Magnesium im Marianengraben - Produktionstechnisches Zentrum ...
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<strong>Magnesium</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Marianengraben</strong><br />
Es taucht fast überall auf, leider kaum <strong>im</strong> Leichtbau.<br />
Es hat ein Riesenpotenzial, lässt sich aber nur schwer verarbeiten.<br />
Genau der richtige Stoff für eine hartnäckige Ingenieurin.<br />
nsa Pfeiffer hat sehr leichte, matt glänzende und dau-<br />
I mendicke Scheiben vor sich ausgebreitet, einige glatt,<br />
einige mit Runzeln: die stoffliche Quintessenz ihrer For-<br />
schung aus gut zwei Jahren. Um an ihre Ergebnisse zu<br />
kommen, hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut<br />
für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM)<br />
die größte Presse des Instituts so ausgelegt und umgebaut,<br />
dass sie mit einer Kraft, die etwa 1000 gestapelten VW Golf<br />
entspricht, die daumendicken <strong>Magnesium</strong>scheiben formt,<br />
während diese zusätzlich rundum einem Druck ausgesetzt<br />
sind, wie er <strong>im</strong> <strong>Marianengraben</strong> herrscht, etwa zehn Kilometer<br />
unter der Meeresoberfläche; ein einziges bemanntes<br />
U-Boot drang bisher in solche Druckverhältnisse vor.
IFUM – MagnesIUM IM MaRIanengRaBen
28<br />
Diese Arbeiten hat sie mit der Geburt ihrer Tochter Line<br />
und den neuen Elternpflichten in Einklang gebracht. Wel-<br />
che Aufgabe die schwierigere war – oder ist? Die Ingeni-<br />
eurin, die Power für zwei ausstrahlt, zögert, aber nur kurz:<br />
„Auch bei den 30 Stunden, die ich jetzt wieder hier bin,<br />
denke ich oft: Jetzt gebe ich schon mein Kind so lange in<br />
die Krippe und schaffe trotzdem nicht mehr“.<br />
Viel zu selten trifft man Ingenieurinnen mit Kindern –<br />
vielleicht ist das einer der Gründe, warum man überhaupt<br />
sehr wenige Ingenieurinnen trifft: Weil viele das Gefühl<br />
haben, eine Entweder/Oder-Entscheidung treffen zu müssen,<br />
und dann nicht auf Kinder, sondern den zeitintensiven<br />
Beruf in einer Männerwelt verzichten. „Am Ende liegt<br />
die Rechnung ja doch auf deinem Tisch“, kommentiert Insa<br />
Pfeiffer, deren Mann beruflich viel unterwegs ist, die noch<br />
<strong>im</strong>mer typische Verteilung der Pflichten, die zu den beruflichen<br />
Aufgaben dazukommt. Dass sie dennoch „die Formgebungsgrenzen<br />
von <strong>Magnesium</strong>legierungen mittels einer<br />
Überlagerung von Druckspannungen während des Umformprozesses“<br />
erweitern konnte, verdankt sie auch einer<br />
guten Portion Glück und den kinderfreundlichen Arbeitsbedingungen<br />
am IFUM.<br />
Dazu später mehr. Zuerst die entscheidende Frage:<br />
Warum braucht die Welt <strong>Magnesium</strong>legierungen, und<br />
warum muss man die Grenzen ihres Formänderungsvermögens<br />
erweitern?<br />
<strong>Magnesium</strong>: Es steckt in Bananen,<br />
Wunderkerzen und Tabletten gegen<br />
Muskelkrämpfe – warum nicht in<br />
Autos und Flugzeugen?<br />
<strong>Magnesium</strong> ist das achthäufigste Element der Erde: Wer<br />
<strong>Magnesium</strong> sucht, findet es in Bananen, Wunderkerzen, Tabletten<br />
gegen Muskelkrämpfe oder <strong>im</strong> Meer – mehr als ein<br />
Kilogramm in einem Kubikmeter Wasser. In Autos dagegen<br />
oder in der Luft- und Raumfahrt ist <strong>Magnesium</strong> eher selten<br />
zu finden. Diesen <strong>Magnesium</strong>mangel bedauert Insa Pfeiffer,<br />
denn <strong>Magnesium</strong> ist nicht nur unbegrenzt verfügbar<br />
und relativ fest, sondern auch um etwa ein Drittel leichter<br />
als Aluminium. Ein gutes Argument für Leichtbaupioniere,<br />
denn leichtere Fahr- oder Flugzeuge verbrauchen weniger<br />
Energie und werden damit nicht nur günstiger <strong>im</strong> Betrieb,<br />
sondern jagen natürlich auch weniger CO2 in die Luft.<br />
PZH 2010<br />
Pfeiffer geht es allerdings nicht um leichte Autos. Zumindest<br />
nicht direkt. Sie möchte grundsätzlich einen vielfältigeren<br />
Einsatz von <strong>Magnesium</strong> <strong>im</strong> Maschinenbau ermöglichen.<br />
Dazu muss man wissen: <strong>Magnesium</strong> ist sehr reaktiv<br />
und leicht entzündlich. Späne können sich entzünden –<br />
deshalb mögen die Kollegen aus der spanenden Fertigung<br />
<strong>Magnesium</strong> nicht besonders. Heißes <strong>Magnesium</strong> be<strong>im</strong> Gießen<br />
ist mindestens so gefährlich, aber ums Gießen als Urformverfahren<br />
kommt man nicht herum. Das IW forscht<br />
sehr intensiv in diesem Bereich. Leider haben Bauteile, die<br />
in Gießverfahren hergestellt werden, und das ist zurzeit der<br />
größte Teil aller <strong>Magnesium</strong>-Bauteile, mechanische Nachteile<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu umgeformten Bauteilen.<br />
Denn allein be<strong>im</strong> Umformen wird das Gefüge ideal beeinflusst:<br />
Die Bereiche gleicher Kristallstruktur – „Körner“ genannt<br />
– werden kleiner, länger und richten sich an der Kontur<br />
aus. Das sorgt dafür, dass umgeformte <strong>Magnesium</strong>bauteile<br />
eine höhere Festigkeit haben und stärker belastbar sind.<br />
Das Problem be<strong>im</strong> Umformen ist allerdings, dass <strong>Magnesium</strong><br />
eine sogenannte hexagonale Gitterstruktur hat, das<br />
heißt: Es ist sehr spröde. Presst man es mit hohem Druck<br />
zusammen, bricht es auseinander oder bekommt zumindest<br />
Risse – Insa Pfeiffer zeigt eine Probe mit einem Rand, der<br />
aussieht wie vernarbt. Eine andere Scheibe der gleichen<br />
<strong>Magnesium</strong>legierung dagegen ist glatt und rund. Sie wurde<br />
bei 225 Grad Celsius umgeformt: Bei dieser Temperatur verändert<br />
sich die innere Struktur, die Materialschichten können<br />
be<strong>im</strong> Umformen dann über eine diagonale Ebene in die<br />
neue Form gleiten.<br />
„Meine Idee war, die <strong>Magnesium</strong>proben be<strong>im</strong> Umformen<br />
zusätzlich von allen Seiten unter Druck zu setzen und zu<br />
gucken, welchen Einfluss der Druck auf das Formänderungsvermögen<br />
hat – <strong>im</strong> Idealfall sollte sich die erforderliche<br />
Umformtemperatur deutlich absenken lassen.“ Das<br />
wäre natürlich ein Gewinn, denn niedrigere Temperaturen<br />
bedeuten niedrigere Prozesskosten. Am IFUM war bereits<br />
mit Drucküberlagerung an Aluminium geforscht worden,<br />
eine gute Voraussetzung für das Vorhaben. Als die Deutsche<br />
Forschungsgemeinschaft DFG ihren Antrag bewilligte,<br />
konnte es losgehen.<br />
Für das Vorhaben stand ihr die größte hydraulische<br />
Presse des IFUM zur Verfügung; ihre Presskraft entspricht<br />
1250 Tonnen. Die Proben, 45 Mill<strong>im</strong>eter hohe Zylinder einer<br />
<strong>Magnesium</strong>legierung, sollten so darin platziert werden,<br />
dass sie von Öl umgeben sind und über dieses Öl ein Druck<br />
von bis zu 1000 bar ausgeübt wird, während von oben der<br />
Stößel der Presse das Umformen erledigt. Dieser Umformvorgang<br />
sollte bei verschiedenen Temperaturen von 70 bis
300 Grad Celsius durchgeführt, die gewünschte Temperatur<br />
jeweils über die Temperatur des Öls eingestellt werden. Zwei<br />
verschiedene Legierungen sollten auf diese Weise bei je<br />
zwei verschiedenen Umformgeschwindigkeiten untersucht<br />
werden; insgesamt etwa 300 Einzelexper<strong>im</strong>ente.<br />
Das Exper<strong>im</strong>ent: zehn Kilometer<br />
unter der Meeresoberfläche, und von<br />
oben pressen 1000 Golf<br />
Die Kräfte sind respekteinflößend: Allein der hydrostatische<br />
Druck s<strong>im</strong>uliert Verhältnisse, wie man sie <strong>im</strong> <strong>Marianengraben</strong><br />
findet. Dazu kommt die Presse, die mit der Kraft<br />
von 1000 gestapelten VW-Golf die Probe umformen soll.<br />
Die Ölmenge muss dabei über ein Druckbegrenzungsventil<br />
so reguliert werden, dass der hydrostatische Druck konstant<br />
bleibt.<br />
Bei der Planung des entsprechenden Werkzeugs, das<br />
später in die Presse eingebaut werden sollte, stieß Pfeiffer<br />
an Grenzen: „Es gibt Dichtungen für hohe Temperaturen<br />
und Dichtungen für hohen Druck. Beides zusammen schaffen<br />
die nicht“. Gleiches gilt für das Ventil, das den Druck<br />
<strong>im</strong> Öl begrenzen soll, wenn die Presse auf die Probe drückt.<br />
„Das Ventil, das Sie suchen, müssten Sie in Gold aufwiegen“,<br />
hatte ein Hersteller ihr gesagt. Das Fazit? „Wegen der<br />
Dichtungen sind wir mit der Temperatur auf max<strong>im</strong>al 200<br />
Grad runtergegangen, das Ventilproblem haben wir über<br />
einen Druckübersetzer selbst gelöst.“<br />
Und dann war Line da. „Zeitlich hat das irgendwie ideal<br />
gepasst: In den ersten Monaten nach der Geburt bin ich mit<br />
Line <strong>im</strong>mer mal kurz vorbeigekommen; Line saß bei Kollegen<br />
auf dem Schoß, und ich konnte den Fortschritt des<br />
Werkzeugs, der Hydraulikanlage und der Steuerung begutachten,<br />
die Uwe Rothgänger, der technische Mitarbeiter<br />
des Projekts, in dieser Phase ohnehin weitgehend ohne<br />
mich zusammengebaut hätte. Ohne seine tolle Unterstützung<br />
hätte das alles nicht so reibungslos geklappt.“ Nach<br />
vier Monaten nahm ihr Mann zwei Monate Elternzeit und<br />
Insa Pfeiffer war in dieser Zeit voll für ihr Exper<strong>im</strong>ent da<br />
– „aber das war schon sehr hart, meine kleine Tochter plötzlich<br />
den ganzen Tag nicht zu sehen“, gibt sie heute zu.<br />
Als Line zehn Monate alt war, bekam sie einen Platz bei<br />
den Wuselzwergen, einer neuen Betreuungseinrichtung<br />
der Universität. „Das war ganz großes Glück“, sagt die forschende<br />
Mutter. Das größte Glück allerdings, sagt sie, sei ihr<br />
Chef, der sie in jeder Hinsicht unterstützt habe – „egal,<br />
IFUM – MagnesIUM IM MaRIanengRaBen<br />
Zwe<strong>im</strong>al Insa Pfeiffer: Oben präsentiert sie eine<br />
Probe, die es be<strong>im</strong> Umformen zerrissen hat, unten<br />
verschwindet sie mit dem Techniker fast hinter der<br />
größten hydraulischen Presse des IFUM, die dafür<br />
verantwortlich ist.<br />
29
30<br />
ob ich erst nur 20, jetzt wieder 30 Stunden arbeiten woll-<br />
te und konnte. Und ich weiß, wenn ich für eine Weile nur<br />
von zu Hause aus arbeiten könnte, dann ginge auch das.<br />
Das motiviert schon sehr.“ Der Chef ist Institutsleiter Professor<br />
Bernd-Arno Behrens, der ihr 2005 auch die Abteilungsleitung<br />
Massivumformung übertragen hatte. Die hat<br />
sie allerdings abgegeben – sie fand es den Kollegen gegenüber<br />
unfair, als Teilzeit-Leiterin nur eingeschränkt anwesend<br />
zu sein. „Da bleibt einfach zu viel auf der Strecke“,<br />
findet sie. Auch so nagt ja die typische Powerfrauen-Unzufriedenheit<br />
an ihr, nicht an jeder Front 100-prozentig dabei<br />
sein zu können, selbst wenn sie abends, wenn Line schläft,<br />
noch zuhause am Schreibtisch sitzt. „<strong>Magnesium</strong> schläft<br />
nie“, sagt sie lachend dazu.<br />
Tag X, der 6. Februar 2009: Die Presse ist eingerichtet.<br />
Und hinter Abschirmungen regelrecht eingemauert – eine<br />
Sicherheitsmaßnahme, die bei solchen Randbedingungen<br />
<strong>im</strong>mer eingehalten wird. Immerhin haben es die IFUM-Wissenschaftler<br />
hier mit heißem Öl unter extremem Druck und<br />
Premierenbedingungen zu tun. „Natürlich hat man Respekt“,<br />
gibt Insa Pfeiffer zu, „wenn man das alles gerechnet hat<br />
und dann vor der Presse die Stunde der Wahrheit naht. Da<br />
steigt der Adrenalinspiegel schon an.“ Das Öl hat die richtige<br />
Temperatur erreicht, der Stempel wird heruntergefahren<br />
– und alles geht gut. Das Werkzeug hält, die Dichtungen<br />
sind dicht, der Druckübersetzer funktioniert, alles läuft wie<br />
geplant. Und die Proben, 45 Mill<strong>im</strong>eter hohe Zylinder, werden<br />
auf 13 Mill<strong>im</strong>eter dicke Scheiben heruntergepresst – sofern<br />
sie sich umformen lassen.<br />
Ärgerlich findet die Projektchefin nur, dass man während<br />
des Umformens nichts sieht und nichts hört – dass also gar<br />
nicht feststellbar ist, wann genau die Probe erste Risse bekommt.<br />
So besteht vor allem die Gefahr, dass nach dem Umformen<br />
Teile aus der Presse geholt werden, die schön glatt<br />
aussehen, aber innen doch schon Risse aufweisen. Nicht nur<br />
für ihre Forschungsergebnisse ist das inakzeptabel. Würden<br />
solche Teile mit unentdeckten Fehlern tatsächlich verbaut,<br />
wären sie ein großes Sicherheitsrisiko. Deshalb installiert<br />
sie mit ihrem Kollegen Islam Elgaly eine akustische Rissüberwachung,<br />
mit deren Hilfe man tatsächlich hören – und<br />
aufzeichnen – kann, wie die <strong>Magnesium</strong>legierung während<br />
des Umformens ächzt und fließt – oder eben reißt.<br />
Etwa 300 Mal ist die Presse <strong>im</strong> Sommer 2009 heraufund<br />
wieder heruntergefahren und hat aus den Probenzylindern<br />
mehr oder weniger flache, teils intakte, teils zerborstene<br />
Scheiben gemacht. Erfolgreich? Ein klassiches „Jein“ ist<br />
die Antwort, denn: „Bei 180 Grad geschieht etwas Erstaun-<br />
PZH 2010<br />
liches. Die Umformfähigkeit verbessert sich bei dieser Temperatur<br />
bei steigendem Öldruck ganz langsam – bis etwa<br />
630 bar. Das war zu erwarten. Wenn man dann aber den<br />
Druck noch etwas erhöht, lässt sich die Probe ganz plötzlich<br />
komplett umformen“. Um die 45 Grad, um die die erforderliche<br />
Umformtemperatur sinkt, wirtschaftlich zu nutzen, ist<br />
der Aufwand mit der Drucküberlagerung zwar noch sehr<br />
groß, aber spannend sei die Frage, WARUM die Umformfähigkeit<br />
bei diesem Druck schon 45 Grad eher beginnt, und<br />
vor allem: warum so plötzlich. Was passiert da mit dem<br />
Materialgefüge? Naheliegende Erklärungen reichen bisher<br />
nicht aus, diese Frage zu beantworten.<br />
Die Zukunft: materialwissenschaftliche<br />
Rätsel lösen, promovieren und in<br />
die Industrie gehen. Als erstes: einen<br />
Kindergartenplatz bekommen.<br />
Wie geht es weiter? Das Rätsel der sprunghaften Umformfähigkeit<br />
will die 30-Jährige unbedingt noch lösen. Die Antwort<br />
könnte sehr aufschlussreich sein und neue Ansätze für<br />
die <strong>Magnesium</strong>bearbeitung eröffnen. Natürlich würde sie<br />
gern ihre wissenschaftliche Laufbahn mit einer Promotion<br />
küren – aber das ist vor allem eine Frage zeitlicher Freiräume.<br />
Und dann: „In die Industrie und eventuell <strong>im</strong> Ausland<br />
arbeiten.“ Mit Kind? Kein Problem, findet sie – oder besser:<br />
eine lösbare Herausforderung. Schwerer lastet da die aktuelle<br />
Hürde auf ihr: Sie muss für Line eine Ganztagsbetreuung<br />
<strong>im</strong> Kindergarten finden. 24 Kindergärten kommen in<br />
Frage, persönliche Anmeldung und Eintrag auf die Warteliste<br />
jeweils einmal pro Woche irgendwann am Vormittag.<br />
Es braucht manchmal keine ignorante Arbeitswelt, um Eltern<br />
an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zweifeln<br />
zu lassen.
32<br />
Professor Bernd-Arno Behrens, Institutsleiter<br />
geschichte<br />
Das IFUM ist eines der ältesten umformtechnischen<br />
Institute: Gemeinsam<br />
mit dem IFW kann es seine Geschichte<br />
zurückverfolgen bis zu Karl Karmarsch,<br />
der 1831 die Höhere Gewerbeschule<br />
– den Vorläufer der heutigen<br />
Leibniz Universität Hannover – gründete<br />
und dort mechanische Technologie<br />
lehrte. Er begründete damit eine lange<br />
Tradition erstklassiger Forschung in<br />
der Fertigungs- und insbesondere der<br />
Umformtechnik.<br />
Große Tradition hat auch das Umformtechnische<br />
Kolloquium Hannover<br />
(UKH), zu dem sich seit 1952 die „Umformer“<br />
Deutschlands am IFUM treffen.<br />
Im kommenden Jahr, am 23. und<br />
24. Februar 2011, wird das 20. UKH<br />
ausgerichtet.<br />
PZH 2010<br />
aktuelle Themen<br />
Zu den Kernkompetenzen am IFUM gehören<br />
neben den klassischen Bereichen<br />
Massiv- und Blechumformung weitere<br />
Themengebiete wie Umformmaschinenentwicklung,<br />
CA-Techniken und numerische<br />
Methoden. Auch die interdisziplinären<br />
Bereiche Biomedizintechnik<br />
und Pulvermetallurgie werden abgedeckt.<br />
Dem IFUM angegliedert ist außerdem<br />
die Materialprüfanstalt für<br />
Werkstoffe und Produktionstechnik<br />
MPA. Beispiele aus dem Forschungsspektrum<br />
des IFUM:<br />
drucküberlagerte massiv-<br />
umformung / In der Massivumfor-<br />
mung werden aktuell die Auswirkun-<br />
gen einer Drucküberlagerung auf den<br />
Umformprozess untersucht, wie bei-<br />
spielsweise be<strong>im</strong> Projekt von Insa Pfeif-<br />
fer, die dabei Leichtmetalllegierungen<br />
betrachtet. Das Ziel ist eine höhere Umformbarkeit<br />
solcher Legierungen und<br />
damit ein größeres Anwendungsspektrum.<br />
Auch für Stahl, der allerdings<br />
noch höheren Druck für ähnliche Effekte<br />
erforderlich macht, wollen die Wissenschaftler<br />
durch Drucküberlagerung<br />
die Prozessgrenzen erweitern. Ein weiteres<br />
Einsatzgebiet sind Bauteile, die an<br />
ausgewählten Stellen ganz gezielt verfestigt<br />
werden sollen – das ist unter anderem<br />
ein Anliegen <strong>im</strong> SFB 675 „Hochfeste<br />
Strukturen“.<br />
Präzisionsschmieden / Über eine<br />
enge Kooperation mit der Firma Lasco<br />
konnten die Warmmassivumformer<br />
ihren Maschinenpark um eine neue<br />
Präzisionspresse erweitern. Das kommt<br />
auch dem Sonderforschungsbereich<br />
489 zu Gute, der Schmiedeprozesse<br />
präziser auslegen und opt<strong>im</strong>ieren will:<br />
Bauteile sollen so geschmiedet werden,<br />
dass sie nahezu ohne Grat und endkonturnah<br />
den Schmiedeprozess verlassen.<br />
Das bedeutet enorme Kosten-, Energieund<br />
Zeitersparnis.<br />
24 Tonnen schwer,<br />
fünf Meter hoch:<br />
Die Ankunft der neuen<br />
Präzisionspresse<br />
der Firma Lasco Ende<br />
2009 war Maßarbeit.<br />
Seitdem verstärkt<br />
sie die Warmmassivumformung.<br />
Warmblechumformung / Eine ak-<br />
tuelle und sehr vielversprechende Ent-<br />
wicklung bei den Warmblechumfor-<br />
mern des IFUM ist ein Verfahren zur<br />
konduktiven Erwärmung der Bleche.
Bislang werden die Bleche überwiegend<br />
in Öfen erhitzt, was sehr zeit- und kostenintensiv<br />
ist. Be<strong>im</strong> neuen Verfahren<br />
erwärmen sich die Bleche durch einen<br />
direkten Stromfluss innerhalb von nur<br />
20 Sekunden. Die Wissenschaftler<br />
haben für die Auslegung eines solchen<br />
komplexen Prozesses ein S<strong>im</strong>ulationsmodell<br />
aufgebaut, mit dem sie neben<br />
Prozessparametern auch Gefügezusammensetzung<br />
und mechanische Eigenschaften<br />
von Bauteilen vorhersagen<br />
können.<br />
Pulvermetallurgie / In der Pulver-<br />
metallurgie, eine Kombination von<br />
Ur- und Umformverfahren, entwickeln<br />
Wissenschaftler Prozesse zum Pressen<br />
von nahezu einbaufertigen Bauteilen<br />
aus Metallpulver. Sie können so Legierungen<br />
verarbeiten, die beispielsweise<br />
gießtechnisch nicht herstellbar sind.<br />
Am IFUM haben die Pulvermetallurgen<br />
in einem Teilprojekt des SFB 653 „Gentelligente<br />
Bauteile“ ein Verfahren entwickelt,<br />
mit dem in einem solchen Bauteil<br />
Informationen hinterlegt werden<br />
können. Dieses Verfahren beherrschen<br />
sie auch numerisch – was nicht ganz<br />
einfach ist, denn anders als bei den<br />
meisten S<strong>im</strong>ulationen spielen hier nicht<br />
nur die Elastizität und die Plastizität,<br />
sondern auch die Kompressibilität des<br />
Pulvers als zusätzliche D<strong>im</strong>ension eine<br />
Rolle.<br />
maschinendiagnostik / Mitarbeiter<br />
aus dem Forschungsbereich Maschinen<br />
beschäftigen sich unter anderem mit<br />
der Diagnostik von Umformmaschinen.<br />
Sie können helfen, wenn Anwender die<br />
Charakteristik ihrer Maschine nicht<br />
kennen, wenn sich der Pressentisch<br />
durchbiegt oder be<strong>im</strong> mehrstufigen Prozess<br />
in der letzten Stufe die gewünschte<br />
Prägung auf dem Bauteil einfach nicht<br />
zustande kommt. Mit Hilfe einer Maschinendiagnose<br />
sowie der S<strong>im</strong>ulation<br />
der Prozesskräfte und einer gekoppelten<br />
S<strong>im</strong>ulation der Maschine – einer Prozess-Maschine-S<strong>im</strong>ulation<br />
– können<br />
Probleme erkannt und behoben werden.<br />
akustische emission / In diesem Ge-<br />
biet wird an einem Verfahren gearbei-<br />
tet, mit dem die akustischen Emissio-<br />
nen während der Umformung gemessen<br />
werden können. Dieses Verfahren eröffnet<br />
völlig neue Einblicke in den Umformvorgang.<br />
Die Wissenschaftler sind<br />
in der Lage, Störeinflüsse der Maschine<br />
auszublenden; was übrig bleibt sind Signale,<br />
die direkt aus der Umformung<br />
kommen. Über einen Sensor kann man<br />
so auch das Versagen von Werkzeug<br />
oder Bauteil hörbar machen.<br />
biomedizintechnik / Die Biomedizin-<br />
techniker des IFUM schließlich interes-<br />
sieren sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem<br />
SFB 599 „Biomedizintechnik“ dafür,<br />
wie Prothesen auf die umgebenden<br />
Knochen der Menschen wirken. Das<br />
Problem, das sie lösen wollen: Oft<br />
schirmt eine Hüftprothese den angrenzenden<br />
Knochen ab; Knochen, die nicht<br />
belastet werden, bilden sich aber zurück.<br />
Ihre Max<strong>im</strong>e heißt „besser viel<br />
s<strong>im</strong>ulieren statt viel ausprobieren“, und<br />
so bilden sie den Bewegungsapparat<br />
des Menschen als Mehrkörpers<strong>im</strong>ulation<br />
ab – mit Massen, Federn und Dämpfern<br />
– und untersuchen die auftretenden<br />
Belastungen. Ihre Vision ist die<br />
Entwicklung von Implantaten, die den<br />
speziellen Anforderungen von Patienten<br />
gerecht werden.<br />
Personen & Patente<br />
schnittschlagdämPfung / Eine patentierte<br />
Neuentwicklung aus dem Arbeitsbereich<br />
„Maschinen“ ist ein neuartiges<br />
Verfahren zur Schnittschlagdämpfung:<br />
Was be<strong>im</strong> Bohren passiert,<br />
IFUM – Das InsTITUT<br />
wenn der Bohrer plötzlich „durch“ ist,<br />
tritt auch be<strong>im</strong> Stanzen von Blechbauteilen<br />
auf. Basis ist ein neu entwickelter<br />
Elektromotor, der reaktionsschnell auftretende<br />
Schwingungen be<strong>im</strong> Schnittschlag<br />
dämpfen kann.<br />
kontaktfreier vorschub / Eine wei-<br />
tere Patentanmeldung hat Olaf Mart-<br />
hiens vom IFUM eine EXIST-Förderung<br />
in Höhe von fast 400.000 Euro beschert:<br />
Marthiens will dem klassischen<br />
Prinzip des Walzenvorschubs, bei dem<br />
das zu verarbeitende Bandmaterial<br />
durch zwei angetriebene Stahlwalzen<br />
in die Presse geführt wird, den Todesstoß<br />
versetzen. Bei ihm sorgen elektromagnetische<br />
Kräfte dafür, dass das<br />
Blechmaterial kontaktfrei, positionsgenau<br />
und mit hoher Geschwindigkeit<br />
fortbewegt wird.<br />
mobiler geWinderoller / Philipp<br />
Silberkuhl, ehemaliger studentischer<br />
Mitarbeiter und Projektarbeiter am<br />
IFUM, wurde durch seine Arbeit inspiriert,<br />
die Idee zu einem mobilen Gewinderoller<br />
zum Patent anzumelden. Er hat<br />
sich mit der Firma Silbertool selbstständig<br />
gemacht – unterstützt vom Gewinn<br />
des Göttinger Innovationspreises<br />
und des Wettbewerbs „enable2start“<br />
der Financial T<strong>im</strong>es Deutschland.<br />
habilitationsstiPendium / Kathrin<br />
Voges-Schwieger, Mitarbeiterin in der<br />
Blechumformung, hat <strong>im</strong> Rahmen des<br />
Programms zur Förderung des weiblichen<br />
Nachwuchses auf dem Weg zur<br />
Professur ein Stipendium gewonnen,<br />
um innerhalb von fünf Jahren eine Habilitationsschrift<br />
auszuarbeiten.<br />
48 wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
23 nichtwissenschaftliche Mitarbeiter<br />
62 studentische Mitarbeiter<br />
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