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Laktation_und_Stillen_2016-2 DE Web S1-9

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<strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong><br />

Zeitschrift der Europäischen <strong>Laktation</strong>sberaterinnen Allianz • www.elacta.eu • ISSN 1614-807x<br />

AUS <strong>DE</strong>R PRAXIS<br />

Ein schwieriger Start<br />

mit gutem Ende – Seite 7<br />

TITELTHEMA<br />

Das zu kurze<br />

Zungenband – Seite 14<br />

WISSENSCHAFT<br />

<strong>Stillen</strong> <strong>und</strong> Kariesrisiko –<br />

Seite 23<br />

2 • <strong>2016</strong> 29. Jahrgang<br />

Foto: Field exchange 48


2<br />

EDITORIAL<br />

EDITORIAL<br />

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Die Herstellung einer Zeitschrift braucht Zeit, meist beginnt die Produktion<br />

der neuen Ausgabe schon lange vor dem Erscheinen der vorherigen Ausgabe.<br />

Wenn Sie dieses Magazin in den Händen halten, wird also der ELACTA-Kongress<br />

hinter uns liegen <strong>und</strong> ELACTA wird bereits einen neuen Vorstand <strong>und</strong> eine neue<br />

Präsidentin haben. Über die Generalversammlung, den neuen Vorstand <strong>und</strong> die<br />

neue Präsidentin werden wir in der Ausgabe 3/16 ausführlich berichten.<br />

Dies wird also mein letztes Editorial für L&S. Ich bleibe zwar dem Redaktionsteam<br />

erhalten, es ist allerdings an der Zeit, mich als Präsidentin zu verabschieden <strong>und</strong><br />

mich bei all jenen zu bedanken, welche unsere Arbeit für ELACTA in den letzten<br />

beiden Jahren <strong>und</strong> davor bereichert haben. Einen herzlichen Dank an meine<br />

sechs Vorstandskolleginnen (Karin, Juanita, Mirjam, Heli, Renata <strong>und</strong> Maja),<br />

an die Mitglieder der Landesverbände <strong>und</strong> insbesondere deren Präsidentinnen<br />

(seit Kurzem haben wir auch einen Herren in der Präsidentenr<strong>und</strong>e), an das<br />

Redaktionsteam, welches mit Herz <strong>und</strong> Hirn intensiv an <strong>Laktation</strong> <strong>und</strong> <strong>Stillen</strong><br />

arbeitet, an jene Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen, die ich bei der Vorbereitung auf den<br />

Kongress in Athen näher kennenlernen durfte, <strong>und</strong>, <strong>und</strong>, <strong>und</strong>,…<br />

Ich bedanke mich für bewegende Begegnungen mit Euch, unglaublich viel neues<br />

Wissen, für den Einblick in die Arbeit von IBCLCs <strong>und</strong> die Situation der von<br />

ihnen betreuten Familien in ganz Europa. Neue Netzwerke wurden gebildet <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>schaften geknüpft.<br />

ELACTA vereint mittlerweile 21 IBCLC-Landesverbände aus ganz Europa.<br />

Außerdem arbeiten IBCLCs in den unterschiedlichsten Berufsfeldern. Am<br />

Kongress in Athen konnten wir eine interessante Mischung aus Erfahrungen,<br />

Wissen <strong>und</strong> Herangehensweisen zu den unterschiedlichsten Stillberatungsthemen<br />

erfahren.<br />

Auch diese Ausgabe von <strong>Laktation</strong> <strong>und</strong> <strong>Stillen</strong> zeigt uns, am Thema Zungenband,<br />

wie vielseitig wir uns dem Problem <strong>und</strong> seiner Lösung nähern können. Dr. Daniela<br />

Karall, IBCLC, Österreich, <strong>und</strong> Márta Guóth-Gumberger, IBCLC, Deutschland,<br />

führen uns in die Diagnostik <strong>und</strong> Behandlung, insbesondere die operative Behandlung<br />

des Zungenbandes ein. Myrte van Lonkhuijsen, IBCLC, Holland, zeigt in<br />

ihrem Artikel weitere praktische Wege auf, wie wir als IBCLCs bei Stillproblemen,<br />

verursacht durch das Zungenband, unterstützen können. Und zu guter Letzt berichtet<br />

eine Mutter aus ihren eigenen schmerzhaften Stillerfahrungen <strong>und</strong> dem<br />

schwierigen Weg, eine entsprechende Behandlung zu finden.<br />

Passend zum Thema M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit gibt uns Dr. Zsuzsa Bauer ein Update zur<br />

wissenschaftlichen Evidenz von <strong>Stillen</strong> <strong>und</strong> Karies.<br />

Auch das Thema Stillbegleitung bei Flüchtlingsfamilien begleitet uns weiter, dem<br />

berührenden Interview mit Martina Tomić Latinac ist wohl nichts hinzuzufügen.<br />

Lassen Sie uns hoffen, dass solche Berichte bald nur mehr geschichtlichen Wert<br />

haben.<br />

Wie immer wünsche ich Ihnen ein gutes Leseerlebnis. Das Team von <strong>Laktation</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Stillen</strong> freut sich jederzeit über Leserbriefe, Artikel <strong>und</strong> Berichte aus unseren<br />

Mitgliederländern.<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />

Andrea Hemmelmayr, IBCLC<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

ELACTA Europäische<br />

<strong>Laktation</strong>sberaterinnen Allianz<br />

www.elacta.eu<br />

E-Mail: magazin@elacta.eu<br />

ZVR-Nr.: 708420941<br />

ELACTA Präsidentin:<br />

Karin Tiktak, IBCLC<br />

president@elacta.eu<br />

Redaktionelle Leitung <strong>und</strong><br />

Projektkoordination:<br />

Eva Bogensperger-Hezel, IBCLC<br />

E-Mail: magazin@elacta.eu<br />

Mitarbeiterinnen:<br />

Andrea Hemmelmayr, IBCLC<br />

Stefanie Frank, IBCLC<br />

Elke Cramer, Ärztin, IBCLC<br />

Kathrin Meier, IBCLC<br />

Bärbel Waldura, IBCLC<br />

Zsuzsa Bauer, Dr. phil<br />

Márta Gúoth-Gumberger, IBCLC<br />

Gudrun von der Ohe, Ärztin,<br />

IBCLC<br />

Übersetzungen:<br />

Márta Gúoth Gumberger, IBCLC<br />

Elizabeth Hormann, IBCLC<br />

Annika Cramer, Martina Hezel,<br />

Vera Bogensperger<br />

Einzelabonnements:<br />

E-Mail: abobestellung@elacta.eu<br />

Jahresabonnement: 41 €<br />

Einzelnummer: 12 €<br />

Fotos: © siehe Bilder;<br />

Titelfoto: iStock<br />

Layout: Christoph Rossmeissl<br />

Produktion: EinDRUCK<br />

Auflage: 2.500 Stück<br />

Erscheinungsweise 4-mal<br />

jährlich, jeweils Ende März, Juni,<br />

September <strong>und</strong> Dezember<br />

Redaktionsschluss: 15. Januar,<br />

15. April, 15. Juli, 15. Oktober<br />

Leserbriefe<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig.<br />

Leserbriefe schicken Sie bitte<br />

an folgende E-Mail:<br />

magazin@elacta.eu<br />

www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • <strong>2016</strong>


INHALT<br />

3<br />

2 EDITORIAL<br />

4 LESERBRIEFE<br />

5 HANDOUT<br />

7 AUS <strong>DE</strong>R PRAXIS<br />

Ein schwieriger Start mit gutem Ende<br />

Stillförderung für syrische<br />

Flüchtlingsmütter in Kroatien<br />

Die Folgen des Nicht-<strong>Stillen</strong>s im<br />

Flüchtlingslager in Kroatien<br />

13 RUBRIK „OHNE WORTE“<br />

14 TITELTHEMA<br />

Das zu kurze Zungenband<br />

Schneiden oder nicht schneiden?<br />

20 ELACTA-NACHRICHTEN<br />

9. ELACTA-Stillkongress in Athen ist<br />

Geschichte<br />

21 BUCHBESPRECHUNG<br />

Breastfeeding<br />

Das kleine Kaninchen, das so gerne<br />

einschlafen möchte<br />

23 WISSENSCHAFT<br />

<strong>Stillen</strong> <strong>und</strong> Kariesrisiko<br />

28 AUS <strong>DE</strong>N LAN<strong>DE</strong>SVERBÄN<strong>DE</strong>N: BDL<br />

Schmerz, lass nach!<br />

BDL-Regionaltreffen<br />

BDL-Kurznachrichten<br />

33 AUS <strong>DE</strong>N LAN<strong>DE</strong>SVERBÄN<strong>DE</strong>N: VSLÖ,<br />

SWILACTA<br />

Aktuelles vom VSLÖ<br />

Aktuelles von SwiLacta<br />

34 BUCHBESPRECHUNG<br />

Schlaf gut, Baby<br />

35 AKTUELLES – EUROPÄISCHES<br />

INSTITUT FÜR STILLEN UND<br />

LAKTATION


<strong>Laktation</strong> <strong>und</strong> <strong>Stillen</strong> 2015-4 Druck.indd 20 25.11.15 08:07<br />

4<br />

LESERBRIEFE<br />

Saughütchen <strong>und</strong> verkürzte Stilldauer – gibt es einen kausalen<br />

Zusammenhang?<br />

Leserbrief zum Artikel „Beeinflusst die Verwendung von Saughütchen die Stilldauer?“<br />

Bezugnehmend auf die Analyse der<br />

Daten „Säuglingsernährung heute,<br />

2006“ im Zusammenhang mit der Verwendung<br />

von Stillhütchen (<strong>Laktation</strong><br />

& <strong>Stillen</strong>, 2015/4, S. 20–24) <strong>und</strong> den<br />

daraufhin veröffentlichten Leserbrief<br />

von Frau Dr. phil. Zsuzsa Bauer<br />

(<strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong>, <strong>2016</strong>/1, S. 4) zum<br />

o.g. Artikel möchte ich zur Thematik<br />

Folgendes ergänzen:<br />

Herzlichen Dank an Frau Dr. Bauer für den<br />

unerlässlichen Blick auf den kausalen Zusammenhang<br />

<strong>und</strong> die wertschätzende <strong>und</strong><br />

professionelle Analyse des Studiendesigns.<br />

Ich fühlte mich in jeder ihrer überaus gelungenen<br />

<strong>und</strong> kompetenten Ausführungen<br />

in meiner Einschätzung bestätigt.<br />

Seit mehreren Wochen liegt der Artikel<br />

auf meinem Schreibtisch <strong>und</strong> wurde im<br />

Rahmen einer vertieften Auseinandersetzung<br />

mit wissenschaftlichem Arbeiten<br />

immer wieder als Beispiel zur Hand genommen<br />

<strong>und</strong> analysiert. Er gab Anlass<br />

zu vielen inhaltlichen als auch formellen<br />

Diskussionen mit Berufskolleginnen im<br />

klinischen Alltag.<br />

Selbstverständlich ist sind die kritische<br />

Indikationsstellung der Anwendung von<br />

Stillhütchen <strong>und</strong> die Kenntnisse über die<br />

Folgen der Wahl für jede professionell<br />

tätige Still- <strong>und</strong> <strong>Laktation</strong>sberaterin IBCLC<br />

Pflicht, ebenso wie das Bewusstsein der<br />

damit verb<strong>und</strong>enen möglichen verkürzten<br />

Stilldauer. Zur aufwendigen Datenanalyse<br />

wurden im Artikel einige wichtige Hinweise<br />

geliefert.<br />

Im gesamten Kontext zum Gebrauch <strong>und</strong><br />

der kontroversen Diskussion über „Pro<br />

<strong>und</strong> Contra” des Stillhütchens wird aber<br />

ein ganz entscheidender Faktor immer<br />

wieder zu wenig berücksichtigt, nämlich<br />

dass der Gebrauch eines Stillhütchens der<br />

Mutter-Kind-Dyade zu einem Stück mehr<br />

Selbstwirksamkeit verhilft, weil <strong>Stillen</strong><br />

dadurch erst möglich wird. In meiner<br />

beruflichen Praxis als Stillbeauftragte<br />

20<br />

WISSENSCHAFT<br />

Beeinflusst die Verwendung von<br />

Saughütchen die Stilldauer?<br />

Analyse der Daten „Säuglingsernährung heute, 2006“. Do Nipple Shields influence Breastfeeding?<br />

– Analysis of the Austrian study “infant feeding today, 2006”, Autorin: Dr. Beate Pietschnig für die Österreichische<br />

Stillkommission des Obersten Sanitätsrates, (2004–2010)<br />

ZUSAMMENFASSUNG:<br />

Hintergr<strong>und</strong><br />

Saughütchen werden häufig bei Stillbeginn<br />

als Hilfestellung bei w<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> auffälligen Brustwarzen empfohlen.<br />

Sie sollen dazu beitragen, das<br />

<strong>Stillen</strong> zu ermöglichen, wenngleich die<br />

Daten diesbezüglich sehr widersprüchlich<br />

sind. Ziel der Studie war es , die<br />

Auswirkungen von Saughütchen auf<br />

die Stilldauer zu untersuchen.<br />

Material <strong>und</strong> Methoden<br />

Im Rahmen der Umfrage „Säuglingsernährung<br />

heute, 2006“ wurden Daten<br />

zur Verwendung von Saughütchen in<br />

Relation zur Stilldauer <strong>und</strong> zum Gewichtsverlauf<br />

der Säuglinge erhoben<br />

<strong>und</strong> analysiert.<br />

Ergebnisse<br />

719 Mütter von 728 Kindern aus ganz<br />

Österreich wurden 3, 6 <strong>und</strong> 12 Monate<br />

nach der Geburt befragt. 25 % der 719<br />

Mütter erhielten postpartal ein Saughütchen,<br />

52,7 % davon wegen schmerzender<br />

Brustwarzen. Säuglinge, die<br />

anfangs mit Saughütchen gestillt worden<br />

waren, zeigten signifikant kürzere<br />

Zeiten des Voll- <strong>und</strong> Teilstillens. Die<br />

Gewichtsverläufe der Kinder wiesen<br />

keine signifikanten Unterschiede auf.<br />

Schlussfolgerung<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass Stillhütchen<br />

die Stilldauer nachteilig beeinflussen.<br />

Vom unkritischen <strong>und</strong> unbegleiteten<br />

Gebrauch von Saughütchen<br />

ist daher abzuraten.<br />

KEYWORDS:<br />

› <strong>Stillen</strong><br />

› Stillberatung<br />

› Saughütchen<br />

› Stillhütchen<br />

› Stilldauer<br />

usschließliches <strong>Stillen</strong> während<br />

A der ersten etwa sechs Monate wird<br />

national <strong>und</strong> international empfohlen.<br />

1, 6, 9, 10, 24 Dies auch vor dem Hintergr<strong>und</strong>,<br />

dass <strong>Stillen</strong> zu den effektivsten<br />

ges<strong>und</strong>heitsfördernden Maßnahmen<br />

im Ges<strong>und</strong>heitssystem gehört. 4<br />

Der Gebrauch von Saughütchen, auch<br />

Stillhütchen oder Brusthütchen genannt,<br />

wird zur Behandlung oder Vermeidung von<br />

Schmerzen <strong>und</strong> w<strong>und</strong>en Brustwarzen <strong>und</strong><br />

zur Erleichterung des Anlegens empfohlen.<br />

Insbesondere, wenn anatomische Veränderungen<br />

der Brustwarze vorliegen, wie etwa<br />

Hohl- oder Flachwarzen, können sie dazu<br />

beitragen, das <strong>Stillen</strong> überhaupt erst zu ermöglichen.<br />

Andererseits können sie selbst zu Stillproblemen<br />

führen.<br />

Stillberaterinnen beobachten, dass<br />

Mütter im Krankenhaus in den ersten<br />

Tagen vielfach Saughütchen unkritisch<br />

<strong>und</strong> ohne eingehende Information erhalten.<br />

In der Literatur finden sich wenige <strong>und</strong><br />

sehr widersprüchliche Angaben zu Nutzen<br />

<strong>und</strong> Risiken der Saughütchen. Obwohl<br />

es echte Indikationen (Hohlwarzen) <strong>und</strong><br />

relative Indikationen (z.B. Flachwarzen,<br />

manchmal Frühgeborene) zur Verwendung<br />

von Saughütchen gibt, zeigt sich in der<br />

Praxis, dass Saughütchen oft auch ohne<br />

spezifische Indikation empfohlen werden.<br />

Ein früheres Zufüttern <strong>und</strong> Abstillen der<br />

Kinder, die mit Saughütchen das <strong>Stillen</strong> beginnen,<br />

wurde vermutet.<br />

Um diese Frage zu evaluieren wurde in<br />

der Erhebung „Säuglingsernährung heute,<br />

2006“, die im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der Österreichischen<br />

Stillkommission durchgeführt wurde,<br />

gezielt die Frage nach der Verwendung<br />

von Saughütchen in den ersten Lebenstagen<br />

gestellt.<br />

www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 4 • 2015<br />

IBCLC eines „Babyfriendly Hospital” in der<br />

Schweiz mit mehr als 1000 Geburten jährlich,<br />

bemerke ich immer wieder den positiv<br />

ambitionierten, aber meiner Meinung<br />

nach falschen Ehrgeiz, ein Mutter-Kind-<br />

Paar vom Stillhütchen entwöhnen zu<br />

wollen, obwohl das Stillmanagement sehr<br />

gut funktioniert.<br />

Es mag sein, dass wir als Stillberaterin auf<br />

dem Wochenbett oder als freischaffende<br />

nachbetreuende Hebamme Mutter <strong>und</strong><br />

Kind mit unserer Unterstützung zu einem<br />

gelungenen Latch-on verhelfen können,<br />

aber was passiert, wenn es Mutter <strong>und</strong><br />

Kind ohne unsere Unterstützung <strong>und</strong><br />

trotz noch so professioneller Beratung<br />

nicht schaffen, das Kind z.B. im häuslichen<br />

Setting regelrecht anzusetzen? Manch eine<br />

mag nun denken, na ja, man muss es halt<br />

richtig machen <strong>und</strong> sicher hat dieser Einwand<br />

seine Berechtigung, aber die Realitäten<br />

zeigen sich im Alltag häufig von einer<br />

anderen Seite. Und jede, welche in einem<br />

24-St<strong>und</strong>enbetrieb einer Klinik (<strong>und</strong> eben<br />

nicht nur während einer Einzelberatung)<br />

Mutter <strong>und</strong> Kind über mehrere Tage<br />

nach dem Bezugspflegesystem (Primary<br />

Nursing) in allen Schichten betreut, kennt<br />

die Situationen, in denen man trotz aller<br />

Interventionen <strong>und</strong> Bemühungen ohne<br />

den Einsatz eines Stillhütchens nicht zum<br />

Ziel gelangt: Dem Ziel, Mutter <strong>und</strong> Kind<br />

zu einer gelingenden Stillbeziehung zu<br />

verhelfen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> würde ich<br />

auch nicht für ein positives Ethikvotum zu<br />

experimentellen Studien über die Untersuchung<br />

der Auswirkung des Stillhütchens<br />

auf die Stilldauer plädieren, da es faktisch<br />

bedeuten würde, Mutter-Kind-Paaren eine<br />

sinnvolle Intervention vorzuenthalten.<br />

Einige Frauen in meinem stillberaterischen<br />

Alltag kommen mit Milchstau oder<br />

Mastitiden in die ambulante Beratung,<br />

weil eben dem häuslichen Setting durch die<br />

Nachsorgerinnen zu wenig Beachtung geschenkt<br />

wird. Der Einsatz des Stillhütchens<br />

hat nach meiner persönlichen Erfahrung<br />

<strong>und</strong> Ansicht auch eine Art rehabilitativen<br />

Charakter nach dem Motto: „Hilf mir es<br />

selbst zu tun!”<br />

Verwiesen sei in der Diskussion um das<br />

Stillhütchen auf ein im Oktober 2015<br />

publiziertes Review: „The use of nipple<br />

shields: a review“, Chow et al.; doi:10.3389/<br />

fpubh.2015.00236.<br />

Dieses Review wurde durchgeführt, um<br />

die Evidenz <strong>und</strong> Outcomes, welche mit<br />

dem Gebrauch des Stillhütchens assoziiert<br />

werden, zu evaluieren.<br />

Claudia Wronski El Awamry<br />

Pflegefachfrau HF<br />

Still- <strong>und</strong> <strong>Laktation</strong>sberaterin IBCLC am<br />

„Babyfriendly Hospital“ Spital Limmattal,<br />

Schweiz<br />

www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • <strong>2016</strong>


Quelle: www.elacta.eu/de/ausgabe-2-<strong>2016</strong>.html<br />

HANDOUT<br />

BDL – Berufsverband<br />

Deutscher <strong>Laktation</strong>sberaterinnen<br />

IBCLC<br />

www.bdl-stillen.de<br />

VSLS Association of<br />

South Tyrolean/Italian<br />

Lactation Consultants/<br />

IBCLC<br />

www.stillen.it<br />

VSLÖ – Verband der<br />

Still- <strong>und</strong> Lakationsberaterinnen<br />

Österreichs<br />

www.stillen.at<br />

www.elacta.eu<br />

Was ist Baby-led weaning (BLW)?<br />

Baby-led weaning ist die breifreie Beikosteinführung, bei der Babys von Anfang an alleine<br />

essen. Das Baby sitzt mit der Familie am Tisch <strong>und</strong> wenn es soweit ist, fängt es von selbst<br />

an zu essen; erst mit den Händen <strong>und</strong> später mit Besteck.<br />

Baby-led weaning:<br />

› lässt Babys Geschmack, Farben, Geruch<br />

<strong>und</strong> Beschaffenheit von Essen<br />

erfahren<br />

› fördert Unabhängigkeit <strong>und</strong> Selbstvertrauen<br />

› hilft ihnen, ihre Augen-Hand-<br />

Koordination zu entwickeln <strong>und</strong><br />

Kauen zu üben<br />

› macht wählerisches Ess verhalten<br />

<strong>und</strong> Streit beim Essen unwahrscheinlicher<br />

Alle ges<strong>und</strong>en Babys können mit circa<br />

sechs Monaten anfangen alleine zu essen,<br />

wenn sie die Möglichkeit dazu haben.<br />

Warum Baby-led weaning?<br />

Es lehnt sich an die normale Entwicklung<br />

der Babys im ersten Lebensjahr<br />

an.<br />

Das Immun- <strong>und</strong> Verdauungssystem<br />

der Babys ist erst mit circa<br />

sechs Monaten reif für feste Nahrung.<br />

Muttermilch (oder Flaschenmilch)<br />

ist alles, was ges<strong>und</strong>e Babys bis dahin<br />

brauchen.<br />

Mit circa sechs Monaten können<br />

Babys sitzen, Nahrungsstücke in die<br />

Hand nehmen, in den M<strong>und</strong> stecken<br />

<strong>und</strong> kauen – mit anderen Worten: sie<br />

können alleine essen.<br />

In der Vergangenheit fing man im<br />

Alter von drei bis vier Monaten mit Beikost<br />

an. Da die Babys in diesem Alter<br />

aber noch zu klein sind, um alleine zu<br />

essen, musste man sie mit Brei füttern.<br />

Wenn man mit der Beikost hingegen<br />

wartet bis Babys circa sechs Monate alt<br />

sind, überspringt man das Breistadium<br />

<strong>und</strong> kann gleich mit geeigneter fester<br />

Nahrung anfangen.<br />

Wie fängt man an?<br />

› Das Baby sollte aufrecht auf dem<br />

Schoß oder im Hochstuhl sitzen.<br />

Es sollte dem Tisch zugewandt <strong>und</strong><br />

stabil sitzen <strong>und</strong> die Hände <strong>und</strong><br />

Arme frei bewegen können.<br />

› Biete ihm Essen an, indem du verschiedene<br />

Stücke hinlegst. Das Baby<br />

sollte immer selbst entscheiden, was<br />

es isst.<br />

› Fange mit Nahrungsmitteln an, die<br />

das Baby leicht in die Hand nehmen<br />

kann. Lange, dicke Streifen oder<br />

Stücke sind am Anfang praktisch<br />

(Pommesform). Führe nach <strong>und</strong> nach<br />

neue Formen <strong>und</strong> Konsistenzen ein,<br />

damit das Baby herausfinden kann,<br />

wie es diese essen kann.<br />

› Lasse das Baby so oft wie möglich an<br />

den Mahlzeiten teilnehmen. Biete<br />

dem Baby das gleiche Essen an,<br />

das ihr esst, soweit es möglich <strong>und</strong><br />

passend ist.<br />

› Das Baby sollte nicht hungrig<br />

oder müde sein, damit es sich<br />

konzentrieren kann. In der Anfangsphase<br />

sind Mahlzeiten eine Zeit zum<br />

Spielen <strong>und</strong> Forschen. Das Baby bekommt<br />

alles, was es braucht, durch<br />

das <strong>Stillen</strong> (oder Flaschenmilch).<br />

› Biete <strong>Stillen</strong> (oder Flaschenmilch) an<br />

wie zuvor. Diese Milchmahlzeiten<br />

sind die Hauptnahrungsquelle im<br />

ersten Lebensjahr. Wenn das Baby<br />

weniger Muttermilch (oder Flaschenmilch)<br />

braucht, wird es diese allein<br />

reduzieren.<br />

› Biete dem Baby Wasser in kleinen<br />

Bechern an, damit es bei Bedarf<br />

trinken kann. Es ist aber in Ordnung,<br />

wenn es nicht trinken möchte.<br />

Fotos: © Katja König


HANDOUT<br />

› Lasse dem Baby Zeit beim Essen<br />

<strong>und</strong> lenke es nicht ab. Es soll sich<br />

konzentrieren <strong>und</strong> im eigenen<br />

Tempo essen können.<br />

› Gib dem Baby nie Essen in den<br />

M<strong>und</strong>. Versuche nie, es dazu zu<br />

überreden mehr zu essen als es will.<br />

Welche Nahrungsmittel kann ich<br />

dem Baby anbieten?<br />

Du kannst dem Baby die meisten<br />

ges<strong>und</strong>en Lebensmittel vom Familientisch<br />

anbieten, zum Beispiel Obst, gekochtes<br />

Gemüse, Fleisch, Käse, durchgekochte<br />

Eier, Brot, Reis, Nudeln <strong>und</strong><br />

Fisch. Fange mit Lebensmitteln an, die<br />

man leicht in lange Stücke oder Streifen<br />

schneiden kann (Pommesform).<br />

Wenn du dem Baby eine Auswahl<br />

von Lebensmitteln anbietest, kann es<br />

die verschiedenen Geschmäcker <strong>und</strong><br />

Beschaffenheiten erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bekommt<br />

alle Nährstoffe, die es braucht.<br />

Ungeeignete Nahrungsmittel:<br />

› Salz <strong>und</strong> Zucker (schau auf die<br />

Inhaltsangaben, viele Nahrungsmittel<br />

enthalten zu viel Salz <strong>und</strong><br />

Zucker)<br />

› Honig<br />

› ganze oder stückige Nüsse<br />

› Fisch, Fleisch <strong>und</strong> Eier in rohem<br />

Zustand<br />

› Fast Food <strong>und</strong> Fertigessen<br />

Tipps:<br />

› Es wird chaotisch! Eine Matte unter<br />

dem Hochstuhl <strong>und</strong> Ärmellätzchen<br />

sind praktisch.<br />

› Am Anfang wird dein Baby nicht<br />

viel essen. Viele Babys essen in den<br />

ersten BLW-Monaten nur kleine<br />

Mengen. Für Babys sind diese ersten<br />

Mahlzeiten zum Entdecken <strong>und</strong><br />

Lernen da, weniger zum satt werden.<br />

› Wenn ihm die Mahlzeiten Spaß<br />

machen, ist dein Baby neugierig auf<br />

neue Nahrungsmittel <strong>und</strong> freut sich<br />

auf die Mahlzeiten.<br />

Verschluckt das Baby sich nicht?<br />

Wenn gr<strong>und</strong>legende Sicherheitsregeln<br />

eingehalten werden, ist ein Verschlucken<br />

bei BLW genauso unwahrscheinlich,<br />

wie bei der konventionellen Beikosteinführung.<br />

Tatsächlich ist es so, dass es<br />

Babys hilft sicher essen zu lernen, wenn<br />

sie selbst kontrollieren, was in ihren<br />

M<strong>und</strong> kommt.<br />

Sicherheitsregeln:<br />

› das Baby soll zum Essen immer aufrecht<br />

oder leicht nach vorn gebeugt<br />

sitzen<br />

› es soll nie ganze oder stückige Nüsse<br />

bekommen<br />

› kleine Früchte, wie Kirschen, Weintrauben,<br />

Oliven, sollten halbiert <strong>und</strong><br />

entkernt werden<br />

› nur das Baby soll sich Essen in den<br />

M<strong>und</strong> stecken, niemand sonst<br />

Fotos: © A. Cramer<br />

VORHER<br />

NACHHER<br />

Diese beiden Bilder zeigen, dass anfangs nur kleine Mengen gegessen werden.<br />

› erkläre BLW jedem, der dein Baby<br />

versorgt.<br />

› lasse dein Baby NIEMALS alleine<br />

beim Essen<br />

Weitere Informationen<br />

Bei Fragen zur Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

des Babys oder bei familiärer<br />

Vorbelastung mit Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />

oder Verdauungsproblemen<br />

wende dich an<br />

deinen Kinderarzt.<br />

Das Buch von Gill Rapley <strong>und</strong> Tracey<br />

Murkett: Baby-led Weaning – Das<br />

Gr<strong>und</strong>lagenbuch: Der stressfreie Beikostweg<br />

QUELLE<br />

Dieses Faltblatt gibt es im<br />

Original auf www.rapleyweaning.<br />

com <strong>und</strong> wurde übersetzt von:<br />

Katja König, IBCLC<br />

( www.stillberatungludwigsburg.de)<br />

IBCLC<br />

Still- <strong>und</strong> <strong>Laktation</strong>sberaterinnen IBCLC (International<br />

Board Certified Lactation Consultants) sind die einzigen<br />

international anerkannten Spezialisten für <strong>Stillen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Laktation</strong> mit medizinischem Hintergr<strong>und</strong>.<br />

Die Entscheidung „<strong>Stillen</strong>“ oder „Nicht <strong>Stillen</strong>“ hat kurz<strong>und</strong><br />

langfristige Einflüsse auf die Ges<strong>und</strong>heit des Kindes<br />

<strong>und</strong> der Mutter. Allerdings ist <strong>Stillen</strong> nicht immer einfach<br />

<strong>und</strong> braucht möglicherweise professionelle, fachk<strong>und</strong>ige<br />

Unterstützung.<br />

Kontaktieren Sie Ihre IBCLC<br />

www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • <strong>2016</strong>


AUS <strong>DE</strong>R PRAXIS<br />

7<br />

Ein schwieriger Start<br />

mit gutem Ende<br />

Das posteriore Zungenbändchen – ein unbekanntes Stillhindernis Autorin: Dr. A. Dittmar<br />

Während der gesamten Schwangerschaft<br />

hatte ich mir um mögliche<br />

Probleme beim <strong>Stillen</strong> nie Sorgen gemacht.<br />

Ich war mir sicher gewesen, dass es<br />

funktionieren würde. Leider hatte meine<br />

Tochter aber von Anfang an Probleme,<br />

an der Brust zu saugen. Die Brustwarze<br />

„rutschte“ ihr immer aus dem M<strong>und</strong><br />

heraus. Schon im Kreißsaal, nach dem<br />

ersten Anlegen, sagte mir eine erfahrene<br />

Hebamme, dass meine Brustwarze „zu<br />

groß“ sei <strong>und</strong> meine Tochter nicht daran<br />

würde trinken können. Sie riet mir dazu,<br />

einen Brustwarzenformer vor dem Anlegen<br />

zu verwenden. Die Probleme mit<br />

dem Trinken hielten allerdings auch damit<br />

während der ersten Lebenstage an. Nach<br />

dem Anlegen saugte meine Tochter einige<br />

Male, ließ die Brustwarze dann aber immer<br />

schnell wieder aus dem M<strong>und</strong> gleiten. Man<br />

hatte das Gefühl, dass sie die Brustwarze<br />

nicht richtig greifen konnte. Außerdem<br />

schlief meine Tochter immer nach kurzer<br />

Zeit an der Brust ein. Im Krankenhaus<br />

(einem Zentrum der Maximalversorgung)<br />

fühlte ich mich diesbezüglich schlecht beraten<br />

<strong>und</strong> absolut allein gelassen. Die einzige<br />

Person, die sich wirklich mit mir <strong>und</strong><br />

meinen Stillproblemen beschäftigte, war<br />

eine Nachtschwester, die immer neue<br />

Ideen <strong>und</strong> Vorschläge hatte, wie man das<br />

Trinken verbessern könne. Nach drei<br />

Tagen wurde mir empfohlen zuzufüttern,<br />

da meine Tochter viel abnahm <strong>und</strong> sich<br />

keine Tendenz der Besserung zeigte. Milch<br />

war aber sehr schnell mehr als genug da.<br />

Meine ebenfalls sehr erfahrene <strong>und</strong><br />

tolle Nachsorgehebamme <strong>und</strong> ich entschieden<br />

dann zu Hause, das Anlegen<br />

mit dem Brusthütchen zu versuchen, was<br />

besser funktionierte. Allerdings musste ich<br />

zusätzlich abpumpen <strong>und</strong> die abgepumpte<br />

Milch mit dem Fläschchen zufüttern, da<br />

das Trinken an der Brust alleine nicht ausreichte.<br />

So verbrachte ich meine Nächte<br />

mit ewigen Stillversuchen: 20 Minuten pro<br />

Seite, meine Tochter trank kurz, schlief<br />

wieder ein, ich musste sie wecken, dann<br />

musste ich abpumpen <strong>und</strong> mit der Flasche<br />

zufüttern. Alles in allem ein anstrengendes<br />

Unterfangen. Schmerzen beim Anlegen<br />

hatte ich immer, von Anfang an. Nach ca.<br />

14 Tagen klappte es dann mit dem Trinken<br />

an der Brust so gut (weiter mit Stillhütchen<br />

<strong>und</strong> Schmerzen), dass ich voll stillen <strong>und</strong><br />

die geliehene Milchpumpe zurückbringen<br />

konnte. Allerdings fielen mir zu diesem<br />

Zeitpunkt erstmalig starke ziehende <strong>und</strong><br />

brennende Schmerzen in beiden Brüsten<br />

auf. Diese Beschwerden traten von da an<br />

regelmäßig unabhängig vom <strong>Stillen</strong> auf.<br />

Nachts war es besonders schlimm, so<br />

dass ich nach dem <strong>Stillen</strong> teilweise über<br />

mehrere St<strong>und</strong>en wegen Schmerzen nicht<br />

schlafen konnte. Beim Anlegen fühlte es<br />

sich mittlerweile so an, als ob man mir<br />

die Brustwarze abschneiden würde, die<br />

Schmerzen waren wirklich unerträglich<br />

stark. <strong>Stillen</strong> ohne Weinen war kaum möglich,<br />

es gab Tage, da hatte ich regelrecht<br />

Angst vor dem Anlegen.<br />

Relativ früh äußerte meine Hebamme<br />

den Verdacht auf einen Vasospasmus der<br />

Mamille (da die Spitze der Brustwarze<br />

sich beim <strong>Stillen</strong> hell verfärbte) oder einen


8<br />

AUS <strong>DE</strong>R PRAXIS<br />

›<br />

Milchgangssoor <strong>und</strong> verwies mich an meine<br />

Frauenärztin. Ein Abstrich der Mamille<br />

wurde durchgeführt, um einen Soor auszuschließen.<br />

(Ich wusste zu dem Zeitpunkt<br />

nicht, dass ein Milchgangssoor nicht im<br />

Abstrich nachgewiesen werden kann). Der<br />

Abstrich wies vermehrte Staphylokokken<br />

nach <strong>und</strong> mir wurde für fünf Tage ein Antibiotikum<br />

verordnet. Das erbrachte keine<br />

Besserung – außer Bauchbeschwerden bei<br />

meiner Tochter veränderte sich nichts.<br />

Die Schmerzen wurden eher stärker. Ich<br />

war mir dann nach längerem Beobachten<br />

mittlerweile sicher, einen Vasospasmus der<br />

Mamille zu haben, da die Spitzen der Brustwarzen<br />

immer weiß waren, wenn starke<br />

Schmerzen bestanden. Zudem traten<br />

mittlerweile eine starke Kälteempfindlichkeit<br />

<strong>und</strong> kribbelnde Missempfindungen in<br />

der Brust auf. Beim Anlegen mit „weißen<br />

Brustwarzen“ waren die Schmerzen unerträglich,<br />

wenn sie nicht weiß waren, hielt<br />

ich die Schmerzen beim Anlegen aus.<br />

Was dann folgte, war eine lange Reihe von<br />

Besuchen bei Frauen- <strong>und</strong> Kinderarzt, beim<br />

Osteopathen (bei Verdacht auf unvollständige<br />

M<strong>und</strong>öffnung meiner Tochter)<br />

<strong>und</strong> bei einer Stillberaterin ohne wesentliche<br />

Besserung. Zusätzlich zu allem Übel<br />

hatte ich auch eine Rhagade bekommen,<br />

die trotz aller Hilfsmittel über Wochen<br />

nicht abheilte. Ich bekam Nifedipin verordnet,<br />

dies sollte gegen den Vasospasmus<br />

helfen. Darunter änderten die Schmerzen<br />

sich nicht wesentlich. Mittlerweile musste<br />

ich regelmäßig Schmerztabletten nehmen,<br />

um die Schmerzen auszuhalten, die nahezu<br />

r<strong>und</strong> um die Uhr in der Brust bestanden.<br />

Gynäkologe <strong>und</strong> Kinderarzt rieten zum Abstillen,<br />

da ich meine Tochter mit all diesen<br />

Beschwerden zumindest zehn Wochen gestillt<br />

hatte <strong>und</strong> das „ausreichend“ sei. Ich<br />

selbst war tatsächlich mehrmals so weit,<br />

auf Fläschchennahrung umzustellen, da<br />

die Schmerzen nicht auszuhalten waren.<br />

Der Versuch scheiterte daran, dass meine<br />

Tochter die Pre-HA Milch verweigerte <strong>und</strong><br />

ausspuckte.<br />

In meiner wachsenden Verzweiflung<br />

schrieb ich Frau Kebinger an, eine Stillberaterin<br />

IBCLC aus dem Groß-Raum<br />

München, deren Namen ich auf der<br />

<strong>Web</strong>seite einer Vereinigung von Stillberaterinnen<br />

gef<strong>und</strong>en hatte. Ich bat sie<br />

darum, mir kompetente Ärzte oder Stillberaterinnen<br />

zu empfehlen, die mir evtl.<br />

weiterhelfen könnten. Frau Kebinger<br />

war w<strong>und</strong>erbar. Bereits am nächsten Tag<br />

schrieb sie mir eine ausführliche Mail. Sie<br />

verwies mich an eine Gynäkologin, mit<br />

der sie bereits telefoniert hatte <strong>und</strong> bei der<br />

ich direkt am nächsten Tag notfallmäßig<br />

in der Sprechst<strong>und</strong>e vorstellig werden<br />

konnte. Durch die genaue Beschreibung<br />

meiner Beschwerden waren sich die Ärztin<br />

<strong>und</strong> die Stillberaterin IBCLC sicher, dass<br />

sowohl ein Milchgangssoor als auch ein<br />

(begleitender) Vasospasmus der Mamille<br />

vorlägen. Ich bekam Fluconazol-Tabletten<br />

gegen die Pilzinfektion verordnet, musste<br />

zusätzlich Creme bei mir an der Brust <strong>und</strong><br />

bei meiner Tochter im M<strong>und</strong> anwenden.<br />

Außerdem bekam ich Schmerzmittel sowie<br />

Magnesium <strong>und</strong> Calcium gegen den Vasospasmus.<br />

Es trat nach ca. einer Woche<br />

bereits eine Linderung der Beschwerden<br />

auf, die sich jedoch nicht so besserten,<br />

dass ich die Schmerzmittel hätte absetzen<br />

können. Zu diesem Zeitpunkt (ca. zwölf<br />

Wochen nach der Geburt) wurde meine<br />

Tochter beim <strong>Stillen</strong> zunehmend unruhig,<br />

warf den Kopf hin <strong>und</strong> her, dockte an <strong>und</strong><br />

ab <strong>und</strong> schrie dabei ununterbrochen. Zudem<br />

stagnierte die Gewichtszunahme.<br />

Frau Kebinger besuchte mich daraufhin<br />

erstmalig zu Hause. Gegen die noch<br />

nicht ausreichend gebesserten Schmerzen<br />

wurde die Fluconazol-Dosis nach ärztlicher<br />

Rücksprache noch einmal erhöht <strong>und</strong><br />

dies brachte zum ersten Mal eine wesentliche<br />

Besserung vor allem der Schmerzen,<br />

die unabhängig vom <strong>Stillen</strong> aufgetreten<br />

waren. Ich kam tagsüber weitgehend<br />

ohne Schmerzmittel aus. Die Schmerzen<br />

beim Anlegen bestanden weiterhin, waren<br />

allerdings meist erträglich. Der Vasospasmus<br />

<strong>und</strong> die Parästhesien besserten<br />

sich langsam, so dass ich meine weiteren<br />

Medikamente reduzieren konnte.<br />

Meine Tochter fing aber zunehmend<br />

an, die Brust zu verweigern <strong>und</strong> meine<br />

Sorge wuchs immer mehr, zumal sie nicht<br />

zu- <strong>und</strong> später sogar leicht abnahm. Die<br />

Kinderärztin, die ich aufsuchte, konnte<br />

nichts feststellen <strong>und</strong> meinte erneut, ich<br />

solle zum Osteopathen gehen oder abstillen.<br />

Das Fläschchen wurde aber weiterhin<br />

vollständig verweigert, mittlerweile<br />

auch, wenn ich abgepumpte Milch füttern<br />

wollte. Meine Tochter, die immer zufrieden<br />

<strong>und</strong> fröhlich gewesen war, weinte viel,<br />

wirkte unglücklich <strong>und</strong> war quengelig.<br />

Erneut war es Frau Kebinger, meine<br />

Stillberaterin IBCLC, die auf die richtige<br />

Fährte kam. Sie vermutete ein verkürztes<br />

posteriores Zungenbändchen. Meine<br />

Tochter konnte die Zunge problemlos aus<br />

dem M<strong>und</strong> strecken, bislang hatte auch<br />

kein Kinderarzt ein verkürztes Zungenbändchen<br />

als Ursache meiner Schmerzen<br />

beim <strong>Stillen</strong> vermutet. Ich sollte ein Video<br />

meiner Tochter beim Schreien aufnehmen,<br />

das Frau Kebinger an Frau Professorin Dr.<br />

Daniela Karall an die Universitäts-Kinderklinik<br />

Innsbruck schicken wollte, die sich<br />

mit diesem Thema auskannte. Frau Prof.<br />

Karall antwortete prompt: Sie vermutete,<br />

dass tatsächlich ein verkürztes posteriores<br />

Zungenbändchen vorläge. Ich konnte dann<br />

kurzfristig Anfang des neuen Jahres mit<br />

meiner Tochter zu Frau Prof. Karall nach<br />

Innsbruck fahren. Sie erklärte mir, dass<br />

v.a. die Beweglichkeit der Zunge nach oben<br />

in Richtung des Gaumens behindert sei,<br />

was „das Ausmelken“ der Brust erschwere.<br />

Das problemlose Herausstrecken der<br />

Zunge schließe ein verkürztes posteriores<br />

Zungenbändchen nicht aus. Nach dem<br />

kurzen „Eingriff“, der wenige Sek<strong>und</strong>en<br />

dauerte <strong>und</strong> ohne Betäubung durchgeführt<br />

werden konnte, merkte ich bereits am<br />

nächsten Tag, dass sich das Trinken langsam<br />

besserte. Nach fünf Tagen fiel mir<br />

abends auf, dass ich den ganzen Tag keine<br />

Schmerzen gehabt hatte. Manchmal merkte<br />

ich beim Trinken nur ein angenehmes<br />

Kitzeln – eine ganz neue Erfahrung,<br />

ich musste richtig lachen. Die Rhagade<br />

brauchte zwar noch einige Wochen, heilte<br />

aber langsam ab. Auch das Trinkverhalten<br />

meiner Tochter wurde schnell besser: Sie<br />

trank ausdauernder, fasste die Brust meist<br />

besser, es lief nicht ständig Milch beim<br />

Trinken aus dem M<strong>und</strong> heraus <strong>und</strong> sie<br />

schrie deutlich weniger. Sie wirkt auch insgesamt<br />

viel zufriedener <strong>und</strong> nahm ordentlich<br />

zu. Von Woche zu Woche wurde das<br />

Trinken dann stetig besser. Mittlerweile<br />

ist meine Tochter ein Jahr alt <strong>und</strong> ich<br />

habe bis jetzt – meist beschwerdefrei – gestillt.<br />

Trotz der insgesamt vier Monate mit<br />

starken Schmerzen bin ich froh, dass ich<br />

nicht aufgegeben habe <strong>und</strong> meine Tochter<br />

<strong>und</strong> ich noch so viele Monate eine schöne<br />

Stillbeziehung hatten. Dass es so lange gedauert<br />

hat, jemanden zu finden, der wirklich<br />

Ahnung hat <strong>und</strong> auch bei einem so<br />

komplizierten Fall wie bei uns (Vasospasmus,<br />

Soor, posteriores Zungenbändchen)<br />

die Fäden entwirrt, ist schade. Umso mehr<br />

bin ich glücklich <strong>und</strong> dankbar, dass ich<br />

das Glück hatte, diese Personen zu finden.<br />

Ich wünsche mir, dass durch meinen Erfahrungsbericht<br />

viele Frauen mit ähnlichen<br />

Problemen einen leichteren Weg haben.<br />

Dr. A. Dittmar<br />

Leer, Deutschland<br />

www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • <strong>2016</strong>


AUS <strong>DE</strong>R PRAXIS<br />

9<br />

Stillförderung für syrische<br />

Flüchtlingsmütter in<br />

Kroatien<br />

Einblick in die schwierige Situation für die Helfer von Roda – Parents in Action Autorin: Ivana Zanze<br />

Roda – Parents in Action (Roditelji<br />

u akciji) ist eine Non-Profit-<br />

Organisation mit über 200 Freiwilligen<br />

in ganz Kroatien. Im Jahre 2003 entwickelte<br />

Roda ein Stillfördersystem<br />

auf Peer-to-Peer Basis. Unter den<br />

StillberaterInnen von Roda bieten 20<br />

seit nunmehr 13 Jahren Beratung über<br />

eine Telefon-Hotline an, organisieren<br />

Workshops für Schwangere <strong>und</strong> ihre<br />

Partner sowie Gruppentreffen <strong>und</strong> erstellten<br />

<strong>und</strong> druckten in dieser Zeit unzählige<br />

Prospekte mit Informationen<br />

r<strong>und</strong> ums Thema <strong>Stillen</strong>.<br />

Unmittelbar mit Beginn des syrischen<br />

Flüchtlingszustroms in Kroatien boten die<br />

StillberaterInnen von Roda Flüchtlingsmüttern<br />

von jungen Kindern ehrenamtlich<br />

ihre Unterstützung an: Insbesondere<br />

in der Aufrechterhaltung des <strong>Stillen</strong>s sowie<br />

bei dem Umgang mit diversen Ernährungsthemen,<br />

die sie im Zuge ihrer Reise beschäftigten.<br />

Mit der Unterstützung<br />

von UNICEF Kroatien bildete Roda im<br />

Dezember 2015 ein Team von Emergency<br />

Breastfeeding Counsellors („Notfall-Stillberater“)<br />

aus (unter den Ausbildern befanden<br />

sich u. a. IBCLCs <strong>und</strong> Liesel Talley,<br />

eine Ernährungsspezialistin aus dem<br />

United States Centres for Disease Control<br />

and Prevention (US-amerikanisches<br />

Zentrum für Krankheitsbekämpfung <strong>und</strong><br />

prävention)). Infolgedessen organisierte<br />

das Winter Reception Transit Centre<br />

(WRTC) in Slavonski Brod tägliche Stillberatung<br />

<strong>und</strong> -unterstützung r<strong>und</strong> um die<br />

Uhr am zentrumseigenen Mother Baby<br />

Centre (MBC).<br />

Unter den gegebenen Bedingungen<br />

durchgängige, 24-stündige Unterstützung<br />

für Eltern kleiner Kinder anzubieten, ist<br />

eine Herausforderung – insbesondere aufgr<strong>und</strong><br />

der nur kurzen Zeitspanne, die für<br />

die Arbeit mit den Müttern zur Verfügung<br />

steht. Von daher ist für die Umsetzung<br />

effektiver Unterstützung ein großes Team<br />

notwendig, dessen Mitglieder direkt mit<br />

den Flüchtlingen vor Ort arbeiten <strong>und</strong> in<br />

der Lage sind, in kurzer Zeit vielen Eltern<br />

zu helfen. Die Unterstützung von Müttern<br />

mit ihren Kleinkindern wird während<br />

dieses kurzen Transits in einem beheizten<br />

Alaska-Zelt zur Verfügung gestellt. Dieses<br />

ist in vier Bereiche unterteilt: Stillbereich,<br />

Umkleidebereich, kleines Sprechzimmer<br />

<strong>und</strong> Wartebereich. Im Durchschnitt verbringt<br />

eine Mutter mit ihrem Säugling bis<br />

zu 30 Minuten in diesem Zelt.<br />

Partnerorganisationen im MBC<br />

waren neben UNICEF, Magna <strong>und</strong> Save<br />

the Children. Rodas Team bestand aus<br />

sechs Notfall-StillberaterInnen,<br />

15 Assistenten, die den Müttern ›

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