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Stufe um Stufe in die Freiheit – der Weg aus der Sucht - Grüner Kreis

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MMag. Astrid Stock<br />

Die Motivationsphase folgt auf <strong>die</strong><br />

Zugangs- und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsphase und<br />

dauert sechs Wochen. Steht bei <strong>der</strong> Zugangs-<br />

und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsphase <strong>die</strong><br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den übrigen<br />

BewohnerInnen, den MitarbeiterInnen<br />

sowie <strong>der</strong> Behandlungsstruktur im Vor<strong>der</strong>grund,<br />

<strong>die</strong>nt <strong>die</strong> Motivationsphase<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>tensiven Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

<strong>der</strong> eigenen <strong>Sucht</strong>erkrankung, dem Verstehen<br />

<strong>der</strong> therapeutischen Pr<strong>in</strong>zipien<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Erarbeitung und<br />

Überprüfung von persönlichen Therapiezielen.<br />

Für <strong>die</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong><br />

<strong>Sucht</strong>erkrankung ist es wichtig zu wissen,<br />

dass für <strong>die</strong> Entstehung von <strong>Sucht</strong><br />

nicht e<strong>in</strong>e eigene <strong>Sucht</strong>persönlichkeit<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung ist, son<strong>der</strong>n Eigenart und<br />

Ausmaß von unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen<br />

bed<strong>in</strong>gen, dass e<strong>in</strong>genommene<br />

psychoaktive Substanzen<br />

e<strong>in</strong>e Funktion erhalten, <strong>aus</strong> <strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>e<br />

Abhängigkeit entwickeln kann. Dies gilt<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Menschen mit e<strong>in</strong>er<br />

Un<strong>aus</strong>geglichenheit <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>stellungen<br />

und im Verhalten, speziell im Gefühlsbereich,<br />

im Antrieb, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Impulskontrolle,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrnehmung und im<br />

Denken sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zu an<strong>der</strong>en<br />

Menschen. Diese <strong>in</strong>dividuell unterschiedlichen<br />

Merkmale her<strong>aus</strong>zufiltern<br />

ist e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> therapeutischen Ziele <strong>der</strong><br />

Motivationsphase.<br />

Parallel dazu fällt e<strong>in</strong> wichtiger Teil<br />

<strong>der</strong> Motivationsphase dem Verstehenlernen<br />

<strong>der</strong> therapeutischen Pr<strong>in</strong>zipien zu.<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung für e<strong>in</strong>e effektive Therapie<br />

ist <strong>die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> KlientInnen,<br />

dass wirksame Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

nur geschehen können, wenn sie von e<strong>in</strong>em<br />

selbst <strong>aus</strong>gehen. Ohne den Glauben<br />

<strong>der</strong> Betroffenen an ihre positive Energie<br />

und ohne Aktivierung ihrer eigenen<br />

Dynamik bewegt sich nichts. Gerade<br />

Süchtige haben e<strong>in</strong> zutiefst beschädigtes<br />

Selbstwertgefühl und e<strong>in</strong>e unrealistische<br />

E<strong>in</strong>schätzung ihrer Fähigkeiten<br />

und Möglichkeiten. Sie haben darüber<br />

h<strong>in</strong><strong>aus</strong> nicht gelernt, <strong>die</strong> Verantwortung<br />

für ihre Handlungen und <strong>die</strong> Realisierung<br />

ihrer Trä<strong>um</strong>e zu übernehmen.<br />

Dazu gibt <strong>die</strong> Therapeutische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

e<strong>in</strong>e ideale Hilfestellung. Neben<br />

gruppendynamischen Prozessen geht es<br />

<strong>um</strong> <strong>die</strong> reale Bewältigung von Alltagsangelegenheiten.<br />

Im Detail bedeutet das<br />

<strong>die</strong> Essenszubereitung, Übernahme von<br />

Maßnahmen zur H<strong>aus</strong>re<strong>in</strong>igung, Versorgung<br />

von H<strong>aus</strong>tieren, Planung von<br />

Freizeitgestaltung sowie eigenverantwortliches<br />

Handeln <strong>in</strong> geeigneten Arbeitsbereichen<br />

(Werkstätten). Die Arbeitstherapie<br />

soll den PatientInnen ermöglichen,<br />

für sich e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeit zu f<strong>in</strong>den und <strong>die</strong> notwendige<br />

Ausdauer und Frustrationstoleranz, <strong>die</strong><br />

für e<strong>in</strong> konstantes Arbeitsleben notwendig<br />

s<strong>in</strong>d, zu erlangen.<br />

Die Aufgabe <strong>der</strong> MitarbeiterInnen ist<br />

es hauptsächlich, das Pr<strong>in</strong>zip „Hilfe zur<br />

Selbsthilfe“ zu för<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> kritischen Situationen<br />

geme<strong>in</strong>schaftsorientiert e<strong>in</strong>zugreifen<br />

und konstruktiv zu wirken.<br />

<strong>Sucht</strong>bed<strong>in</strong>gt neigen <strong>die</strong> Abhängigen<br />

auch zur Isolierung <strong>–</strong> z<strong>um</strong> Rückzug auf<br />

sich selbst <strong>–</strong>, obwohl sie gleichzeitig an<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>zelung leiden. Sie sollen jedoch<br />

lernen, sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begegnung mit<br />

an<strong>der</strong>en besser kennen zu lernen und<br />

an<strong>der</strong>e zu verstehen. Die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Betroffener gibt Geborgenheit und ist<br />

zugleich auch e<strong>in</strong> Korrektiv falscher<br />

Selbstbil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> untauglicher Problemlösungsstrategien.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Zeit entsteht<br />

e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong> Zugehörigkeit und<br />

Verbundenheit mit den an<strong>der</strong>en. Die Be-<br />

International Sport Reportage<br />

Kreativität Kol<strong>um</strong>ne Ankündigung<br />

Psychotherapie im „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />

Die Motivationsphase<br />

ziehungen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gew<strong>in</strong>nen an<br />

Bedeutung, was zu e<strong>in</strong>er stärkeren Identifikation<br />

mit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft führt<br />

und durch <strong>die</strong> Internalisierung von Werten<br />

e<strong>in</strong>en weiteren Schutz vor Rückfall<br />

bedeutet. Das stärkt im Weiteren <strong>die</strong><br />

Motivation, den begonnenen <strong>Weg</strong> erfolgreich<br />

fortzusetzen.<br />

Schließlich kommt <strong>der</strong> Erarbeitung<br />

und Überprüfung von Zielen e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Bedeutung zu. E<strong>in</strong>e Klärung<br />

und fortlaufende Überprüfung von Therapiezielen<br />

ist e<strong>in</strong> wichtiges Element <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeit von PatientIn und TherapeutIn.<br />

Liegt zwischen dem Therapieziel<br />

des/<strong>der</strong> Therapeuten/<strong>in</strong> und dem<br />

des/<strong>der</strong> Patienten/<strong>in</strong> Kongruenz vor, hat<br />

Therapie reale Chancen. An<strong>der</strong>nfalls erhält<br />

Therapie e<strong>in</strong>e Alibifunktion.<br />

Das abschließende Ziel <strong>der</strong> Motivationsphase<br />

ist <strong>der</strong> Motivationsmarsch, <strong>der</strong><br />

gleichzeitig <strong>der</strong> erste unbegleitete Ausgang<br />

während <strong>der</strong> Behandlung ist und <strong>in</strong><br />

Form e<strong>in</strong>er Wan<strong>der</strong>ung zu e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

E<strong>in</strong>richtung des Vere<strong>in</strong>s aufgenommen<br />

wird. Primarius Günter Pernhaupt, <strong>der</strong><br />

Grün<strong>der</strong> des Vere<strong>in</strong>s „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“, hat<br />

<strong>die</strong>sen <strong>in</strong> Anlehnung an rituelle Wan<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>aus</strong>tralischer Ure<strong>in</strong>wohnerInnen<br />

nachempfunden.<br />

Text und Fotos: MMag. Astrid Stock,<br />

Pädagog<strong>in</strong>, Kl<strong>in</strong>ische und Gesundheitspsycholog<strong>in</strong>,<br />

Johnsdorf<br />

Seite 9<br />

Sommer2005

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