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26 PRÊT-À-PARLER<br />

AJ Filou<br />

Sherome<br />

Nillius<br />

DIESE NAMEN GEHEN GAR NICHT<br />

Schön, wenn die Menschen kreativ sind. Aber es gibt auch<br />

Grenzen. Zum Beispiel, wenn andere Menschen ins Spiel<br />

kommen, erst recht der eigene Nachwuchs. Leider sehen<br />

das nicht alle Eltern so. Jedes Jahr lehnt die Gesellschaft für<br />

deutsche Sprache untragbare Namensvorschläge ab. An den<br />

in den neunziger Jahren in Schweden verweigerten Vornamen<br />

„Brfxxccxxmnpcccclllmmnprxvclmnckssqlbb11116“<br />

PRÊT-À-PARLER<br />

SCHWARZWÄLDER BRETTGESCHICHTEN<br />

Ein Schreiner mit eigener Schreinerei hat es in Deutschland<br />

nicht leicht. Noch gehört er zwar nicht zu den stark<br />

gefährdeten oder sogar vergessenen Berufen wie Maulwurffänger<br />

oder Gasriecher. Aber die guten Zeiten, als sich<br />

jeder Haushalt seine Inneneinrichtung beim Tischler<br />

anfertigen ließ, sind lange vorbei. Die Massenware Stuhl,<br />

Tisch und Bett für Möbelhäuser und Onlineshops wird<br />

heutzutage überwiegend in Fernost hergestellt und eben<br />

nicht von einem Schreinermeister wie Raphael Pozsgai im<br />

schönen Oberrhein-Örtchen Heitersheim. „Die Konkur-<br />

renz ist groß“, sagt Pozsgai und meint damit nicht nur<br />

die Kollegen aus China oder Polen. Auch in Deutschland<br />

buhlen viele Schreiner um die Gunst der wenigen Kunden.<br />

So kam Pozsgai mit drei anderen Schreinern aus dem<br />

Schwarzwaldraum auf die Idee, sich mit eigenen<br />

handgefertigten Entwürfen am Rande<br />

der Kölner Möbelmesse zu präsentieren.<br />

Die vier – Felix Forsbeck,<br />

Sebastian Schilling, Marco Singer<br />

und Raphael Pozsgai – kannten sich<br />

von der Meisterschule in Freiburg,<br />

2010 stellte jeder von ihnen beim Begleitprogramm<br />

der IMM Cologne,<br />

den Passagen, erstmals eine Arbeit<br />

aus Holz vor. „Wir<br />

wollten lten gutes<br />

Design mit einemem regionalen Bezug<br />

zeigen“, sagt Pozsgai. Die<br />

Gruppe nannte sich „Brettgeschichten“.<br />

Der Aufwand, jedes<br />

Jahr in Köln etwas Neues zu zeigen,<br />

war aber groß, der Erfolg<br />

mäßig. Einer nach dem anderen<br />

sprang ab. Pozsgai war<br />

in diesem Jahr der<br />

Einzige, der bei der größten deutschen Designveranstaltung<br />

wieder mitmachte. Dieses Mal waren seine<br />

Werke im „Café Central“ an der Jülicher Straße<br />

zu sehen, darunter einige ältere Entwürfe wie sein<br />

Schwarzwälder Melkschemel „Angus“, der auf<br />

Princ<br />

Perseides<br />

Sangius<br />

Graf<br />

Twilliam Rokka<br />

Frankson<br />

(ausgesprochen „Albin“) kommen die Ausbrüche deutscher<br />

Eltern im vergangenen Jahr zwar nicht heran. Aber kurios<br />

bis brutal sind die abgelehnten Ideen allemal. Die Gesellschaft<br />

für deutsche Sprache hat, von Standesämtern nach<br />

ihrem Urteil befragt, 2015 rund 45 Jungennamen für unmöglich<br />

erklärt. Hier ein paar Beispiele – zum Glück muss<br />

niemand mit ihnen leben. Madeline Dangmann<br />

hohen Beinen zum Barhocker wird. Dazu aber auch seine<br />

„Wohnkiste“, die rechtzeitig zur Messe fertig wurde. Die<br />

Kiste ist schlicht und funktional. Sie passt sich von der<br />

Größe her an vieles an: Aktenordner und Bücher zum<br />

Beispiel, die sich in ihr passgenau transportieren, übereinander<br />

stapeln oder als Regale an die Wand hängen<br />

lassen. Dazu gibt es Deckel, so dass die geschlossene Kiste<br />

als Beistelltisch dienen kann.<br />

Als Schreinermeister arbeitet Pozsgai nur mit natürlichen<br />

Materialien – vor allem mit geölter Eiche und<br />

Valchromat, einer aus Kiefernspänen verpressten Holzfaserplatte.<br />

Das innovative Produkt aus Portugal lässt sich<br />

komplett durchfärben und wird auch für Kinderspielzeuge<br />

verwendet. „Die Farbstoffe sind organisch und darum<br />

völlig unbedenklich.“ Die Farbpalette ist groß, der Einundvierzigjährige<br />

schätzt aber den Kontrast von Braun<br />

und Schwarz. Auch sein neues Sideboard wirkt dadurch<br />

edel. Die Türen sind aus schwarzem Valchromat hergestellt,<br />

eingelegte Details in Eiche zeigen an, wo die grifflosen<br />

Fronten berührt werden müssen, damit sie sich öffnen.<br />

Er nennt seine Anrichte „Ultimo16“. Raphael Pozsgai<br />

(www.pozsgai.de) hat sich nämlich ein Ultimatum gestellt:<br />

Sollte es mit seinem Durchbruch als Designer dieses Jahr<br />

nichts werden, dann finden die Brettgeschichten aus dem<br />

Schwarzwald endgültig ihr Ende. (pps.)<br />

EINIGE FRAGEN ZUR ZEIT,<br />

WOLFGANG JOOP<br />

Herr Joop, Sie haben Ihre Arbeitsvilla in Potsdam hinter sich<br />

gelassen.<br />

Abgeschlossen und verkauft.<br />

Ist das auch ein Abschied von Potsdam?<br />

Nein, ich bleibe da wohnen. Aber das Überrenovierte hat<br />

mir den melancholischen Zauber der Erinnerung geraubt.<br />

Jetzt fahren Sie also nach Berlin zur Arbeit, ins alte „Hotel<br />

Bogota“ an der Schlüterstraße. Wie ist es denn dort?<br />

Man braucht eine weiße Wand. Es sieht hier aus wie eine<br />

Luxus-Zahnarztpraxis, nur der Bohrer fehlt noch.<br />

Charlottenburg ist sicher inspirierend mit der Nähe zum<br />

Ku’damm. Warum aber präsentieren Sie dann Ihre Mode,<br />

wie im Februar, in Mailand, nicht in Berlin?<br />

Das wäre das falsche Umfeld. Die naive Selbstgefälligkeit<br />

hier in Berlin steht in großem Kontrast zum Zeitgefühl.<br />

In Berlin herrscht immer das Versprechen, dass es bald<br />

losgeht, aber alle sind schon über 35. Da war Mailand,<br />

der Corso Como, wirklich die bessere Wahl: Die Reaktionen<br />

waren hervorragend.<br />

Aber Berlin ist als Erinnerungs- und Sehnsuchtsort doch<br />

immer dabei.<br />

Schon. Auf dem Weg von zu Hause zur Arbeit komme ich<br />

am Funkturm vorbei. Als ich mit vier Jahren starke<br />

Hustenanfälle hatte, meinte meine Mutter, ich brauche<br />

Höhenluft, also fuhren wir zum Funkturm. Da habe ich<br />

den ersten Orangensaft meines Lebens getrunken. Und<br />

ich sah eine unvergessliche Frau mit grünem Kostüm<br />

und hohen Hacken. So etwas habe ich nie mehr gesehen.<br />

Das Modesystem gerät immer stärker durcheinander – mit<br />

der Saisonaufteilung, dem Druck von Investoren, der Konzentration<br />

auf eigene Geschäfte statt Multi-Label-Boutiquen.<br />

Ja, in der Mode spürt man die Falle der endlosen Beschleunigung<br />

und sucht zumindest optisch nach Themen,<br />

die entschleunigt wirken. Ein Trend zur Nostalgie ist<br />

überall sichtbar. Es ist schon erschreckend, dass wir uns<br />

seit 1800 zweihundertfach beschleunigt haben. Es gibt<br />

junge Designer, die Schwüre geleistet haben, niemals<br />

eine Pre- oder Cruise-Collection zu machen.<br />

Sie haben offenbar ein anderes Bild von der Mode als die<br />

meisten anderen Designer.<br />

Ja. Die mit Stiletto und Handtasche bewaffnete Frau wirkt<br />

alt. Nichts ist schlimmer als der hunderttausendfach wiederaufgegossene<br />

Teebeutel von Tom Ford. Ich will Mode<br />

machen aus Fleisch und Blut und unerfüllbaren Träumen.<br />

Die Stimmungslage in Deutschland ist irgendwie seltsam<br />

wegen der Flüchtlingskrise.<br />

Man vergisst schnell, dass der Planet Erde uns allen gehört.<br />

Der Planet Fashion war immer schon offen für alles Fremde,<br />

das Erneuerung und Fortschritt brachte. Es riecht alles<br />

nach neuen Wahrheiten, nach Revolution sogar. Wir sind<br />

aber noch immer die Alten. Wir haben uns noch nicht mit<br />

Apple gepaart und noch kein neues Genom geschaffen.<br />

Die Fragen stellte Alfons Kaiser.<br />

FOTOS PATRICK SLESIONA, RALF JANKOVSKY (2)

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