ZeSaM Workshop Grundlagenpapier Nachsorge Stubican
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<strong>Grundlagenpapier</strong>:<br />
Komplementäre forensische <strong>Nachsorge</strong> für ambulante und stationäre<br />
Träger der Freien Wohlfahrtspflege in NRW<br />
1.) Rechtliche Grundlagen oder: Was sollte die komplementäre Einrichtung<br />
wissen?<br />
Was ist der Maßregelvollzug?<br />
Patienten nach § 63 StGB:<br />
• In den Maßregelvollzug kommen nach § 63 StGB psychisch kranke Straftäter,<br />
die einem Gutachten zufolge im Zeitpunkt der Straftat für schuldunfähig oder<br />
vermindert schuldfähig waren, zukünftig für die Allgemeinheit als gefährlich<br />
eingeschätzt werden und ein Richter die Unterbringung anordnet.<br />
• Nach § 63 StGB gibt es keine zeitliche Begrenzung der Unterbringung im<br />
Maßregelvollzug.<br />
• Auch für den nach § 63 StGB zeitlich unbefristet untergebrachten Patienten<br />
muss die Chance auf Reintegration bestehen.<br />
• Der Maßregelvollzug ist eine Fachklinik, in der qualitativ hochwertige Therapie<br />
unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfindet; es werden auch Maßregelvollzugspatienten<br />
auf Stationen der Allgemeinpsychiatrie behandelt.<br />
• Ziel des Maßregelvollzugs besteht in der „Besserung und Sicherung“.<br />
• Ziel jeglichen Freiheitsentzugs ist die Reintegration in die Gesellschaft.<br />
Patienten nach § 64 StGB:<br />
• In den Maßregelvollzug kommen nach § 64 StGB suchtkranke Straftäter per<br />
Richterspruch nachdem eine Begutachtung stattfand.<br />
• Der Unterschied zum § 63 StGB: Suchtkranke Straftäter können nicht nur<br />
schuldunfähig oder vermindert schuldfähig, sondern auch voll schuldfähig<br />
nach § 64 StGB untergebracht werden, um sich einer Therapie zu unterziehen.<br />
• Die Maßregel ist auf max. 2 Jahre begrenzt, kann aber durch eine parallele<br />
Haftstrafe erhöht werden. Zukünftig sollen die Patienten, die mehr als eine<br />
3jährige Begleitstrafe zum § 64 StGB haben, zuerst diese Strafe im Strafvollzug<br />
verbüßen (=Vorwegvollzug) und dann evtl. anschließend in den Maßregelvollzug<br />
kommen.<br />
Therapieerfolge führen zu Lockerungsmöglichkeiten. Maßgeblich dafür ist die Sachkunde<br />
eines Gutachters. Bis der Patient in die Gemeinde entlassen wird, werden in<br />
der Regel viele Lockerungsstufen erprobt, bei denen sich der Patient bewähren<br />
muss.<br />
1
Welche Maßregeln gibt es?<br />
Maßregeln der Besserung und Sicherung sind:<br />
• die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (stationär) (§ 63<br />
StGB)<br />
• die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (stationär) (§ 64 StGB)<br />
• die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (stationär) (§ 66 StGB)<br />
• die Führungsaufsicht, kann unbegrenzt sein, bisher 5 Jahre (ambulant) (§ 68<br />
StGB)<br />
• die Entziehung der Fahrerlaubnis (ambulant) (§ 69 StGB)<br />
• das Berufsverbot (ambulant) (§ 70 StGB)<br />
Juristische Grundlagen:<br />
Bundesrecht:<br />
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB (Strafgesetzbuch):<br />
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB)<br />
oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, so ordnet das Gericht<br />
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung<br />
des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche<br />
rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit<br />
gefährlich ist.<br />
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB:<br />
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel<br />
im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie<br />
im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur<br />
deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen<br />
ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen,<br />
wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten<br />
begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht<br />
besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen<br />
oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von<br />
der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.<br />
§ 20 StGB: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften<br />
seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen<br />
Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das<br />
Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.<br />
§ 21 StGB: Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach<br />
dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung<br />
der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert<br />
werden.<br />
2
§ 136 StVollzG (Strafvollzugsgesetz): Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus:<br />
Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet<br />
sich nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand<br />
soweit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige<br />
Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil.<br />
§ 137 StVollzG: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt:<br />
Ziel der Behandlung des Untergebrachten in einer Entziehungsanstalt ist es, ihn von<br />
seinem Hang zu heilen und die zu Grunde liegende Fehlhaltung zu beheben.<br />
§ 453c StPO (Strafprozessordnung):<br />
Personen, die zur Bewährung entlassen sind, können bei Verstoß erneut im Maßregelvollzug<br />
untergebracht werden<br />
Landesrecht:<br />
Neben dem Bundesrecht gibt es auch spezielles Landesrecht, das den Maßregelvollzug<br />
regelt.<br />
Hierarchisch ist als oberste Behörde das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales<br />
NRW zuständig, darunter steht die Landesoberbehörde „Landesbeauftragter<br />
für den Maßregelvollzug in Nordrhein-Westfalen“ zur Umsetzung der Aufgaben, darunter<br />
folgen die Direktoren der beiden Landschaftsverbände als untere staatliche<br />
Maßregelvollzugsbehörde, die wiederum die einzelnen Kliniken verwalten.<br />
Im Maßregelvollzugsgesetz (MRVG) NRW ist die Eingliederung und <strong>Nachsorge</strong> als<br />
gesetzlicher Auftrag festgehalten.<br />
§§ 1 und 3 MRVG (Maßregelvollzugsgesetz) NRW: Ziele der <strong>Nachsorge</strong><br />
(1) Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus<br />
oder einer Entziehungsanstalt sollen die betroffenen Patientinnen und Patienten<br />
durch Behandlung und Betreuung (Therapie) befähigen, ein in die Gemeinschaft<br />
eingegliedertes Leben zu führen.<br />
(3) Therapie und Beratung sind mit Zustimmung der Patientinnen und Patienten auch<br />
nach der Entlassung im Benehmen insbesondere mit der Führungsaufsicht, gesetzlichen<br />
Betreuungen, der Bewährungshilfe, der Freien Wohlfahrtspflege, den Sozialbehörden,<br />
dem sozialpsychiatrischen Dienst der unteren Gesundheitsbehörde, den<br />
ärztlichen und nichtärztlichen Therapeutinnen und Therapeuten sowie den Kostenträgern<br />
fortzusetzen. Um die Kontinuität der Behandlung der Betroffenen sicherzustellen,<br />
werden Angebote der <strong>Nachsorge</strong> bereitgestellt. Die Einrichtungen sind verpflichtet,<br />
<strong>Nachsorge</strong>maßnahmen unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu vermitteln.<br />
3
§ 18 Abs. 2 und 3 MRVG NRW: Lockerungen<br />
(2) Lockerungen des Vollzugs umfassen insbesondere<br />
1. Ausführung oder Ausgang innerhalb eines Tages,<br />
2. die Beurlaubung,<br />
3. eine regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Einrichtung mit und ohne<br />
Aufsicht und<br />
4. den offenen Vollzug<br />
(3) Lockerungsmaßnahmen können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden,<br />
insbesondere<br />
1. sich der Aufsicht einer bestimmten Person zu unterstellen,<br />
2. Anordnungen zum Aufenthaltsort und zu Verhaltensweisen außerhalb der<br />
Einrichtung zu befolgen und<br />
3. sich an festgelegten Orten und zu festgelegten Zeiten persönlich zu melden.<br />
Lockerungsstufen:<br />
Es werden folgende Lockerungsarten landeseinheitlich festgelegt:<br />
• keine<br />
• Ausgang mit Aufsicht<br />
• Ausgang ohne Aufsicht<br />
• Urlaub (mindestens eine Übernachtung)<br />
Weitere differenziertere Lockerungsstufen kann jede Klinik selbst nach Gegebenheiten<br />
vornehmen.<br />
Aufgabe der Führungsaufsicht:<br />
Die Führungsaufsicht gehört zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. §<br />
61 StGB). Sie setzt nach der bedingten Entlassung ein. Die Führungsaufsicht kontrolliert<br />
mit Unterstützung der Bewährungshilfe die Erfüllung der Weisungen (vgl. § 68a<br />
StGB). Bei Verstößen gegen Auflagen oder bei neuen Straftaten kann die Aussetzung<br />
zur Bewährung widerrufen werden. In Folge wird der Klient gegebenenfalls in<br />
den Maßregel- oder Strafvollzug zurückverlegt.<br />
Maßregelvollzugskliniken in NRW:<br />
Landschaftsverband Westfalen-Lippe:<br />
LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn<br />
LWL-Maßregelvollzugsklinik Schloß Haldem (§ 64 und § 63 StGB)<br />
LWL-Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie Marsberg (§ 64 StGB)<br />
LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund<br />
LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine<br />
Landschaftsverband Rheinland:<br />
RK Bedburg-Hau (§ 64 und § 63 StGB)<br />
RK Düren<br />
RK Langenfeld<br />
RK Viersen (§ 64 und § 63 StGB)<br />
RK Köln (Fachabteilung für Maßregelvollzugspatienten)<br />
4
Zukünftige Maßregelvollzugskliniken:<br />
• Essen<br />
• Duisburg (Entziehungsanstalt)<br />
• Köln<br />
• Münster<br />
• Herne<br />
2.) Welche Klientel kann erwartet werden oder: Was sind das für Menschen?<br />
Diagnosen:<br />
Auf Grund folgender Erkrankung (Erstdiagnose) wurde eine Straftat begangen:<br />
• Intelligenzminderungen: gering, leicht, mittelgradig, schwer<br />
• Persönlichkeitsstörungen<br />
• Psychosen<br />
• Sucht<br />
Deliktarten:<br />
Folgende Angaben sind vom Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug:<br />
Die Delikte der Patienten im Maßregelvollzug sind vielfältig. Als Beispiel seien die<br />
Delikte der im Jahr 2006 zur Bewährung entlassenen Patienten genannt:<br />
23% Tötungsdelikte<br />
30% Körperverletzung<br />
6% Raub/Erpressung<br />
6% Diebstahl, Unterschlagung, Bedrohung<br />
15% Sexualdelikte<br />
6% Brandstiftung<br />
2% Betrug<br />
2% Straßenverkehrsdelikte<br />
10% sonstige Delikte<br />
Patienten in der forensischen <strong>Nachsorge</strong> der Kliniken 2005:<br />
§ 63 StGB: 155<br />
§ 64 StGB: 73<br />
Entlassungen 2005:<br />
§ 63 StGB: 51<br />
§ 64 StGB: 74<br />
Patientenzahlen:<br />
Zum 01.10.07 waren in NRW 2415 Patienten in forensischen Kliniken oder Abteilungen<br />
untergebracht (vgl. LBMRV).<br />
Prozentsatz der Frauen liegt etwa bei 3-5%.<br />
Vergleich Strafvollzug (Stichtag 31.03.2006): 15.127 (vgl. Statistisches Bundesamt)<br />
5
Alter:<br />
Die Altersspanne ist groß: Von unter 18 Jahren bis über 70 Jahre. Wobei es nur sehr<br />
wenige Patienten im Alter zwischen 14 bis 21 Jahren und über 60 Jahre gibt.<br />
Herkunft:<br />
Der Anteil der nicht deutschen Patienten insgesamt betrug im Jahr 2006 in den einzelnen<br />
Kliniken zwischen 3% und 42,9%. Folglich gibt es teilweise einen erheblichen<br />
Anteil Patienten mit Migrationshintergrund.<br />
3.) Beurlaubungsphase oder: Was heißt Langzeitbeurlaubung (LZU) für die<br />
komplementäre Einrichtung?<br />
Beispiel eines Ablaufs in einer Maßregelvollzugsklinik:<br />
Zunächst kommt der Patient auf die Aufnahmestation. Danach beginnt die gesicherte<br />
Regelbehandlung, in der der Patient je nach Gesundung sukzessiv einzelne Lockerungsstufen<br />
erhält (z.B. begleiteten Geländeausgang, unbegleiteten Geländeausgang,<br />
begleiteten Stadtausgang). Anschließend folgt die Rehabilitations-Behandlung.<br />
Die Therapie von Patienten nach § 63 StGB und § 64 StGB unterscheidet sich dabei<br />
grundlegend. Für beide Gruppen ist der Langzeiturlaub als höchste Lockerungsstufe<br />
anzusehen. Im LZU kann für Patienten eine geeignete Versorgung im ambulanten<br />
oder stationären Bereich gesucht werden. Hier soll der Patient beweisen, dass er für<br />
die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich ist.<br />
Für die komplementäre Einrichtung ist die Zeit ab der Beurlaubung maßgeblich.<br />
Optimaler Ablauf der Unterbringung<br />
Aufnahme<br />
Regelbehandlung<br />
Maßregelvollzug<br />
Reha-<br />
Bereich<br />
LZU=<br />
Langzeiturlaub<br />
Ggf. komplementärer<br />
Bereich<br />
(Bedingte)<br />
Entlassung<br />
6
Optimaler Ablauf der Unterbringung<br />
Aufnahme<br />
Regelbehandlung<br />
Reha-<br />
Bereich<br />
LZU<br />
Ggf. <strong>Nachsorge</strong><br />
durch FNA= Forensische<br />
<strong>Nachsorge</strong>ambulanz<br />
(Bedingte)<br />
Entlassung<br />
Komplementärer Bereich:<br />
In der Beurlaubungsphase als letzter Lockerungsstufe soll der Patient in die Gemeinde<br />
integriert werden. Bei Patienten, für die nach Ansicht der Maßregelvollzugskliniken<br />
weiterhin eine Betreuung in den Gemeinden erforderlich ist, beginnt ab dem<br />
Zeitpunkt die Zusammenarbeit zwischen der komplementären Einrichtung und der<br />
Klinik.<br />
Ein möglicher Verlauf für einen § 63er Patient mit größtem Betreuungsbedarf in einer<br />
stationärer Wohngruppe:<br />
Ideal wäre es, wenn vor einer Übernahme des Patienten eine längere Vorbereitung<br />
als gegenseitige Kennenlernphase mit der Maßregelvollzugsklinik stattfindet. Im Aufnahmeverfahren<br />
sollten die Mitarbeiter der komplementären Einrichtungen von den<br />
Mitarbeitern der Maßregelvollzugskliniken möglichst ausführlich über Diagnose und<br />
Delikt sowie die Prognose informiert werden und außerdem den Patienten in der Einrichtung<br />
persönlich vorstellen. Nach diesem „Vorstellungsgespräch“ entscheiden<br />
dann sowohl der Patient, die Mitarbeiter der Maßregelvollzugsklinik als auch die Beschäftigten<br />
und die Leitung der komplementären Einrichtung, ob der Patient in diese<br />
komplementäre Einrichtung passt. Sind sich alle Beteiligten über eine Aufnahme des<br />
Patienten einig, so werden in den meisten Fällen zunächst Tageshospitationen vereinbart.<br />
Ein anschließendes Probewohnen rundet diese Kennenlernphase ab. Der<br />
Patient kann auf diese Weise die komplementäre Einrichtung kennen lernen. Wichtig<br />
ist, dass die Mitarbeiter der komplementären Einrichtung im verlässlichen Kontakt mit<br />
den Mitarbeitenden der Klinik stehen. Bei Verhaltensauffälligkeiten ist gemeinsam zu<br />
entscheiden, ob der Patient sofort zurück in die Klinik verlegt werden muss. Es ist<br />
sinnvoll, dass der komplementäre Träger mit der Maßregelvollzugsklinik eine Mustervereinbarung<br />
zur Leistungs- und Vergütungsvereinbarung trifft, um sich vertraglich<br />
abzusichern (siehe Mustervereinbarung dazu vom STÜTZPUNKT NACHSORGE).<br />
7
Die medizinische und therapeutische Betreuung erfolgt in dieser Phase in der Regel<br />
bei § 63 StGB durch die Klinik.<br />
In der gesamten Zeit der Beurlaubung trägt die Klinik die Verantwortung. Die Kosten<br />
werden in dieser Zeit mit der Klinik abgerechnet. Der Patient ist unter bestimmten<br />
Auflagen oder Weisungen beurlaubt. Sehr gut ist in dem Zusammenhang eine Individuelle<br />
Betreuungsvereinbarung und ein Krisenplan, in denen genau festgehalten<br />
wird, was der Patient, darf, was er nicht darf, was er soll, was er muss etc. und wer<br />
Ansprechpartner bei der Klinik und dem komplementären Bereich ist (und zuständig<br />
für den Patienten ist). Die Beurlaubungsphase leitet die Integration des Patienten in<br />
die Gemeinde ein.<br />
Alle Betreuungsleistungen werden in einem Hilfeplan bzw. Clearing-Verfahren (LVR:<br />
Individuelle Hilfeplanung mit Hilfeplankonferenzen und Regionalkonferenzen, LWL:<br />
Clearing-Verfahren und Besetzung der Clearing-Stellen) festgeschrieben und dokumentiert.<br />
Im Idealfall erfolgen sie in Abstimmung mit der Maßregelvollzugsklinik. Es<br />
sollen während des LZU und auch später während der Entlassung regelmäßige Helferkonferenzen<br />
mit allen Beteiligten (z.B. Patient, Führungsaufsicht, Bewährungshelfer,<br />
Mitarbeiter der FNA, Betreuer der <strong>Nachsorge</strong>einrichtung, Therapeut) stattfinden.<br />
In den Helferkonferenzen werden die Betreuungsziele (unter Beachtung der Rückfallprognose)<br />
und die damit verbundenen Maßnahmen festgelegt.<br />
Am Ende des LZU sind die Eckpunkte des erforderlichen Settings für den Patienten<br />
in Absprachen zwischen Klinik und komplementären Träger festzulegen. Dabei ist<br />
insbesondere auch der individuelle Hilfebedarf zu vereinbaren.<br />
Die Gesamtsituation des Patienten, d.h. Wohnen, Integration in Arbeit, soziale Kontakte<br />
etc, muss Beachtung finden. Außerdem werden wesentliche Aspekte einer Krisenintervention<br />
zusammen erarbeitet. Die Hilfeplanung / das Clearing-Verfahren sollte<br />
regelmäßig überprüft und weiter entwickelt werden.<br />
Es gibt keinen gesonderten Leistungstyp für forensische Patienten.<br />
4.) Entlassungsphase oder: Was gibt es mit der (bedingten) Entlassung zu<br />
berücksichtigen?<br />
(Bedingte) Entlassung:<br />
Vor einer (bedingten Entlassung) ist der Patient durch einen Sachverständigen zu<br />
begutachten. Die (bedingte) Entlassung wird durch einen Richter angeordnet. Der<br />
Klient ist nach der Entlassung kein Patient des Maßregelvollzugs mehr.<br />
Es gibt bestimmte Weisungen und Auflagen, die durch Führungsaufsicht und Bewährungshilfe<br />
kontrolliert werden. Diese müssen den Sicherungsauftrag erfüllen (in Verantwortung<br />
mit der Strafvollstreckungskammer, in Kooperation mit der FNA, unter der<br />
Bedingung der komplementären Einrichtung). Zwischen diesen und dem komplementären<br />
Träger sollte es eine enge Zusammenarbeit geben. Eine Regelverletzung ist im<br />
Einzelfall dort zu melden.<br />
Eine gute <strong>Nachsorge</strong> bedeutet immer Vorsorge.<br />
8
Es sollte bereits ausreichend vor der anstehenden Entlassung ein Antrag auf Übernahme<br />
der Kosten beim jeweiligen Kostenträger gestellt werden (beim stationären<br />
Wohnen ist der überörtliche Sozialhilfeträger zuständig, beim ambulanten Wohnen<br />
greift § 53 SGB XII).<br />
Von der Maßregelvollzugsklinik aus kann über die Mitarbeiter der Forensischen<br />
<strong>Nachsorge</strong>ambulanz weiterhin die Nachbetreuung geleistet werden. Finanzierung<br />
der Ambulanzarbeit umfasst derzeit 5 Jahre bei § 63 StGB und 1 Jahr bei § 64 StGB.<br />
Die Aufgaben der <strong>Nachsorge</strong> (Angaben vom Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug<br />
NRW):<br />
Die Forensischen <strong>Nachsorge</strong>ambulanzen haben die Aufgaben:<br />
• die Wiedereingliederung vorzubereiten<br />
• zusätzlicher Ansprechpartner für die komplementären Träger, die Führungsaufsicht,<br />
die Bewährungshilfe etc. zu sein<br />
• alle beteiligten Stellen zu unterstützen<br />
• zu beraten<br />
• zu koordinieren<br />
• Kontrolle des Klienten mit auszuüben<br />
• Risiko einzuschätzen.<br />
5.) Empfehlungen zur internen Vorbereitung oder: Wie macht sich die komplementäre<br />
Einrichtung fit?<br />
Tipps:<br />
Um die Abläufe in einer Maßregelvollzugsklinik kennen zu lernen, ist es empfehlenswert,<br />
in einer Maßregelvollzugsklinik zu hospitieren. Damit ist die Möglichkeit gegeben,<br />
die Behandlung von psychisch- und/oder suchtkranken Rechtsbrechern vor Ort<br />
kennen zu lernen.<br />
Die für den potenziellen Patienten zuständigen Mitarbeiter schauen sich an einem<br />
Tag oder an mehreren Tagen den Betriebsablauf auf den einzelnen Stationen an und<br />
führen mit den dortigen Mitarbeitern Gespräche. Gleichzeitig können durch dieses<br />
Vorgehen Vorurteile und Bedenken abgebaut werden. Wenden Sie sich diesbezüglich<br />
an die <strong>Nachsorge</strong>ambulanzen in den Maßregelvollzugskliniken!<br />
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