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Das Paradox als Stilmittel

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Toliletpaper-Fotografien ohne Titel ist] ein junges hübsches Model, das einem Hitchcock-<br />

Film entsprungen sein könnte. Sie trägt einen pinken Rolli und pinken Lippenstift. Ihre weit<br />

aufgerissenen blauen Augen und der zum Schrei offene Mund verstärken den Eindruck des<br />

Schreckens. Mit den Händen fasst sie sich an den Kopf, eine Verzweiflungsgeste. Der<br />

Schock, ein surrealistisches Arbeitsmittel, ist ihr anzusehen, denn etwas scheint sie<br />

anzugreifen [Wie die Vögel, die bei Hitchcock im gleichnamigen Film von 1963 Melanie<br />

Daniels (Tippi Hedren) angriffen.]. Auf der Toiletpaper-Fotografie sind es aber keine Vögel,<br />

sondern schwarze Telefonhörer aus den 40er/50er Jahren, die das Model zur Verzweiflung<br />

bringen, denn sie fallen an Kabeln auf sie herab und scheinen sie bedrängen zu wollen. Man<br />

kann das zigfache imaginäre Reden/Läuten hören, das die Situation unerträglich zu machen<br />

scheint. Die Frau wird von einer Informations- und Signalflut überwältigt.<br />

Diese surrealistische Szenerie wirkt manieristisch durch die perfekte saubere Ausleuchtung<br />

der satten Farben. Die Absurdität der Darstellung soll zur Interpretation anregen. Ist dieses<br />

Foto eine Kritik an unser aller „Allzeit-Erreichbarkeit“, unserer Handy-Affinität? Zeigt es den<br />

Wahnsinn einer Kommunikationstechnologie, die immer weiter in unser Leben eindringt?<br />

Weitere Spekulationen sind möglich. Auch hier geht es um eine nicht negative Intension des<br />

Bildes, denn es regt die Phantasie an, es zeigt an, in welchem Spannungsfeld wir heute leben.<br />

Die manieristischen Strategien, die Spannung, Verunsicherung, das <strong>Paradox</strong>e der Zeit, in der<br />

Kunst seinen Ausdruck finden zu lassen durch überzogene Formen, Farben und Ideen ist auch<br />

heute noch präsent. Auch wenn sich die Medien weiterentwickelt haben, so treffen wir gerade<br />

heute wieder auf ein gesellschaftliches Umfeld, das vom Neoliberalismus, Terrorismus,<br />

Nationalismus und Imperialismus bestimmt ist. Die Folgen daraus sind die Krisen unserer<br />

Zeit [Überwachungskrise, Wirtschaftkrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Umweltkrise,<br />

Armutskrise], die wir nicht, so scheint es, bewältigen können oder wollen. Die Menschen im<br />

Manierismus steckten wie wir heute in einer tiefen Vertrauenskrise, zu sich selbst, zu unseren<br />

Systemen und zu unseren Werten/unserem Glauben. Hieraus entwuchsen und entwachsen<br />

ähnliche künstlerische Ansätze, dies nachzuzeichnen, war meine Absicht.<br />

von Helge H. Paulsen

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