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zett Magazin April / Mai

Magazin für Stadtkultur Schlachthof / Lagerhaus HASS WUT ZORN

Magazin für Stadtkultur
Schlachthof / Lagerhaus
HASS WUT ZORN

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Schlachthof<br />

Lagerhaus<br />

APR<br />

MAI<br />

16<br />

Freizeit<br />

JAZZAHEAD!<br />

Überbordende Vielfalt<br />

Heinz Strunk<br />

Ein Elend, alles<br />

Isolation Berlin<br />

Aus den Wolken<br />

tropft die Zeit<br />

f ü r S t a d t k u l t u r<br />

HASS<br />

Der Umgang mit einem<br />

schwierigen Gefühl<br />

WUT<br />

ZORN<br />

Thema Halbzeitwissen Freizeit


Früher<br />

war<br />

mehr<br />

lametta<br />

Andre Dittmann<br />

lebt Musik. Seine DNA hat sich irgendwo zwischen Black<br />

Sabbath und Grunge eingependelt. Jüngst veröffentlichte seine<br />

Band Monolith mit ›Mountains‹ ihr zweites Album, ein<br />

Monster aus Stoer und Psychedelic Rock. Als Beruf gibt er an:<br />

Monokausalitätsassistent.<br />

Andre oder wie würdest du dich noch exakter beschreiben?<br />

Über einen Fisch gestolpert und in der Wüste gelandet.<br />

Mit dem Strohhalm Blasen blubbern, rechts blinken, links<br />

abbiegen und drei Eier.<br />

Monolith steht für?<br />

Nach Außen für Energie, Intensität und Leidenschaft. Nach<br />

Innen für tiefschwarzen Humor, Albern sein, Muckegeilheit<br />

und Bier.<br />

Warum Psychedelic Stoner Rock und kein Punk oder Indie?<br />

Weil wir den Sound der runtergestimmten Gitarren lieben und<br />

Krach bevorzugen, der vom Blues inspiriert ist.<br />

Ist Musik machen für dich mehr als ein Hobby?<br />

Ohne jeden Zweifel Ja! Ich hab zwei Jobs: einen zum Geld<br />

verdienen und einen fürs Herz.<br />

Sex, Drugs oder Rock’n’Roll?<br />

Och, muss ich mich da entscheiden?<br />

Wie beurteilst du die Bremer Musikszene im Allgemeinen?<br />

Durch die Nähe zu Hamburg sehr überschaubar. Ist schon viel<br />

Geklüngel hier. Neue Acts haben es sehr schwer wahrgenommen<br />

zu werden, wenn sie nicht die richtigen Leute kennen.<br />

Es könnte sicherlich nicht schaden, sich mal etwas Neuem<br />

zuzuwenden, nicht immer nur in der eigenen Suppe zu<br />

fischen. Das täte unserer Szene sehr gut!<br />

Deine zehn alltime favourite Bands?<br />

Turbonegro, Celtic Frost, Element Of Crime, AC/DC, Slayer,<br />

Mudhoney, Black Sabbath, Led Zeppelin, Autopsy, Queens Of<br />

The Stone Age.<br />

Tour oder Tortour?<br />

Eine Tortour voller Vergnügen … Auf verranzten Fussböden<br />

pennen und altes Toastbrot mit Zwiebelmett essen ist jetzt<br />

nicht so geil, wenn man über 16 ist und das kommt leider<br />

immer noch vor. Der Abend auf der Bühne aber entschädigt<br />

für alles! Das ist einfach das fetteste Ding auf der Welt! Egal<br />

wieviel Leute da sind, ob 12 oder 800. Wenn das Publikum<br />

abgeht, kickt das unglaublich!<br />

Jetzt musst du mir eine Frage stellen …<br />

Werden wir beim ersten Bremer Mudhoney Konzert seit<br />

24 Jahren im Juli im Lagerhaus in der ersten Reihe stehen und<br />

zusammen ›Touch Me I’m Sick‹ gröhlen?<br />

Von meiner Seite spricht nichts dagegen.<br />

War früher mehr Lametta?<br />

Definitiv! Der letzte deutsche Lametta-Produzent Riffelmacher<br />

& Weinberger hat 2015 die Produktion eingestellt! Opa<br />

Hoppenstedt würde sich im Grabe umdrehen!<br />

Interview: Sean-Patric Braun<br />

08<br />

10<br />

14<br />

4<br />

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9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

Von Lena Stuckenschmidt<br />

18<br />

inhalt<br />

Thema<br />

Hass Wut Zorn<br />

Patzig, primitiv und weinerlich<br />

| Benjamin Moldenhauer<br />

Wo ist die Wut im Pop? | Joschka Schmitt<br />

Achtsamkeit gegen den Kontrollverlust<br />

| Lena Philipp<br />

Einmal auf die Palme und zurück | Katja Wille<br />

Wut im Praxistest | Heidi Diewald<br />

Halbzeit<br />

Kulturelle Kurznachrichten<br />

Das Seelenheil braucht laut und leise<br />

Porträt: Tanja Jahnz | Gudrun Goldmann<br />

Cleo auf dem Dach | Elke Marion Weiß<br />

Kommentar | Benjamin Moldenhauer<br />

Freizeit<br />

<strong>April</strong><br />

Jazzahead! | Dimple Minds | Desperate<br />

Journalist | Jochen Distelmeyer | Nacht der<br />

Gitarren | Manu Dibango & Isolation Berlin |<br />

Barbara Ruscher | Sarah Kuttner |<br />

Who Killed Bruce Lee<br />

<strong>Mai</strong>:<br />

Heinz Strunk | Mohammad Reza Mortazavi |<br />

Wajd | Redensart | The Baboon Show | Star<br />

Crash – Sterne im Duell | Katrin Bauerfeind |<br />

Les Yeux d’la Tête | Chico Trujillo | Dame<br />

Kulturgut


Für Stadtkultur<br />

editorial<br />

Ein magazin<br />

macht<br />

stadtkultur<br />

Machen Sie sich keine Sorgen, egal ob Sie in Nigeria, in Norwegen oder auf<br />

Mallorca sind, Sie werden immer sofort erkennen, ob Ihr Gegenüber wütend<br />

ist. Dazu müssen Sie kein einziges Wort der Landessprache kennen, die<br />

Zeichen im Gesicht sind universell lesbar, sagen die Psychologen. Ob Ihnen<br />

das weiterhilft weiß ich nicht, ist aber ein Forschungsergebnis. Im Moment<br />

reicht es ja, die Nachrichten zu schauen und man hat genug Anschauungsmaterial.<br />

Ich meine die Damen und Herren, die um den Fortbestand des<br />

Abendlandes fürchten. Sie sind auf jeden Fall wütend, worauf, ist eine<br />

interessante Frage, der Benjamin Moldenhauer nachgeht. Die Analyse der<br />

Pegida-Bewegung ist Stoff für unzählige Doktorarbeiten und am Ende wird<br />

herauskommen, dass es doch irgendwie damit zusammenhängt, dass man<br />

jahrzehntelang im Tal der Ahnungslosen lebte. Da bin ich mir sicher. Wer<br />

kann das schon auf sich sitzen lassen?<br />

›Wut. Plädoyer für ein verpöntes Gefühl‹ lautet der Titel des Buches von<br />

Heidi Kastner, einer Gerichtspsychiaterin, die viel gesehen hat und dafür<br />

plädiert, diesem Gefühl Raum zu geben, weil sonst am Ende alle tot sind.<br />

Heidi Diewald hat das Buch gelesen. Eine Möglichkeit, Dampf vom Kessel<br />

zu nehmen, ist Musik zu machen. Zu den Hochzeiten des Punk brüllten<br />

einem aus jeder Box die Ungerechtigkeiten der Welt entgegen, das ist heute<br />

anders – auf jeden Fall leiser. Aber gibt es noch Wut in der Popmusik?<br />

Joschka Schmitt hat sich mal umgesehen.<br />

Dann gibt es in dieser Ausgabe noch ein besonderes Interview: Eine<br />

junge Frau mit Borderline-Störung hat Lena Philipp von ihrem Leben<br />

mit extremen Gefühlsschwankungen und der ständigen Angst vor Kontrollverlust<br />

erzählt. Vielen Dank dafür.<br />

Gudrun Goldmann (Chefredakteurin)<br />

Übrigens:<br />

Wir sind eine offene<br />

Redaktion. Jede<br />

und jeder kann gerne<br />

mitmachen!<br />

Kontakt:<br />

<strong>zett</strong>@schlachthofbremen.de<br />

Herausgeber Visit Foto: MARINA LILIENTHAL


Foto: MARINA LILIENTHAL<br />

Patzig,<br />

primitiv<br />

und<br />

weinerlich<br />

THE<br />

MA<br />

4<br />

Über den Hass als<br />

Basisemotion<br />

der neuen Rechten<br />

Benjamin<br />

Moldenhauer<br />

ist Z-<strong>Magazin</strong>-Redakteur<br />

und schreibt als freier Autor<br />

u.a. für ›Spiegel online‹, das<br />

Wiener Filmmagazin ›Ray‹ und<br />

den ›Standard‹. Tätigkeit<br />

als Lehrbeauftragter an der<br />

Universität Bremen.<br />

Nach der Landtagswahl<br />

in Sachsen-Anhalt kursieren<br />

wieder verstärkt<br />

Überlegungen, wie man<br />

mit der AFD und dem<br />

mit ihr eng verbandelten<br />

Wutbürgertum umgehen<br />

soll. Man dürfe in<br />

einer Demokratie, so<br />

die Ansage, diese Leute<br />

nicht verlorengeben.<br />

Verloren für den politischen<br />

Diskurs sind sie<br />

aber schon lange. Was<br />

die Bewegung zusammenhält<br />

ist ein immer<br />

offener artikulierter<br />

Hass, der jede diskursive<br />

Auseinandersetzung<br />

unmöglich macht.


5<br />

Als es losging mit Pegida und wöchentlich immer mehr Menschen in Dresden auf die<br />

Straßen gingen, um die Heimat vor den anbrandenden Ausländerhorden zu schützen,<br />

liefen zahlreiche Kamerateams mit. Die Interviews mit den Demonstranten waren<br />

aufschlussreich, nicht im Hinblick auf das, was gesagt wurde – die hierzulande<br />

üblichen Wortblähungen wie ›kriminelle Ausländer‹, ›Abendland‹ und ›Lügenpresse‹ –<br />

interessant war die Art und Weise, in der die angeblich besorgten Bürger sich artikulierten.<br />

Den Interviewten war ihre Aufgewühltheit anzusehen: die Stimme schrill oder am<br />

Zittern, die Augen geweitet.<br />

Die Interviews hatten aufklärerischen Wert und es ist schade, dass es zuletzt kaum<br />

noch Aufnahmen von den Demonstrationen gab; schlicht, weil die besorgten Bürger vor<br />

einigen Monaten dazu übergegangen sind, Journalisten zu attackieren. Insbesondere<br />

der Auftritt einer älteren Dame war sehr klärend: ›Ich bin voller Hass! Voller Hass!‹,<br />

kreischte die Unglückliche ins Mikro und machte klar, worum es bei dem tristen<br />

Marsch eigentlich geht. Es regieren die Affekte und es manifestierte sich hier weder<br />

Wut (die als ›berechtigter Zorn‹ berechtigt wäre) noch Aggression (die, wenn sie sich<br />

gegen ein tatsächlich bedrohliches Objekt richtet, notwendig ist), es artikulierte sich<br />

der blanke Hass. Bevor man sich Gedanken macht, ob bzw. wie man auf den wieder<br />

aufbrandenden Rassismus reagiert, muss man sich klarmachen, womit man es hier zu<br />

tun hat. Wodurch unterscheidet sich Hass von verwandten Affekten?<br />

Von der Verachtung unterscheidet sich der Hass dadurch, dass dem Gehassten eine<br />

immense Wichtigkeit eingeräumt wird. Wer verachtet, schaut herab und wähnt sich<br />

souverän, der Hassende hingegen erlebt sich immer als verletzt. Hass ist immer Abwehr<br />

und die Bedrohung durch das Fremde wird als eine unmittelbar körperliche erlebt. Der<br />

Psychoanalytiker Erich Fromm hat zwischen reaktivem und charakterbedingtem Hass<br />

unterschieden. Beiden Formen gemeinsam sei das Gefühl der Ohnmacht, das ihnen<br />

vorausgeht. Der reaktive Hass meint nach Fromm eine ›Hassreaktion (…) aufgrund<br />

eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere<br />

Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin‹. Man könnte diese Form des<br />

Hasses der besseren Trennschärfe wegen auch schlicht als Aggression fassen.<br />

Der charakterbedingte Hass ist nach Fromm losgelöst von seinem Anlass, er ist, in<br />

Form einer Feindseligkeit, die Teil der Persönlichkeit geworden ist, immer schon da: ›Im<br />

Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des<br />

charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die<br />

Situation aktualisiert.‹<br />

Der Versuch, die ›Sorgen‹ dieser Leute ernstzunehmen,<br />

führt nicht weit. Die Islamisierung Dresdens beispielsweise<br />

stagniert seit geraumer Zeit bei circa 0,3 Prozent<br />

Muslimen. Vergleicht man beispielsweise die Kosten der<br />

Bankenrettung nach der letzten Finanzkrise mit denen<br />

der sogenannten Flüchtlingskrise, kann man sich über<br />

die Heftigkeit des Protests beziehungsweise über sein<br />

Ausbleiben nur wundern. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft<br />

(IfW) beziffert die Kosten für die ›Integration der<br />

Flüchtlinge‹ auf 45 Milliarden Euro pro Jahr. Und die<br />

Bankenrettung? ›Auf der Kostenseite stehen in Deutschland<br />

rund 220 Milliarden Euro Bruttoschulden durch die<br />

Bad Banks als direkte Folge der Finanzkrise‹, konstatiert<br />

Jens Boysen-Hogrefe vom IfW.<br />

Das Ausbleiben jedes nennenswerten Protestes im<br />

zweiten Fall spricht dafür, dass hier wahnhafte Affekte<br />

am Werke sind. Hass benötigt überhaupt keine reale<br />

Erfahrung, er sucht sich einen Sündenbock. Er verschafft<br />

sich seinen Ausdruck losgelöst von einer Wahrnehmung,<br />

die wirklichkeitsadäquat wäre.<br />

Aurel Kolnai, einer der wenigen Philosophen, der sich<br />

systematisch mit dem Phänomen beschäftigt hat, spricht<br />

von einem ›Weltbild des Hasses‹. Der Hass sei kein<br />

Resultat dieses Weltbildes, die Kausalität läuft genau<br />

andersherum: Für dieses Weltbild ist der Hass strukturbildend.<br />

›Der Geängstigte möchte sich retten und wäre<br />

damit zufrieden (…). Wenn aber der Haß seinen Gegenstand,<br />

statt ihn etwa aus der Berührungszone zu<br />

verbannen, verfolgt und ihm nachspürt, wenn er dessen<br />

›Vernichtung‹ anstrebt und ihn in die Kategorie des<br />

›Bösen‹ einreiht, so deutet das auf ein höher gespanntes<br />

metaphysisches Bewußtsein hin.‹ Und ›höher gespanntes<br />

metaphysisches Bewußtsein‹ ist in unserem Zusammenhang<br />

vor allem ein vornehmer Ausdruck für: ›Die<br />

Wirklichkeit ergibt für uns keinen Unterschied, wir entscheiden<br />

selbst, wer ausgewiesen/bestraft/vernichtet<br />

werden soll.‹<br />

Mit materieller und/oder geistiger Armut kann man<br />

die letzte Welle nicht endgültig erklären. Mit der<br />

angeblichen ›Angst‹ des Mobs vor der Fremdenflut auch<br />

nicht. Das Gerede von ›Angst‹ und ›Besorgnis‹ verdeckt<br />

nur, was die Leute da eigentlich antreibt – Hass und<br />

der Wunsch, endlich jemanden stellvertretend für das<br />

vergeigte Leben, das man führt, zu bestrafen.<br />

Was sich hier artikuliert, ist in Deutschland nicht<br />

unbekannt. Der ›Welt‹-Autor Thomas Schmid hört, leise,<br />

aber deutlich, den Ton, der kurz vor dem Ende der<br />

Weimarer Republik die Diskussion beherrscht hat:<br />

›Patzig, primitiv, weinerlich und das Gespräch durch<br />

putative Härte, die gleichwohl Schwäche signalisiert,<br />

unterbindend.‹ Was kann man tun, wenn reden nicht<br />

mehr hilft, damit dem ersten Akt (Weimar) nicht der<br />

bereits bekannte zweite folgt? Wer brüllend durch die<br />

Straßen zieht und verfolgten Menschen entgegenschreit,<br />

sie sollten dahin zurück wo sie herkommen, wer, wie<br />

zuletzt in Clausnitz, einen Bus mit Flüchtlingen stoppt<br />

und angesichts von vor Angst weinenden Kinder jubelt,<br />

ist für den politischen Diskurs verloren.


THE<br />

MA<br />

6<br />

Joschka Schmitt<br />

Wo ist die Wut im Pop?<br />

Wut galt einmal als das antreibende Popkultur-Motiv schlechthin, ein wichtiger<br />

Motor populärer Genres wie Punk oder HipHop. Musik wurde zum Kompensator<br />

blinder Wut und Aggression in tristen, perspektivlosen Zeiten, zum Träger und<br />

Kanal gezielter Wut auf gesellschaftliche und politische Missstände. Den Lieblingsthemen<br />

der Popmusik, Liebe, Sex und Partnerschaft, standen spätestens mit<br />

Punk eine oft diffuse Unzufriedenheit gegenüber. Doch wie wütend ist die Popmusik<br />

heute, in Zeiten der politisch passiven Generation Y und des Wohlstands bei gleichzeitiger<br />

enormer sozialer Schieflage?-<br />

I<br />

n den Siebziger Jahren schwappte dieser Geist aus den USA<br />

nach England und wurde dort zur breiten Bewegung, zunächst<br />

getrieben von einem eher unpolitischem Zorn gegenüber<br />

Institutionen sowie dem Frust über die Klassengesellschaft<br />

und Perspektivlosigkeit. Bald kam die Bewegung auch<br />

hierzulande an und etablierte sich durch Bands wie Die Toten<br />

Hosen und Die Ärzte im <strong>Mai</strong>nstream. Politisierte Wut war oft<br />

die treibende Kraft: Probleme benennen und Bewusstsein<br />

schaffen, das ist im Pop immer wieder gelungen. Jedoch sind<br />

die wilden Jahre des Aufruhrs mit dem Ende des Kalten<br />

Krieges, der Studentenrevolte und den späteren Hochzeiten<br />

rebellischer Jugendkulturen längst passé. Kämpfe gegen das<br />

Establishment scheinen ausgefochten und die Verhältnisse<br />

einigermaßen zurechtgerückt, die wütenden Energien sind<br />

verflogen.<br />

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts dominieren in den Charts<br />

weichgespülte Coversongs ohne Haltung, Ecken und Kanten.<br />

Dabei sind es keine problemlosen Zeiten. Im Gegenteil.<br />

Missstände herrschen nah und fern, Terror und Krieg lösen<br />

Flüchtlingswanderungen aus, täglich grüßt das Elend in den<br />

Nachrichten. Düstere deutsche Geschichte wiederholt sich<br />

im Kleinen in der Nachbarschaft: hetzende Politiker, aufmarschierende<br />

Nazis, pöbelnde Mobs, Anschläge auf Flüchtlingsheime<br />

und hohe Wahlergebnisse rechter Parteien.<br />

In der Ecke der Popmusik ist es diesbezüglich ziemlich still.<br />

Ob abgestumpft, in Schockstarre oder aus Scheu, unbequem<br />

zu werden – Wut findet sich im <strong>Mai</strong>nstream kaum noch.<br />

Berufswüteriche wie Die Ärzte oder Die Toten Hosen halten<br />

die Füße still. Große Teile des HipHop loten lieber Geschmacksuntiefen<br />

und die Grenzen des Zumutbaren aus,<br />

haben dabei jedoch oft wenig zu sagen.<br />

Allerdings hat gerade HipHop vereinzelt doch noch<br />

massive Wut im basslastigen Bauch. Derzeit fallen besonders<br />

K.I.Z. und Deichkind mit sozialkritischen Nummer-1-Alben<br />

auf. Auch die Antilopen Gang und Zugezogen Maskulin<br />

gehören zu den angesagten Sprachakrobaten, die ihre Wut in<br />

politischen Texten artikulieren. K.I.Z. positionieren sich klar,<br />

makaber und provokant. Im Chart-Hit ›Boom, Boom, Boom‹<br />

rappen sie: ›Ihr Partypatrioten seid nur weniger konsequent<br />

als diese Hakenkreuz-Idioten, die gehen halt noch selber ein<br />

paar Ausländer töten, anstatt jemand zu bezahlen, um sie<br />

vom Schlauchboot zu treten‹, und fragen: ›Denkt ihr die<br />

Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen, mit dem großen<br />

Traum im Park mit Drogen zu dealen?‹ Die frühere Ironie der<br />

Band ist einer neuen Radikalität gewichen. K.I.Z. sind wütend,<br />

wollen den politisch verschlafenen Mittelstand wachrütteln.<br />

Deichkind wiederum bringt Slogans wie ›Refugees Welcome‹,<br />

›Fight Racism‹ und ›Fight Sexism‹ in ausverkaufte Hallen und<br />

ins Bewusstsein vermeintlich gleichgültiger Jugendlicher.<br />

Ohnehin scheint die Statement-Bereitschaft bei Live-<br />

Auftritten größer zu sein als auf Tonträgern – gerade wenn<br />

sie im vergleichsweise freundlichen Gestus daherkommt.<br />

So setzten Gloria, Madsen, Revolverheld, Ferris MC und die<br />

Donots beim Bundesvision Song Contest 2015 vor einem<br />

Millionenpublikum Zeichen gegen Rechte und die Ablehnung<br />

von Flüchtlingen.<br />

Vielleicht sollte sich die Popkultur konsequenter aus ihrer<br />

Komfortzone wagen und der zweifellos vorhandenen Wut Luft<br />

machen, Themen in Lautsprecher und auf die Bildschirme<br />

bringen, auch auf Festivals und auf die Straße. Popmusik hat<br />

sich in ihrer Historie auch eine gesellschaftliche Verantwortung<br />

erspielt und ganze Generationen immer wieder dazu<br />

angetrieben, Dinge zu ändern, die sie wütend machten.<br />

Foto: MARINA LILIENTHAL


7<br />

Lena Philipp<br />

Achtsamkeit gegen<br />

den Kontrollverlust<br />

Seit Mia (Namen geändert) 13 Jahre alt ist, ist sie in Therapie. Mit<br />

18 bekam sie die Diagnose Borderline-Persönlichkeit. Ein Leben<br />

mit diesem Störungsbild bedeutet ein Leben zwischen Extremen.<br />

Im Interview gibt sie Einblicke in ihre schwierige Gefühlswelt.<br />

Erzähl mir etwas über Wut. Wie fühlt sich die Wut an?<br />

Es ist ein innerliches Zerreißen. Ich habe die Symptomatik,<br />

dass ich wahnsinnige Bauchschmerzen bekomme. Ich bin so<br />

angespannt, dass ich das Gefühl habe, ich platze gleich. Ich muss<br />

das irgendwie rauslassen. Bevor ich im DBT gelernt habe damit<br />

umzugehen, habe ich angefangen mich selbst zu verletzen, meine<br />

Eltern und Freunde anzuschreien oder Leute zu schlagen. Ich weiß<br />

nicht, ob es geholfen hat. Wenn ich Leute angeschrieen habe, hat<br />

mich das erst einmal noch wütender gemacht und schließlich hat<br />

das zu Selbstverletzungen geführt. Bei mir hat eigentlich immer<br />

alles in Selbstverletzungen geendet, erst dann habe ich mich<br />

beruhigt.<br />

Was ist DBT?<br />

DBT steht für Dialektisch-Behaviorale Therapie und wurde<br />

speziell für Menschen mit Borderline entwickelt. Es geht dabei um<br />

das Erlernen von Gefühlsregulation und Achtsamkeit.<br />

Wo liegt das Problem bei der Gefühlsregulation?<br />

Das Problem bei Borderline-Erkrankungen ist, dass die<br />

Betroffenen Schwierigkeiten damit haben, ihre Emotionen<br />

angemessen zu regulieren. Alle Emotionen sind wesentlich stärker<br />

als bei anderen Leuten. Zum Beispiel wird Freude ganz, ganz<br />

stark empfunden, sodass du dann sehr schnell überreagierst und<br />

richtig manisch wirst – du denkst, du könntest alles schaffen.<br />

Das passiert auch bei Angst, sodass du sehr schnell Panikattacken<br />

bekommst. Bei Trauer fällst du erst einmal in ein riesengroßes<br />

schwarzes Loch – du denkst, alles sei vorbei. Oder eben auch<br />

Wut – du wirst sehr schnell aggressiv, es könnte passieren, dass<br />

du um dich schlägst und Leute verletzt. Betroffene sind wesentlich<br />

angespannter, eigentlich immer. Das ist unglaublich anstrengend.<br />

Viele haben stark mit Depressionen und Aggressionen zu<br />

kämpfen – eben wegen der Probleme mit der Gefühlsregulation.<br />

Wenn du deine Wut mit der Wut von anderen vergleichst, wo<br />

siehst du den Unterschied?<br />

Wut ist ja an sich etwas Normales. Andere Leute brauchen halt<br />

etwas länger, bis sie wütend werden, aber bei Borderline ist das<br />

so, dass du sehr schnell in den Emotionen drin bist und dann<br />

länger brauchst, um wieder runterzukommen. Die Auslöser greifen<br />

schneller – schon Kleinigkeiten können zu Überreaktionen führen.<br />

Warum?<br />

Andere differenzieren mehr. Mit Borderline hörst du auf zu<br />

differenzieren. Etwas ist entweder gut oder schlecht. Das<br />

mSchwarz-Weiß-Denken ist sehr stark ausgeprägt. Oft wird<br />

plötzlich alles schlecht. Das hat viel mit Hass zu tun. Man fängt<br />

schnell an Leute zu hassen, einfach weil man eine Kleinigkeit<br />

bemerkt, die einem nicht gefällt und plötzlich ist alles schlecht.<br />

Das führt auch zu Wutreaktionen.<br />

Ab welchem Punkt ist die Wut nicht mehr umzukehren?<br />

Ab 70 Prozent. Es gibt eine Spannungskurve. Die ist auf<br />

Anspannung, Aggressionen und Wut ausgerichtet. Es gibt eine<br />

30-Prozent-Linie, da kannst du noch überlegen ›Was stört mich,<br />

was kann ich ändern?‹ Dann geht<br />

es immer höher. Da muss man<br />

anfangen mit Skills zu arbeiten,<br />

zum Beispiel Sport machen, Musik<br />

hören, weggehen, malen. Bei 70<br />

Prozent ist die Anspannung quasi<br />

nicht mehr umkehrbar. Bei 70<br />

Prozent bist du quasi drüber.<br />

Dann passiert ein großer Knall,<br />

der Kontrollverlust. Schreien,<br />

Schlagen … sowas.<br />

Warum schaffst du es manchmal<br />

nicht, aus der Situation früh<br />

genug herauszukommen?<br />

Weil ich es nicht früh genug<br />

gemerkt habe, all die kleinen<br />

Warnzeichen, die mir zeigen,<br />

dass ich immer wütender werde.<br />

Man muss bei sich bleiben und<br />

manchmal ist man das eben<br />

nicht. Zum Beispiel bei Stress<br />

– du bist bei 100 Sachen, aber<br />

nicht mehr bei dir selbst.<br />

Man reguliert sich ja eigentlich<br />

unbewusst. Jeder muss sich<br />

regulieren, aber manche<br />

müssen das bewusst tun.<br />

Welchem Gefühl steht Wut<br />

am nächsten?<br />

Angst. Wut hat immer was<br />

mit Angst zu tun. Angst, dass<br />

einem etwas weggenommen<br />

wird. Angst, dass man alleine<br />

gelassen wird. Angst, dass<br />

etwas nicht so passiert, wie<br />

man es möchte. Ich werde<br />

ganz schnell unsicher, wenn<br />

sich etwas ändert. Ich weiß nicht, was kommt. Dann werde ich<br />

unsicher, nervös und angespannt.<br />

Wie schaffst du es, die Therapie in dein Leben zu integrieren?<br />

Es ist schwierig. Ich werde wohl auch nochmal zu einer<br />

Auffrischung gehen. Aber ich war schon immer ein Mensch, der<br />

sich gut selbst reflektieren kann und ich habe das auch sehr früh<br />

selbst gemerkt, dass da was nicht stimmt. Manche Borderliner<br />

nehmen sich selbst nicht mehr richtig wahr, fühlen sich sicher in<br />

ihrer Diagnose und hinterfragen nicht mehr. ›Ich kann das eh nicht<br />

ändern. Ich darf scheiße sein, ich darf dich blöd anmachen. Ich<br />

bin Borderliner, ich kann nicht anders.‹<br />

Menschen können sich aber ändern und Borderline ist<br />

therapierbar. Wahrnehmung ist das A und O dabei.<br />

Foto: MARINA LILIENTHAL


THE<br />

MA<br />

8<br />

Fotos: MARINA LILIENTHAL<br />

Katja Wille<br />

Einmal auf die Palme<br />

und zurück<br />

Das Gefühl aufsteigender Wut kennen die meisten Menschen. Ob sie aus einem herausbricht<br />

oder man sie ›runterschluckt‹ hängt von der Situation und noch wichtiger, vom<br />

Individuum ab. Abstellen kann man sie aber nicht: Die Wut gehört zu den so genannten<br />

Basisemotionen – sieben an der Zahl, die von Paul Ekman, einem US-amerikanischen<br />

Anthropologen und Psychologen, empirisch nachgewiesen wurden.<br />

W<br />

ut steht in einer Reihe mit Freude, Ekel, Furcht, Verachtung, Überraschung<br />

und Traurigkeit. Diese Grundgefühle werden als wesentlicher<br />

Bestandteil der menschlichen Existenz angesehen. Ein anderer US-amerikanischer<br />

Psychologe, Robert Plutchik, befasste sich ebenfalls mit der<br />

Erforschung von Emotionen. Laut seiner Theorie gehört auch Akzeptanz/<br />

Vertrauen zu den Basisemotionen, somit wären es acht.<br />

›Wut ist eine universale Emotion‹, sagt die Bremer Diplompsychologin<br />

Berit Reiss. Eine universale Emotion sei, unabhängig von Kulturhintergrund,<br />

Erziehung und sozialem Status eines Menschen, in dessen Gesicht erkennbar.<br />

›Typisch für den Wutausdruck ist der zusammengekniffene Mund,<br />

die runter gezogenen Augenbrauen und der starre Blick.‹ Dieser Ausdruck<br />

ist überall auf der Welt lesbar – man muss also nicht die gleiche Sprache<br />

sprechen oder zur selben Völkergruppe gehören, um zu erkennen, dass der<br />

Gegenüber wütend ist. Ähnlich verhält es sich mit Freude, Angst und Ekel:<br />

Auch diese Gefühle lassen sich universal im Gesicht des anderen ablesen.<br />

Zur Klassifikation hat Ekman 1978 das Facial Action Coding System<br />

entwickelt. Es ist ein unter Psychologen weltweit verbreitetes Kodierungsverfahren<br />

zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken.<br />

Unterschiedlich ist, wie der Mensch mit Wut und Ärger umgeht. Lässt<br />

sich jemand schnell ›auf die Palme bringen‹, wird er als aufbrausend<br />

empfunden. Seine Wut richtet sich direkt gegen andere Menschen, Tiere<br />

oder Dinge. Einem solchen Wutanfall gehen oft andere Gefühle voraus oder<br />

damit einher: Man fühlt sich zum Beispiel missverstanden, ist enttäuscht<br />

oder traurig. Nachdem die Situation eskaliert und der Wutanfall vorüber<br />

ist, beruhigt sich der ›Wüterich‹ meist schnell wieder.<br />

In vielen Kulturen wird ein Wutausbruch als Schwäche<br />

angesehen; ein Mensch, der sich gut unter Kontrolle hat und<br />

›cool‹ bleibt, gilt dagegen als charakterstark. Der Dalai Lama,<br />

geistiges Oberhaupt der Tibeter, begründet das so: ›Wo der<br />

Verstand aufhört, beginnt die Wut. Deshalb ist Wut ein Zeichen<br />

von Schwäche.‹ Wer sich zurückzieht und eine Auszeit von der<br />

Situation nimmt, wirkt eher deeskalierend auf seine Mitmenschen.<br />

Wie man mit Wut umgeht, wird in der Kindheit gefestigt<br />

– im späteren Leben ist es aber dennoch möglich, einen<br />

anderen Umgang mit dieser Emotion zu lernen. Wissenschaftler<br />

sind sich einig, dass es besser sei, die Wut – im kontrollierten<br />

Rahmen – loszuwerden statt sie in sich hineinzufressen.<br />

Unterdrückte Wut kann Krankheiten auslösen; das belegt<br />

beispielsweise eine zehnjährige Langzeitstudie von Forschern<br />

des Instituts für klinische Physiologie in Pisa, die bei Herzinfarktpatienten<br />

festgestellt haben, dass sich negative Gefühle<br />

wie Aggressionen, Depressionen, Feindseligkeit und Wut<br />

negativ auf das Herz auswirken.<br />

Wut ist zwar nicht angenehm, gehört aber zum Alltag.<br />

Berühmte Wutausbrüche wie die des Models Naomi Campbell,<br />

die ihrem Hausmädchen ein Telefon an den Kopf wirft oder von<br />

dem Fußballspieler Zlatan Ibrahimovic, der nach einem<br />

verlorenen Spiel in Frankreich die Nation als ›Scheißland‹ vor<br />

laufenden Kameras beschimpft, sind zu alltäglichen Situationen<br />

geworden.<br />

›Es gibt viele verschiedene Gründe, warum jemand wütend<br />

wird‹, so Reiss. Das bedeute aber nicht, dass auch eine psychologische<br />

Störung vorliegen muss. ›Man sollte immer prüfen, was<br />

hinter einem Wutanfall steckt.‹ Für die Neigung zu extremen<br />

Wutanfällen gibt es in der Psychologie verschiedene Erklärungsansätze,<br />

die immer im Einzelfall auf den Betroffenen angewendet<br />

werden. Neben einer Verhaltenstherapie können auch<br />

regelmäßiger Sport und ein Anti-Aggressions-Training helfen.


9<br />

Heidi Diewald<br />

Wut im Praxistest<br />

In ihrem Buch ›Wut. Plädoyer für ein verpöntes Gefühl‹ berichtet die Gerichtspsychiaterin<br />

Heidi Kastner von unterschiedlichen Formen des Phänomens Wut,<br />

die sie durch Fallbeispiele überwiegend aus dem juristischen Bereich illustriert.<br />

W<br />

ahrnehmung und adäquates Ausleben von Wut ist wichtig, so lautet das Credo<br />

und Schlussplädoyer Kastners: ›Die Wut hat viele Funktionen, vermittelt klare<br />

Grenzen, setzt Warnsignale, befreit von Spannung, die aus Kränkung entsteht,<br />

vermittelt uns selbst präzise Einsichten in unsere Schwachstellen und fordert uns<br />

auf zu Veränderung, entweder an uns selbst oder an unseren Lebensumständen, sie<br />

fordert und fördert Lebendigkeit.‹<br />

Eingangs schildert die Autorin die weit zurückreichende und ambivalente<br />

Einschätzung dieser Emotion: Bei den antiken Philosophen ist sie umstritten, im<br />

griechischen Epos ›Ilias‹ dient sie als Motor der Handlung und im Christentum<br />

schließlich ist sie eine der Todsünden. Oft werde zwischen der individuellen Emotion<br />

Wut und dem auf größeres Unrecht zielenden Zorn unterschieden, letztlich sei diese<br />

Trennlinie jedoch nicht praktikabel, wie sich zum Beispiel an der etymologischen<br />

Herleitung der Wut vom Gott Wotan zeige, die die Wut wieder in einen göttlichen<br />

also überindividuellen Zusammenhang rücke.<br />

Es entfaltet sich aus (gerichts-)psychiatrischer Sicht ein Panoptikum der Wut.<br />

Iwan der Schreckliche dient neben aktuellen Fällen als Beispiel für Wut im Zusammenhang<br />

mit Persönlichkeitsstörungen. Das Aufwachsen in Lebensgefahr und<br />

Isolation führten bei Zar Iwan zu einer Wut-Disposition, die das Erfinden sadistischer<br />

Tötungsmethoden und den Gefallen an Massenexekutionen nach sich zogen.<br />

Zur Persönlichkeitsstörung gehört auch die Persönlichkeitsentwicklung, also im<br />

Besonderen die ›junge Wut‹. Die Zeit der Adoleszenz ist ›eine der forderndsten, die<br />

wir durchleben, in ihren Umwälzungen in körperlich-geistiger Hinsicht nur vergleichbar<br />

mit schweren Geisteskrankheiten […].‹ In dieser Zeit werde die eigene Identität<br />

in Abgrenzung zu Kernfamilie und Gesellschaft entwickelt; Defizite während dieses<br />

Prozesses drücken sich durch Dominanzverhalten oder Aggression statt Kommunikation<br />

aus. Dabei kommt es zu antisozialem Verhalten, das oft mit Beginn des<br />

Erwachsenenalters verschwindet oder sich in einer Verhaltensstörung manifestiert.<br />

Bleibt die Wut im Bauch, ist das Resultat psychosomatisch. Es gebe starke<br />

Hinweise ›auf einen Zusammenhang zwischen unterdrücktem Ärger und der<br />

verminderten Ausschüttung von Endorphinen.‹ Im passenden Fallbeispiel wird<br />

geschildert wie eine in wohlsituierten Verhältnissen lebende Hausfrau, die nach der<br />

Heirat ihre Karriere beendete, um ihrem Mann den Rücken freizuhalten, es dann<br />

aber nicht schafft, ihm bezüglich ihrer eigenen Interessen die Stirn zu bieten und als<br />

Quittung eine psychosomatische Erkrankung der Haut bekommt. Das wiederum<br />

führt dazu, dass sie ihre repräsentativen Aufgaben bei den Geschäftsterminen ihres<br />

Gatten nicht mehr erfüllen kann. Der Ehemann wendet sich von ihr ab und Liebschaften<br />

zu.<br />

Wut ist ein affekthaftes Gefühl, das sich unwillkürlich in<br />

unserem Gesichtsausdruck manifestiert: ›Wut erkennen wir<br />

weltweit an heruntergezogenen Augenbrauen, zusammengekniffenen<br />

Augen, weit geblähten Nasenflügeln und zusammengepressten<br />

Lippen.‹ Selbst wenn wir versuchen, diesen Affekt,<br />

also unsere Mimik, zu kontrollieren, bleiben Restanzeichen<br />

unserer tatsächlichen Gefühlslage zu sehen. ›Mord im Affekt‹<br />

ist ein landläufig bekannter Ausdruck. Kastner unterscheidet<br />

hier zwischen Delikten bei denen ›ein zu lange ignorierter<br />

Affekt eine entscheidende Rolle spielt‹ und Affektdelikten, die<br />

ganz und gar ohne vorherige Planung geschehen.<br />

Bei ersterem wird eine schwelende Wut zwar wahrgenommen,<br />

aber nicht ausgelebt. Bei Affekttaten fehlt schon die<br />

Wahrnehmung der Emotion, was im Anschluss oft zur Verdrängung<br />

des Gewaltakts und zu paradoxen Handlungen nach<br />

Entladung des Zorns führt. Beispielsweise habe ein Mann am<br />

Abendbrottisch – nach jahrelang still erduldeter Schmähung<br />

und Ausgrenzung seitens der Familie – auf Frau und Tochter<br />

eingestochen, im nächsten Augenblick seine Tat vergessen und<br />

versucht erste Hilfe zu leisten. Er hatte den aggressiven Teil<br />

seiner Gefühlswelt derart abgespalten, dass ihm auch während<br />

der Haft das eigene Handeln unerklärlich blieb.<br />

Neben den genannten Beispielen bebildert Kastner ihre<br />

Überlegungen mit zahlreichen, teilweise noch drastischeren,<br />

Fällen aus ihrem Arbeitsalltag. Bei der Leserin bleibt der<br />

Eindruck des erhobenen Zeigefingers: Nehmt eure Wut wahr<br />

und lebt sie angemessen aus, sonst sind am Ende alle tot, oder<br />

Schlimmeres. So ist das Buch zwar ein ›Plädoyer für ein<br />

verpöntes Gefühl‹, ausführliche positive Anekdoten – somit<br />

eine Entpathologisierung der Emotion, die das unterstreichen,<br />

bleiben allerdings aus. Wissenschaftliche und philosophische<br />

Erkenntnisse werden nach Bedarf und als Statements<br />

eingebracht und man wird an mancher Stelle neugierig auf<br />

genauere Ausführungen.<br />

Insgesamt liest sich das Buch – nicht zuletzt dank der<br />

literarischen Schreibweise – wie ein Krimi über ein Gefühl.


10<br />

halbzeitwissen<br />

Für Stadtkultur<br />

KöpkenstraSSe 18<br />

Tischlerei-Museum Bremen<br />

Ganz was anderes: Verborgen in einem Souterrain in der<br />

Köpkenstraße 18 findet man das Tischlerei-Museum Bremen.<br />

›Ein Stück deutsche und bremische Handwerksgeschichte‹,<br />

schreiben die Betreiber, wird hier ›für die Zukunft erhalten.‹<br />

Eine Oase der Ruhe im sich weiter mit allem dazugehörigen<br />

Getöse gentrifizierendem Viertel. Öffnungszeiten unter<br />

www.tischlerei-museum-bremen.de<br />

City46<br />

›Rettet Raffi‹<br />

Wer in den Achtzigerjahren in einem westdeutschen, im<br />

weitesten Sinne linksliberalen Haushalt aufgewachsen ist, ist<br />

mit den Kinderfilmen Arend Aghtes aufgewachsen. Vor<br />

allem natürlich mit dem wunderbaren ›Flussfahrt mit Huhn‹.<br />

Am 23. und 24. <strong>April</strong> läuft Agthes neuer Film ›Rettet Raffi!‹<br />

im City46. Können wir nur wärmstens empfehlen.<br />

Friese<br />

Stampftanz<br />

Es ist wieder soweit: Alle paar Jahre beehrt die amerikanische<br />

Ein-Mann-Band Quintron die Friese und bringt das ansonsten<br />

eher beharrliche Bremer Publikum zum kollektiven Stampftanz.<br />

Mit dabei: der Drum-Buddy, ein mechanisch rotierender,<br />

oszillierender, lichtaktiver Prügel von einem Instrument.<br />

Donnerstag, 14. <strong>April</strong> in der Friese. Im Vorprogramm: Mik<br />

Quantius (Ex-Embryo).<br />

Foto: MARINA LILIENTHAL


11<br />

Das Seelenheil<br />

braucht<br />

laut und leise<br />

Tanja Jahnz<br />

PortrÄt<br />

<br />

Die Bronchitis, mit der sie letzte Woche noch im Bett gelegen<br />

hat, merkt man ihr noch ein wenig an, aber Lutschpastillen<br />

schaffen Abhilfe, wenn der Husten sich meldet.<br />

Für Tanja Jahnz (42) gilt, was für viele Freiberufler gilt –<br />

krank sein muss man sich leisten können. Wobei es bei ihr<br />

nicht nur um das Geld geht, was sie in der Zeit nicht<br />

verdient, sondern auch um die Menschen, die abends in<br />

der Swing-Kantine den Lindy-Hop von ihr lernen wollen.<br />

Ist sie nicht da, müssen Vertretungen organisiert werden<br />

oder Kurse fallen aus, je nachdem.<br />

Es war ihr nicht in die Wiege gelegt, Tanzlehrerin zu<br />

werden, denn früher hatte sie Angst vor Gruppen zu<br />

sprechen, heute gibt sie die Rampensau, wie sie selber<br />

sagt. Früher, das war, als sie noch Informatik studierte,<br />

kurz vor der Jahrtausendwende, wo die Idee, dass jeder<br />

Haushalt einen eigenen Computer haben wird, noch als<br />

Utopie galt. Sie unterstützte als Studentin die Informatiker-<br />

Feminale und gab Qualifizierungskurse für Lehrerinnen am<br />

Landesinstitut für Schule. Das ging nicht ohne Reden, also<br />

redete sie. ›Ich mach einfach, ich muddel mich da rein‹,<br />

sagt Jahnz.<br />

Und wenn sie etwas macht, denkt sie sehr schnell<br />

darüber nach, wie man das Ganze optimieren könnte. Ihr<br />

Gemuddel bei den Computerkursen war so gut, dass sie<br />

sich 2005 als Angestellte des Senators für Bildung wiederfand.<br />

Dort arbeitete sie am Konzept der Web-Punkte mit<br />

und bildete Schülerinnen und Schüler als Betreuer aus.<br />

Die Idee der Web-Punkte war, dass die Schulcomputer<br />

nachmittags von Menschen aus der Nachbarschaft genutzt<br />

werden können, um <strong>Mai</strong>ls zu verschicken oder ›mal zu<br />

gucken, was das Internet eigentlich ist‹.<br />

Tanja Jahnz hat sich bereits im 3. Semester mit ihrem<br />

IT-Service selbständig gemacht und neben verschiedenen<br />

Kursen immer mehr kleine Firmen und Einzelpersonen<br />

betreut. Studiert hat sie zwar weiterhin, auch alle Scheine<br />

gemacht, aber die Diplomarbeit letztendlich sausen lassen.<br />

Sie hatte bereits genug Arbeit und ihre Freizeit teilte sie<br />

zu dem Zeitpunkt bereits zwischen Tanzen und Kampfsport<br />

auf.<br />

Kamen die Impulse für ihre Interessen aus der Familie?<br />

›Nein, ich war die erste in meiner Familie mit Abitur, mein<br />

Vater war Maschinenführer und meine Mutter Stationsversorgerin<br />

im Krankenhaus.‹ Kampfsport haben beide<br />

nicht betrieben, das kam über den Bruder einer Schulfreundin<br />

in ihr Leben – und blieb. Mit zehn Jahren fing sie mit<br />

Judo an, mit 14 Jahren unterrichtete sie bereits und war<br />

auch im Landeskader. Jiu Jitsu kam parallel dazu, später<br />

noch Shinson Hapkido, eine koreanische Kampfkunst, zu<br />

der auch Meditation, Stockkampf und asiatische Heilkunst<br />

gehören. Jahnz hat die Bremer Gruppe<br />

mit aufgebaut. Doch mit 32 Jahren ist<br />

Schluss mit dem Kampfsport, der Körper<br />

muckt und dann gibt es da ja noch die<br />

andere Leidenschaft, das Tanzen.<br />

Sie gründet 2006 die Swing-Kantine.<br />

›Die ersten fünf Jahre habe ich fast<br />

alleine unterrichtet, denn die Leute, die<br />

ich ausgebildet habe, sind immer wieder<br />

abgesprungen‹, erzählt sie. Zwar organisiert<br />

sie heute noch das komplette<br />

Kurs- und Workshopangebot, aber das<br />

Team ist mittlerweile gewachsen und sie<br />

unterrichtet nicht mehr alleine. Angefangen<br />

hat sie übrigens ganz klassisch mit<br />

Standard- und Lateintänzen, aber ›das<br />

mache ich schon lange nicht mehr, völlig<br />

unergonomisch.‹ Auf Nachfrage erklärt<br />

sie: ›Beim Standardtanz sind das sehr<br />

hochstilisierte Bewegungen, die sind<br />

nicht gesund. Mir ist es wichtig einen<br />

ergonomischen und gleichberechtigten<br />

Tanzstil zu unterrichten.‹<br />

Das hört man nicht in jeder Tanzschule, aber Jahnz und<br />

ihren KollegInnen ist es wichtig, dass beide Tanzpartner so<br />

tanzen, wie es zu ihnen passt. Auch die Frage, wer führt und<br />

wer folgt, wird für jedes Paar individuell geregelt. Ihr ist<br />

wichtig, dass die Paare das ganz frei ausprobieren und<br />

manche wechseln die Rollen sogar je nach Tanz. Und da sie<br />

in den Kursen die Tanzpartner auch rotieren lässt, kommt es<br />

vor, dass dann Männer mit Männern tanzen, womit sicher<br />

die wenigsten gerechnet haben, aber es ist kein Problem.<br />

Tanja Jahnz ist relativ klein und sehr durchtrainiert, wenn<br />

sie erzählt steht sie immer wieder auf, um Bewegungen<br />

vorzumachen oder um zu zeigen, wie ein Tanzpartner<br />

Zeichen geben und wie der andere darauf reagieren kann.<br />

Auch das Bouncen vom Lindy-Hop zeigt sie: ›Es ist als wenn<br />

man ein Baby auf dem Arm hat, das man beruhigen möchte.<br />

Da weiß eigentlich jeder sofort, wie die Bewegung geht. Und<br />

das Tolle ist, spätestens nach fünf Minuten sind alle im Kurs<br />

am Lächeln. Durch das Bouncen verschwindet der Stress,<br />

die Leute entspannen und es macht einfach Spaß.‹<br />

Ihre Wochenenden sind selten frei, meist gibt es einen<br />

Workshop zu leiten oder zwecks Fortbildung selbst zu<br />

besuchen, dann organisiert sie gerade ein Tanzfestival in<br />

Kroatien und sie hat schon den nächsten Tanz parat, auf<br />

den die Bremer Szene gewartet hat: Balboa. Und da den<br />

dann wieder fast keiner kennt, unterrichtet sie erst mal<br />

alleine, bis sie wieder Leute ausgebildet hat …<br />

GUDRUN GOLDMANN<br />

Foto: MARINA LILIENTHAL


12<br />

halbzeitwissen<br />

Für Stadtkultur<br />

Elke Marion<br />

Weiß<br />

ist Migrantin aus dem<br />

Süden der Republik<br />

(Schwarzwälderin)<br />

und seit 2001 schriftstellerisch<br />

tätig. Die<br />

promovierte Literaturwissenschaftlerin<br />

schreibt Romane,<br />

Kurzprosa und Lyrik.<br />

Zwei Romane sind<br />

bereits erschienen:<br />

›Triangel‹ sowie ›Die<br />

ungewisse Reise nach<br />

Samarkand‹. Ein<br />

Gedichtband ist in<br />

Vorbereitung. Davor<br />

war Elke Marion<br />

Weiß 14 Jahre an der<br />

Universität Bremen<br />

als Lehrbeauftragte<br />

für englische und<br />

amerikanische<br />

Literatur tätig.<br />

Cleo auf<br />

dem Dach<br />

Von Elke Marion WeiSS<br />

Ja, jetzt ist es endgültig. Jetzt müssen unsere Kurzen mit dem<br />

Bus in die Stadt. Ich schaue mich um. Die tintenbeklecksten<br />

Tische sind zur Seite geschoben, die kleinen Stühle aufeinandergestapelt.<br />

An den nackten Wänden nur noch vereinzelte<br />

Reißzwecken, auf dem Linoleum Spuren von Bauschutt. Vom<br />

Nachtregen sind Schlieren auf den schmutzigen Fensterscheiben<br />

zurückgeblieben. Eine der Scheiben ist sogar kaputt.<br />

Jemand hatte noch versucht, sie mit Klebeband zuzupflastern.<br />

Als ob das wirklich helfen würde.<br />

Das wäre was für Onkel Horst gewesen. Onkel Horst<br />

war dauernd in Sorge wegen der Fenster. Wegen zerbrochener,<br />

wegen gesprungener, ja, besonders wegen offener Fenster.<br />

Bleibt ja von offenen Fenstern weg, hatte er uns Kindern<br />

eingebläut. Immer und immer wieder. Und wir hatten uns<br />

natürlich darüber lustig gemacht. Ihn sogar mit einigen<br />

schlimmen Streichen in Angst und Schrecken versetzt. Dabei<br />

war seine Sorge verständlich gewesen.<br />

Schuld daran war jener unvergessliche Tag im Sommer<br />

1960, als der Zirkus in unser Dorf kam. Es war ein Zwergenzirkus.<br />

Klein an der Zahl, klein in der Statur, gerade klein genug<br />

für unser Kaff. Wie für uns gemacht. Heute darf man sie nicht<br />

mehr Zwerge nennen. Heute sagt man Kleinwüchsige, aber für<br />

uns Kinder waren sie eben Zwerge.<br />

Sie kamen mit drei Wohnwagen, ungefähr ein Dutzend<br />

Leute mit ausgesuchter Menagerie. Kleine Tiere, versteht sich.<br />

Ich erinnere mich an einen Ziegenbock, ein Schaf, zwei<br />

Hasen, einen Esel, ein kleines schwarzes Hängebauchschwein.<br />

Und ein paar winzige Äffchen mit orangefarbenem Haar und<br />

feuerroten Popos. Am exotischsten aber – eigentlich das einzig<br />

Exotische, von den Äffchen abgesehen – war eine Schlange.<br />

Ich weiß nicht, ob es eine Giftschlange war oder nicht. Auf<br />

jeden Fall kam sie uns Kindern sehr gefährlich vor.<br />

Onkel Horst, der Rektor war, lud die Zirkusleute zu uns<br />

in die Schule ein. Und sie kamen, mit dem stinkenden<br />

Ziegenbock, einem Kaninchen und der Schlange. Ihr<br />

Geschnatter und Kreischen und Quieksen flog durch alle<br />

Stockwerke des alten Gebäudes.<br />

Unser Klassenzimmer war im zweiten Stock. Als die<br />

Zwerge ankamen, saßen wir alle stocksteif da, ehrfürchtig und<br />

gespannt. Und wir wurden nicht enttäuscht. Der eine lief auf<br />

Händen durch den Raum, und manchmal streckte er sogar<br />

eine Hand in die Luft. Der andere machte Saltos am laufenden<br />

Band, von der Tür bis zur Tafel und zurück. Der dritte, Vintoc,<br />

war ein Zauberer. Er zog die tollsten Tricks aus seinem Zylinder<br />

– meterweise Girlanden, ein buntes Blumenmeer, jede Menge<br />

Seifenblasen, und schließlich sogar eine lebendige weiße<br />

Taube. Wir klatschten Beifall, bis uns die Hände weh taten.<br />

Vintoc war natürlich entzückt, er liebte sein Publikum.<br />

Besonders, weil wir nicht genug bekommen konnten. Zugabe,<br />

Zugabe, riefen wir im Chor. Wir riefen so lange, bis er uns<br />

Writer’s<br />

corner<br />

schließlich noch seinen Spezialtrick vorführte – seinen ausgetüfteltsten<br />

und schwierigsten, wie er sagte. Den Trick mit<br />

der Schlange. ›Meine jungen Herrschaften, sehr verehrtes<br />

Publikum, darf ich vorstellen? Hier kommt Cleopatra, einst<br />

Kaiserin von Ägypten, jetzt als Schlange wiedergeboren. Sie<br />

hat den weiten Weg zurückgelegt, um euch zu unterhalten.<br />

Nun, Cleo, zeig den Kindern, was du kannst!‹<br />

Er brachte die Schlange in Position. Sie sollte im umgestülpten<br />

Zylinder Männchen machen. Besser gesagt, sie<br />

sollte sich empor winden und zu Vintocs Flötenmusik graziös<br />

herumtänzeln. Aber Cleo wollte nicht. Cleo war widerspenstig.<br />

Sie achtete weder auf Vintocs Flötentöne noch auf seine<br />

Honigstimme, mit der er sie zu bezirzen versuchte. So sehr<br />

er sich auch mühte, sein Sirenengesang verhallte ungehört.<br />

Stattdessen schlängelte sich die eigenwillige Ägypterin in<br />

Windeseile aus dem Zylinder heraus und kroch über den<br />

Tisch hinweg auf die kleine Mona zu, die ganz vorne saß.<br />

Unnötig zu sagen, dass Mona furchtbar erschrak. Sie geriet<br />

so in Panik, dass sie aufsprang, ihren Stuhl umstieß und<br />

versuchte, unter den Tisch zu kriechen. Aber auch Cleo geriet<br />

in Panik. Sie ließ sich blitzschnell fallen und landete direkt<br />

auf Monas Nacken und wand sich um den zarten kleinen Hals.<br />

Vintoc stand wie versteinert da. Wir alle waren schockstarr.<br />

Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich<br />

mir, dass Cleo keine Giftschlange war, sondern eine Würgeschlange.<br />

Sie musste ein Würger sein, so wie sie sich um<br />

Monas Hals herumrollte. So wie sie presste. So wie sie Monas<br />

Bäckchen apfelrot färbte. So wie sie Monas piepsiges<br />

Stimmchen erstickte.<br />

Es war brütend heiß an jenem Tag. Alle Fenster standen<br />

sperrangelweit offen. Tja, und das war der Ausweg für Ritter<br />

Jonathan, Klein-Monas jungen Verehrer. Jonathan warf sich<br />

auf Cleo, mit seinen sechzig, siebzig Pfund Wagemut.<br />

Ich weiß nicht, wie, aber Jonathan schaffte es. So unglaublich<br />

es klingt – er packte die Schlange, lockerte ihren<br />

Würgegriff, rannte mit ihr zum offenen Fenster und schleuderte<br />

sie hinaus. Keiner glaubt mir das. Für so eine Show<br />

braucht man übernatürliche Kräfte. Aber hier war Superman<br />

selbst am Werk.<br />

Unterhalb des Fensters war eine Dachschräge, so etwa<br />

zwei bis drei Meter abschüssiges Schieferdach. Und dort<br />

lag nun Cleo und kämpfte tapfer gegen das Gefälle an. Dort<br />

lag Cleo, als Vintoc in ein herzzerreißendes Heulen und<br />

Jammern ausbrach. Und trotz des hohen Simses, trotz seiner<br />

Zwergenstatur, trotz Onkel Horsts kläglicher Versuche, ihn<br />

zurückzuziehen, stürzte er sich hinaus und warf sich auf<br />

sie. Vintoc war zu sehr Akrobat, um sie da draußen ihrem<br />

Schicksal zu überlassen. Cleo, seine heiß geliebte Cleo, sein<br />

Augapfel. Cleo, allein auf dem Dach.<br />

Aber letzten Endes war Vintoc doch nicht Akrobat genug.<br />

Foto: MARINA LILIENTHAL


13<br />

Benjamin Moldenhauer<br />

kom<br />

men<br />

tar<br />

Eine Ansammlung von Menschen brüllt Parolen, blockiert einen Bus mit<br />

Flüchtlingen und versetzt sie in Angst. Kinder weinen, die Menge johlt. In<br />

Clausnitz konnte man vor einigen Wochen erneut beobachten, wie schnell<br />

eine Gruppe sich zur Hetzmasse transformiert, wenn sie ihre Zeit gekommen<br />

sieht. Wirklich übel aber wird es erst, wenn die Elite sich mit<br />

dem Mob verbündet. Dann entsteht ein Bedrohungspotenzial, das über die<br />

spontane Pogromstimmung hinausgeht.<br />

Erste Anzeichen machen sich bereits bemerkbar, und man möchte<br />

hoffen, dass sie die Ausnahme bleiben. Bereits im November 2015 suchte<br />

Rüdiger Safranksi, populärer Autor von zahlreichen lesenswerten<br />

Philosophenbiographien, den Anschluss an die Rhetorik von AFD und<br />

CSU: ›Wir lügen uns um die Tatsache herum, dass Europa auch eine<br />

Festung sein muss‹, die Politik habe die ›Flutung Deutschlands‹ beschlossen.<br />

Dass die Metapher von der Flut in diesem Zusammenhang zum<br />

Genre der Sexualneurose und nicht zu dem des politischen Kommentars<br />

gehört, müsste Safranski eigentlich wissen.<br />

Peter Sloterdijk sprang dem Kollegen in einem ›Cicero‹-Interview<br />

zur Seite und legte gleichfalls mit aller ihm zur Verfügung stehenden<br />

rhetorischen Wucht los: ›Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt<br />

des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben‹. Ach so.<br />

Allerdings müsse der Spuk bald ein Ende haben, schließlich gäbe es keine<br />

moralische Pflicht zur Selbstzerstörung. Was genau Sloterdijk meint und<br />

will, bleibt im Trüben, und genau diese durch Blähmetaphern hergestellte<br />

Unschärfe macht seine Rede anschlussfähig für den antidemokratischen<br />

Diskurs. Beatrix von Storch fordert die Sicherung der Grenzen, an denen<br />

dann eben auch mal Kinder erschossen würden; Sloterdijk orakelt vom<br />

›territorialen Imperativ‹ – um dann in einer unfreiwillig komödiantischen<br />

Schlussvolte zu bemängeln, dass das Bemühen um Neutralität gering sei:<br />

›die angestellten Meinungsäußerer werden für Sich-Gehen-Lassen bezahlt,<br />

und sie nehmen den Job an‹. Zumindest das hat er belegt.<br />

Was sie treibt, man weiß es nicht. Erfreulich wiederum, dass der<br />

›Lügenäther‹ (Sloterdijk) vielfach adäquat reagiert hat und zwei seiner<br />

Agenten – Georg Diez (Spiegel online) und Armin Nassehi (in der ›Zeit‹)<br />

– die Argumentation sehr, sehr gründlich auseinandergenommen haben.<br />

Sloterdijk war erkennbar beleidigt, sah sich von ›Beißwut‹, ›Abweichungshass<br />

und Denunziationsbereitschaft‹ verfolgt. Manchmal ist auf die<br />

Lügenpresse eben doch noch Verlass.


Frei<br />

zeit<br />

04<br />

20<br />

16<br />

14<br />

Highlight des Monats<br />

<strong>April</strong><br />

freizeit<br />

Jazzahead!<br />

Clubnight:<br />

PeccoBillo<br />

11. Jazzahead!<br />

21 bis 23 APR do bis SA // Schlachthof<br />

überbordende vielfalt<br />

im Lagerhaus<br />

Sa, 23. <strong>April</strong><br />

20.30 Uhr<br />

Saal<br />

Dass der Jazz nicht tot ist, aber komisch riecht,<br />

ist eine Binsenweisheit und sie ist falsch.<br />

Das altehrwürdige Genre hat sich in<br />

den letzten Jahren als quicklebendig erwiesen.<br />

In der einen Ecke wird Gediegenes<br />

weiter ausformuliert, in der anderen,<br />

in der beispielsweise Kamasi Washington<br />

musiziert, lässt sich eine überraschende Repolitisierung<br />

beobachten. Und auch die Avantgarde<br />

von gestern klingt immer wieder überraschend – wer etwa die vor<br />

Kurzem erschienenen Master Tapes von John Coltranes ›A Love<br />

Supreme‹ hört, kann sich über eine Musik freuen, die inzwischen<br />

ein halbes Jahrhundert alt ist und vor Energie und, immer noch,<br />

Innovationskraft nur so sprüht.<br />

Auf der Jazzahead!, der europaweit wichtigsten Messe für Jazz-<br />

Musik, kommen jedes Jahr junge und etablierte Ensembles und<br />

Bands zusammen, um im Schlachthof und in der Halle 7 Konzerte<br />

zu spielen. Eröffnet wird die Veranstaltung mit der Swiss Night,<br />

unter anderem mit Weird Beard, einem Genregrenzen transzendierenden<br />

Quartett, dem es nicht so sehr um das perfekte Stück,<br />

sondern um das Aufblühen der einzelnen Musiker beim gemeinsamen<br />

Musizieren geht. Am selben Abend spielen Plaistow, die das<br />

konventionelle Format des Piano-Trios als Vehikel für eine Fahrt in<br />

ungekannte Gefilde nutzen. Bass, Schlagzeug und Klavier hängen<br />

sich an repetitiven Dub-Strukturen auf, die Melodiefolgen werden<br />

wunderlich.<br />

Die Programmschiene German Jazz Expo versammelt junge<br />

deutsche Künstlerinnen und Künstler, zum Beispiel die wundervolle<br />

Saxofonistin Nicole Johänntgen, die mit ihrem Quartett Nicole Jo<br />

eingängige und tanzbare Musik spielt. Den Gitarristen Hanno<br />

Busch werden zumindest vom Sehen auch viele kennen, die mit<br />

Jazz nichts am Hut haben, er war Teil der Studiobands von Anke<br />

Engelke und Stefan Raab. Mit seinem Trio spielt er eine immens<br />

groovende Musik.<br />

Jazz und Pop verbindet Laila Biali, die bei den Overseas Night<br />

auftritt. Außerdem mit dabei: der Bassist Omer Avital, der seit<br />

20 Jahren zu den umtriebigsten Größen der Jazz-Szene New Yorks<br />

zählt. Sehr, sehr sonnig kommt die Musik der Trompeterin <strong>Mai</strong>te<br />

Hontelé daher, deren CD ›Déjame Asi‹ 2014 für den Grammy in der<br />

Kategorie ›Salsa Music‹ nominiert wurde.<br />

Die genannten Bands sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem<br />

überbordenden und stilistisch vielfältigen Festivalprogramm, es<br />

gibt ungemein viel zu entdecken. Die Konzerte finden abwechselnd<br />

im Schlachthof und der Halle 7 statt. Alle weiteren Programmschienen<br />

und Infos unter www.jazzahead.de<br />

Martin Steinert<br />

➟ 21. 04. Swiss Night, 20 Uhr //<br />

22. 04. German Jazz Expo, 14 Uhr Overseas Night 20 Uhr //<br />

23. 04. European Jazz Meating, 14 Uhr und 20 Uhr


15<br />

01 APR FR // Schlachthof<br />

Dimple Minds<br />

Krank, not dead<br />

Krank, not dead? Weiß man nicht. Aber seit 30 Jahren immer noch erfolgreich im<br />

Punkgeschäft. Dimple Minds, die Bremer Metalpunk-Urgesteine, feiern Geburtstag.<br />

Natürlich bei einem bis 15 Bier im Schlachthof. Die Kesselhalle mal wieder richtig zum<br />

Kesseln bringen und alte Hits wie ›Blau auf’m Bau‹ oder neue Songs wie ›Panzerschokolade‹<br />

schmettern. Zwar ist von der Originalbesetzung, die sich 1986 im autonomen<br />

Jugendzentrum in Huchting zusammenfand, nur noch die Hälfte übrig, aber<br />

das tut der Sache keinen Abbruch. Schließlich sind die ›Neuen‹, Drummer Stefan und<br />

Bassist Andy, auch mehr oder weniger alte Hasen und fester Bestandteil der Band.<br />

Genauso biergetränkt wie der schräge Mix aus Metal und Punk wird mit Sicherheit auch<br />

die Geburtstagssause sein. Die eindringlichen, originellen Texte laden außerdem<br />

viel mehr zum Mitgröhlen ein, als das immer wieder gleiche, ausgelutschte ›Happy<br />

Birthday‹. Also: Hebt die Bierkrüge und zelebriert den feuchtfröhlichsten Geburtstag<br />

des Jahres!<br />

Arne Helms<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Veranstalter: Koopmann Concerts //<br />

Tickets: VVK: € 18,50 (zzgl. Gebühren)<br />

02 APR SA // lagerhaus<br />

Desperate Journalist<br />

Mitten ins Indiepop-Herz<br />

Desperate Journalist aus London galten im Jahr 2014 als neuer Indie-Hype-Shit, ehe ihr<br />

feines Debütalbum auf dem britischen Indie-Kultlabel ›Fierce Panda‹ im Frühjahr 2015<br />

in den internationalen Musikmedien meist lediglich wohlwollend als Randnotiz wahrgenommen<br />

wurde. Erst durch ihre fulminanten Live-Auftritte im letzten Festivalsommer<br />

(Indietracks, Primavera, Groningen …) und ihre Indie-Disco-Hitsingle ›Control‹ wendete<br />

sich das Blatt und sie wurden zurecht als einer der besten Newcomer abgefeiert. Was<br />

ihre kanadischen Vorbilder The Organ live leider nicht so recht umsetzen konnten, füllen<br />

Desperate Journalist vortrefflich aus. Postpunk, Goth Pop, Neo-New-Wave irgendwo<br />

zwischen Siouxie & The Banshees, The Organ und Lush, der mitten ins Indiepop-Herz<br />

trifft. Nun erstmalig in Deutschland live auf einer Mini-Tour, ehe im Frühsommer ihr<br />

zweites Album erscheint.<br />

Jörg Windszus<br />

➟ etage 3, 20.30 Uhr<br />

07 APR do // lagerhaus<br />

Jochen Distelmeyer<br />

Der Mann traut sich was<br />

Jochen Distelmeyer befindet sich aktuell an einem brisanten Wendepunkt seiner Karriere.<br />

Als Texter von Blumfeld, immerhin der einflussreichsten deutschsprachigen Band<br />

der Neunziger, war er ein Meister der sprachlichen Miniaturen, erschuf Sätze, die sich<br />

einprägten und das komplizierte Leben auf einen aphoristischen Punkt brachten. Jetzt<br />

hat er sich mit seinem literarischem Erstling ›Otis‹ in die Welt der Romanciers, der Geschichtenerzähler<br />

geschlichen. Als Mitbegründer der Wohlfahrtsausschüsse und Aushängeschild<br />

eines Medienphänomens namens Hamburger Schule hat er dem hiesigen<br />

Musikfeuilleton gezeigt, dass es im Pop eben niemals ausschließlich um Musik, sondern<br />

immer auch um Haltung, Gesellschaft, mithin um Politik geht. Jetzt hat er mit<br />

›Songs from the Bottom Vol. 1‹ ein Album mit Coverversionen herausgebracht, die sich<br />

mit ihren perfekt produzierten Vorlagen messen lassen müssen. Das hat Stil, beweist<br />

Haltung und ist schon deswegen irgendwie Distelmeyer. Aber lauscht selbst.<br />

Jörg Windszus<br />

➟ Saal, 20.30 Uhr


Frei<br />

zeit<br />

16<br />

09 APR SA // lagerhaus<br />

Nacht der Gitarren<br />

Saturday Night in Bremen<br />

Wer Friday Night in San Francisco verpasst hat, kommt vielleicht an diesem Abend,<br />

35 Jahre später und 9.000 Kilometer weiter östlich, auf seine Kosten. Brian Gore,<br />

Gitarrenpoet aus Santa Cruz, schenkt uns als Gastgeber der International Guitar Nights<br />

die Möglichkeit, live der Kommunikation zwischen Musikern und ihrem Instrument beizuwohnen.<br />

Dafür hat er eine hochkarätige Besetzung zusammengestellt. Neben dem<br />

britischen Fingerstyle-Virtuosen Mike Dawes und dem deutschen Allrounder Andre<br />

Krengel freuen wir uns auf Lulo Reinhardt, jawohl: ein Großneffe Djangos, der seine<br />

eigene Mixtur aus Gypsi, Latin und Flamenco kreiert hat. Eigenkompositionen, Klassiker<br />

und unerhörte Kadenzen, alleine, im Duett oder alle zusammen. Wer selbst Gitarre<br />

spielt, möge entweder verzückt lauschen und sich inspirieren lassen, oder aber sich<br />

frustriert zurückziehen und zuhause weiter üben.<br />

➟ Saal, 20 Uhr<br />

Jörg Windszus<br />

10 APR SO // Schlachthof<br />

Manu Dibango<br />

& Soul Makossa Gang<br />

ein eigenes genre<br />

Manu Dibango kümmert sich nicht groß um stilistische Grenzen. Ursprünglich vom Jazz<br />

kommend, ist das maßgebliche Prinzip der Musik des aus Kamerun stammenden Multiinstrumentalisten<br />

die Vermischung. Da treffen zackiger Funk auf anschmiegsamen Jazz,<br />

und Akkordfolgen, die von der afrikanischen Musiktradition geprägt sind, werden mit<br />

westlichen Popklängen kombiniert. Das nennt man dann der Einfachheit halber World<br />

Music, tatsächlich aber ist Manu Dibango sein eigenes kleines Genre, mit hohem<br />

Wiedererkennungswert. Vor allem aber spielt er eine Musik, die von Lebensfreude erzählt,<br />

aber auch die dunklen Töne nicht ausspart. Auf den Platten von Serge Gainsbourg,<br />

Peter Gabriel, Sting und Youssou N’Dour, auf denen Dibango als Gastmusiker zu hören<br />

ist, sind die zugleich lakonischen wie vitalen Saxofon-Melodien sofort rauszuhören.<br />

Funktioniert zu Hause und im Club – am besten aber auf der großen Bühne.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa //<br />

Tickets: VVK: € 25,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 30,–<br />

12 APR di // lagerhaus<br />

Isolation Berlin<br />

Aus den Wolken tropft die Zeit<br />

Isolation Berlin gelten zurecht als die Newcomer-Band des Jahres 2016 – und sind mit<br />

›Aus den Wolken tropft die Zeit‹ zugleich bereits jetzt Anwärter auf eines der Alben des<br />

Jahres. In der bisherigen Berichterstattung wird dennoch bislang oft übersehen, welche<br />

Bandbreite das Berliner Quartett beherrscht. Ohne Widerspruch und ohne wie eine<br />

Pastiche cooler Pop-Styles zu wirken, gleiten sie musikalisch von 60s-Beat-Chansons<br />

(denke: die junge Françoise Hardy) über psychotischen Noiserock (denke: Sonic Youth,<br />

Jesus Lizard) zurück in fast volksliedhafte Balladen. Im Text streifen sie zwar im Pop<br />

gängige Themen (Liebe, Exzess, Verlust), schaffen dabei aber ebenfalls spielerisch den<br />

Dreh, so aufrichtig zu sein, dass sie nie ins Klischee oder Altbekannte abgleiten, und so<br />

humorvoll, dass sie nie naiv wirken.<br />

Jörg Windszus<br />

➟ Saal, 20.30 Uhr


17<br />

28 APR do // Schlachthof<br />

Barbara Ruscher<br />

Ekstase ist nur eine Phase<br />

›Bin noch im Bauch. Draußen schreit eine Frau. Will ihr sagen, mit Schreien erreiche<br />

man gar nichts. Jetzt schreit sie mich an. Heiße wohl PDA. Origineller Name.‹ Bücher<br />

über Kinder und Elternschaft gibt es dutzendweise. Die Kabarettistin Barbara Ruscher<br />

hat mit ›Fuck the Möhrchen. Ein Baby packt aus‹ eins der wenigen lesenswerten<br />

geschrieben – aus der Perspektive eines früh, allzu frühgeförderten Kindes, dem seine<br />

Eltern von Anfang an ziemlich auf die Nerven gehen. Live tourt Ruscher mit ihrem fies<br />

komischen Stand-up-Programm ›Ekstase ist nur eine Phase‹ durch die Lande. Im Vorgänger<br />

›Panierfehler. Ein Fischstäbchen packt aus‹ ging es um Libido-Verlust, Missgeschicke,<br />

Männer, Frauen, die Unwägbarkeiten des Lebens, Topfpflanzen, kurz: Das<br />

Skandalöse der menschlichen Existenz wird von Ruscher nicht nur angstfrei benannt,<br />

sondern ausgewalzt, bis dem Publikum die Tränen kommen. Und das alles meist am<br />

Piano. Toll Klavier spielen kann Barbara Ruscher nämlich auch.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 15 (zzgl. Gebühren) AK: € 18<br />

29 APR Fr // schlachthof<br />

Sarah Kuttner<br />

180° Meer<br />

Sarah Kuttner war neben Charlotte Roche eine der schnellsten und geistesgegenwärtigsten<br />

Moderatorinnen im deutschen Fernsehen. 2009 erschien ihr Romandebüt<br />

›Mängelexemplar‹, das sich überraschend gut verkaufte und das aus gutem Grund:<br />

›Mängelexemplar‹ beschrieb in einfachen und klärenden Formulierungen das Leben eines<br />

Menschen, der schief in die Welt gestellt wurde. Es ging um grundlose Traurigkeit<br />

und um umfassendes Nichtklarkommen. ›Wachstumsschmerz‹ erzählte dann zwei Jahre<br />

später von einem Paar, das nicht zusammenleben kann. Wieder ein präziser Text:<br />

kein großes Drama, sondern der genau beschriebene Prozess, in dem zwei Menschen<br />

sich auseinander leben und dann verlieren. Kuttner nimmt die Seelenlage ihrer Protagonisten<br />

ernst. ›Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Liebeskummer die schlimmste<br />

seelische Belastung ist, die man, abgesehen von dem Tod eines sehr nahestehenden<br />

Menschen, haben kann‹, sagt Kuttner. ›Insofern bin ich Fan davon, auch Liebeskummer<br />

nicht zu bagatellisieren.‹ In ihrem neuen Roman ›180° Meer‹ geht es um Eltern, Kinder<br />

und Urlaub. Es soll, so munkelt man, ihr bislang bester sein.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // präsentiert vom Weser Kurier //<br />

Tickets: VVK: € 14,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 17,–<br />

30 APR sa // schlachthof<br />

Who Killed Bruce Lee<br />

Energetische Ausnahmeband<br />

Ohne Frage, Who Killed Bruce Lee sind eine Ausnahmeband. Nicht, weil die Libanesen<br />

aus einem Land kommen, das immer wieder von Krisen und Unruhen heimgesucht wird,<br />

sondern weil sie eine wahnsinnige Energie an den Tag legen. Ihre wilde Mischung aus<br />

Punk, Indie und Electro bringt jeden vermeintlich leblosen Körper im Publikum wieder<br />

in Wallungen. Ihre Liveshows sind einzigartig und überzeugen nicht nur im Nahen<br />

Osten. Mittlerweile haben sie auch das Publikum im sogenannten Abendland überzeugt.<br />

Joko und Klaas luden Who Killed Bruce Lee im vergangenen Jahr in ihre Sendung<br />

Circus HalliGalli ein, wo sie ein Millionenpublikum in ihren Bann ziehen konnten. Mit<br />

ihrem ersten Album ›Distant Rendezvous‹ im Gepäck holen sie jetzt alle ab, die sie noch<br />

nicht für sich gewinnen konnten. Und wenn die Frage, die sie in ihrem Namen stellen,<br />

nicht endgültig beantwortet werden kann, eines kann man klar sagen: Wer bei einem<br />

Konzert der vier Jungs nicht mitgerissen wird, mit dem kann etwas nicht stimmen.<br />

Arne Helms<br />

➟ <strong>Magazin</strong>keller, 20 Uhr // präsentiert von hb-people.de //<br />

Tickets: VVK: € 10,– (zzgl. Gebühren)


Frei<br />

zeit<br />

05<br />

20<br />

16<br />

18<br />

Highlight des Monats<br />

<strong>Mai</strong><br />

freizeit<br />

Heinz Strunk<br />

Ein Elend, alles<br />

26 MAI DO // Schlachthof<br />

In der Kneipe ›Der Goldene Handschuh‹ auf St. Pauli treffen sich<br />

die Halbtoten – gescheiterte Zuhälter, Schwerstalkoholiker, altgewordene<br />

Prostituierte. Einer der Stammgäste wird Leiche<br />

genannt, der nächste Anus. Der Suff ist in verschiedene Stufen<br />

unterteilt, Schmiersuff, Sturzsuff usw. Mittendrin in dieser Vorhölle<br />

der Serienmörder Fritz Honka, genannt Fiete.<br />

Heinz Strunk hat als erster Schriftsteller Zugang zu bislang im<br />

Staatsarchiv Hamburg unter Verschluss gehaltenen Akten zum Fall<br />

Honka erhalten. Und er hat genau recherchiert. Fritz Honka tötete<br />

in den Siebzigern im Suff vier Frauen, verteilte die Leichenteile<br />

oder bewahrte sie in seiner Wohnung auf. Vermisst hat die Frauen,<br />

Gelegenheitsprostituierte, niemand, Vermisstenanzeigen wurden<br />

nicht gestellt, und die Toten wurden nur durch Zufall entdeckt.<br />

Strunks neuer Roman dürfte einigen Lesern, die nur seinen<br />

Bestseller ›Fleisch ist mein Gemüse‹ kennen, einen Heidenschreck<br />

einjagen. Aber auch wer sich in der drastischen Literatur auskennt,<br />

kommt hier schnell an die Grenzen des Erträglichen. Das Elend<br />

wird mit einem unerschrockenen, aber immer wieder fassungslosen<br />

Blick angesichts der umfassenden und leider vollkommen<br />

plausiblen Hoffnungslosigkeit beschrieben. Dabei gelingt dem Text<br />

etwas Unvermutetes: Er erzeugt Nähe zu seinen Protagonisten und<br />

erhebt sich nicht über das, was er beschreibt.<br />

Tex Rubinowitz hat in seiner Besprechung für die ›Süddeutsche<br />

Zeitung‹ sehr schön das tiefergehende Unbehagen beschrieben,<br />

das ›Der goldene Handschuh‹ im Leser implantieren kann: ›Heinz<br />

Strunk [hat] nicht nur eine klassische Milieustudie der Verzweiflung<br />

abgeliefert, sondern er versucht, die Ohnmacht zu spiegeln,<br />

versucht zu zeigen, dass nicht nur, wer von unten kommt, in den<br />

meisten Fällen unten bleiben und unten untergehen muss, sondern,<br />

dass vom Handschuh auch eine magische Bedrohung nach oben<br />

ausgeht, zu wissen, dass es so etwas gibt, dass man nur einmal in<br />

die Hölle blicken muss, sozusagen als nützliche Hölle, um sich seiner<br />

eigenen vermeintlichen Unverwundbarkeit und geschützten<br />

Herkunft zu versichern.‹ Der Roman lässt immer spürbar werden,<br />

wie porös die Unverwundbarkeit – als vermeintliche – ist.<br />

Es gibt in diesem gnaden-, aber nie empathielosen Text immer<br />

wieder herzzerreißende Momente, in denen der Wunsch nach<br />

Glück in einer Welt aus Kotze, Suff und Leichengestank aufscheint.<br />

Der Erzählung vorangestellt ist ein längeres Zitat aus den Verhören<br />

des Kindermörders Jürgen Bartsch: ›In meinem ganzen Leben war<br />

ich nie auch nur eine Sekunde ungetrübt froh oder glücklich.<br />

Ich sehe mich wieder als Jungen vor dem Altar und habe die<br />

gleichen Gedanken, die gleichen Wünsche wie damals: Junge sein,<br />

Junge bleiben, viele echte Freunde haben, ein kleiner Freund aller<br />

Welt, wie Kipling es genannt hat.‹ Strunk lässt seinen innerlich verkrüppelten<br />

Figuren ein – Zitat – ›katastrophales Glücksverlangen‹,<br />

und auch dadurch unterscheidet sich ›Der goldene Handschuh‹<br />

vom allermeisten, was ansonsten so an True-Crime-Literatur<br />

zirkuliert.<br />

Benjamin Moldenhauer<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // präsentiert von bremen vier<br />

Tickets: VVK: € 17,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 20,–


19<br />

05 MAI DO // Schlachthof<br />

Mohammad Reza Mortazavi<br />

Polyphonische Solopercussion<br />

Die Prämisse der Musik von Mohammad Reza Mortazavi ist simpel: zwei Hände, eine<br />

Trommel. Mehr brauchte es für den deutsch-iranischen Percussionisten nicht, um eine<br />

eindrucksvolle Reihung an Elogen einzufahren. Als da unter anderem wären: ›unvergleichlich,<br />

die schnellsten Hände der Welt‹ (ZDF), ›ein Trommler der Freiheit‹ (Spiegel<br />

online), ›unglaubliche Energie‹ (NDR). Stimmt alles. Was Mortazavi mit zwei Händen aus<br />

den traditionellen persischen Instrumenten Tombak und Daf herausholt, ist tatsächlich<br />

beeindruckend – und das eben nicht nur unterm sportiven Aspekt, die Hochgeschwindigkeitsstücke<br />

sind immer durch und durch musikalisch. Und, nicht zu vergessen, immer<br />

wieder eminent politisch. 2013 veröffentlichte er die Single ›20‹, auf der eine<br />

20-minütige Percussion-Improvisation zum Puls des iranischen Filmemachers Jafar Panahi<br />

zu hören ist. ›Entstanden ist ein solidarisches Kunstwerk zwischen einem, der<br />

nicht mehr in den Iran zurück kann und einem, der nicht mehr aus ihm herauskommt.‹<br />

(Deutschlandfunk)‹<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa //<br />

Tickets: VVK: € 17,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 21,–<br />

06 MAI FR // Schlachthof<br />

Wajd<br />

Klassische Musik aus Aleppo<br />

Die fünf Mitglieder des 2010 gegründeten syrischen Ensembles Wajd mussten die<br />

syrische Stadt Aleppo verlassen. 2014 trafen sie sich in Belgien wieder. In der Musik<br />

des Quintetts geht es auch um den Versuch, die eigene Tradition vor dem Vergessen zu<br />

bewahren. Wajd führen unbekannte Stücke der syrischen Musikgeschichte auf. Um<br />

schlichte Wiederholung geht es Khaled Al Hafed (Gesang und Percussion), Tarek<br />

Alsayed Yahya (Oud), Youssef Nassif (Kanun), Tammam Ramadan (Ney) und Fawaz<br />

Baker (Kontrabass) dabei nicht. Die Stücke arrangieren sie neu, der Umgang mit der<br />

Geschichte ist frei und kreativ und wird von den fünfen in Bremen auch in Workshops<br />

für jugendliche und erwachsene Geflüchtete vermittelt. Für hiesige Ohren mögen die<br />

orientalischen Tonarten ungewohnt klingen, die Haltung zur Kunst und zur eigenen<br />

Geschichte vermittelt sich auf den intensiven Live-Konzerten von Wajd trotzdem. Der<br />

Name des Ensembles bedeutet übersetzt ›übergroße Liebe‹.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa //<br />

Tickets: VVK: € 12,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 15,–<br />

06 MAI FR // Schlachthof<br />

Redensart<br />

Wie das wohl wird<br />

›Sieh das Mädchen wie es tanzt / Sieh den Jungen wie er schwankt / weil er glaubt,<br />

dass er’s nicht kann / Schüttelt die Ängste von sich ab / und sein Bein, es wippt im<br />

Takt / und er fängt auch zu tanzen an‹. So sollte es sein, so beginnt der Song ›Wie das<br />

wohl wär‹ der Freiburger Band Redensart. Die Zeilen umschreiben sehr schön das Versprechen<br />

gitarrenlastiger Popmusik, das sie notorisch melancholischen jungen Menschen<br />

gibt. Denen also, die, wäre die Welt ein amerikanischer Highschool-Film, niemals<br />

ins Football- oder Cheerleader-Team gewählt werden. Redensart besingen euphorische<br />

Zustände, Selbstvergessenheit und den Blick zurück auf Erlebtes, meist voller angedeuteter<br />

Wehmut – aber eben ohne den nervigen Schlagercharakter, den deutsche Indie-<br />

Musik in den letzten zehn Jahren mehr und mehr angenommen hat. Stattdessen gibt es<br />

mitgröhltaugliche Refrains, die weniger nach Kettcar und mehr nach (allerdings sehr<br />

gemäßigten) Pogues klingen. Läuft. Und wird vielleicht mal ganz groß.<br />

Martin Steinert<br />

➟ <strong>Magazin</strong>keller, 20 Uhr // präsentiert von hb-people.de //<br />

Tickets: € 10,– (ermäßigt 8,–)


Frei<br />

zeit<br />

20<br />

13 MAI fr // lagerhaus<br />

The Baboon Show<br />

Die Welt ist gröSSer als du<br />

›The World Is Bigger Than You‹ ist das in vielerlei Hinsicht ehrgeizigste und aufwendigste<br />

Album der Band geworden und so findet man hier auch einige der besten Songs<br />

der Bandgeschichte. Vielleicht war es der Geist des Ingrid Studios in Stockholm, in dem<br />

bereits ABBA einige ihrer Alben aufnahmen, vielleicht war es die erneute Zusammenarbeit<br />

mit Pelle Gunnerfeldt, der sieben der insgesamt elf Songs des Albums produzierte,<br />

vielleicht war es aber auch einfach die Tatsache, dass die Band selbst härter und<br />

länger als zuvor an den Songs arbeitete. Neben den eigenen unverwechselbaren<br />

Stücken sticht vor allem der letzte Song des Albums ›Lost You In A Second‹ heraus.<br />

Dieser Song wurde von Bjorn Dixgard (Mando Diao) für die Band geschrieben, und er<br />

ließ es sich nicht nehmen, das Stück gemeinsam mit Sängerin Cecilia zu singen.<br />

Jörg Windszus<br />

➟ Saal, 20 Uhr<br />

13 MAI fr // lagerhaus<br />

Star Crash – Sterne im Duell<br />

präsentiert von Weird Xperince<br />

Wir geben zu: Es haben schon Leute mit Legosteinen bessere Filme gedreht, und ja,<br />

David Hasselhoffs Schauspielkünste haben im Laufe seiner Karriere auch zugenommen.<br />

Aber hey: Die amerikanisch-italienische Koproduktion ›Star Crash‹ stammt<br />

schließlich aus dem Jahr 1978 und war somit der erste Star-Wars-Ploitation-Film, lange<br />

bevor Walt Disney (›Das schwarze Loch‹) und George Lucas (›Episode I–III‹) auf den<br />

fahrenden Zug aufgesprungen sind. Immerhin ein ›Trash-Spektakel mit beneidenswerter<br />

Lässigkeit und einer auffallenden Nichtachtung von Naturgesetzen‹, wie der<br />

›Time Out Filmguide‹ sich ausdrückt. Neben Hasselhoff und dem Genre-Superstar<br />

Caroline Munro (›Dracula jagt Mini-Mädchen‹) wartet der Film außerdem mit Christopher<br />

Plummer als Imperator auf. Ein Spaß für die ganze Familie.<br />

Jörg Windszus<br />

➟ etage 3, 20 Uhr<br />

18 MAI mi // Schlachthof<br />

Katrin Bauerfeind<br />

Hinten sind Rezepte drin<br />

Katrin Bauerfeind hat die Gabe, unpeinlich zu moderieren. Klingt banal, ist aber in den<br />

letzten Jahren eine rares Phänomen geworden: Menschen im Fernsehen, die reden,<br />

und man hört gerne zu und fühlt sich nicht verarscht. Das Interview mit Christoph<br />

Schlingensief, in dem Bauerfeind 2008 mit dem krebskranken Künstler über das Leben<br />

und den Tod sprach, war von einer traumwandlerischen Stilsicherheit; kein falscher Ton,<br />

das ist im allgemeinen Gekreische nicht selbstverständlich. Im Schlachthof ist Katrin<br />

Bauerfeind mit ihrem neuen Buch ›Hinten sind Rezepte drin. Geschichten, die Männern<br />

nie passieren würden‹ zu Gast. Rezepte stehen nicht drin, dafür aber massig Beobachtungen<br />

über Männer und Frauen. Derartige Bücher schreiben viele, aber wenn man das<br />

von Katrin Bauerfeind liest, kann man sich die anderen sparen. ›Hinten sind Rezepte<br />

drin‹ ist lustiger und klüger als das meiste, was sonst so in diesem Jahr auf dem<br />

Buchmarkt kursiert.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // präsentiert vom Weser Kurier //<br />

Tickets: VVK: € 14,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 17,–


21<br />

24 MAI Di // lagerhaus<br />

Les Yeux d’la Tête<br />

Dancefloor Chansons<br />

›Liberté Chérie‹ – treffender könnte man den Esprit und die Musik von Les Yeux d’la<br />

Tête nicht beschreiben. Das neue Album vermischt gekonnt mitreißende Melodien mit<br />

dem berüchtigten Pariser Spott. Französischer Folk, Chanson, Swing, östliche Klänge,<br />

Rock – Les Yeux d’la Tête bedienen sich wagemutig verschiedener Genres und kreuzen<br />

diese auf brillante Weise mit humorvollen und poetischen Texten. Von ›Dancefloor<br />

Chansons‹ bis hin zu bezaubernden Balladen, Les Yeux d’la Tête wissen, wie man das<br />

Publikum begeistert. Von Paris bis Berlin, von London bis Budapest, mit mehr als 500<br />

Konzerten in nicht weniger als zehn Ländern im Gepäck, geht die Band aus Montmartre<br />

ihren ganz eigenen Weg mit viel Talent und Freigiebigkeit. Es wartet eine lebendige,<br />

aufregende Show, schier überbordend vor liberté, chérie!<br />

Jörg Windszus<br />

➟ Saal, 20.30 Uhr<br />

27 MAI FR // Schlachthof<br />

Chico Trujillo<br />

Kompromisslose Sommermusik<br />

Chico Trujillo gibt es seit 17 Jahren, inzwischen ist die chilenische Band zu einer der<br />

weltweit bekanntesten Cumbia-Bands geworden. Los ging es in der Hafenstadt Valparaiso.<br />

Schon auf dem ersten der bislang acht Alben von Chico Trujillo war eine vielfältige<br />

Musik zu hören, die verschiedene Stile zu einem homogenen Ganzen verband:<br />

ein euphorisierender Mix aus Ska, Punk, chilenischer Folkmusik und Brass-artigen Bläsersätzen.<br />

Es ging schnell nach vorne los, nachdem die achtköpfige Band sich im Handumdrehen<br />

Lokalheldenstatus erspielt hatte, folgten Konzerte auf Festivals wie Loolaplooza<br />

und Roskilde. Mit einem nur schwer übersetzbaren Zitat aus der ›New York Times‹<br />

gesprochen: ›Syncopation, momentum and a way of romping through pain — a party<br />

band needs them all, and Chico Trujillo has them.‹ Manchmal bringt die Band Tänzerinnen<br />

und Tänzer in wüsten Verkleidungen mit auf die Bühne. Man darf gespannt sein.<br />

Kompromisslosere Sommermusik wird man diesem Monat in der Stadt nicht finden.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa und<br />

Weser Kurier // Tickets: VVK: € 16,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 19,–<br />

28 MAI sa // Lagerhaus<br />

Dame<br />

HipHop aus Salzburg<br />

Mit gerade einmal 25 Jahren hat der Salzburger Rapper bereits fünf Alben veröffentlicht.<br />

Bereits das dritte, ›Jetzt wird gezockt‹, enterte die Charts. Dame ist über YouTube<br />

großgeworden, seine Songs veröffentlicht er heute auf dem eigenen Label Damestream<br />

Records – um unabhängig zu sein, wie er sagt. Mit Stücken über Games wie ›World of<br />

Warcraft‹ oder ›Call of Duty‹. Klingt für Menschen, die älter als 30 sind, eventuell abstrus,<br />

aber es funktioniert. Auf demselben Album findet sich mit ›Auf die guten alten<br />

Zeiten‹ eine Hymne auf die Fernsehserien der Neunzigerjahre. Spätestens mit dem<br />

aktuellen Album ›Lebendig begraben‹ hat sich das Themenspektrum erweitert. Die Mischung<br />

aus ohrwurmförmigen Popsong und HipHop-Track überzeugt, Dame beherrscht<br />

die verschiedenen Genres, von der gesungenen Ballade über die erzählte Geschichte<br />

bis zum klassischen Battlerap-Brett; auch wenn er ohne jede Gangsta-Attitüde auskommt.<br />

Also auch für alle die interessant, die das Härte-Getue im deutschen Hip Hop<br />

schon länger fad finden.<br />

Martin Steinert<br />

➟ Saal, 19.30 Uhr


Frei<br />

zeit<br />

22<br />

Projekt Stadt<br />

Offenes Forum<br />

Wie sich die Zeiten ändern.<br />

Raum<br />

ohne<br />

112<br />

ANGST BLEIBT.<br />

0<br />

Vermittlung<br />

theaterSCHLACHTHOF 2016 –<br />

SEX 42<br />

Identitäten<br />

es brennt<br />

dein Theater erfindet sich neu.<br />

1<br />

LICHT<br />

Festival s<br />

37<br />

Schweizer Kanton Nummer 27<br />

Jeden Tag.<br />

Körper<br />

Lokal/National/international<br />

7<br />

Demnächst mehr!<br />

7<br />

MACHT<br />

5<br />

3<br />

4<br />

Das du das selber bewegen kannst<br />

DICH<br />

nicht<br />

ohne<br />

theaterschlachthof.de<br />

Findorff<br />

Bremen<br />

kein Ende in Sicht


APRIL/MAI 2016<br />

lagerhaus<br />

<strong>April</strong><br />

F r01<br />

Benaissa | Konzert | Saal 19.30 Uhr<br />

Sa 02<br />

SPH Bandcontest | Konzert |Saal 18.30 Uhr<br />

Desperate Journalist | Konzert |etage 3, 20.30 Uhr<br />

Mi 06<br />

Jazzetage | Die Session für Jazz und jazzverwandte Musik | etage 3, 21 Uhr<br />

Jochen Distelmeyer 07<br />

Do 07<br />

Fr 08<br />

Jochen Distelmeyer | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Weird Xperience zeigt: Turbo Kid (Can 2015) | Film | etage 3, 20 Uhr<br />

Akua Naru 29<br />

Coffee 07<br />

Sa 09<br />

Di 12<br />

Do 14<br />

Fr 15<br />

Sa 16<br />

Di 19<br />

Mi 20<br />

Do 21<br />

F r22<br />

Sa 23<br />

Di 26<br />

Do 28<br />

Fr 29<br />

Sa 30<br />

Mi 04<br />

Fr 06<br />

Sa 07<br />

Mi 11<br />

Do 12<br />

Fr 13<br />

Sa 14<br />

Fr 20<br />

Di 24<br />

Do 26<br />

Äl Jawala | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Nacht der Gitarren | Brian Gore / Mike Dawes /<br />

Lulo Reinhardt / Andre Krengel | Saal 20 Uhr<br />

Die Efkaka-Improshow | Theater | etage 3, 20 Uhr<br />

Isolation Berlin | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Poetry Slam | Stargast: Bo Wimmer | Saal 20.30 Uhr<br />

Quichotte | Poetry | Saal 19.30 Uhr<br />

V.B.Schulze’s Bernsteinzimmer | Gründungssitzung des CSU-Landesverbandes<br />

Bremen | etage 3, 21 Uhr<br />

Wir müssen reden | taz Salon zum Thema: Ausspioniert | Saal 19 Uhr<br />

9. Bremer HIV-Gespräch | Diskussion | etage 3, 20.30 Uhr<br />

7. Bremer Science Slam | Stargast: Prof. Dr. Albert Baars | Saal 19.30 Uhr<br />

Frank Goosen | Lesung | Saal 19.30 Uhr<br />

Xixa | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Brachenkiste zeigt 100 Jahre Dada | Puppentheater | etage 3, 21 Uhr<br />

Locas In Love – Support: Rats | Konzert | etage 3, 20.30 Uhr<br />

jazzahead! Clubnight: PeccoBillo | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Shantel & Bucovina Club Orkestar | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

U3000 | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Akua Naru | Konzert | Saal 19.30 Uhr<br />

Walpurgistanz in den <strong>Mai</strong> | Konzert und Party | LichtLuftBad 19.30 Uhr<br />

Angelika Express | Konzert | Saal 20 Uhr<br />

Tanz der Kulturen | Party| Kafé und Saal 23 Uhr<br />

<strong>Mai</strong><br />

SPH Bandcontest| Konzert | Saal 18.30 Uhr<br />

Jazzetage | Die Session für Jazz und jazzverwandte Musik | etage 3, 21 Uhr<br />

Die Shittlers | Konzert |Saal 20.30 Uhr<br />

Coffee | Record Release Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

Desert Mountain Tribe | Konzert | etage 3, 20.30 Uhr<br />

Poetry Slam | Poetry | Saal 20.30 Uhr<br />

The Baboon Show| Konzert | Saal 20 Uhr<br />

Weird Xperience zeigt: Star Crash – Sterne im Duell<br />

(IT/USA 1978) | Film | etage 3, 20 Uhr<br />

V.B.Schulze’s Bernsteinzimmer | Shocking Awful – Mit Bildern gegen das<br />

Böse in der Welt – Gäste: The Rosalyn Mansons | etage 3 21 Uhr<br />

Osman Engin| Lesung | Saal 20 Uhr<br />

Les Yeux d’la Tête | Konzert | Saal 20.30 Uhr<br />

San2 & His Soul Patrol | Konzert | Saal 20 Uhr<br />

Montags offene Tanzgelegenheit | ab 20 Uhr Standard & Latein | ab 21.30 Uhr Tango mit dem DJane-Trio Natascha, Nina & Tango Anima<br />

Sa 28<br />

Dame | Konzert | Saal 19.30 Uhr


<strong>April</strong> / <strong>Mai</strong> 2016<br />

schlachthof<br />

Bukahara 12<br />

Sarah Kuttner 29<br />

Fr 01<br />

Sa 09<br />

So 10<br />

Di 12<br />

Sa 16<br />

Do 21<br />

Fr 22<br />

Sa 23<br />

Do 28<br />

Fr 29<br />

Sa 30<br />

<strong>April</strong><br />

Dimple Minds + Gäste | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Live in Bremen – Das Halbfinale<br />

| Bandwettbewerb | Kesselhalle 18 Uhr<br />

Manu Dibango & Soul Makossa Gang | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Bukahara | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

20. Pop & JazzCHOR Festival | Konzert| Kesselhalle 19.30 Uhr<br />

Skiparty | Tanzen | <strong>Magazin</strong>keller 22 Uhr<br />

jazzahead! – Swiss Night | Konzert mit Weird Beard, Elina Duni Quartet,<br />

Plaistow, Luca Sisera Roofer | Kesselhalle ab 20.30 Uhr<br />

jazzahead! – German Jazz Expo | Konzert mit Subtone, Nicole Jo,<br />

Hanno Busch Trio | Kesselhalle ab 14.30 Uhr<br />

jazzahead! – Overseas Night | Konzert mit Laila Biali, Omer Avital,<br />

<strong>Mai</strong>te Hontelé | Kesselhalle ab 20.30 Uhr<br />

jazzahead! – European Jazz Meeting | Konzert mit Shalosh,<br />

Carlos Bica & Azul, Oddarrang | Kesselhalle ab 14.30 Uhr<br />

jazzahead! – European Jazz Meeting | Konzert mit Laura Jurd Dinosaur,<br />

Dans Dans, Minafric Orchestra + Faraualla | Kesselhalle ab 20.30 Uhr<br />

Barbara Ruscher | Comedy | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Sarah Kuttner | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Who Killed Bruce Lee | Konzert |<strong>Magazin</strong>keller 20 Uhr<br />

Gaby Moreno 14<br />

Do 05<br />

Fr 06<br />

Fr 13<br />

Sa 14<br />

Mi 18<br />

So 22<br />

Do 26<br />

Fr 27<br />

Sa 28<br />

<strong>Mai</strong><br />

Mohammad Reza Mortazavi | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Wajd | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Redensart | Konzert | <strong>Magazin</strong>keller 20 Uhr<br />

187 Strassenbande | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Gaby Moreno | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Katrin Bauerfeind | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Schramme11 | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Heinz Strunk | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Chico Trujillo | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

Afterburner | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr<br />

// impressum<br />

Schlachthof<br />

Herausgeber: Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstraße 51, 28215 Bremen, Büro: Mo–Fr: 10–19 Uhr, Fon: 0421/37 7750, Fax: 3777511, <strong>zett</strong>@schlachthof-bremen.<br />

de, Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12–19, 28203 Bremen, Telefon: 0421/701000-0, -fax: 701000-74, Z-<strong>Magazin</strong> im Internet: www.schlachthof-bremen.de Redaktion:<br />

Gudrun Goldmann (V.i.S.d.P.), Jörg Möhlenkamp, Benjamin Moldenhauer, Marlis Schuldt Ausland: Anette Harasimowitsch, Südafrika, Robert Best, Schweiz<br />

Grafische Gestaltung: Jörg Möhlenkamp, Marlis Schuldt Beiträge: Sean-Patric Braun, Heidi Diewald, Arne Helms, Lena Philipp, Joschka Schmitt, Martin Steinert,<br />

Elke Weiß, Katja Wille, Jörg Windszus Fotos/Illustration: Marina Lilienthal (Titel), Lena Stuckenschmidt (Kulturgut), Dennis Dirksen, Philippe Levy,<br />

Michael Schiffhorst, J. Schlenker, Pascal Thiébaut, Eric Weiss Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Druckerei: Girzig & Gottschalk, Bremen.<br />

Z-<strong>Magazin</strong>

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