August 2008 - Nossner Rundschau
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Am Sonnabend, dem 28. Juni<br />
<strong>2008</strong> musizierten zu folgendem<br />
Programm:<br />
Giovanni Gabrieli (1557–1612)<br />
Zwei Stücke für acht Instrumentalstimmen<br />
in 2 Chören<br />
Sonata Nr. XIII<br />
II. Canzone<br />
Antonio Vivaldi (1678–1741)<br />
Konzert in B-dur für Violine,<br />
Violoncello, Streicher und<br />
Cembalo<br />
Allegro<br />
Andante<br />
Allegro molto<br />
Fritz Westien (geb. 1925)<br />
Altzella-Suite (2006)<br />
Inicium Cellae Sanctae Mariae<br />
(Einzug der Mönche)<br />
Jubilate<br />
(„Freu dich, du werte Christenheit“)<br />
Ora et labora<br />
(Wahlspruch der Zisterzienser)<br />
Sankt-Hubertus-Jagd<br />
Prozession zu Allerseelen<br />
(„Ach Gott, vom Himmel sieh darein“)<br />
Johann Christian Bach<br />
(1735–1782)<br />
Sinfonia concertante für Violine,<br />
Violoncello und Orchester<br />
Allegro di molto<br />
Rondeau. Allegro assai<br />
Joseph Haydn (1732–1809)<br />
Sinfonie Nr. 3 G-dur<br />
Allegro<br />
Andante moderato<br />
Menuetto mit Trio<br />
Finale. Presto<br />
Ausführende:<br />
Christiane Pfundt, Leipzig –<br />
Violine<br />
Hartmut Becker, Leipzig –<br />
Violoncello<br />
Oboisten und Hornisten aus<br />
Dresden und Leipzig<br />
Das Kammerorchester Döbeln<br />
Dirigent: Horst Becker<br />
3<br />
Sommerliches Kammerkonzert im Kloster Altzella<br />
Das Kammerorchester Döbeln gastierte im Bibliothekssaal<br />
mit Musik aus dem Barock und der „Altzella-Suite“ von F. Westien<br />
Das Kammerkonzert im Bibliothekssaal<br />
des Klosters Altzella<br />
führte uns am Anfang in die<br />
Übergangsepoche von der<br />
Renaissance zum Barock. Im<br />
16. Jahrhundert schlug die<br />
Geburtsstunde der musikalischen<br />
Neuzeit. Es entstand eine<br />
Fülle von Sonderformen und<br />
-stilen. Zwei Vertreter dieser<br />
Entwicklung sind die Gebrüder<br />
Gabrieli. Wir hörten von Giovanni<br />
Gabrieli Sonata Nr. XIII<br />
und Canzone II. Venedig war<br />
ein hervorragender Ort für<br />
doppelchoriges Musizieren.<br />
Dank der räumlichen und akustischen<br />
Bedingungen, die die<br />
Kathedrale „San Marco“ bot,<br />
war dort der Nährboden für die<br />
verschiedensten Zusammensetzungen<br />
großräumig vorhanden.<br />
Das war für Sänger- und Instrumentalchöre<br />
oder gemischte<br />
Gruppen eine hervorragende<br />
Möglichkeit. Gegenüber aufgestellt<br />
oder getrennt auf diversen<br />
Ebenen befindlich, konnte sich<br />
Giovanni Gabrieli als genialer<br />
Virtuose in den verschiedensten<br />
musikalischen Richtungen,<br />
vom Kanon bis zum Orgelwettstreit,<br />
ausdrücken. Er begründete<br />
durch sein Vorbild eine<br />
neue Stilepoche. –<br />
Zunächst hörten wir nun das<br />
Konzert in B-dur für Violine,<br />
Violoncello, Streicher und<br />
Cembalo von Antonio Vivaldi.<br />
Als Vertreter des klassischen<br />
frühitalienischen Violinkonzertes<br />
gehört Vivaldi sozusagen<br />
zur Vervollkommnung eines<br />
kammermusikalischen Abends.<br />
Die solistischen Leistungen der<br />
Gäste in unserem Konzert seien<br />
mit größtem Lob und Anerkennung<br />
zu bewerten, da sie<br />
dem Abendkonzert einen<br />
besonderen Glanz verliehen.<br />
Mit Antonio Vivaldi beginnt<br />
das Spätbarock der konzertanten<br />
Instrumentalmusik. Seine<br />
Konzerte gliedern sich nach der<br />
italienischen Sinfonie in drei<br />
Abschnitte mit je drei größeren<br />
Soli, die auch hier in klarer<br />
Form vertreten waren. –<br />
Von Vivaldi geht der Weg<br />
direkt zu J. S. Bach. –<br />
Nach dem musikalischen<br />
Höhepunkt, von dem später zu<br />
schreiben sein wird, kommen<br />
wir zur Bach-Familie. Johann<br />
Christian Bach, jüngster Sohn<br />
von Johann Sebastian Bach,<br />
genannt der „englische Bach“,<br />
wirkte als Komponist und Dirigent.<br />
Er vertritt fast schon eine<br />
andere Generation, ist eher der<br />
Schüler seines Bruders Philipp<br />
Emanuel als seines Vaters,<br />
empfing aber auch in Italien<br />
wichtige Anregungen. Er lebte<br />
zum Teil in London und wurde<br />
Musikmeister der Königin.<br />
Später trat er zum Katholizismus<br />
über und wurde u.a.<br />
Domorganist in Mailand. Zum<br />
Vortrag beim Kammerkonzert<br />
in Altzella kam, interpretiert<br />
von Violine, Violoncello und<br />
Orchester, die Sinfonia concertante.<br />
Auch hier sei auf die hervorragenden<br />
Leistungen der<br />
Solisten ganz besonders hingewiesen,<br />
die ihre Perfektion und<br />
ihre musikalische Ausgewogenheit<br />
– vereint mit dem Orchester<br />
– zu einem reinen Zusammenklang<br />
führten. –<br />
Wo Bach auf dem Programm<br />
steht, darf Haydn nicht fehlen.<br />
Wien wurde durch Joseph<br />
Haydn die Hauptstadt der<br />
Musikgeschichte und Haydn<br />
der endgültige Bahnbrecher der<br />
Klassik. Sein Lebensweg und<br />
seine musikalische Entwicklung<br />
waren vielseitig, zielstrebig,<br />
glücksbedingt und epochal.<br />
Heute gehen wir auszugsweise<br />
nur auf seine Sinfonie Nr. 3 Gdur<br />
ein, die uns das Kammerorchester<br />
Döbeln darbot. Durch<br />
präzise Einsätze, bemerkenswertes<br />
Zusammenspiel, musikalisch<br />
ausgewogene Tempi,<br />
besonders aber durch die warmherzige<br />
Hingabe und Leitung<br />
des Dirigenten Horst Becker,<br />
wirkte diese Musik eindringlich<br />
und anregend und begeisterte<br />
jeden musikliebenden Zuhörer.<br />
Dieser wohlgelungenen Interpretation<br />
wurde – wie auch den<br />
vorangegangenen – herzlicher<br />
Beifall gezollt. –<br />
Zum Mittelpunkt und zugleich<br />
Höhepunkt geriet die von Fritz<br />
Westien komponierte „Altzella-Suite“<br />
von 2006. In<br />
Anwesenheit des Komponisten<br />
erlebten wir sie als ein bedeu-<br />
tendes und erinnerungswürdiges<br />
Geschenk an das ehemalige<br />
Zisterzienserkloster mit seinen<br />
Mönchen in der Zeit von 1162<br />
bis 1540. –<br />
Musikalisch gesetzt ist die Suite<br />
ein Werk der Gegenwart, doch<br />
gelang es Westien, den instrumentalen<br />
Klang in die Kammermusik<br />
des Barock so einzubetten,<br />
dass kein Bruch<br />
inmitten der vor- und nachher<br />
vorgetragenen Komponisten<br />
entstand. So vernahmen die<br />
Zuhörer ohne Zäsur die Klänge<br />
moderner Musik und fühlten<br />
sich doch ohne Abstriche hineinversetzt<br />
in die Vergangenheit.<br />
–<br />
Wir hörten und erlebten den<br />
„Einzug der Mönche“ (Inicium<br />
Cellae Sancta Mariae), wir<br />
ließen unsere Herzen jubeln<br />
(Jubilate, „Freu dich, du werte<br />
Christenheit“), wir verfolgten<br />
die Gebete und die Arbeit der<br />
Mönche mit ihrem Wahlspruch<br />
„Ora et labora“, wir wurden in<br />
unseren Miriquidi-Wald versetzt<br />
und nahmen am fröhlichen<br />
Treiben einer Hubertusjagd<br />
teil, zu der imposant die<br />
Hörner Signale schmetterten<br />
und zogen uns zuletzt zurück in<br />
unser Inneres bei der Prozession<br />
zu Allerseelen. Der Choral<br />
„Ach Gott, vom Himmel sieh’<br />
darein“ bildete den feierlichen<br />
Abschluss. –<br />
Bewunderung und begeisterte<br />
Zustimmung zu dieser Komposition<br />
wurde dem gebürtigen<br />
Döbelner Fritz Westien entgegengebracht.<br />
Er schenkte uns<br />
und vielen Menschen ein Stück<br />
Heimat in einer unvergänglichen<br />
musikalischen Interpretation.<br />
Somit wird in der<br />
Altzella-Suite die Musik Vermittler<br />
zu Bildern der Historie.<br />
– Das ist das Fazit zum<br />
Gesamtwerk:<br />
Die Musik zeugt in<br />
anschaulicher Weise Bilder, –<br />
diese Übereinstimmung<br />
der Musiksprache mit der<br />
Bildbetrachtung ist die<br />
gelungene Synthese.<br />
Ingeborg Witt<br />
<strong>August</strong> <strong>2008</strong> I <strong>Nossner</strong> <strong>Rundschau</strong> 3