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198. Ausgabe, ET 19.03.2016

Drei andere Buchstaben: Die Wahlerfolge der AfD bei den drei Landtagswahlen am 13. März kommen nicht überraschend und sind für die Demokratie in Deutschland kein Problem. Gefahr droht, wenn CSU und CDU nun wegen der AfD nach rechts rücken. Von Michael Zäh

Drei andere Buchstaben: Die Wahlerfolge der AfD bei den drei Landtagswahlen am 13. März kommen nicht überraschend und sind für die Demokratie in Deutschland kein Problem. Gefahr droht, wenn CSU und CDU nun wegen der AfD nach rechts rücken. Von Michael Zäh

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2 FREIBURG INTERVIEW<br />

Samstag, 19. März 2016<br />

Samstag, 19. Mä<br />

<strong>Ausgabe</strong> 198 am 19. M<br />

Geld haben wir uns<br />

nur ausgedacht<br />

Stefan Mekiffer, Ökonom und Philosoph,<br />

ist überzeugt, dass eigentlich alle<br />

Menschen genügend Geld haben<br />

könnten. Das Problem ist das Monopol<br />

auf Geld und Kredite. Ein Interview.<br />

Der junge Philosoph und Ökonom<br />

Stefan Mekiffer hat ein<br />

Buch über die notwendige<br />

Neuverteilung von Geld geschrieben.<br />

In „Warum eigentlich genug<br />

Geld für alle da ist“ , zeigt er, dass<br />

wir weg müssen von der Vorstellung<br />

einer Wirtschaft, wie sie uns von<br />

Ökonomen eingeimpft wird. Weg<br />

vom Bild einer Maschine, hin zu dem<br />

eines organischen Systems. Er zeigt,<br />

dass es wirtschaftlicher ist zu teilen<br />

als zu sparen. Ein leidenschaftliches<br />

Plädoyer für eine neue Form der<br />

Ökonomie, unterfüttert mit philosophischen<br />

Gedanken.<br />

ZaS: Sie haben Ökonomie studiert,<br />

weil Sie Antworten gesucht<br />

haben. Haben Sie diese<br />

letztlich gefunden?<br />

Stefan Mekiffer: Letztlich nicht,<br />

nein. Was ich gehört habe, war<br />

immer, dass mehr Wachstum<br />

alle reicher machen wird, und<br />

dass andere Länder mehr Entwicklung<br />

brauchen. Das ist ja<br />

nicht nur falsch, aber es ist eben<br />

auch nicht nur richtig. Das ist<br />

eine zu starke Fokusierung auf<br />

diesen einen Punkt, das hat mich<br />

irgendwann unzufrieden gemacht<br />

mit den Wirtschaftswissenschaften.<br />

ZaS: Und deshalb haben Sie dann<br />

auch Philosophie studiert?<br />

Mekiffer: In Maastricht habe ich<br />

mit VWL angefangen, dann bin ich<br />

einem Bekannten begegnet, der in<br />

seinem Studium Antigonae las. Das<br />

wollte ich auch gerne in meinem<br />

Studium lesen. Ich wollte mich mit<br />

klassischen Texten auseinander setzen,<br />

statt nur mathematische Herleitungen<br />

zu machen. Deshalb habe<br />

ich parallel Kulturwissenschaften<br />

studiert.<br />

ZaS: Sehen Sie die Problematik der<br />

Ungleichheit jetzt wirtschaftswissenschaftlich<br />

oder eher philosophisch?<br />

Mekiffer: Oh, eine spannende Frage<br />

und schwierig zu beantworten. Die<br />

Grenzen zwischen den Fächern sind<br />

oft fließend. Oder sollten es zumindest<br />

sein. Ökonomen neigen dazu,<br />

ihre Modelle nicht so richtig kritisch<br />

zu hinterfragen. Stattdessen nehmen<br />

sie ihre Methodik als gegeben<br />

hin. Während sich Philosophen oft<br />

mit normativen und ethischen Fragen<br />

auseinandersetzen, aber wirtschaftliche<br />

Aspekte dabei auslassen.<br />

Deswegen habe ich versucht, beides<br />

zusammen zu führen.<br />

ZaS: Finden Sie auf diesem Weg dann<br />

auch tatsächlich Antworten auf die<br />

Frage, was man ändern könnte?<br />

Mekiffer: Mir hat es viel gebracht,<br />

das mathematisch-wirtschaftliche<br />

Denken zu hinterfragen, zu sehen,<br />

man kann auch anders darüber<br />

nachdenken. Philosophen lernen<br />

ja, ihre eigenen Denkmuster infrage<br />

zu stellen.<br />

ZaS: Wo würden Sie denn nun konkret<br />

ansetzen, um das Geld auf der<br />

Welt im gleichen Maße zu verteilen?<br />

Mekiffer: Diese Frage ist in der Kürze<br />

schwer zu beantworten. Vielleicht<br />

kann man es so sagen: Ich denke,<br />

dass unsere Art Geld zu schöpfen<br />

über ein Monopol funktioniert.<br />

Und deshalb ist Geld systematisch<br />

knapp. Das haben wir uns so ausgedacht<br />

und so gemacht. Geld ist<br />

ja nichts anderes als was wir uns<br />

ausgedacht haben. Es ist ein Symbol<br />

für die Dinge, die man kaufen kann.<br />

Wenn wir genug haben um allen<br />

Menschen Essen zu geben, wenn das<br />

prinzipiell möglich ist, dann sollte es<br />

auch möglich sein, allen Menschen<br />

dafür genügend Geld zukommen zu<br />

lassen. Es ist letztlich eine Frage, wie<br />

wir unser Geld- und Finanzsystem<br />

und damit auch die Verteilung aufgebaut<br />

haben.<br />

ZaS: Geld gilt ja als Fortschritt gegenüber<br />

dem früheren Modell des<br />

Tauschgeschäftes. Aber wie ist das<br />

mit dem virtuellen Geldfluss und<br />

den Aktiengeschäften?<br />

Mekiffer: Erst einmal muss ich Ihnen<br />

widersprechen. Geld ist nicht nur<br />

aus dem Tauschhandel entstanden.<br />

Das wurde in den vergangenen Jahren<br />

auch stark in der Anthropologie<br />

diskutiert. David Graeber hat mit<br />

seinem Buch „Schulden. Die ersten<br />

5000 Jahre“ die Gegenthese bekannt<br />

gemacht. Geld ist eigentlich<br />

mehr aus der Schenkungswirtschaft<br />

entstanden. Bevor es Geld gab haben<br />

die Leute nicht nur getauscht.<br />

Innerhalb eines Stammes oder eines<br />

Dorfes , da funktionierten die Dinge<br />

wie sie auch heute in Familien laufen,<br />

über Schenkungen. Ich mache<br />

dies und dafür machst du das.<br />

Geld kam erst später, als Städte<br />

gegründet wurden und größere<br />

Einheiten entstanden.<br />

ZaS: Aber wie steht es um den<br />

virtuellen Geldkreislauf, wo ist<br />

da der Gegenwert?<br />

Mekiffer: Bei vielen Aktien ist<br />

es ja so, dass sie durch Zahlungsversprechen<br />

gedeckt sind.<br />

Schulden und Staatsanleihen<br />

sind wertvoll, weil jemand<br />

verspricht sie zurück<br />

zu zahlen. Es ist ja letztlich<br />

der Mechanismus von Kreditgeld<br />

und Zins. Wenn ein Kredit verzinst<br />

vergeben wird, dann ergibt sich daraus<br />

die Notwendigkeit, einen neuen,<br />

größeren Kredit zu geben, um<br />

diesen zurück zu zahlen. Auf diese<br />

Weise müssen Schulden immer mehr<br />

wachsen, und zwar irgendwann<br />

unabhängig von der Realwirtschaft.<br />

ZaS: Solange es aber Menschen gibt,<br />

die an diesem Geschäft richtig gut<br />

verdienen, wird sich doch daran<br />

nichts ändern?<br />

Mekiffer: Das ist genau der wunde<br />

Punkt. Geld entsteht durch ein Monopol,<br />

dadurch dass Banken Kredite<br />

vergeben dürfen. Und wie immer bei<br />

Monopolen, sind alle etwas ärmer<br />

und die Monopolisten etwas reicher.<br />

Wenn viele Leute wenig Geld haben<br />

und wenige Menschen viel Zugang<br />

zu Geld haben und noch Zinsen<br />

fordern können, dann ist alle Ungleichverteilung<br />

vorprogrammiert.<br />

Das könnte man beispielsweise anders<br />

machen, in dem bei einer Bank<br />

jedem Menschen Geld gutgeschrieben<br />

wird. Auf diese Weise würde die<br />

Geldschöpfung entmonopolisiert.<br />

ZaS: Aber dann würden ja Banken<br />

auf Macht und Reichtum verzichten…<br />

Mekiffer: Ich glaube schon, dass es<br />

auch Banker und reiche Leute gibt,<br />

die den schlimmen Zustand der Welt<br />

sehen und die bemüht sind, gute<br />

Dinge zu tun. Aber natürlich gibt<br />

es auch andere. Wenn Ungleichverteilung<br />

das Problem ist, dann ist es<br />

wahrscheinlich eines, das sich nicht<br />

im Konsens lösen lässt. Aber das war<br />

schon immer so.<br />

ZaS: Müsste also ein politischer<br />

Wille da sein, der diese Änderungen<br />

erzwingt?<br />

Mekiffer: Ich denke, es gibt mehrere<br />

Ebenen, auf denen man dieses Problem<br />

angehen kann. Klar, es kann<br />

über den politischen Weg gehen. Ich<br />

bin aber der Ansicht, dass die Krise,<br />

in der wir uns befinden, mit der Zeit<br />

stärker werden wird. Die Polarisie-<br />

rung wird sich verschärfen. Deshalb<br />

wird sich auf organische Weise, über<br />

Wille oder Notwendigkeit etwas<br />

ändern in Richtung größere Gleichverteilung.<br />

Gehen wir davon aus,<br />

dass die Finanzkrise einen Teil ihrer<br />

Ursache in der Ungleichverteilung<br />

hat, dann wird jeder, der daran interessiert<br />

ist diese Krise zu bekämpfen,<br />

mittelfristig wohl oder übel die Bereitschaft<br />

entwickeln müssen, etwas<br />

dagegen zu tun.<br />

ZaS: Sie sind dabei einen Waldgarten<br />

zu pflanzen. Was ist das?<br />

Mekiffer: Ein Waldgarten ist ein<br />

Versuch, ein Ökosystem nachzuahmen.<br />

Im Moment funktioniert unsere<br />

Landwirtschaft ja über Monokulturen<br />

und alles andere wegballern und<br />

abholzen. Nur eine Sache zu pflanzen<br />

steht jedoch im Widerspruch zu den<br />

ökologischen Prinzipien. Wenn man<br />

ein Stück Land sich selbst überlässt,<br />

dann wächst dort mit der Z<br />

eit ein Wald. Je weiter Land aber von<br />

diesem Zustand entfernt ist, umso<br />

mehr Energie muss man hinzufügen.<br />

Einen Wald zu pflegen ist nicht so<br />

viel Aufwand wie eine Wiese kurz zu<br />

halten oder einen Acker zu bewirtschaften.<br />

Bei uns wachsen deshalb<br />

oben große Obstbäume, dazwischen<br />

Büsche und Stauden, auch mit Beeren,<br />

und unten Gemüse, vor allem<br />

mehrjähriges. So ein Wald kann die<br />

Bewohner mit fast allem versorgen,<br />

was man zum Leben braucht. An<br />

diesem Waldstück mit knapp 8000<br />

Quadratmetern in Nordhessen haben<br />

wir ein Haus, hier wohnen wir mit<br />

zehn Leuten. Wir haben vor einem<br />

Jahr begonnen. Es stehen jetzt zwei<br />

Dutzend Bäume, aber das werden<br />

noch mehr.<br />

ZaS: Was wollen Sie dort ernten?<br />

Mekiffer: Vor allem Obst und Gemüse.<br />

Auch unbekanntere Sorten,<br />

wie Mispeln, Blaugurken und<br />

Papau, aber natürlich auch Äpfel,<br />

Birnen und Quitten. Das Ziel ist<br />

eine gewisse Selbstversorgung<br />

zu erreichen, ohne uns dabei<br />

aber total abzurackern.<br />

ZaS: Ist dieser Wunsch nach<br />

Selbstversorgung das Resultat<br />

Ihrer Studien?<br />

Mekiffer: Ja schon. Mir ist aufgefallen,<br />

wie diese Maschinenlogik<br />

unser Denken und Leben durchzieht.<br />

Dieser Wille, eine spezielle<br />

Sache zu optimieren. Jeder versucht<br />

sich in einem Job, einer Fertigkeit zu<br />

spezialisieren und dort besonders<br />

gut zu werden. Aber wir hier haben<br />

alle einfach Lust auf ein bisschen<br />

mehr Vielfalt. Wir alle haben mehrere<br />

Jobs oder neben dem Job noch<br />

weitere Projekte.<br />

Stefan Mekiffer, Warum eigentlich<br />

genug Geld für alle da ist,<br />

Hanser Verlag 2016, 18,90 Euro

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