fordert<br />

nicht nur<br />

eine soziale,<br />

sondern auch<br />

eine politische<br />

Haltung von<br />

der Wirtschaft.<br />

„In Teilen funktioniert die Abstimmung mit uns<br />

als Betriebsrat schon nicht richtig. Wie soll dann<br />

die Belegschaft vernünftig im Boot sein?“<br />

Bernd Osterloh<br />

Konzernbetriebsratschef Volkswagen, beklagt mangelnde Information der Belegschaft<br />

durch die Geschäftsführung<br />

Wenn die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise<br />

sagt: „Wir schaffen<br />

das!“, dann meint sie vor allem<br />

uns, die Bürger, Unternehmer<br />

und Angestellten. Wir nehmen<br />

Flüchtlinge freiwillig privat auf, engagieren uns<br />

ehrenamtlich und legen sogar eigene Schulungsprogramme<br />

auf. Dieses Kümmern ist eine soziale,<br />

aber auch eine eminent politische Tat, mit Gewinnern<br />

auf beiden Seiten. Wir sorgen für künftige<br />

Arbeitskollegen, Kunden und steuerzahlende Mitbürger.<br />

Dies ist das Ergebnis einer politischen,<br />

weil gesellschaftlich verantwortlichen Haltung.<br />

Wenn Unternehmen gefragt werden, wie sie ihrer<br />

gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen,<br />

verweisen sie gern auf ihre CSR-Abteilung.<br />

Gemeint sind die Maßnahmen der „Corporate Social<br />

Responsibility“, die dazu dienen, Geschäftsmodelle<br />

auch in sozialer und ökologischer Hinsicht<br />

zukunftsfähig zu machen. Doch bleibt es<br />

meist bei einem theoretischen Konstrukt, denn<br />

Strategie- und CSR-Abteilung arbeiten fast nie<br />

Hand in Hand. Das Wort „social“ greift zu kurz,<br />

um die umfassenden Beziehungen eines Unternehmens<br />

zum Gemeinwesen zu beschreiben. Unternehmen<br />

sind politische Akteure: Als Arbeitgeber<br />

und Innovatoren beeinflussen sie die Strukturen<br />

der Gemeinschaften, deren Mitglieder sie<br />

sind. Vor allem gestalten sie massiv den Gesetzgebungs-<br />

und Regulierungsprozess mit, etwa durch<br />

ihre Verbände, Repräsentanzen und direkten<br />

Kontakte. Daraus erwächst Verantwortung.<br />

Aber es geht um mehr als den erhobenen Zeigefinger.<br />

Im Vordergrund stehen Geschäftschancen,<br />

die sich aus der Erwartungshaltung aufgeklärter<br />

Bürger und Kunden ergeben. Dies ist der Ausgangspunkt<br />

für ein neues Konzept, das sich Corporate<br />

Political Responsibility, kurz CPR, nennt.<br />

Um Missverständnissen vorzubeugen: Unternehmen<br />

müssen sich nicht zu einer Partei bekennen.<br />

Sie sollten sich jedoch einer breiteren Definition<br />

des Politischen öffnen. Denn aus mehr politischer<br />

Partizipation lassen sich Vorteile für das<br />

eigene Wirtschaften schöpfen. Nur wenn sich Unternehmen<br />

als Corporate Citizens bewähren, also<br />

die politische Erwartungshaltung ihrer Kunden<br />

ernst nehmen, können sie Geschäftspotenziale<br />

voll ausschöpfen.<br />

Wenn eine Firma Möglichkeiten findet, Flüchtlinge<br />

auszubilden, so ist dies im Kern ein politischer<br />

Vorgang. Sie zeigt damit der Gesellschaft<br />

nicht nur Wege auf, wie die Integration gefördert<br />

werden kann, sondern erhält mitunter hochmotivierte<br />

neue Mitarbeiter. Auch der Imageschaden<br />

Sachsens seit Pegida hätte durch mehr politisches<br />

Unternehmenshandeln abgefedert werden können.<br />

So wäre es von Unternehmen vor Ort ein<br />

konkreter Beitrag zur Stärkung des Standorts<br />

Sachsen gewesen, Dialogplattformen zu schaffen,<br />

um damit die Debatte über ein gesellschaftlich relevantes<br />

Phänomen konstruktiv zu begleiten.<br />

CPR zielt stets auf beidseitige Gewinne ab. Öffentliche<br />

Angelegenheiten regelt eben nicht nur<br />

der Staat. Dieser ist oft überfordert, insbesondere<br />

bei gesellschaftlich komplexen Fragen. Die Wirtschaft<br />

kann mit ihren Ressourcen viel zur Stabilisierung<br />

des Gemeinwesens beitragen und damit<br />

ihre eigenen Standortfaktoren verbessern. Deshalb<br />

ist politische Haltung von Unternehmen so<br />

wichtig – nicht nur in der Flüchtlingsfrage.<br />

Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter<br />

von Bohnen Public Affairs in Berlin. Sie erreichen<br />

ihn unter: gastautor@handelsblatt.com<br />

VOLKSWAGEN<br />

Nur ein<br />

erster Schritt<br />

Justizminister<br />

Maas muss<br />

Recht auch<br />

durchsetzbar<br />

machen, fordert<br />

Anja Stehle.<br />

Zu den Absurditäten<br />

der VW-<br />

Affäre zählt,<br />

dass sie Kunden<br />

erster und Kunden<br />

zweiter Klasse hervorbringt.<br />

Erstere,<br />

das sind die VW-<br />

Kunden in den<br />

USA, die vom Autokonzern<br />

mit einem<br />

1 000-Dollar-Scheck<br />

beschwichtigt werden.<br />

Die Kunden<br />

zweiter Klasse, das<br />

sind die Europäer –<br />

sie werden aller Voraussicht<br />

nach leer<br />

ausgehen. Der<br />

Wolfsburger Autobauer scheint es offensichtlich<br />

auszunutzen, dass hierzulande die<br />

Mechanismen im Verbraucherschutz nicht<br />

derart zupackend sind wie in den USA. Dort<br />

läuft die Aufklärungsmaschinerie bereits<br />

seit Tag eins nach Bekanntwerden des Skandals<br />

auf Hochtouren.<br />

Deutsche VW-Kunden hingegen mussten<br />

lernen, dass sie der Gunst des Konzerns<br />

ausgeliefert sind. Nicht nur im Hinblick auf<br />

die Zahlung von Entschädigungen. Auch<br />

hinsichtlich der Möglichkeit, auf Schadensersatz<br />

zu klagen, müssen die Verbraucher<br />

auf das Entgegenkommen des Konzerns<br />

hoffen. In der Regel gilt eine Verjährungsfrist<br />

von drei Jahren für Klagen – für einige<br />

VW-Kunden dürfte diese Frist verstrichen<br />

sein. Erst auf öffentlichen Druck hin hat VW<br />

auf diese Frist verzichtet. Die Krux dabei:<br />

Dies gilt nicht für Kunden, die bei einem<br />

Händler gekauft haben, denn die können<br />

selbst bestimmen, ob sie auf Verjährung verzichten.<br />

Höchste Zeit also, dass der größte<br />

Betrugsskandal der vergangenen Jahre auch<br />

ein Thema für die Verbraucherpolitik wird.<br />

Die Vorschläge, die Bundesjustizminister<br />

Heiko Maas nun in einem Papier formuliert,<br />

sind ein erster Schritt. Die vorgeschlagene<br />

Schlichterstelle kann den Verbrauchern helfen,<br />

auf unbürokratische Weise ihre Interessen<br />

durchzusetzen. Im Onlinehandel oder<br />

im Schienenverkehr haben Geschädigte bereits<br />

gute Erfahrungen mit Schiedsstellen<br />

gemacht. Auch der Plan, wonach das Kraftfahrt-Bundesamt<br />

den Verbraucherschutz<br />

zum Ziel haben sollte, könnte ein Weg sein,<br />

künftig Betrug zu verhindern.<br />

Nach zahlreichen Skandalen um Anlegertäuschung<br />

auf dem grauen Kapitalmarkt<br />

hat die Bundesregierung eine ähnliche<br />

Lösung für die Finanzaufsichtsbehörde<br />

Bafin eingeleitet. Maas sollte also noch einen<br />

Schritt weitergehen und auch die Möglichkeiten<br />

prüfen, wie Verbraucher zu ihrem<br />

Recht kommen können. Hierzu ist bislang<br />

aus dem Ministerium wenig Konkretes<br />

zu hören.<br />

Die Autorin ist Korrespondentin in Berlin.<br />

Sie erreichen sie unter:<br />

stehle@handelsblatt.com<br />

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