Laktation_und_Stillen_2016-1 deutsch S 1-9
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<strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong><br />
Zeitschrift der Europäischen <strong>Laktation</strong>sberaterinnen Allianz • www.elacta.eu • ISSN 1614-807x<br />
TITELTHEMA<br />
Stillförderung<br />
unter Flüchtlingen<br />
in Griechenland – Seite 6<br />
AUS DER PRAXIS<br />
Laserbehandlung<br />
bei der entzündeten<br />
Mamille – Seite 10<br />
AUS DER PRAXIS<br />
Muttermilchernährung<br />
für Säuglinge mit<br />
Chylothorax – Seite 14<br />
AUS DER PRAXIS<br />
„Who is Who“<br />
in der Stillberatung? –<br />
Seite 12<br />
1 • <strong>2016</strong> 29. Jahrgang<br />
Foto: Field exchange 48
2<br />
EDITORIAL<br />
COVERFOTO<br />
EDITORIAL<br />
Liebe Mitglieder, liebe Leserinnen<br />
<strong>und</strong> Leser,<br />
Eine syrische Flüchtlingsmutter<br />
stillt erfolgreich ihr Baby,<br />
nachdem sie von einer IOCC-<br />
<strong>Laktation</strong>sberaterin individuelle<br />
Stillberatung erhalten hat.<br />
Foto: Field exchange 48<br />
Stillberatung hat viele Gesichter – von einigen dieser Facetten berichtet diese<br />
Ausgabe von <strong>Laktation</strong> <strong>und</strong> <strong>Stillen</strong>.<br />
Mit großer Betroffenheit blicken wir seit Monaten auf die Situation insbesondere<br />
von jungen Müttern, Babys <strong>und</strong> Kleinkindern auf der Flucht. <strong>Stillen</strong> ist eine<br />
Möglichkeit unter noch so widrigen Lebenssituationen sein Kind sicher zu ernähren.<br />
Eine Kollegin aus Griechenland berichtet von ihrer wichtigen Arbeit<br />
in einem Flüchtlingslager. Unbedachte Spenden <strong>und</strong> der Einsatz von Säuglingsnahrung,<br />
Flaschen oder Saugern können Mangelernährung, Krankheit<br />
<strong>und</strong> Tod unter den von Katastrophen betroffenen Kindern fördern. Nutzen Sie<br />
unser Handout um hilfsbereite Organisationen <strong>und</strong> Einzelpersonen darüber zu<br />
informieren <strong>und</strong> mögliche Wege aus schwierigen Situationen aufzuzeigen.<br />
Wir stellen uns die Frage – wer bietet denn überhaupt Stillberatung an, welche<br />
Voraussetzungen müssen BeraterInnen mitbringen <strong>und</strong> welche Formen der Ausbildungen<br />
gibt es? Und schließlich, wie sieht die Situation der professionellen <strong>und</strong><br />
ehrenamtlichen Stillberatung <strong>und</strong> Stillförderung europaweit aus.<br />
Dr. Magdalene Stosik klärt uns über die Problematik von Muttermilchernährung<br />
bei Säuglingen mit Chylothorax auf. Sie erklärt in ihrem Bericht, wie fettfreie<br />
Spezialnahrung durch entrahmte Muttermilch ersetzt werden könnte <strong>und</strong> so<br />
das herzkranke Kind von den Antikörpern <strong>und</strong> vielen andern Inhaltsstoffen der<br />
Muttermilch profitieren kann.<br />
Epigenetik ist ein interessantes <strong>und</strong> relativ neues Feld für Studien. Márta Guóth<br />
Gumberger zeigt auf, dass es gerade in der Stillberatung wichtig ist, Studien<br />
kritisch zu lesen <strong>und</strong> zu interpretieren.<br />
Der ELACTA Kongress in Athen naht mit Riesenschritten. In dieser Ausgabe<br />
stellen wir einige Abstracts des Hauptkongresses vor. Melden Sie sich rasch<br />
an, für den Hauptkongress wird eine kostenpflichtige <strong>deutsch</strong>sprachige<br />
Übersetzung angeboten. (Anmeldung über die Landesverbände oder<br />
unter a.hemmelmayr@gmx.at)<br />
Andrea Hemmelmayr, IBCLC<br />
Präsidentin von ELACTA<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
ELACTA Europäische<br />
<strong>Laktation</strong>sberaterinnen Allianz<br />
www.elacta.eu<br />
E-Mail: magazin@elacta.eu<br />
ZVR-Nr.: 708420941<br />
ELACTA Präsidentin:<br />
Andrea Hemmelmayr, IBCLC<br />
Wigretsberg 15<br />
A-4175 Herzogsdorf<br />
Redaktionelle Leitung <strong>und</strong><br />
Projektkoordination:<br />
Eva Bogensperger-Hezel, IBCLC<br />
E-Mail: magazin@elacta.eu<br />
Mitarbeiterinnen:<br />
Andrea Hemmelmayr, IBCLC,<br />
Stefanie Frank, IBCLC, Elke<br />
Cramer, Ärztin, IBCLC, Kathrin<br />
Meier, IBCLC, Bärbel Waldura,<br />
IBCLC, Márta Gúoth-Gumberger,<br />
IBCLC, Gudrun von der Ohe,<br />
Ärztin, IBCLC<br />
Übersetzungen:<br />
Márta Gúoth Gumberger, IBCLC,<br />
Elizabeth Hormann, IBCLC,<br />
Annika Cramer, Martina Hezel,<br />
Vera Bogensperger<br />
Einzelabonnements:<br />
E-Mail: magazin@elacta.eu<br />
Jahresabonnement: 41,– €<br />
Einzelnummer: 12,– €<br />
Fotos: © siehe Bilder;<br />
Titelfoto: iStock<br />
Layout: Christoph Rossmeissl<br />
Produktion: EinDRUCK<br />
Auflage: 2.500 Stück<br />
Erscheinungsweise 4-mal<br />
jährlich, jeweils Ende März, Juni,<br />
September <strong>und</strong> Dezember<br />
Redaktionsschluss: 15. Januar,<br />
15. April, 15. Juli, 15. Oktober<br />
Leserbriefe<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser!<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig.<br />
Leserbriefe schicken Sie bitte<br />
an folgende E-Mail:<br />
magazin@elacta.eu<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 1 • <strong>2016</strong>
INHALT<br />
3<br />
2 EDITORIAL<br />
Foto: Kalli Malamatou<br />
4 LESERBRIEFE<br />
6 TITELTHEMA<br />
Stillförderung unter Flüchtlingen<br />
in Griechenland<br />
7 HANDOUT<br />
10 AUS DER PRAXIS<br />
Laserbehandlung bei der entzündeten<br />
Mamille<br />
„Who is Who“ in der Stillberatung?<br />
Muttermilchernährung für Säuglinge mit<br />
Chylothorax<br />
Foto: Karl Grabherr<br />
16 ELACTA-NACHRICHTEN<br />
9. ELACTA-Kongress in Athen<br />
Diese Kongress-Vorträge könnten Sie<br />
interessieren<br />
18 AKTUELLES AUS DEN<br />
LANDESVERBÄNDEN<br />
Stillberatung in Europa<br />
22 WISSENSCHAFT<br />
Epigenetischer Memory-Effekt einer<br />
vorangegangenen Schwangerschaft in der<br />
Brustdrüse der Maus<br />
24 VERNETZUNG<br />
La Leche League International (LLLI)<br />
Foto: Andrea Hemmelmayr<br />
25 TEXTE<br />
Kolostrum – Es lohnt sich, darüber etwas zu<br />
wissen<br />
<strong>Stillen</strong> für alle<br />
28 AUS DEN LANDESVERBÄNDEN: BDL<br />
Erfahrungen britischer Frauen zum <strong>Stillen</strong><br />
<strong>und</strong> zusätzlicher Stillberatung<br />
BDL-Kurznachrichten<br />
Ein Fall aus der (Still)Praxis<br />
Wo finden Regionaltreffen des BDL statt?<br />
32 AUS DEN LANDESVERBÄNDEN: VSLÖ<br />
Neues vom VSLÖ<br />
33 RUBRIK „OHNE WORTE“<br />
34 BUCHBESPRECHUNG<br />
Verwöhn dein Baby nach Herzenslust<br />
Foto: Eva Bogensperger-Hezel<br />
35 AKTUELLES – EUROPÄISCHES<br />
INSTITUT FÜR STILLEN UND<br />
LAKTATION
<strong>Laktation</strong> <strong>und</strong> <strong>Stillen</strong> 2015-4 Druck.indd 20 25.11.15 08:07<br />
4<br />
LESERBRIEFE<br />
Saughütchen <strong>und</strong> verkürzte Stilldauer – gibt es einen kausalen<br />
Zusammenhang?<br />
Leserbrief zum Artikel „Beeinflusst die Verwendung von Saughütchen die Stilldauer?“<br />
Zunächst einmal möchte ich mich für die<br />
sehr interessante <strong>und</strong> gut nachvollziehbare<br />
Auswertung der Daten „Säuglingsernährung<br />
heute, 2006“ in Bezug auf die<br />
Verwendung von Saughütchen bedanken<br />
(<strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong>, 2015/4, S.20–24). Sie<br />
hat wichtige Ergebnisse zur Anwendungshäufigkeit<br />
von Saughütchen <strong>und</strong> zur davon<br />
abhängigen Stilldauer hervorgebracht. Ich<br />
wünschte, wir hätten auch für Deutschland<br />
ähnliche Erhebungen. Gleichzeitig möchte<br />
ich aber bei einem Punkt zur Vorsicht<br />
mahnen: Zwar zeigen die Daten eindeutig<br />
auf, dass die Anwendung von Saughütchen<br />
mit einer verkürzten Stilldauer assoziiert<br />
ist. Aber eine Assoziation sagt für sich genommen<br />
nichts über einen kausalen Zusammenhang<br />
aus. Das heißt, man kann<br />
aus diesen Daten nicht ableiten, dass die<br />
verkürzte Stilldauer auf die Anwendung<br />
von Stillhütchen zurückzuführen ist.<br />
Die beiden Untersuchungsgruppen (mit<br />
<strong>und</strong> ohne Saughütchen) unterscheiden<br />
sich ja auch in anderen Merkmalen, die<br />
die Saughütchenanwendung beeinflussen.<br />
Als Gr<strong>und</strong> für die Saughütchenanwendung<br />
wurden in der Erhebung neben Schmerzen<br />
vor allem besondere Mamillenformen<br />
(kleine Brustwarzen, Hohl-, Schlupf- <strong>und</strong><br />
Flachwarzen) <strong>und</strong> Saugprobleme beim<br />
Kind angeführt (B<strong>und</strong>esministerium für<br />
Ges<strong>und</strong>heit, Säuglingsernährung heute,<br />
2006; Kurzfassung S. 25). Es ist also davon<br />
auszugehen, dass einige der Frauen Saughütchen<br />
anwendeten, WEIL bei ihnen das<br />
<strong>Stillen</strong> ohne Saughütchen nicht möglich<br />
gewesen wäre. Die verkürzte Stilldauer in<br />
dieser Gruppe wurde also möglicherweise<br />
durch die zugr<strong>und</strong>eliegenden Probleme<br />
verursacht <strong>und</strong> nicht durch die Saughütchen.<br />
Möglicherweise wäre die Stilldauer<br />
ohne Saughütchenanwendung in dieser<br />
Subgruppe also noch kürzer gewesen – die<br />
Saughütchen hätten dann die Stilldauer bei<br />
den Betroffenen verlängert <strong>und</strong> nicht verkürzt.<br />
Eine Kausalität lässt sich also aus<br />
den vorliegenden Daten nicht feststellen.<br />
Ich finde, hier muss man unheimlich aufpassen,<br />
keine falschen Rückschlüsse zu<br />
ziehen.<br />
Auch das in Abbildung 3 (S. 23) gezeigte<br />
Fallbeispiel, in dem der Gewichtsverlauf<br />
eines Säuglings vor <strong>und</strong> dann nach dem<br />
Entfernen des Saughütchens dargestellt<br />
20<br />
WISSENSCHAFT<br />
Beeinflusst die Verwendung von<br />
Saughütchen die Stilldauer?<br />
Analyse der Daten „Säuglingsernährung heute, 2006“. Do Nipple Shields influence Breastfeeding?<br />
– Analysis of the Austrian study “infant feeding today, 2006”, Autorin: Dr. Beate Pietschnig für die Österreichische<br />
Stillkommission des Obersten Sanitätsrates, (2004–2010)<br />
ZUSAMMENFASSUNG:<br />
Hintergr<strong>und</strong><br />
Saughütchen werden häufig bei Stillbeginn<br />
als Hilfestellung bei w<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> auffälligen Brustwarzen empfohlen.<br />
Sie sollen dazu beitragen, das<br />
<strong>Stillen</strong> zu ermöglichen, wenngleich die<br />
Daten diesbezüglich sehr widersprüchlich<br />
sind. Ziel der Studie war es , die<br />
Auswirkungen von Saughütchen auf<br />
die Stilldauer zu untersuchen.<br />
Material <strong>und</strong> Methoden<br />
Im Rahmen der Umfrage „Säuglingsernährung<br />
heute, 2006“ wurden Daten<br />
zur Verwendung von Saughütchen in<br />
Relation zur Stilldauer <strong>und</strong> zum Gewichtsverlauf<br />
der Säuglinge erhoben<br />
<strong>und</strong> analysiert.<br />
Ergebnisse<br />
719 Mütter von 728 Kindern aus ganz<br />
Österreich wurden 3, 6 <strong>und</strong> 12 Monate<br />
nach der Geburt befragt. 25 % der 719<br />
Mütter erhielten postpartal ein Saughütchen,<br />
52,7 % davon wegen schmerzender<br />
Brustwarzen. Säuglinge, die<br />
anfangs mit Saughütchen gestillt worden<br />
waren, zeigten signifikant kürzere<br />
Zeiten des Voll- <strong>und</strong> Teilstillens. Die<br />
Gewichtsverläufe der Kinder wiesen<br />
keine signifikanten Unterschiede auf.<br />
Schlussfolgerung<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass Stillhütchen<br />
die Stilldauer nachteilig beeinflussen.<br />
Vom unkritischen <strong>und</strong> unbegleiteten<br />
Gebrauch von Saughütchen<br />
ist daher abzuraten.<br />
KEYWORDS:<br />
› <strong>Stillen</strong><br />
› Stillberatung<br />
› Saughütchen<br />
› Stillhütchen<br />
› Stilldauer<br />
usschließliches <strong>Stillen</strong> während<br />
A der ersten etwa sechs Monate wird<br />
national <strong>und</strong> international empfohlen.<br />
1, 6, 9, 10, 24 Dies auch vor dem Hintergr<strong>und</strong>,<br />
dass <strong>Stillen</strong> zu den effektivsten<br />
ges<strong>und</strong>heitsfördernden Maßnahmen<br />
im Ges<strong>und</strong>heitssystem gehört. 4<br />
Der Gebrauch von Saughütchen, auch<br />
Stillhütchen oder Brusthütchen genannt,<br />
wird zur Behandlung oder Vermeidung von<br />
Schmerzen <strong>und</strong> w<strong>und</strong>en Brustwarzen <strong>und</strong><br />
zur Erleichterung des Anlegens empfohlen.<br />
Insbesondere, wenn anatomische Veränderungen<br />
der Brustwarze vorliegen, wie etwa<br />
Hohl- oder Flachwarzen, können sie dazu<br />
beitragen, das <strong>Stillen</strong> überhaupt erst zu ermöglichen.<br />
Andererseits können sie selbst zu Stillproblemen<br />
führen.<br />
Stillberaterinnen beobachten, dass<br />
Mütter im Krankenhaus in den ersten<br />
Tagen vielfach Saughütchen unkritisch<br />
<strong>und</strong> ohne eingehende Information erhalten.<br />
In der Literatur finden sich wenige <strong>und</strong><br />
sehr widersprüchliche Angaben zu Nutzen<br />
<strong>und</strong> Risiken der Saughütchen. Obwohl<br />
es echte Indikationen (Hohlwarzen) <strong>und</strong><br />
relative Indikationen (z.B. Flachwarzen,<br />
manchmal Frühgeborene) zur Verwendung<br />
von Saughütchen gibt, zeigt sich in der<br />
Praxis, dass Saughütchen oft auch ohne<br />
spezifische Indikation empfohlen werden.<br />
Ein früheres Zufüttern <strong>und</strong> Abstillen der<br />
Kinder, die mit Saughütchen das <strong>Stillen</strong> beginnen,<br />
wurde vermutet.<br />
Um diese Frage zu evaluieren wurde in<br />
der Erhebung „Säuglingsernährung heute,<br />
2006“, die im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums<br />
für Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der Österreichischen<br />
Stillkommission durchgeführt wurde,<br />
gezielt die Frage nach der Verwendung<br />
von Saughütchen in den ersten Lebenstagen<br />
gestellt.<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 4 • 2015<br />
wurde, muss mit großer Vorsicht interpretiert<br />
werden. Zwar wird auf der Abbildung<br />
sehr eindrücklich gezeigt, dass<br />
das Baby mit ausbleibender Gewichtszunahme<br />
nach dem Entfernen des Saughütchens<br />
rasant zunimmt, aber aufgr<strong>und</strong><br />
von fehlenden Kontrollen können auch<br />
aus diesen Daten keine Rückschlüsse gezogen<br />
werden. Theoretisch kann es sein,<br />
dass das Baby auch mit Saughütchen das<br />
Gewicht aufgeholt hätte, oder dass es ohne<br />
den Einsatz des Saughütchens bereits nach<br />
wenigen Tagen abgestillt worden wäre.<br />
Oder die verbesserte Gewichtszunahme<br />
erfolgte möglicherweise gar nicht durch<br />
die Entfernung des Saughütchens, sondern<br />
durch die professionelle Stillberatung. Aus<br />
diesem Fallbeispiel lässt sich zumindest<br />
nicht ableiten, dass das Entfernen des<br />
Saughütchens ursächlich für die verbesserte<br />
Gewichtszunahme verantwortlich<br />
war. UND: Es gibt natürlich viele Fallbeispiele,<br />
wo das Baby mit Saughütchen<br />
vorbildlich zunimmt.<br />
Um kausale Zusammenhänge zu identifizieren,<br />
sind experimentelle Studiendesigns<br />
mit sorgfältigen Kontrollen für<br />
mögliche Einflussfaktoren die beste Wahl.<br />
Man müsste für unsere Fragestellung<br />
– also Einfluss von Stillhütchen auf die<br />
Stilldauer – z.B. zwei Frauengruppen<br />
mit möglichst identischen Merkmalen<br />
nehmen (z.B. jeweils 100 Frauen mit<br />
definierten Mamillenformen anhand sehr<br />
eng definierter Kriterien <strong>und</strong> ansonsten<br />
identischen Merkmalen in Bezug auf<br />
Alter, Bildung, Geburtsmodus, Schwangerschaftswoche<br />
usw.). Die eine Gruppe<br />
(Interventionsgruppe) würde Stillhütchen<br />
erhalten <strong>und</strong> die andere (Kontrollgruppe)<br />
nicht. Ansonsten müsste die Behandlung<br />
der beiden Frauengruppen absolut<br />
identisch sein. Eine Randomisierung hilft,<br />
den Störfaktor „Selektion“ auszuschalten<br />
<strong>und</strong> andere Einflussgrößen konstant zu<br />
halten. Ein solches experimentelles Design<br />
würde es erlauben, die Auswirkung des<br />
Stillhütchens auf die Stilldauer zu untersuchen,<br />
zumindest für die definierte Zielgruppe.<br />
In der Stillforschung werden<br />
experimentelle Studien aus ethischen<br />
Gründen selten durchgeführt. Bei dieser<br />
Fragestellung könnte ich mir ein positives<br />
Ethikvotum aber durchaus vorstellen.<br />
Wenn ein experimentelles Design nicht<br />
möglich ist, dann werden vermutete Einflussfaktoren<br />
sorgfältig mit erhoben<br />
<strong>und</strong> mithilfe von multivariaten Analysemethoden<br />
kontrolliert. In der vorliegenden<br />
österreichischen Untersuchung wurden<br />
zwar Multivarianzanalysen durchgeführt,<br />
aber für unsere Fragestellung wichtige<br />
Einflussfaktoren (Mamillenform, Sauganomalien<br />
usw.) nicht berücksichtigt.<br />
Unabhängig von der Kausalität zeigen<br />
aber die Ergebnisse dieser Datenanalyse,<br />
dass das Risiko für vorzeitiges Abstillen<br />
bei Stillhütchenanwenderinnen erhöht ist.<br />
Daher sehe ich die Schlussfolgerung, dass<br />
bei dieser Gruppe eine professionelle Beratung<br />
<strong>und</strong> Begleitung besonders wichtig<br />
wäre, unbedingt gerechtfertigt.<br />
Dr. phil. Zsuzsa Bauer<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 1 • <strong>2016</strong>
LESERBRIEFE<br />
5<br />
Muttermilch-Börse geht offline<br />
Liebe Mütter, Eltern <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e der<br />
Muttermilch-Börse,<br />
ich gründete meine gemeinnützige Gesellschaft<br />
mit dem Ziel, Spender-Muttermilch<br />
aus seiner Tabuzone zu holen<br />
<strong>und</strong> sie den Müttern als Alternative zur<br />
Formulanahrung zurück zu bringen. Ich<br />
musste mir jetzt leider eingestehen, dass<br />
ich es nicht zu Ende führen kann. Ich<br />
denke schon länger darüber nach <strong>und</strong> habe<br />
mir die Entscheidung nicht leicht gemacht,<br />
aber: Die Muttermilch-Börse ist ab sofort<br />
geschlossen.<br />
Gründe sind zum Einen, dass mir<br />
die Zeit fehlt. Ich hetze täglich zwischen<br />
meinen zwei kleinen Kindern, meinem<br />
Halbtags-Job, dem Haushalt <strong>und</strong> der<br />
Muttermilch-Börse hin <strong>und</strong> her <strong>und</strong> werde<br />
niemandem gerecht. Hinzu kommt, dass ich<br />
seit zwei Jahren rein ehrenamtlich arbeite<br />
<strong>und</strong> monatlich in das Projekt aus meiner<br />
privaten Kasse investiere. Der Punkt, der<br />
mir am meisten zu schaffen macht, ist das<br />
Gefühl, allein gegen alte Windmühlen des<br />
heutigen Ges<strong>und</strong>heitsystems zu kämpfen<br />
<strong>und</strong> das kostet mich viel Kraft.<br />
Das, was bleibt, ist das Wissen, dass<br />
ich etwas Wertvolles angestoßen habe in<br />
unserer Gesellschaft. Vielen Babys konnte<br />
geholfen werden, darunter meiner eigenen<br />
Tochter. Insgesamt waren 2241 Nutzer auf<br />
der Börse aktiv. Auch bei Hebammen, Stillberaterinnen,<br />
in den Kliniken <strong>und</strong> in der<br />
Politik hat sich einiges zum Besseren verändert<br />
- darauf bin ich schon stolz.<br />
Spender-Muttermilch von Mutter<br />
zu Mutter ist ein wertvoller Schatz, den<br />
unsere Gesellschaft vergessen hatte <strong>und</strong><br />
welcher, insbesondere im Privaten, zu<br />
negativ bewertet wird. Bitte sucht <strong>und</strong><br />
findet euch auch weiterhin für die Ges<strong>und</strong>heit<br />
eurer Babys von Mama zu Mama. Geht<br />
mutig voran, im Fre<strong>und</strong>es-, Bekanntenoder<br />
Familienkreis - so, wie es schon immer<br />
normal war <strong>und</strong> wie es wieder sein sollte.<br />
Liebe Mütter <strong>und</strong> Eltern, ich danke euch<br />
aus tiefem Herzen für euer Vertrauen.<br />
Eure Tanja Müller<br />
Das Redaktionsteam bedauert es<br />
sehr, dass eine engagierte Stillförderin<br />
aufgeben musste. Ihre Anerkennung<br />
des vorhandenen Bedürfnisses<br />
einzelner Mütter, dass auch<br />
ihre ges<strong>und</strong>en reifgeborenen Kinder<br />
mit Muttermilch sicher aufwachsen<br />
können, obwohl die eigene Milch<br />
nicht reicht, macht deutlich, dass bisherige<br />
Stillfördermaßnahmen nicht<br />
ausreichen <strong>und</strong> verbessert werden<br />
müssen. Ihre <strong>und</strong> unsere Vision ist<br />
es, dass am Ende der von ihr angestoßenen<br />
Diskussion Strukturen<br />
im Ges<strong>und</strong>heitssystem für die<br />
wenigen Kinder, deren Bedarf trotz<br />
optimaler Unterstützung nicht allein<br />
durch die Milch ihrer eigenen Mutter<br />
gedeckt werden kann, geschaffen<br />
werden, sodass gespendete Muttermilch<br />
nicht nur für Frühgeborene<br />
eine bessere <strong>und</strong> sichere Alternative<br />
zur Formulanahrung darstellt <strong>und</strong><br />
ein „Online-Handel“ überflüssig wird.<br />
Flexibles <strong>Stillen</strong> – ganz einfach!<br />
Save the Children in Greece CO<br />
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Infant and Young Child Feeding.<br />
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6<br />
TITELTHEMA<br />
Stillförderung<br />
unter Flüchtlingen<br />
in Griechenland<br />
Berührende Begegnungen – ein Erfahrungsbericht einer griechischen LLL-Beraterin.<br />
Autor: Kalli Malamatou, La Leche League Beraterin Griechenland<br />
Die Flüchtlinge sind mittlerweile so<br />
nah an meinem Zuhause. Zwei Mal<br />
pro Woche kommt ein Boot von den<br />
Inseln Samos <strong>und</strong> Lesvos <strong>und</strong> bringt<br />
ca. 1000 bis 1800 Flüchtlinge in die<br />
Stadt Kavala. Sie verweilen ca. 4 bis<br />
5 St<strong>und</strong>en, bis sie in einem Bus nach<br />
Eidomeni, dem nördlichen Grenzgebiet<br />
Griechenlands, gebracht werden. Ich<br />
hörte, dass sich unter ihnen h<strong>und</strong>erte<br />
Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder<br />
<strong>und</strong> Kinder befänden, sowie einige<br />
schwangere Frauen.<br />
Also schickte ich eine Nachricht an die<br />
Gruppe freiwilliger Helfer von Kavala <strong>und</strong><br />
informierte sie, dass ich als La Leche League<br />
Beraterin bereit sei zu helfen <strong>und</strong> darüber<br />
hinaus schwangeren <strong>und</strong> stillenden Frauen<br />
Informationen <strong>und</strong> Beratung bieten<br />
könnte. Sie akzeptierten mein Angebot,<br />
sagten, jede Hilfe sei willkommen.<br />
Mithilfe einiger anderer La Leche<br />
League Berater erstellten wir Informationszettel<br />
auf Arabisch <strong>und</strong> Englisch, um diese<br />
zu verteilen. Ich war überaus nervös bei<br />
meinem ersten Besuch. Ich wusste nicht,<br />
was mich erwartet <strong>und</strong> fragte mich immer<br />
<strong>und</strong> immer wieder: „Werde ich auch nur<br />
einer einzigen Mutter helfen können?<br />
Werde ich auch nur eine schwangere Frau<br />
informieren können? Wie werde ich mich<br />
mit ihnen verständigen? Wird irgendjemand<br />
Englisch sprechen? Werde ich<br />
einen Dolmetscher finden? Mir wird nicht<br />
Foto: Kalli Malamatou<br />
viel Zeit zur Verfügung stehen.“<br />
Bei meiner ersten Ankunft war ich<br />
Auch Maria Fertaki ,IBCLC <strong>und</strong> LLL Beraterin, betreut Flüchtlinge (hier Afghan hill in<br />
überwältigt. Das, was ich sah, übertraf<br />
meine Erwartungen bei Weitem. Lesbos), Griechenland ›<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 1 • <strong>2016</strong>
HANDOUT<br />
BDL – Berufsverband<br />
Deutscher <strong>Laktation</strong>sberaterinnen<br />
IBCLC<br />
www.bdl-stillen.de<br />
VSLS Association of<br />
South Tyrolean/Italian<br />
Lactation Consultants/<br />
IBCLC<br />
www.stillen.it<br />
VSLÖ – Verband der<br />
Still- <strong>und</strong> Lakationsberaterinnen<br />
Österreichs<br />
www.stillen.at<br />
www.elacta.eu<br />
Säuglingsernährung in akuten<br />
Krisensituationen<br />
Akute Krisensituationen <strong>und</strong><br />
Kriege ereignen sich überproportional<br />
häufig in wirtschaftlich<br />
ärmeren Ländern. Zudem gibt es<br />
zurzeit weltweit geschätzte 60<br />
Millionen Flüchtlinge <strong>und</strong> Vertriebene.<br />
All diese Menschen<br />
brauchen Wasser, Nahrung, Obdach<br />
<strong>und</strong> medizinische Versorgung.<br />
Säuglinge <strong>und</strong> Kleinkinder sind in<br />
Krisensituationen besonders dem<br />
Risiko von Mangelernährung, Krankheit<br />
<strong>und</strong> Tod ausgesetzt. Dieses offensichtliche<br />
Leid <strong>und</strong> zahlreiche Ammenmärchen<br />
führen dazu, dass sehr rasch<br />
künstliche Säuglingsnahrung, Flaschen<br />
<strong>und</strong> Sauger gespendet <strong>und</strong> verteilt<br />
werden.<br />
In akuten Notsituationen ist Muttermilch<br />
(häufig) die einzige verfügbare<br />
<strong>und</strong> sichere Nahrungsquelle für den<br />
Säugling. Wird die stillende Frau ausreichend<br />
unterstützt, profitiert die<br />
ganze Familie davon. Wird künstliche<br />
Säuglingsnahrung zugefüttert,<br />
reduziert sich das Muttermilchangebot<br />
<strong>und</strong> die Risiken für den Säugling erhöhen<br />
sich. Unregelmäßigkeiten in<br />
der Verteilung der Babynahrung, unzureichende<br />
hygienische Verhältnisse<br />
bei der Zubereitung, sowie fehlende<br />
Informationen zur Verwendung von<br />
Muttermilchersatzprodukten verstärken<br />
Mangelernährung, begünstigen das Auftreten<br />
von Krankheiten <strong>und</strong> erhöhen<br />
die Säuglingssterblichkeit.<br />
Können Frauen unter Stress<br />
stillen?<br />
Vorübergehend kann der Milchspendereflex<br />
vom Stress beeinträchtigt werden.<br />
Die Milchproduktion wird alleine vom<br />
Stress nicht beeinträchtigt. Häufiges<br />
Anlegen wird die Ausschüttung von<br />
Oxytocin – dem Hormon, das für den<br />
Milchspendereflex verantwortlich ist<br />
– wieder anregen. Oxytocin reduziert<br />
seinerseits die mütterlichen Stressreaktionen<br />
auf hormoneller Ebene.<br />
Produzieren mangelernährte<br />
Frauen ausreichend Milch?<br />
Normalerweise ist es die Mutter, nicht<br />
das Kind, die unter Mängeln leidet.<br />
Es ist wichtig für die Mutter Nahrung<br />
bereit zu stellen – damit ihre eigene<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> ihre Energie nicht<br />
wegen Mangelernährung leiden. Nur<br />
bei extrem mangelernährten Frauen –<br />
nur etwa 1 % dieser Frauen – kann die<br />
Milchproduktion auch beeinträchtigt<br />
werden.<br />
Was, wenn die Mutter bereits<br />
abgestillt hat?<br />
Mit häufiger Stimulation <strong>und</strong> Unterstützung<br />
können Frauen ihre bereits<br />
reduzierte Milchproduktion wieder<br />
steigern. Die Stimulation kann durch<br />
ein gut saugendes Baby, durch Abstreichen<br />
mit der Hand oder Pumpen<br />
erfolgen. Der Prozess kann einige Tage<br />
oder Wochen dauern <strong>und</strong> die Mutter<br />
braucht Ermutigung, Unterstützung,<br />
Nahrung <strong>und</strong>, so weit wie möglich,<br />
Schutz vor Stress. Monitoring des<br />
Babys ist sehr wichtig, damit sichergestellt<br />
ist, dass es während der Aufbauphase<br />
genügend Kalorien <strong>und</strong><br />
Flüssigkeit bekommt. Es kann vorübergehend<br />
notwendig werden, die Milch<br />
der eigenen Mutter mit Spendermilch<br />
bzw. kleinen Mengen künstlicher Babynahrung<br />
zu ergänzen. (S. Punkt zur<br />
sicheren Vorbereitung der künstlichen<br />
Babynahrung)<br />
Vermeiden Sie…<br />
› Spenden von Muttermilchersatzprodukten,<br />
Babyflaschen <strong>und</strong><br />
Saugern<br />
› Solche Spenden unaufgefordert an<br />
Familien zu verteilen<br />
› Die erwähnten Produkte mit der<br />
allgemeinen Lebensmittelverteilung<br />
auszugeben.<br />
› Muttermilchersatzprodukte ohne<br />
Schulung der Betreuungspersonen<br />
<strong>und</strong> Folgeuntersuchungen zu verteilen.<br />
› Probepackungen von Säuglingsnahrung<br />
auszugeben.<br />
› Die Verwendung von Flaschen <strong>und</strong><br />
Saugern zu fördern (hohes Risiko<br />
der Kontamination <strong>und</strong> schwierig zu<br />
reinigen).<br />
› Verteilung von Trockenmilchpulver<br />
als Einzelware.<br />
› Verwendung von Produkten, die in<br />
fremden Sprachen gekennzeichnet<br />
sind <strong>und</strong> nicht den Anforderungen<br />
des Internationalen Kodex zur Vermarktung<br />
von Muttermilchersatzprodukten<br />
entsprechen.*<br />
› Praktikenn, die das <strong>Stillen</strong>, die Relaktation,<br />
das <strong>Stillen</strong> durch Ammen<br />
oder die Verwendung von Frauenmilch<br />
behindern.<br />
› Sehen sie nicht untätig zu, wenn<br />
Muttermilchersatzprodukte,<br />
Flaschen oder Sauger gespendet<br />
werden.<br />
*Der internationale Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten sowie die folgenden Resolutionen sollen eine sichere Ernährung von Säuglingen<br />
<strong>und</strong> Kleinkindern gewährleisten, durch Schutz <strong>und</strong> Förderung des <strong>Stillen</strong>s, sowie durch enge Grenzen des Marketings für künstliche Säuglingsnahrung,<br />
Flaschen, Sauger <strong>und</strong> weitere Getränke <strong>und</strong> Lebensmittel, die das <strong>Stillen</strong> ersetzen sollen.
HANDOUT<br />
Das sollten sie tun…<br />
› Erwerben Sie benötigte Säuglingsnahrung<br />
lokal auf normalem<br />
Handelsweg<br />
› Lagern Sie unerbetene Spenden, bis<br />
UNICEF mit einer Koordinierungsstelle<br />
<strong>und</strong> der Regierung einen Plan<br />
für die sichere Verwendung der<br />
Produkte entwickelt hat.<br />
› Verteilen Sie Muttermilchersatzprodukte<br />
gezielt an jene Säuglinge,<br />
die es brauchen, durch einen<br />
qualifizierten Ges<strong>und</strong>heits- oder<br />
Ernährungsberater mit spezieller<br />
Schulung für <strong>Stillen</strong> <strong>und</strong> Säuglingsnahrung.<br />
› Die sichere Zubereitung von Säuglingsnahrung<br />
sollte im Einzelgespräch<br />
mit den Betreuern des<br />
Kindes geschult werden. Regelmäßige<br />
Kontrolluntersuchungen,<br />
einschließlich regelmäßiger Gewichtskontrollen<br />
sollen erfolgen.<br />
› Wird Säuglingsnahrung verteilt,<br />
muss die nötige Menge so lange <strong>und</strong><br />
regelmäßig zur Verfügung gestellt<br />
werden, so lange es jene Kinder, die<br />
darauf angewiesen sind, brauchen.<br />
› Fördern Sie den Einsatz einer Tasse<br />
für die Gabe von Säuglingsnahrung<br />
<strong>und</strong> raten von der Verwendung von<br />
Flaschen <strong>und</strong> Saugern ab.<br />
› Wenn Pulvermilch ungebeten bereitgestellt<br />
wird, sollte sie mit den üblichen<br />
lokalen Getreideerzeugnissen<br />
vermengt werden, so dass sie nicht<br />
mehr als Muttermilchersatznahrung<br />
verwendet werden kann.<br />
› Wählen Sie jene Marken, deren Beschriftung<br />
eine Sprache verwendet,<br />
die von den Nutzern verstanden<br />
werden kann <strong>und</strong> deren Label den<br />
Anforderungen des Internationalen<br />
Kodex zur Vermarktung von Muttermilch<br />
entspricht<br />
› Stoppen Sie aktiv Spenden von<br />
Säuglingsanfangsnahrung: schreiben<br />
Sie an die Medien, Agenturen, zuständigen<br />
Ministerien, WHO <strong>und</strong><br />
UNICEF. Teilen Sie diese Publikation.<br />
› Stellen Sie die Mittel für Stillförderungsprogramme<br />
zur Verfügung.<br />
Ernährung von Säuglingen unter sechs Monaten im Notfall: ein Triage-Ansatz zur Entscheidungsfindung<br />
MUTTER UND BABY<br />
KIND OHNE MUTTER<br />
Mutter hat das Kind vor<br />
der Krise gestillt<br />
Mutter hat das Kind vor<br />
der Krise NICHT gestillt<br />
5<br />
<strong>Stillen</strong> durch Amme<br />
akzeptiert/angebracht/<br />
Amme vorhanden<br />
<strong>Stillen</strong> durch Amme NICHT<br />
akzeptabel, unangebracht,<br />
Amme NICHT vorhanden<br />
3<br />
1<br />
2<br />
6<br />
4<br />
7 8<br />
Milchbildung ausreichend<br />
Milchbildung<br />
unterbrochen/reduziert<br />
Milchbildung möglich <strong>und</strong><br />
<strong>Stillen</strong> akzeptiert<br />
Milchbildung nicht<br />
möglich, <strong>Stillen</strong> nicht<br />
akzeptiert<br />
Stillunterstützung, Beratung<br />
Unterstützung zum Wiederaufbau<br />
der MM oder Relaktation<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Sicherstellung<br />
einer sicheren Ernährung mit<br />
Muttermilchersatzprodukten<br />
IBCLC<br />
Still- <strong>und</strong> <strong>Laktation</strong>sberaterinnen IBCLC (International<br />
Board Certified Lactation Consultants) sind die einzigen<br />
international anerkannten Spezialisten für <strong>Stillen</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Laktation</strong> mit medizinischem Hintergr<strong>und</strong>.<br />
Die Entscheidung „<strong>Stillen</strong>“ oder „Nicht <strong>Stillen</strong>“ hat kurz<strong>und</strong><br />
langfristige Einflüsse auf die Ges<strong>und</strong>heit des Kindes<br />
<strong>und</strong> der Mutter. Allerdings ist <strong>Stillen</strong> nicht immer einfach<br />
<strong>und</strong> braucht möglicherweise professionelle, fachk<strong>und</strong>ige<br />
Unterstützung.<br />
Kontaktieren Sie Ihre IBCLC<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 1 • <strong>2016</strong>
TITELTHEMA<br />
9<br />
Fotos: Kalli Malamatou<br />
› So viele Menschen, so viele Babys<br />
<strong>und</strong> Kinder an den Händen <strong>und</strong> auf<br />
den Armen ihrer Eltern; wie sollte ich<br />
meinem Vorhaben gerecht werden? Ich<br />
verstand sofort, dass ihre gr<strong>und</strong>legenden<br />
Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung <strong>und</strong><br />
Schuhen so dringlich waren, dass ich gut<br />
daran tat, an den Verteilungsstellen für<br />
diese Güter – die zuvor zusammengetragen<br />
worden waren – zu arbeiten. Ich begab<br />
mich bewusst zu der Verteilungsstelle für<br />
Kinder, um so viele Mütter wie möglich<br />
kontaktieren zu können.<br />
Von diesem Tag an spreche ich bei<br />
jedem meiner Besuche in Kavala - so<br />
gut wie jedes Mal, wenn ein neues Boot<br />
eintrifft - neben der Arbeit an den Verteilungsstellen,<br />
Mütter von Säuglingen<br />
<strong>und</strong> Kleinkindern an <strong>und</strong> frage sie auf<br />
Englisch oder über Nicken, ob sie stillen<br />
<strong>und</strong> ob sie Hilfe bräuchten. Diejenigen,<br />
die Englisch sprechen, antworten „Nein“<br />
oder „Ja, aber ich brauche keine Hilfe, es<br />
ist alles in Ordnung.“. Genauso verhält es<br />
sich mit denen, die kein Englisch sprechen.<br />
Ich biete ihnen dennoch die Informationszettel<br />
an, die sie dankbar annehmen.<br />
Mir wurde klar, dass sie, obgleich es<br />
in ihrer Kultur üblich ist zu stillen, offensichtlich<br />
Hemmungen haben, darüber<br />
zu sprechen. Sie scheuen sich, die Worte<br />
„<strong>Stillen</strong>“ oder „Brust“ auszusprechen, insbesondere<br />
wenn ein Mann in der Nähe ist.<br />
Als mir dies klar wurde, entschied ich, eine<br />
Frau aus ihrer Kultur zu finden. Dies würde<br />
bessere Resultate erzielen. Ich begann also<br />
allen Frauen, die Englisch lesen konnten,<br />
die Informationszettel auszuhändigen <strong>und</strong><br />
erklärte ihnen, wie wichtig <strong>Stillen</strong> in Notlagen<br />
<strong>und</strong> auf der Flucht ist. Ich bat sie,<br />
die Texte aufmerksam zu lesen <strong>und</strong> die<br />
Informationen an alle Schwangeren oder<br />
stillenden Frauen, die sie trafen, weiterzugeben.<br />
Außerdem sollten sie die Frauen<br />
darüber aufklären, dass LLLI, UNICEF<br />
<strong>und</strong> weitere Organisationen sich eindeutig<br />
dafür aussprechen, dass <strong>Stillen</strong> nicht nur<br />
das Beste, sondern ein äußerst wichtiges<br />
Bedürfnis des Babys in solcherlei Situation<br />
ist. Sie alle hörten mir aufmerksam zu <strong>und</strong><br />
versicherten mir, so viele Mütter wie möglich<br />
zu informieren.<br />
Es sind meist große Familien <strong>und</strong> die<br />
Männer treten gegenüber ihren Frauen<br />
sehr beschützend auf. Sie verbringen viel<br />
Zeit mit ihren Kindern. Während ihrer Zeit<br />
in Kavala kuscheln, schmusen <strong>und</strong> spielen<br />
die Väter viel mit ihren Kindern.<br />
Einer der Gründe, warum diese Tage<br />
mein Leben veränderten. Wenn die Flüchtlinge<br />
unzählige Male „Vielen Dank“ <strong>und</strong><br />
„Ihr gebt uns so viel“ sagen, antworten<br />
wir stets – <strong>und</strong> wir meinen es genau so –,<br />
dass wir von ihnen viel mehr bekämen:<br />
Lektionen übers Leben, Verhalten, Würde;<br />
Lektionen über Liebe <strong>und</strong> Bindung,<br />
Lektionen über Mut, Stärke <strong>und</strong> Hoffnung.<br />
Ich bleibe voller Bilder zurück, die mich für<br />
den Rest meines Lebens begleiten werden.<br />
Bilder ihres Lachens, ihrer Fre<strong>und</strong>lichkeit,<br />
ihrer Heiterkeit <strong>und</strong> Dankbarkeit. Wenn<br />
die Zeit des Abschieds kommt, wünsche<br />
ich ihnen viel Glück auf Englisch. Gleichzeitig<br />
flüstere ich die gleichen Worte auf<br />
Griechisch („kali tychi“) in der Hoffnung,<br />
mein Wunsch möge beständiger sein. Ich<br />
wünsche mir für sie, Frieden in ihrem<br />
Land zu haben, in der Lage zu sein, in ihr<br />
Zuhause zurückzukehren, diejenigen zu<br />
treffen, die zurückblieben, wieder in ihren<br />
eigenen Betten zu schlafen. Ich wünsche<br />
mir für ihre Kinder, dass sie wieder mit<br />
ihren Spielsachen spielen können, die sie in<br />
ihren Zimmern zurückließen. Ich wünsche<br />
mir außerdem, dass das Versprechen eines<br />
syrischen Vaters, das er uns gab, wahr<br />
werden möge: „Wenn wir nach Hause<br />
zurückgekehrt sind, werden wir tanzen<br />
<strong>und</strong> unser erster Tanz wird den Griechen<br />
gewidmet sein.“ …<br />
Kalli Malamatou<br />
La Leche League Beraterin<br />
Griechenland