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Stufe um Stufe in die Freiheit – der Weg aus der Sucht - Grüner Kreis

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Ankündigung Kol<strong>um</strong>ne Kreativität Reportage Sport International<br />

Markus M.: Me<strong>in</strong>e Entwicklung<br />

Me<strong>in</strong> Name ist Markus M. und ich<br />

b<strong>in</strong> seit 12. Februar 2004 beim „Grünen<br />

<strong>Kreis</strong>“. Me<strong>in</strong> erster Kontakt mit Alkohol<br />

war im Alter von 14 Jahren, gefolgt von<br />

Cannabis mit 15 und Hero<strong>in</strong> mit 16 Jahren<br />

durchgehend bis z<strong>um</strong> 24. Lebensjahr. Ich<br />

habe vier Vorstrafen und b<strong>in</strong> auf Weisung<br />

vom Gericht auf Therapie.<br />

Die Konfrontations- und Aufarbeitungsphase<br />

begann bei mir erst nach sechs<br />

Monaten, genauer gesagt nach me<strong>in</strong>em<br />

ersten Halbtages- bzw. Tages<strong>aus</strong>gang. Die<br />

Zeit vorher war geprägt von Abbruchgedanken,<br />

Überlegungen, wie ich es schaffen<br />

könnte, Drogen <strong>in</strong>s H<strong>aus</strong> zu schmuggeln,<br />

Verschlossenheit und Angepasstheit.<br />

Nach <strong>der</strong> Absolvierung des Motivationsmarsches<br />

begann ich, <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte<br />

me<strong>in</strong>er <strong>Sucht</strong> zu bearbeiten.<br />

Me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit bis z<strong>um</strong> 12. Lebensjahr<br />

und <strong>die</strong> ständigen Trennungen <strong>der</strong> Eltern<br />

durch <strong>die</strong> Alkoholsucht des Vaters prägten<br />

me<strong>in</strong> weiteres Leben. Viele me<strong>in</strong>er jetzigen<br />

Verhaltensmuster entstanden <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Zeit. Me<strong>in</strong>e Eltern lebten mir nichts an<strong>der</strong>es<br />

vor und ich kannte ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mittel<br />

zur Problemlösung außer Alkohol und<br />

später Drogen, <strong>um</strong> Schwierigkeiten e<strong>in</strong>fach<br />

zu verdrängen und <strong>um</strong> sie gar nicht<br />

erst anzusprechen. Ab dem 12. Lebensjahr<br />

wohnte ich bei me<strong>in</strong>er Großmutter, <strong>die</strong><br />

sich sehr fürsorglich <strong>um</strong> mich kümmerte<br />

und mir all das bieten konnte, was me<strong>in</strong>e<br />

Eltern versä<strong>um</strong>t hatten. Im Alter von 15<br />

Jahren setzte ich immer mehr me<strong>in</strong>en Kopf<br />

durch und <strong>der</strong> Absturz <strong>in</strong> <strong>die</strong> Drogenszene<br />

nahm, trotz Warnungen me<strong>in</strong>er Großmutter,<br />

se<strong>in</strong>en Lauf.<br />

Ich begann mit <strong>der</strong> H<strong>in</strong>terfragung, ob<br />

für mich nach <strong>der</strong> Therapie e<strong>in</strong> Kontakt zu<br />

me<strong>in</strong>en Eltern möglich wäre. Nach e<strong>in</strong>em<br />

klärenden Gespräch mit me<strong>in</strong>em Vater<br />

hatte ich große Hoffnung, dass <strong>der</strong> Kontakt<br />

möglich wäre, doch schon kurze Zeit<br />

später wurde ich sehr enttäuscht. Me<strong>in</strong><br />

Vater brach se<strong>in</strong>e bereits 4. Therapie ab<br />

und begann wie<strong>der</strong> zu tr<strong>in</strong>ken. Lange Zeit<br />

machte ich mir immer wie<strong>der</strong> neue Hoffnungen,<br />

dass er sich bessern würde, aber<br />

ich fand mich schließlich damit ab, dass<br />

er und auch me<strong>in</strong>e Mutter weiterh<strong>in</strong> so leben<br />

würden, wie sie es bisher getan hatten.<br />

Sommer2005 Seite 2<br />

Für mich war damit klar, dass <strong>der</strong> Kontakt<br />

zu ihnen nur schwer möglich se<strong>in</strong> würde,<br />

da <strong>die</strong> Beziehung zu ihnen <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren nur dar<strong>in</strong> bestand, geme<strong>in</strong>sam zu<br />

tr<strong>in</strong>ken und manchmal auch Cannabis<br />

zu rauchen. Die Gespräche waren auch<br />

nur oberflächlich und ernste Themen gab<br />

es nie. Die Gefahr für mich bestand dar<strong>in</strong>,<br />

dass mir <strong>der</strong> Kontakt so wichtig war, so<br />

dass ich mich selbst als gefährdet e<strong>in</strong>stufte,<br />

da ich draußen wahrsche<strong>in</strong>lich mit ihnen<br />

getrunken o<strong>der</strong> geraucht hätte, <strong>um</strong> auch<br />

nur e<strong>in</strong>en oberflächlichen Kontakt herzustellen.<br />

Zurzeit habe ich zwar schon noch<br />

Kontakt zu ihnen, aber für mich ist mittlerweile<br />

sehr klar, dass sie sich nicht mehr än<strong>der</strong>n<br />

werden.<br />

Auch erkannte ich, dass mich <strong>der</strong> Kontakt<br />

zu me<strong>in</strong>en Eltern zu <strong>in</strong>tensiv mit me<strong>in</strong>er<br />

<strong>Sucht</strong>zeit verb<strong>in</strong>det, gen<strong>aus</strong>o wie <strong>der</strong><br />

Kontakt zu me<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong>, <strong>die</strong> ebenfalls<br />

auf Therapie beim „Grünen <strong>Kreis</strong>“ ist.<br />

Nach ungefähr sechs Monaten Aufenthalt<br />

hatte ich <strong>die</strong> Möglichkeit, mit ihr zusammen<br />

zu ziehen und geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e<br />

Paartherapie am Marienhof zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

Im letzten Augenblick entschied ich<br />

mich aber dagegen, da ich mir me<strong>in</strong>er Gefühle<br />

ihr gegenüber nicht mehr sicher war.<br />

E<strong>in</strong>e Trennung nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />

Leben am Marienhof wäre sicher sehr<br />

schwer zu verarbeiten gewesen, aber auch<br />

das E<strong>in</strong>gebundense<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> H<strong>aus</strong>strukturen<br />

und <strong>der</strong> Bezug zur Geme<strong>in</strong>schaft waren<br />

<strong>die</strong> Hauptgründe für me<strong>in</strong>e Entscheidung,<br />

<strong>die</strong> Therapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Villa fortzusetzen.<br />

Im Dezember 2004 kam es nach langem<br />

H<strong>in</strong> und Her dann zur endgültigen<br />

Trennung. Ich war <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sich für<br />

<strong>die</strong> Trennung entschieden hatte. Die Beziehung<br />

entstand <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er „Giftzeit“ und<br />

ich spürte, dass me<strong>in</strong>e Gefühle zu ihr nicht<br />

mehr so wie damals waren. Die Beziehung<br />

hier während <strong>der</strong> Therapie zu beenden,<br />

war für uns beide das Beste, da wir seit <strong>der</strong><br />

Trennung viel mehr Zeit haben, <strong>um</strong> uns<br />

mehr auf uns selbst zu konzentrieren.<br />

Nachdem ich <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte<br />

me<strong>in</strong>er <strong>Sucht</strong> nun erkannt und<br />

verstanden hatte und mich auch von den<br />

Kontakten, <strong>die</strong> mich mit me<strong>in</strong>er <strong>Sucht</strong>zeit<br />

stark verbanden, zu trennen versuchte,<br />

Markus M.<br />

wurde ich eigenverantwortlicher und auch<br />

selbstständiger. Ich übernahm verantwortungsvolle<br />

Funktionen im H<strong>aus</strong> und<br />

me<strong>in</strong>e Entwicklung, vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeits-<br />

und E<strong>in</strong>zeltherapie, setzte sich fort.<br />

Me<strong>in</strong>e Verschlossenheit und Angepasstheit<br />

legte ich z<strong>um</strong> größten Teil ab und <strong>der</strong><br />

Kontakt zu den Mitpatienten wurde auch<br />

besser.<br />

Me<strong>in</strong>e Ausgänge, <strong>die</strong> Arbeitstherapie,<br />

<strong>die</strong> Konfrontationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zeltherapie<br />

sowie das Vertrauen, das ich zu me<strong>in</strong>er<br />

Therapeut<strong>in</strong> gew<strong>in</strong>nen konnte, halfen<br />

mir am meisten bei me<strong>in</strong>er Entwicklung.<br />

Nicht zu vergessen ist <strong>die</strong> Unterstützung<br />

me<strong>in</strong>er Großmutter, <strong>die</strong> nach wie vor voll<br />

h<strong>in</strong>ter mir steht.<br />

Nach e<strong>in</strong>em Jahr Aufenthalt machte<br />

ich mir Gedanken über me<strong>in</strong>e berufliche<br />

Entwicklung und Zukunft. Noch vor<br />

dem Besuch e<strong>in</strong>es Berufsorientierungskurses<br />

bekam ich von me<strong>in</strong>er H<strong>aus</strong>leiter<strong>in</strong><br />

den Gedankenanstoß zu e<strong>in</strong>er Anstellung<br />

beim Vere<strong>in</strong> als H<strong>aus</strong>arbeiter. Das<br />

kam überraschend, aber ich entschied<br />

mich dafür. Ich sehe es als Chance, mich<br />

weiter zu entwickeln und auch, <strong>um</strong> mich<br />

mehr zu stabilisieren. Auf me<strong>in</strong>en Ausgängen<br />

fühle ich noch, dass ich nach e<strong>in</strong> paar<br />

Stunden sehr unsicher werde. Aufgrund<br />

me<strong>in</strong>es sehr schlechten Therapiebeg<strong>in</strong>ns<br />

merke ich, dass mir <strong>die</strong> Zeit fehlt, <strong>die</strong> ich<br />

anfangs vergeudet habe. Je näher das Therapieende<br />

rückt, desto schneller verr<strong>in</strong>nt<br />

<strong>die</strong> Zeit. Mit <strong>der</strong> Anstellung habe ich noch<br />

12 Monate mehr Zeit, <strong>um</strong> mich nach außen<br />

zu orientieren, mit <strong>der</strong> Sicherheit bzw.<br />

mit dem Rückhalt <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft hier.<br />

Me<strong>in</strong>e Entwicklung <strong>der</strong> letzten Monate<br />

wurde mit dem Erreichen des Aspirantenstatus<br />

bestätigt. Durch <strong>die</strong> mit dem Aspiranten<br />

verbundenen neuen Aufgaben und<br />

Verantwortungen wird sich me<strong>in</strong> Lernprozess<br />

<strong>der</strong> letzten Monate fortsetzen.<br />

Text: Markus M., Villa<br />

Foto: Thomas Monsche<strong>in</strong>, Villa

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