Pro - Biomet
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Berliner Seminare<br />
Ausgabe 1 | 2010<br />
Trend oder Irrweg<br />
Entwicklungen<br />
in der Endoprothetik<br />
Zwischenbilanz<br />
MIS Knie und Hüfte 4<br />
Kurzschaft 6<br />
Navigation Knie 12<br />
Schulterendoprothetik 17<br />
Oberflächenersatz Hüfte 19<br />
Integrierte Versorgung 25<br />
Quervernetzte Polyethylene 29
2<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Titelbild: Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock,<br />
Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie<br />
Editorial 3<br />
MIS Knie: Minimalinvasive Knieendoprothetik <strong>Pro</strong>f. Dr. Stefan Sell 4<br />
MIS Hüfte und Kurzschaft: Minimalinvasive Hüftendoprothetik<br />
und Kurzschäfte <strong>Pro</strong>f. Dr. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson 6<br />
Medizintechnik: Die richtige Länge 11<br />
Navigation Knie: <strong>Pro</strong><br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Heiko Graichen, PD Dr. Rüdiger von Eisenhart-Rothe 12<br />
Navigation Knie: Kontra <strong>Pro</strong>f. Dr. Andreas Kurth 14<br />
Medizintechnik: Individuell präzise 16<br />
Schulterendoprothetik: Vom Oberflächenersatz<br />
zur Kopfprothese Dr. Bernd Dreithaler 17<br />
Schulterendoprothetik: Inverse Schulterendoprothetik<br />
Dr. Theodorus Patsalis 18<br />
Oberflächenersatz Hüfte: <strong>Pro</strong> <strong>Pro</strong>f. Dr. Joachim Schmidt 19<br />
Oberflächenersatz Hüfte: Kontra <strong>Pro</strong>f. Dr. Steffen Breusch 22<br />
Integrierte Versorgung: Erfolgsmodell mit Zukunftsperspektive<br />
Dr. Claudia Linke 25<br />
Integrierte Versorgung: Qualität und <strong>Pro</strong>zessoptimierung<br />
Ein Gespräch mit Dr. Manfred Krieger 28<br />
XPE: Quervernetzte Polyethylene<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Dipl.-Ing. Rainer Bader, Dipl.-Ing. Carmen Zietz 29<br />
Medizintechnik: Vitamin E gegen Oxidation 31<br />
Biologische Knorpelregeneration:<br />
Die autologe Chondrozyten-Transplantation<br />
Univ.-<strong>Pro</strong>f. Dr. Dr. Reinhard Schnettler, <strong>Pro</strong>f. Dr. Olaf Kilian 32<br />
Klare Trends: Perspektiven der Forschung und<br />
Entwicklung in der Medizintechnik Dr. Henrich Mannel 35
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
„was zählt, ist was hinten rauskommt“. Dieses Zitat des früheren<br />
Bundeskanzlers Helmut Kohl bringt das Thema der<br />
neuen Ausgabe der Berliner Seminare auf den Punkt: Wir<br />
wollen hier versuchen, die wichtigsten endoprothetischen<br />
Innovationen der vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre unter<br />
die Lupe zu nehmen und Bilanz zu ziehen. Welchen Nutzen<br />
haben die neuen Implantate und Verfahren wirklich gebracht?<br />
Innovation ist in der Medizin immer eine Gratwanderung.<br />
Wer Neues einführt, muss irgendwann den sicheren Hafen<br />
des „Goldstandards“ verlassen. Selbst mit der umfassendsten<br />
Grundlagenforschung und der solidesten Vorbereitung<br />
lassen sich nicht alle Fragen im Vorhinein klären. Erst der<br />
klinische Einsatz entscheidet über Erfolg oder Misserfolg.<br />
In der Endoprothetik spielt zudem der Faktor Zeit eine besonders<br />
große Rolle. Zwischen frühen Resultaten und<br />
Langzeitergebnissen kann es beträchtliche Unterschiede<br />
geben.<br />
So bleibt jede Bilanz eine Zwischenbilanz. Wir brauchen sie<br />
aber selbst unter Vorbehalt und mit Fragezeichen als<br />
Grundlage für unsere Entscheidungen. Denn Sie müssen in<br />
der Klinik täglich die Frage nach der bestmöglichen Versorgung<br />
für Ihre Patienten beantworten, insbesondere in den<br />
Fällen, in denen das Altbewährte keine optimale Lösung<br />
bieten kann. Und auch für uns als Hersteller ist der möglichst<br />
große Nutzen für den Patienten die wichtigste Richtlinie<br />
für die Investitionsentscheidungen, die wir regelmäßig<br />
zu treffen haben.<br />
Manche Innovationen, die wir in diesem Magazin behandeln,<br />
haben diesen Nutzen inzwischen eindeutig bewiesen.<br />
Das spiegelt sich im weitgehenden Konsens der Fachwelt<br />
wider. Hier haben wir versucht, den Stand der Dinge in<br />
den wesentlichen Punkten zusammenzufassen. Bei anderen<br />
Innovationen gehen die Meinungen auseinander. In diesen<br />
Fällen maßen wir uns kein Urteil an, sondern lassen Befürworter<br />
und Gegner zu Wort kommen. Auch wenn die<br />
Diskussion so nicht abgeschlossen wird, können Sie aus<br />
den sachlichen Argumenten Ihre eigenen Schlüsse ziehen.<br />
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen<br />
Ihr<br />
Dr. med. Hadi Saleh<br />
Geschäftsführer <strong>Biomet</strong> Deutschland<br />
3
4<br />
MIS Knie<br />
Minimalinvasive Knieendoprothetik<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Stefan Sell*<br />
In der Rheumaorthopädie ist es ein seit langem etablierter Grundsatz: Je „zärtlicher“<br />
der Operateur mit den Weichteilen umgeht, desto schneller ist der Patient wieder auf<br />
den Beinen. Zudem verläuft die Wundheilung schneller, und Wundheilungsstörungen<br />
sind seltener. Diese Prinzipien haben sich in den letzten zehn Jahren auch in der<br />
Knieendoprothetik auf breiter Front durchgesetzt. Die weichteilschonende Implantation<br />
gehört mittlerweile zum bewährten Repertoire vieler Spezialisten.<br />
Fokus Weichteilschonung<br />
Allerdings ist mit dem Begriff „minimalinvasiv“<br />
die Gefahr einer falschen Erwartung verbunden,<br />
die bei den Patienten geweckt<br />
wird. Die Konzentration auf den kleinen<br />
Hautschnitt darf nicht das Ziel dieser Methode<br />
sein. Begriffe wie „weichteilschonend“<br />
oder „minimaltraumatisch“ treffen die Sache<br />
genauer und sind weniger missverständlich.<br />
Die Anfänge weichteilschonender Verfahren<br />
wurden in der Knieendoprothetik mit unikondylären<br />
Implantaten gemacht. Diese werden<br />
heute praktisch gar nicht mehr „konventionell“<br />
implantiert. Mit der weichteilschonenden<br />
Implantation von unikondylären Knieendoprothesen<br />
werden deutlich bessere funktionale<br />
Ergebnisse erreicht als mit der konventionellen<br />
(Kim et. al 2007). Aus diesen<br />
Ansätzen und Erfahrungen heraus wurde das<br />
Augenmerk auch in der Totalendoprothetik<br />
viel stärker auf die Weichteile gerichtet, als<br />
dies vorher der Fall war. So ist ein neues Verständnis<br />
entstanden, das bereits an sich als<br />
ein wichtiger Fortschritt gelten kann.<br />
Voraussetzungen<br />
und Indikationen<br />
Die weichteilschonende Implantation ist<br />
nicht für jeden Fall geeignet. Das Bonmot eines<br />
amerikanischen Kollegen fasst es treffend<br />
zusammen: not for every patient, not<br />
for every surgeon, not for every day. Die Indikation<br />
muss stimmen, denn das Verfahren<br />
ist bei adipösen, besonders muskelstarken<br />
oder Patienten mit Voroperationen (Narbenbildung)<br />
oder schweren Achsdeformitäten<br />
deutlich schwieriger. Die Operation mit kleinen<br />
Zugängen ist naturgemäß technisch anspruchsvoller<br />
als die offene. Sie hat eine verlängerte<br />
Lernkurve, für welche die Literatur<br />
eine erhöhte Komplikationsrate berichtet.<br />
Operationstechnik<br />
Es sind mehrere Zugänge im Gebrauch, wie<br />
zum Beispiel Mid-Vastus, Sub-Vastus oder<br />
Quad-Sparing. Die Überlegenheit eines einzelnen<br />
Zugangs konnte in der Literatur noch<br />
nicht eindeutig nachgewiesen werden. Nach<br />
klinischer Erfahrung kommt es offensichtlich<br />
vor allem auf die handwerkliche Beherrschung<br />
des jeweils verwendeten Zugangs<br />
an: Man sollte den verwenden, mit dem<br />
man sich am besten auskennt. Unabhängig<br />
vom Zugang ist man bei der weichteilschonenden<br />
Implantation einer Knieendoprothese<br />
gezwungen, mit einem sogenannten<br />
Mobile Window auszukommen. Das Sichtfenster<br />
wird für jeden Operationsschritt in die<br />
jeweils benötigte Position geschoben. Der<br />
Operateur kann so zwar alles sehen, aber nie<br />
alles auf einmal.<br />
Achsen und Implantatpositionierung<br />
Da es bei der Endoprothetik nach wie vor in<br />
erster Linie um das Langzeitergebnis geht,<br />
dürfen zu Lasten der korrekten Positionierung<br />
der Implantate keine Kompromisse<br />
eingegangen werden. Die Genauigkeit der<br />
Implantation der Knieprothese bei der minimalinvasiven<br />
Technik wird in der Literatur<br />
sehr kontrovers diskutiert. Das Risiko einer<br />
Fehlpositionierung durch die neue Technik<br />
bedarf sicher weiterer wissenschaftlicher<br />
Untersuchungen („…can increase risk of<br />
component malalignment“ Dalury DF, Dennis<br />
DA; „…a risk for early failure“ Barrack et al.).<br />
Inzwischen stehen eigens für das weichteilschonende<br />
Operieren entwickelte Instrumente<br />
zur Verfügung. Mit ihnen lässt sich das<br />
Abtasten der Knochenstrukturen genauso<br />
* Sana Gelenk- und Rheumazentrum Baden-Württemberg,<br />
Klinik für Endoprothetik und Gelenkchirurgie, Bad Wildbad
durchführen wie bei der konventionellen Operation.<br />
Auf der Grundlage einer gründlichen<br />
präoperativen Planung und mit Hilfe der modernen<br />
Instrumentarien kann ein erfahrener<br />
Operateur die Achsen auch bei verminderter<br />
Übersicht bestimmen und einstellen.<br />
Für die Einstellung der Rotation muss er aber<br />
mit nur noch zwei Hilfslinien auskommen, da<br />
die Achse der Epikondylen nicht mehr zur<br />
Verfügung steht. Die Bestimmung der transepikondylären<br />
Achse ist bei minimalinvasiven<br />
Verfahren erschwert (Yau et al.).<br />
Ergebnisse und<br />
Komplikationen<br />
In der Literatur wird über verbesserte Ergebnisse<br />
in Wundheilung, Beweglichkeit<br />
und Mobilisation berichtet. Das Potential<br />
der weichteilschonenden Techniken scheint<br />
nach einer Lernkurve vor allem in der Mobilisation<br />
und Beweglichkeit des Patienten zu<br />
liegen (Tsuji et al. 2009). Wie lange der Effekt<br />
nachweisbar ist, wird unterschiedlich diskutiert.<br />
Kayshap und van Ommeren fanden<br />
ihn noch nach 2 Jahren, Varela-Egocheaga<br />
et al. zeigten verbesserte Knie-Score-Werte<br />
auch noch nach 3 Jahren. Der Effekt war<br />
dagegen in anderen Untersuchungen nach<br />
3 bis 6 Monaten nicht mehr nachweisbar<br />
(Kolisek et al., Dalury et al). Die Vorteile der<br />
Literatur:<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Stefan Sell<br />
Methode zeigten sich jedoch nicht in allen<br />
Studien (Dalury et al.).<br />
Die Einführung dieser Techniken hat unser<br />
Augenmerk vermehrt auf die Wichtigkeit der<br />
Weichteile gelenkt. Es bedarf jedoch sicher<br />
noch weiterer Untersuchungen, um den Einfluss<br />
abzuschätzen; das Konzept erscheint<br />
jedoch erfolgversprechend (Scuderi 2006).<br />
Die Vorteile weichteilschonender Verfahren<br />
können sich besonders gut entfalten, wenn<br />
sie im Rahmen von gesamthaften Behandlungskonzepten<br />
eingesetzt werden. Weniger<br />
Trauma, weniger Anästhesie, weniger<br />
Schmerzen, schnellere Mobilisierung,<br />
kürzere Krankenhausverweildauer und<br />
Rehabilitation können sich dann zu einer<br />
Reihe von Vorteilen für Patienten, Kliniken<br />
und Sozialsysteme summieren.<br />
Minimalinvasiver<br />
Zugang<br />
Implantation einer<br />
unikondylären Knieprothese<br />
über einen<br />
minimalinvasiven<br />
Zugang<br />
Kim, KT et al., A <strong>Pro</strong>spective Analysis of Oxford Phase 3 Unicompartmental Knee Arthroplasty. Orthopedics. 30 (5 Suppl), 2007, 15–18.<br />
Dalury DF DF, Adams MJ, Lewis C, Sauder RR, Bushey JA, Early recovery after total knee arthroplasty performed with and without<br />
patellar eversion and tibial translation. A prospective and randomized study, JBJS Am 2009 91, 1339–43.<br />
Dalury DF, Dennis DA, Mini-incision total knee arthroplasty can increase risk of component malalignment, Clin Orthop 2005 440, 77–81.<br />
Kolisek FR, Bonutti PM, Hozack WJ, Purtill J, Sharkey PF, Zelicof SB, Ragland PS, Kester M, Mont MA, Rothman RH, Clinical Experience<br />
Using a Minimally Invasive Surgical Approach for Total Knee Arthroplasty, J Arthroplasty 2007 22, 8–13.<br />
Barrack RL, Barnes CL, Burnett RS, Miller D, Clohisy JC, Maloney WJ, Minimal invasive surgery as a risk factor for early failure of total<br />
knee arthroplasty, J Arthroplasty 2009 24, 489–98.<br />
Varela-Egocheaga JR, Suárez-Suárez MA, Fernández-Villán M, González-Sastre V, Varela-Gómez JR, Rodríguez-Merchán C. Minimally<br />
Invasive Subvastus Approach: Improving the Results of Total Knee Arthroplasty: A <strong>Pro</strong>spective, Randomized Trial. Clin Orthop Relat<br />
Res. 2009 Nov 13. [Epub ahead of print].<br />
Tsuji S, Tomita T, Fujii M, Laskin RS, Yoshikawa H, Sugamoto K, Is minimally invasive surgery total knee arthroplasty truly less invasive<br />
than standard total knee arthroplasty? A quantitive evaluation, J Arthroplasty 2009 11.<br />
5
6<br />
MIS Hüfte und Kurzschaft<br />
Minimalinvasive Hüftendoprothetik<br />
und Kurzschäfte<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson*<br />
Mit einem enormen Medienecho hat die minimalinvasive Hüftendoprothetik vor<br />
rund zehn Jahren ihren Einzug in die orthopädische Chirurgie gehalten. Dem breiten<br />
Publikum wurde das Bild des möglichst kurzen Hautschnittes als Ausweis moderner<br />
Operationstechnik präsentiert. Entscheidend sind aber die Strukturen unter<br />
der Haut. Nur wenn Muskeln und Nerven geschont werden, kann sich der Nutzen<br />
des Verfahrens – die schnellere Mobilisierung und Heilung – entfalten. Dieser Nutzen<br />
darf aber nicht mit Kompromissen bei Auswahl und Positionierung des Implantats<br />
erkauft werden. Die Entwicklung der minimalinvasiven Verfahren hat das<br />
Interesse an Kurzschäften gesteigert. Auch epidemiologische und demographische<br />
Faktoren spielen eine Rolle: Seit auch jüngere Patienten endoprothetisch versorgt<br />
werden, gehört die Vorsorge für die möglicherweise mehrfach nötige Revision<br />
zu den zwingenden Überlegungen in der Planung der Behandlung.<br />
Lernkurve<br />
In der Entwicklung der minimalinvasiven Hüftendoprothetik<br />
hat es eine zugangsspezifische Lernkurve gegeben. Nervenläsionen<br />
und Muskelquetschungen waren die typischen<br />
Schäden einer kollektiven Lernphase. Bei den vorderen Zugängen<br />
kamen anfangs Verletzungen der Hautnerven vor,<br />
bis man den Zugang modifiziert hat. Bei der 2-incision-<br />
Technik gab es dauerhaft sehr hohe Komplikationsraten, so<br />
dass dieses Verfahren inzwischen weitgehend verlassen<br />
wurde. Eine Reihe verschiedener Zugänge ist inzwischen<br />
breit etabliert. Grundsätzlich ist eine individuelle Lernkurve<br />
des einzelnen Operateurs nur in Grenzen akzeptabel. Es<br />
gibt genügend Möglichkeiten, die deutlich schwierigere Implantationstechnik<br />
gründlich zu erlernen und ausreichend<br />
zu trainieren.<br />
Zugänge und Operationstechnik<br />
Der anterolaterale, modifizierte Watson-Jones-Zugang wird<br />
wohl am häufigsten verwendet. Er erreicht einen guten Kompromiss<br />
zwischen Muskelschonung, Nervenschonung und<br />
Erweiterbarkeit bei Bedarf. Er ist technisch und präparatorisch<br />
sehr leicht zu handhaben und bietet einen relativ guten<br />
Zugang zum Gelenk. Der Gluteus medius bekommt dabei<br />
zwar am Vorderrand starken Druck ab, doch hat dies für den<br />
Patienten kaum negative Konsequenzen. Es muss aber sichergestellt<br />
werden, dass der Druck auf den Muskel nicht<br />
auch den Nervus gluteus superior in Mitleidenschaft zieht.<br />
Streng anteriore Zugänge ließen sich nur schwer erweitern.<br />
Modifizierte Zugänge wie die Anterior-Supine-Intermuscular-<br />
Methode (ASI) machen eine Erweiterung inzwischen möglich.<br />
Der modifizierte Watson-Jones-Zugang wird in verschiedenen<br />
Varianten, meist in Rückenlagerung, eingesetzt. In einer<br />
* Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universität München, Klinikum Großhadern
<strong>Pro</strong>f. Dr. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson<br />
weiter modifizierten Form wird er als Operation in Seitenlage<br />
(„OCM-Zugang“) verwendet. Zugänge in Seitenlagerung<br />
haben allerdings den Nachteil der weniger stabilen<br />
Lage des Patienten. Die korrekte Positionierung der Pfanne<br />
ist mit ihnen weniger sicher. Modifikationen des lateralen<br />
Zugangs nach Hardinge sind präparatorisch ausgesprochen<br />
schwierig, aber sehr gut zu erweitern. Auch von dorsal<br />
ist mit einem kleinen Hautschnitt eine gute Exposition<br />
des Hüftgelenks zu erreichen.<br />
Durch die Verwendung natürlicher Muskellücken als Zugangspforten<br />
werden die Muskeln intakt gelassen. Es ergibt<br />
aber keinen Sinn, einen Muskel auf Kosten seiner Innervierung<br />
zu schonen. Die richtige Rangfolge der<br />
Schonung muss also unbedingt beachtet werden. Wichtig<br />
ist es, einen Zugang zu wählen, der zum Implantatmodell<br />
passt und eine sichere Positionierung ermöglicht. Im Zweifelsfall<br />
sollte besonders für die sichere Positionierung der<br />
Pfanne die Navigation zu Hilfe genommen werden.<br />
Einen Geradschaft minimalinvasiv einzubringen ist bei vielen<br />
klassischen Modellen und besonders bei langen Geradschäften<br />
ohne proximal-laterale Abflachung schwierig.<br />
Kurzschäfte sind für das minimalinvasive Verfahren naturgemäß<br />
am besten geeignet. Das minimalinvasive Operieren<br />
ist technisch in jedem Fall anspruchsvoller als die konventionellen<br />
Verfahren. Sie sind nur für Operateure geeignet,<br />
die bereits ausreichend Erfahrung in der Endoprothetik gesammelt<br />
haben.<br />
Kontraindikationen<br />
Patientenspezifische Kontraindikationen gibt es kaum. Die<br />
wichtigsten sind Knochendeformitäten, die von Voroperationen<br />
wie Umstellungsosteotomien stammen und einen zusätzlichen<br />
Platzbedarf für das Lösen von Narben oder eine<br />
umfassendere Darstellung des Knochens erfordern. Das<br />
Körpergewicht spielt eine untergeordnete Rolle. Nur bei<br />
muskelkräftigen Männern stößt das Verfahren gelegentlich<br />
an seine Grenzen.<br />
Klinische Ergebnisse<br />
Bei unikondylären Schlittenprothesen gibt es Studien, die<br />
den Nutzen des minimalinvasiven Implantierens auch bei<br />
den Langzeitergebnissen eindeutig ausweisen. Ähnliche Arbeiten<br />
liegen für die minimalinvasive Hüftendoprothetik nicht<br />
vor. Klar belegt sind lediglich Vorteile in der unmittelbar<br />
postoperativen Phase. Nach der minimalinvasiven Implantation<br />
kann der Patient bereits am ersten Tag das Gelenk<br />
Minimalinvasive Implantation<br />
einer Hüftendoprothese durch<br />
einen anterolateralen Zugang<br />
7
8<br />
MIS Hüfte und Kurzschaft<br />
<strong>Pro</strong>bereposition mit Überprüfung<br />
der Gelenkstabilität beim minimalinvasiven<br />
Verfahren<br />
belasten, was allerdings aufgrund von Wundschmerzen<br />
meist nicht geschieht. Die Mobilisierung verläuft schneller,<br />
der Heilungsvorsprung gegenüber konventionell operierten<br />
Patienten ist aber nach spätestens einem Jahr nivelliert.<br />
Während ein langfristiger Vorteil also nicht zu erkennen ist,<br />
gibt es Hinweise, dass die schwierigere Operationstechnik<br />
und der eingeschränkte Überblick die Implantatpositionierung<br />
beeinträchtigen können. Die Lage der Komponenten hat bekanntlich<br />
einen entscheidenden Einfluss auf den Abrieb und<br />
die Gelenkstabilität. Die schnellere Rehabilitation könnte also<br />
mit dem Risiko einer höheren Lockerungsrate erkauft sein.<br />
Das Implantationsverfahren sollte deshalb die korrekte Positionierung<br />
und Wahl der Implantate nicht beeinflussen.<br />
Oberste Priorität muss immer der langfristige Erfolg der endoprothetischen<br />
Versorgung haben. Der Umkehrschluss heißt<br />
aber nicht, dass man auf die minimalinvasive Implantation<br />
verzichten sollte. Die größtmögliche Schonung des Patienten<br />
ist eine Grundforderung der Chirurgie. Sind die genannten<br />
Voraussetzungen für eine sichere Implantation gegeben, gibt<br />
es keinen Grund, nicht minimalinvasiv vorzugehen.<br />
Kurzschäfte<br />
Das Bestreben nach einer minimalinvasiven Implantation<br />
darf die Indikationsstellung für ein bestimmtes Schaftmodell<br />
natürlich nicht beeinflussen. Auch hier hat die langfristige<br />
Implantatstabilität Priorität vor anderen Zielen. Ein legitimes<br />
Ziel ist die Schonung des Knochenlagers. Dass dieses mit<br />
einem Kurzschaft erreicht wird, ist strenggenommen nicht<br />
„evidence based“ bewiesen, aber offensichtlich, da weniger<br />
Knochen reseziert und dieser proximal belastet wird. Die<br />
proximale Verankerung soll zudem einem Stress-shielding<br />
und damit einem langfristigen Knochenverlust vorbeugen.<br />
Schaftformen<br />
Es gibt keine gültige Definition des Kurzschaftes. Manche<br />
sogenannte Kurzschäfte sind bei genauem Hinsehen nur<br />
verkürzte Standardschäfte. Ihre proximale Verankerung entspricht<br />
der des Standardschaftes, dem sie nachgebildet<br />
sind. Sie sind zum Teil über eine lange Strecke beschichtet,<br />
so dass der Knochen auch distal anwächst. Bei einer Revision<br />
ist bei solchen Schäfte ein Knochenverlust wie beim<br />
Standardschaft zu erwarten. Ein wirklicher Kurzschaft muss<br />
in seinem Design als solcher konzipiert sein und tatsächlich<br />
nur proximal einwachsen. Das theoretische Optimum des<br />
Kurzschaftdesigns ist die kürzeste Verankerungsstrecke,<br />
die eine sichere proximale Verankerung ermöglicht.
Kurzschäfte im Vergleich<br />
Kurzschaft Anzahl<br />
Implante<br />
CFP<br />
MAYO<br />
METHA<br />
NANOS<br />
ø<br />
Patientenalter<br />
ø Follow-up<br />
Dauer<br />
(Monate)<br />
Sonderform Schenkelhalsprothese<br />
Einen Schaft ausschließlich im Schenkelhals zu verankern,<br />
ist biomechanisch extrem schwierig, weil der gesamte Krafthebel<br />
der Hüftresultierenden in ein sehr kleines Knochenlager<br />
eingeleitet wird. Das Biegemoment muss hier auf einer kurzen<br />
Strecke abgefangen werden. Es gibt im Grunde nur eine<br />
Schenkelhalsprothese, die in nennenswerten Stückzahlen<br />
implantiert worden ist – die Druckscheibenprothese, welche<br />
sich durch hohe Lockerungsraten auszeichnete. Sie hat immer<br />
dann gut funktioniert, wenn das Implantat – eher zufällig<br />
– so eingebaut war, dass die Hüftresultierende genau senkrecht<br />
auf die Druckscheibe zulief. Schon bei leichter Abweichung<br />
von diesem Idealfall stieg die Rate der Versager.<br />
Überlebensrate<br />
(%)<br />
ø Harris<br />
Hip Score<br />
Referenz<br />
106 55 54 – 95 1<br />
71 48 27 – 77 2<br />
156 – 72 99,4 – 3<br />
72 – 36 100 94 4<br />
159 – 74 98,2 90 5<br />
139 – 21 – 92 6<br />
160 63 56 97,5 – 7<br />
270 – 84 98,1 94 9<br />
30 57 81 100 – 10<br />
97 58 12 – 96 11<br />
48 – 29 – 95 12<br />
200 – 36 – 98 13<br />
109 56 12 – 98 14<br />
34 – 18 – 95 15<br />
52 – 24 – 96 16<br />
33 – 13 – 97 17<br />
PROXIMA 65 – 20 – 91 18<br />
Referenzen:<br />
1 v. Foerster G. CFP-Hüftschaft. Implantat-Atlas Hüftschäfte, Effenberger H et al. (Hrsg.) Hüftschäfte, Grieskirchen 2007<br />
2 Dörner C et al. Posttraumatische Coxarthrose – Resultate mit der Collum femoris erhaltenden CFP-<strong>Pro</strong>these. DKOU 2007<br />
3 Schwantes B et al. Mittelfristige Ergebnisse mit dem schenkelhalserhaltenden CFP-Schaft. DKOU 2007<br />
4 Gill IR et al. Medium term results of the collum femoris preserving hydroxyapatite coated total hip replacement. Hip Int.<br />
2008 Apr-Jun 18(2):75–80<br />
5 Morrey BF et al. A conservative femoral replacement for total hip arthroplasty. A prospective study. J Bone Joint Surg Br.<br />
2000 Sep 82(7):952–8<br />
6 Köster G et al. Knochenumbauvorgänge nach Implantation einer Kurzschaftprothese. DKOU 2007<br />
7 Falez F et al. Perspectives on metaphyseal conservative stems. J Orthop Traumatol. 2008 Mar 9(1):49–54<br />
9 Hagel A et al. Experience with the Mayo conservative hip system. Acta Chir Orthop Traumatol Cech. 2008 Aug 75(4):288–92<br />
10 Goebel D, Schultz W. The Mayo cementless femoral component in active patients with osteoarthritis.<br />
Hip Int. 2009 Jul–Sep 19(3):206–10<br />
11 Bücking P et al. Modulare Kurzschaftprothese Metha: aktuelle Ergebnisse. Implant 1/07<br />
12 Braun A, Sabah A. Zwei-Jahres-Ergebnisse einer modularen Kurzschaft-Hüftendoprothese – eine prospektive Studie.<br />
Z Orthop Unfall. 2009 Nov–Dec 147(6):700–6<br />
13 Spittank H, Horst F. Klinische und radiologische Ergebnisse nach Implantation des METHA-Kurzschaftes – aktuelle Datenlage<br />
nach 36 Monaten. DKOU 2009<br />
14 Fuchs G. Periprothetische Knochenveränderungen nach Implantation der neuen NANOS-Schenkelhalsprothese. DKOU 2006<br />
15 Kuhn H et al. Nanos-Kurzschaftprothese: Biomechanik und Ergebnisse. ÖGO 2007<br />
16 Reinhardt A. Keep it short and simple – Ergebnisse einer Multicenter-Studie.<br />
Orthopädie im <strong>Pro</strong>fil 1/2007<br />
17 Ehrenbrink JC. Einfluss des Kurzschaftdesigns der NANOS – Hüfttotalendoprothese auf den periprothetischen Knochenumbau.<br />
Dissertation 2009<br />
18 Ghera S, Pavan L. The DePuy <strong>Pro</strong>xima hip: a short stem for total hip arthroplasty. Early experience and technical considerations.<br />
Hip Int. 2009 Jul–Sep 19(3):215–20<br />
9
10<br />
MIS Hüfte und Kurzschaft<br />
Die für eine Zeit im deutschsprachigen Raum verwendete<br />
Cigar-<strong>Pro</strong>these zeigte ebenfalls eine hohe Lockerungsrate<br />
und wurde mittlerweile auch vom Markt genommen. Als<br />
neue Entwicklung dieser speziellen <strong>Pro</strong>thesengruppe ist die<br />
Spiron-<strong>Pro</strong>these zu nennen. Für eine Bewertung dieses Implantates<br />
ist jedoch der Zeitrahmen noch zu kurz. Nach diesen<br />
Erfahrungen erscheint eine Verankerung ausschließlich im<br />
Schenkelhals mit einem zu hohen Risiko verbunden zu sein.<br />
Indikation<br />
Kurzschaftprothesen sind für jüngere Patienten mit einem<br />
gesunden und kräftigen Knochenlager geeignet. Der Knochen<br />
muss in der Lage sein, dem Implantat eine feste Verankerung<br />
zu ermöglichen und die einwirkenden Kräfte auf<br />
einer kurzen Strecke abzufangen. In unserer Klinik folgen<br />
wir einem abgestuften Konzept: Junge Patienten mit gutem<br />
Knochenlager erhalten einen Kurzschaft, bei einem Knochenlager<br />
mittlerer Güte einen Standardschaft, alte Patienten<br />
mit osteoporotischem Knochen einen zementierten Schaft.<br />
Ergebnisse<br />
Da die meisten Kurzschäfte erst seit wenigen Jahren auf dem<br />
Markt sind, gibt es noch nicht viele aussagekräftige Daten.<br />
Allerdings gab es einige aufsehenerregende Katastrophen<br />
mit offensichtlich fehlkonzipiertem Implantatdesign und erheblichen<br />
Frühlockerungsraten. Bei den Kurzschäften, die<br />
bisher gut funktionieren, weisen die kurz- und mittelfristigen<br />
Ergebnisse keine nennenswerten Unterschiede zu den Standardschäften<br />
aus. Sie sind bei Funktion und Stabilität vergleichbar.<br />
Auch zwischen den verschiedenen Modellen sind<br />
bisher keine deutlichen Unterschiede zu erkennen.<br />
Langzeitdaten liegen nur für ein Modell vor, das bereits vor<br />
etwa 20 Jahren eingeführt wurde. Unter dem Gesichtspunkt<br />
der ausschließlich proximalen Verankerung ohne distale<br />
Krafteinleitung stellt dieses allerdings einen Grenzfall für die<br />
Definition „Kurzschaft“ dar. Seine Ergebnisse sind nur unwesentlich<br />
schlechter als bei den Standardschäften.<br />
Ausblick<br />
Wir wissen noch nicht genug über die Knochenumbaureaktionen<br />
bei Kurzschaftprothesen. Bei Implantaten mit einer<br />
längeren Verankerungsstrecke ist ein ähnliches Stress-shielding<br />
wie beim Standardschaft zu erwarten. Hier sollten die<br />
„echten“ Kurzschäfte langfristig bessere Ergebnisse bringen.<br />
Auch über die Revisionsfähigkeit von Kurzschäften gibt es<br />
bisher keine Studien, da glücklicherweise noch nicht viele Revisionen<br />
nötig geworden sind. Bei wirklich proximal verankerten<br />
Implantaten ist ein Vorteil bei der Revision zu erwarten.<br />
Literatur:<br />
M. Rittmeister, D. P. König, P. Eysel, F. Kerschbaumer, Minimal-invasive Zugänge zum Hüft- und Kniegelenk<br />
bei künstlichem Gelenkersatz. Orthopäde 2004 33/11: 1229.<br />
J. Gulow, R. Scholz, G. von Salis-Soglio, Kurzschäfte in der Hüftendoprothetik. Orthopäde 2007 36/4: 353.<br />
S. T. Woolson, C. S. Mow, J. Fernando Syquia, J. V. Lannin, D. J. Schurman, Comparison of Primary Total<br />
Hip Replacements Performed with a Standard Incision or a Mini-Incision. JBJS Am., 2004; 86: 1353.<br />
R. Decking, W. Puhl, U. Simon, L.E. Claes, Changes in strain distribution of loaded proximal femora caused<br />
by different types of cementless femoral stems. Clin Biomech 2006, 21 (5): 495.
Medizintechnik<br />
Die richtige Länge<br />
Taperloc Microplasty Schaft für verlässliche Schonung<br />
Der Taperloc Hüftschaft überzeugt seit<br />
mehr als 25 Jahren durch beständig hervorragende<br />
klinische Resultate. Seine<br />
flache, konische Keilgeometrie sorgt für<br />
dauerhaft gute Verankerung und Krafteinleitung.<br />
Er kann mit einem Instrumentarium<br />
zementiert oder zementfrei<br />
implantiert werden und steht in einer<br />
hohen Zahl von Größen- und Offsetvarianten<br />
zur Verfügung. Mit dem Taperloc<br />
Microplasty Schaft gibt es jetzt eine zusätzliche,<br />
besonders knochensparende<br />
Version des Klassikers.<br />
Dank seines flachen Querschnitts ist der Taperloc<br />
Schaft seit jeher besonders gut für<br />
die minimalinvasive Implantation geeignet.<br />
Aus dem gleichen Grund kommt er zudem<br />
mit einer geringen Knochenresektion aus.<br />
Die zahlreichen Modellvarianten ermöglichen<br />
bereits so eine primäre Versorgung der<br />
allermeisten Fälle.<br />
Der Taperloc Microplasty Schaft erweitert<br />
das Versorgungsspektrum um eine zusätzliche<br />
Option. Er erlaubt die Implantation in<br />
einem Femur mit besonders engem Markraum<br />
(Dorr-Typ A). Zur Standardversorgung<br />
in normalen Femora kann er ebenfalls eingesetzt<br />
werden, um noch mehr Knochen zu<br />
sparen. Sein Design beruht auf der klinischen<br />
Historie des Geradschafts.<br />
Studie mit 26 Jahren<br />
Follow-up ausgezeichnet<br />
Auf dem 26. Winter Meeting der Current<br />
Concepts in Joint Replacement (CCJR) erhielt<br />
Dr. Jeffrey R. McLaughlin den Orthopaedic<br />
Research and Education Foundation<br />
Clinical Paper Award für seine über 26 Jahre<br />
laufende klinische Studie. Sie weist bei der<br />
aseptischen Lockerung eine Rate von nur<br />
0,7 % über einen Zeitraum von 22–26 Jahren<br />
für den Taperloc Hüftschaft aus.<br />
Die Weiterentwicklung des bewährten Prinzips<br />
verspricht eine Fortsetzung der gut dokumentierten,<br />
hervorragenden Ergebnisse.<br />
Natürlich spielt für den Outcome auch die<br />
Wahl der Gleitpaarung eine entscheidende<br />
Rolle. Die Taperloc Hüftschäfte können unter<br />
anderem mit der Exceed ABT Pfanne<br />
kombiniert werden. Für sie gibt es auch<br />
einen Pfanneneinsatz aus hochvernetztem<br />
PE, das zur Minimierung des Abriebs bei Erhalt<br />
der Materialeigenschaften mit Vitamin E<br />
versetzt ist.<br />
Taperloc und Taperloc Microplasty<br />
Hüftschaftsystem<br />
• Weichteilschonende und knochensparende<br />
Implantation<br />
• Flache, konische Keilgeometrie<br />
• Auch für Femora vom Dorr-Typ A<br />
• Zementiert und zementfrei<br />
mit einem Instrumentarium<br />
Taperloc Standard<br />
(zementfrei)<br />
Taperloc<br />
Microplasty<br />
11
12<br />
Navigation Knie <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
<strong>Pro</strong>: Nahezu 100 <strong>Pro</strong>zent<br />
innerhalb 3°-Toleranz<br />
Von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Heiko Graichen*; PD Dr. med. Rüdiger von Eisenhart-Rothe**<br />
Die Endoprothetik des Kniegelenkes hat sich in der Behandlung der fortgeschrittenen<br />
Gonarthrose als Goldstandard etabliert. Dies belegen auch die zunehmenden<br />
Implantationszahlen. Dabei sind die Ergebnisse der Knieendoprothetik deutlich variabler<br />
als die der Hüfte. Auch die Anzahl der Frühversager ist wesentlich höher.<br />
Bei der Analyse der Versagensursachen spielen für die frühen Revisionen die Fehlpositionierung<br />
und die Instabilität eine bedeutende Rolle, während im zunehmenden<br />
zeitlichen Verlauf die Abrieberkrankung und die aseptische Lockerung an Bedeutung<br />
gewinnen. Aber auch bei den sogenannten Spätversagern ist ein<br />
Zusammenhang zwischen dem Abrieb und der <strong>Pro</strong>thesenfehlpositionierung nachgewiesen.<br />
Positionierung und Stabilität<br />
Bei der Einschätzung, ab welcher Fehlstellung<br />
eine klinische Relevanz auftritt, zeigen<br />
mehrere Studien, dass ab 3° eine zunehmende<br />
Gefahr der frühzeitigen Lockerung<br />
nachgewiesen ist. 1,2 Diese klinischen Beobachtungen<br />
konnten auch in In-vitro-<br />
Analysen bestätigt werden. 3 Gleichzeitig<br />
zeigen verschiedene Studien, dass unabhängig<br />
vom Ausbildungsstand des Operateurs<br />
eine hohe Schwankungsbreite bei der<br />
konventionellen Endoprothetik vorliegt. So<br />
sind bis zu 30 % der operierten Patienten<br />
außerhalb der 3°-Toleranz. 4<br />
Eine Möglichkeit, diese Schwankungsbreite zu<br />
reduzieren, stellt die Navigation dar. Zahlreiche<br />
Studien haben nachweisen können, dass<br />
sich mit Hilfe der Navigation nahezu 100 %<br />
innerhalb der bedeutsamen 3°-Spanne einbringen<br />
lassen. 5 Dabei hat sich die bildfreie<br />
Navigation mittlerweile als Standard innerhalb<br />
der Navigationsverfahren etabliert.<br />
Neben der verbesserten Präzision in Bezug<br />
auf die <strong>Pro</strong>thesenpositionierung bietet die<br />
Navigation auch die Möglichkeit, das Ligamentbalancing<br />
zu unterstützen. So können<br />
die jeweiligen Release-Techniken in Bezug auf<br />
ihren Effekt in dem gesamten Bewegungszyklus<br />
quantifiziert werden. Eine Anpassung<br />
der Beuge- und Streckspalte aufeinander ist<br />
ebenfalls möglich. Somit ist die Navigation<br />
unter Einbeziehung dieser Weichteilkomponente<br />
ein wichtiges Instrument, um auch die<br />
<strong>Pro</strong>blematik der Instabilität zu reduzieren.<br />
Auch in der Unterstützung minimalinvasiver<br />
Zugangswege kann die Navigation von besonderer<br />
Bedeutung sein. So ist sie in der<br />
Lage, bei geringerer Übersicht dennoch<br />
die wichtigen Daten bezüglich einer exakten<br />
<strong>Pro</strong>thesenpositionierung zu liefern. Auf<br />
diese Weise kann die offensichtliche <strong>Pro</strong>blematik<br />
minimalinvasiver Techniken reduziert<br />
werden. 6<br />
Ausbildung und Dokumentation<br />
Auch wenn die Reduktion der Versagenszahlen<br />
sicherlich das wichtigste Argument<br />
für den Einsatz der Navigation darstellt, so<br />
ist die Navigation auch in der Ausbildung<br />
sehr nützlich. Durch die exakte Erfassung<br />
anatomischer Landmarken wird das anatomische<br />
Verständnis verbessert, durch die<br />
Erhebung zahlreicher biomechanischer Daten<br />
vor der Korrektur und auch während der<br />
Operation werden die relevanten Schritte für<br />
Achskorrekturen, Weichteilbalancing und<br />
Kniekinematik vermittelt. Als weiterer Vorteil<br />
kann die lückenlose Dokumentation der einzelnen<br />
Operationsschritte gesehen werden.<br />
Dies kann in Zukunft sowohl für den Ergebnisnachweis<br />
bei Krankenkassen als auch<br />
bei juristischen Auseinandersetzungen eine<br />
Rolle spielen.<br />
Zeitaufwand<br />
In einer Studie 7 wurde als weiterer Vorteil ein<br />
geringerer Blutverlust angeführt. Dies lässt<br />
sich von den Autoren jedoch nicht nachvollziehen,<br />
da die Operationsschritte durch die<br />
Navigation nicht verändert werden.<br />
* Asklepios Orthopädische Klinik Lindenlohe<br />
** Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie; Orthopädische Universitätsklinik rechts der Isar, Technische Universität München
Ein häufig angeführter Nachteil der Navigation<br />
ist der Zeitverlust. Hier ist aber über<br />
Fortschritte in der Software in den letzten<br />
Jahren eine weitere Verbesserung eingetreten,<br />
so dass in der Klinik des Erstautors<br />
lediglich ein Zeitaufwand von maximal 5 Minuten<br />
für das Einbringen der Pins und die<br />
Referenzierung verbleiben. Dem stehen jedoch<br />
der Zeitvorteil durch die Verminderung<br />
von Korrekturschritten und der zusätzliche<br />
Informationsgewinn gegenüber.<br />
Ergebnisse<br />
Zahlreiche Studien haben den Vorteil der<br />
Ausrichtung in Bezug auf die kurzfristigen<br />
Ergebnisse der Patientenzufriedenheit relativiert.<br />
8 Dies ist aber auch nicht anders zu erwarten<br />
und darf nicht als Argument gegen<br />
die Navigation gewertet werden. Nachgewiesenermaßen<br />
stellt die Ausrichtung in der<br />
Gesamtbeurteilung für den Patienten nur einen<br />
von vielen Faktoren dar. So sind sehr<br />
Präoperative Kniekinematik: Die Abbildung zeigt<br />
links oben die Rotation während der Beugung,<br />
links unten den Varus/Valgus-Winkel während der<br />
ersten 30° Flexion, in der Mitte die a/p-Translation<br />
während des Bewegungszyklus. Rechts zeigt sich<br />
die Gelenkspaltweite getrennt für medial und lateral<br />
über den gesamten Bewegungszyklus.<br />
Literatur:<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Heiko Graichen<br />
(links)<br />
Priv. Doz. Dr. Rüdiger<br />
von Eisenhart-Rothe<br />
subjektive Faktoren wie das individuelle<br />
Schmerzempfinden, die Begleiterkrankungen<br />
und die Patientenerwartungen ebenfalls von<br />
großer Bedeutung. In Bezug auf das kurzfristige<br />
Ergebnis können nur extreme Ausreißer<br />
bei der <strong>Pro</strong>thesenpositionierung und der<br />
ligamentären Dysbalance eine Rolle spielen,<br />
diese werden aber in der großen Menge der<br />
Patienten immer untergehen, so dass kein<br />
statistischer Effekt erwartet werden kann.<br />
Anders ist die Situation bei den Langzeitergebnissen,<br />
hier wurde die Fehlstellung mit<br />
mehr als 3° als wichtiger Parameter für eine<br />
erhöhte Lockerungsrate identifiziert, und<br />
hier wird die Navigation in den nächsten<br />
Jahren auch den positiven Effekt nachweisen.<br />
Zusammenfassend ist die Navigation<br />
eine Technik, die dem Operateur zusätzliche<br />
Informationen liefert, die ihm beim optimierten<br />
Implantieren einer Knie-TEP sehr hilfreich<br />
sein können.<br />
Die postoperative Analyse zeigt den Angleich<br />
sämtlicher Parameter an eine physiologische<br />
Kniekinematik.<br />
1 Rand JA, Coventry MB (1988) Ten-year evaluation of geometric total knee arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 232: 168–173<br />
2 Jeffery RS, Morris RW, Denham RA (1991) Coronal alignment after total knee replacement. J Bone Joint Surg Br 73: 709–714<br />
3 Loer I, Plitz W (2003) Tibial malalignment of mobile bearing prostheses – a simulator study. Orthopäde 32: 296–304<br />
4 Mahaluxmivala J, Bankes MJ, Nicolai P et al. (2001) The effect of surgeon experience on component positioning in 673 press fit<br />
condylar posterior cruciate-sacrificing total knee arthroplasties. J Arthroplasty 16: 635–640<br />
5 Bäthis H, Shafizadeh S, Paffrath T et al. (2006) Sind navigierte Knieendoprothesen tatsächlich präziser implantiert. Orthopäde 35:<br />
1056–1065<br />
6 Lüring C. Tingart M, Beckmann J et al. (2006) Minimal-invasive Knieendoprothetik und Navigation – eine sinnvolle Kombination?<br />
Orthopäde 36: 1143–1148<br />
7 Chauhan SK, Scott RG, Breidahl W, Beaver RJ (2004) Computer-assisted knee arthroplasty versus a conventional jig-based<br />
technique. A randomised, prospective trial. J Bone Joint Surg Br. 86: 372–377<br />
8 Pearle AD, Kendoff D, Musahl V (2009) Perspectives on Computer-assisted orthopaedic surgery: Movement toward quantitative<br />
orthopaedic surgery. J Bone Joint Surg Am 91 Suppl 1: 7–12<br />
13
14<br />
Navigation Knie <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
Kontra: Planung schlägt Technologie<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Andreas Kurth*<br />
Lange galt das navigierte Operieren als Inbegriff einer innovativen Medizin. Kritische<br />
Stimmen waren kaum zu hören. Doch bei genauem Hinsehen verblassen in<br />
der Knieendoprothetik die propagierten Stärken des Navigierens. Es erreicht nichts,<br />
das ein erfahrener Operateur auch nicht ohne Computerunterstützung schaffen<br />
könnte. Wohl deshalb gibt es auch keinen Beleg für bessere klinische Ergebnisse<br />
mit der Navigation. Damit fehlt auch die Rechtfertigung für den zusätzlichen Aufwand.<br />
Entscheidend für den klinischen Erfolg – mit oder ohne Navigation – ist und<br />
bleibt die intellektuelle Leistung der präoperativen Planung.<br />
Präoperative Situation<br />
Scheinbare Vorteile<br />
Bei der Einstellung der Achsen bietet die Navigation zweifellos<br />
eine zusätzliche Hilfe. Wenn sie damit eine Implantation<br />
weitab der korrekten Achsausrichtung verhindert, ist<br />
das natürlich ein Vorteil. Doch erfahrene Operateure schaffen<br />
die hinreichend genaue Achsausrichtung auch ohne die<br />
Hilfe eines Navigationssystems. Das ist schon durch die Tatsache<br />
belegt, dass weltweit mehr als 90 <strong>Pro</strong>zent der Knieimplantate<br />
konventionell eingebaut werden.<br />
In der Diskussion fungieren die Achsen als Surrogatparameter.<br />
Ihre Annäherung an ein theoretisches Optimum ist<br />
das einzige Argument, das für die Navigation spricht. Aber<br />
auch nach mehr als zehn Jahren navigierten Operierens gibt<br />
es keinen Beleg dafür, dass sich damit die klinischen Ergebnisse<br />
verbessert hätten. Die vorliegenden Daten beruhen<br />
auf nicht-endpunktorientierten Studien. Langzeitergebnisse<br />
zur Navigation liegen gar nicht vor. Die vorrangigen<br />
<strong>Pro</strong>bleme, die sich in den Langzeitdaten zur Knieendoprothetik<br />
im allgemeinen zeigen, haben nicht mit den Achsen,<br />
sondern mit Infektionen, Weichteilproblemen und Patientenalter<br />
zu tun.<br />
Die zusätzliche Sicherheit, welche die Navigation zu vermitteln<br />
scheint, ist nur eine vermeintliche. Es ist der Operateur,<br />
der das Navigationssystem kontrollieren muss, nicht<br />
umgekehrt. Das kann er tun, wenn er gründlich geschult<br />
wurde und ausreichend Erfahrung gesammelt hat. Sind diese<br />
Voraussetzungen erfüllt, ist die Navigation überflüssig.<br />
Konkrete Nachteile<br />
Die Nachteile der Navigation beginnen schon mit den hohen<br />
Kosten, die mit der Anschaffung und Pflege des Systems<br />
verbunden sind. Dazu kommt ein beträchtlicher Ausbildungsaufwand.<br />
Ärzte und OP-Personal müssen im Umgang<br />
mit einem zusätzlichen, hochkomplexen System geschult<br />
werden. In der Anwendung der Navigation erreichen<br />
nur sehr routinierte und gut eingespielte Teams Operati-<br />
* Orthopädische Klinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Mainz
<strong>Pro</strong>f. Dr. Andreas Kurth<br />
onszeiten, die geringfügig länger sind als beim konventionellen<br />
Verfahren. Bei Konstellationen mit weniger erfahrenen<br />
Mitarbeitern muss mit einer halben bis dreiviertel<br />
Stunde zusätzlicher OP-Zeit gerechnet werden. Auch der<br />
logistische Aufwand – vom Vorhalt der Materialien bis zur<br />
Sterilisation der Geräte – ist beträchtlich erhöht. Das passt<br />
nicht in die heutige Kliniklandschaft, in der jede OP-Minute<br />
zählt und jeder zusätzliche Aufwand sich durch einen Gewinn<br />
an Effizienz legitimieren muss. Auch der Patient trägt<br />
die Nachteile der verlängerten Operation mit. Die Narkosezeit<br />
verlängert sich ebenfalls, es kann zu einem höheren Blutverlust<br />
kommen.<br />
Der wirkliche Erfolgsfaktor<br />
Zwei Dinge kann kein Computer dem Operateur abnehmen:<br />
die präoperative Planung und die Beherrschung des chirurgischen<br />
Handwerks. Letzteres muss man natürlich voraussetzen,<br />
zumal heute in der Knieendoprothetik Mindestzahlen<br />
gefordert sind. Die gründliche Planung wird dagegen<br />
manchmal vernachlässigt. Sie ist aber die entscheidende<br />
Voraussetzung für eine gelungene Implantation. Das gilt<br />
gleichermaßen für das konventionelle wie das navigierte<br />
Operieren.<br />
Die richtige Einstellung von Achsen, Ebenen, Schnitten und<br />
Weichteilbalance findet im wesentlichen während der präoperativen<br />
Planung statt. Darin müssen wir auch unseren<br />
medizinischen Nachwuchs ausbilden. Zugegeben, mit einem<br />
Navigationssystem kann man diese entscheidende<br />
Grundlage des Operierens etwas intuitiver vermitteln. Die<br />
intellektuelle Leistung, die hierbei gefordert ist, bleibt aber<br />
die gleiche. Das alles gilt auch für minimalinvasive Verfahren,<br />
bei denen die Navigation die fehlende Übersicht ersetzen<br />
soll. Mit gründlicher Planung und operativer Erfahrung kann<br />
man auch minimalinvasiv korrekt positionieren.<br />
Nach Implantation einer Knieendoprothese<br />
mit Hilfe einer<br />
individuellen Bohrschablone<br />
Literatur:<br />
Swank ML, Alkire M, Conditt M, Lonner JH. Technology and cost-effectiveness in knee<br />
arthroplasty: computer navigation and robotics. Am J Orthop (Belle Mead NJ). 2009<br />
Feb;38(2 Suppl):32–6. Review.<br />
Koyonos L, Stulberg SD, Moen TC, Bart G, Granieri M. Sources of error in total knee<br />
arthroplasty. Orthopedics. 2009 May;32(5):317.<br />
Pang CH, Chan WL, Yen CH, Cheng SC, Woo SB, Choi ST, Hui WK, Mak KH. Comparison<br />
of total knee arthroplasty using computer-assisted navigation versus conventional<br />
guiding systems: a prospective study. J Orthop Surg (Hong Kong). 2009<br />
Aug;17(2):170–3.<br />
Biasca N, Schneider TO, Bungartz M. Minimally invasive computer-navigated total knee<br />
arthroplasty. Orthop Clin North Am. 2009 Oct;40(4):537–63, x.<br />
15
16<br />
Medizintechnik<br />
Individuell präzise<br />
Signature – Personalised Patient Care<br />
Signature sorgt für Präzision – auch ohne intraoperative Navigation. Mit dem<br />
patientenspezifischen Instrumentarium hat <strong>Biomet</strong> ein System für die Knieendoprothetik<br />
entwickelt, das die individuelle Genauigkeit und die Sicherheit<br />
der Implantation entscheidend verbessert sowie die Operation deutlich vereinfacht.<br />
Gleichzeitig schont das Verfahren den Patienten und bringt zudem<br />
ökonomische Vorteile.<br />
Signature bietet einen völlig neuen Ansatz<br />
für den Einsatz eines Knieimplantats. Anhand<br />
von MRT- oder CT-Daten werden für<br />
jeden Patienten spezifische Bohrschablonen<br />
für Femur und Tibia erstellt, die die individuelle<br />
Positionierung von Pins und<br />
Schnittblöcken vorgeben. So wird das Implantat<br />
genau auf die jeweiligen anatomischen<br />
Gegebenheiten ausgerichtet. Die<br />
Vorlage ermöglicht präzisere Schnitte und<br />
eine präzisere Positionierung. So können<br />
die Achsen mit einer sehr hohen Genauigkeit<br />
eingestellt werden. Eine Navigation<br />
wird überflüssig.<br />
„Die neuen individuellen Schablonen für<br />
die Knieendoprothetik bieten eine wirkliche<br />
Hilfe für den Operateur. In ihnen wird die<br />
präoperative Planung quasi materialisiert.<br />
Sie fungieren wie eine Navigation ohne deren<br />
Nachteile: keine Anschaffungskosten,<br />
keine zusätzlichen Geräte im Operationssaal,<br />
kein komplexes Verfahren. Stattdessen<br />
erlauben sie uns, das Implantat mit einem<br />
reduzierten Standardinstrumentarium<br />
in einer um 7 bis 10 Minuten verkürzten<br />
Operationszeit einzubringen“, sagt <strong>Pro</strong>f.<br />
Andreas Kurth, Direktor der Orthopädischen<br />
Klinik und Poliklinik im Universitätsklinikum<br />
Mainz, die als deutsches Refe-<br />
renzzentrum für das Verfahren fungiert.<br />
Dank der geringeren Operationsdauer vermindert<br />
sich zugleich die Infektionsgefahr.<br />
Zudem muss bei dem Verfahren der Markraum<br />
nicht mehr geöffnet werden – das<br />
Risiko einer Embolie sinkt beträchtlich. 1<br />
Signature ist für alle Zugänge geeignet.<br />
Auch bei minimalinvasiven Verfahren sorgt<br />
es für hohe Genauigkeit. Gleichzeitig bleibt<br />
ein Rückzug zu Standardverfahren zu jedem<br />
Zeitpunkt möglich.<br />
Zur Herstellung der Bohrschablonen werden<br />
die MRT- oder CT-Daten online an das<br />
Signature Online Management System<br />
übermittelt. Im Anschluss wird ein Planungsvorschlag<br />
errechnet. Diesen kann<br />
der Operateur wiederum nach seinen Vorstellungen<br />
modifizieren. Der Planungsvorschlag<br />
dient dann als Grundlage für die<br />
Bohrschablone, die <strong>Biomet</strong> anschließend<br />
aus einem harten Polyamid-Kunststoff anfertigt.<br />
Zwischen Datenübertragung und<br />
Auslieferung der Schablone liegen nur wenige<br />
Wochen.<br />
1 Church JS, Scadden JE, Gupta RR,<br />
Cokis C, Williams KA, Janes GC<br />
Embolic phenomena during computer-assisted<br />
and conventional total knee replacement<br />
J Bone Joint Surg Br. 2007 Apr; 89(4): 481–5
Schulterendoprothetik<br />
Vom Oberflächenersatz<br />
zur Kopfprothese<br />
von Dr. med. Bernd Dreithaler*<br />
Konzept und Indikation<br />
Es wird nur die geschädigte Oberfläche des<br />
Humeruskopfes ersetzt. Daraus ergibt sich,<br />
dass die anderen Teile des Gelenks<br />
(Gelenkpfanne, Weichteilmantel mit Rotatorenmanschette)<br />
intakt sein müssen. Entscheidend<br />
für den Erfolg des Oberflächenersatzes<br />
ist deshalb die richtige Indikation: Posttraumatische<br />
Zustände oder Knorpeldefekte am<br />
Humeruskopf, bei denen das Glenoid intakt<br />
geblieben und keine wesentliche Kopfnekrose<br />
vorhanden ist. Diese Kombination betrifft vorwiegend<br />
jüngere Patienten. Der Eingriff ist mit<br />
einem sehr geringen Trauma verbunden und<br />
kann von einem erfahrenen Operateur in 30<br />
bis 40 Minuten durchgeführt werden. Eine<br />
Kombination mit einem Glenoidersatz kann<br />
aus Platzgründen nicht gut durchgeführt<br />
werden. Sollte dies notwendig sein, ist die<br />
Implantation einer Kopfersatzprothese vorzuziehen.<br />
Die Patienten haben postoperativ in<br />
der Regel nur sehr geringe Beschwerden und<br />
können bei intakter Rotatorenmanschette<br />
nach Ausheilung und adäquater Nachbehandlung<br />
in Maßen Sport treiben. Autor Stephen<br />
Copeland berichtet in seinen Studien über<br />
Standzeiten von 15 bis 20 Jahren. Neuere Literatur<br />
weist Werte von 20 Jahren aus.<br />
Komplikationen und Revision<br />
Intraoperative Komplikationen kommen –<br />
auch in Abhängigkeit von der Erfahrung des<br />
Operateurs – selten vor. Wichtig ist, das Implantat<br />
nicht zu groß zu wählen. Eine zu<br />
große Oberflächenersatzprothese mit Überstand<br />
am Rand führt zu Weichteilproblemen,<br />
Schmerzen und im weiteren Verlauf zu<br />
möglichen Rupturen an der Rotatorenmanschette.<br />
Die Glenoiderosion muss als Spät-<br />
Dr. Bernd Dreithaler<br />
Die Kappenprothese für die Schulter wurde vor rund 30 Jahren entwickelt, fand<br />
aber erst gut 15 Jahre später allgemeine Verbreitung, vor allem in der notwendigen<br />
Versorgung junger Patienten. Sie bietet umfassende Möglichkeiten für den Rückzug,<br />
der heute zur schaftfreien Kopfprothese stattfinden kann.<br />
komplikation, die nach etwa 10–15 Jahren<br />
eintreten kann, immer in Betracht gezogen<br />
werden. Sie ist bei jüngeren Patienten in der<br />
Regel in Kauf zu nehmen, da mit dem Oberflächenersatz<br />
alle Rückzugsmöglichkeiten<br />
erhalten bleiben. Bei Fällen, die von vornherein<br />
einen Glenoidersatz erfordern, ist die<br />
spätere Revision im Vergleich deutlich<br />
schwieriger. Die Revision der Oberflächenersatzprothese<br />
erfolgt durch Resektion des<br />
Humeruskopfes am Kappenrand und in der<br />
Regel mit der Implantation einer Kopfersatzprothese<br />
mit Pfannenersatz. Teilweise ist<br />
auch der Einsatz einer Schaftprothese oder<br />
auch einer inversen <strong>Pro</strong>these notwendig.<br />
Oberflächenersatz mit Copeland-<strong>Pro</strong>these<br />
Versorgungskaskade<br />
Der Oberflächenersatz des Humeruskopfes<br />
erlaubt eine sehr zielgerichtete Versorgung,<br />
die einer eng umschriebenen Patientengruppe<br />
die besten Zukunftsaussichten mit<br />
guter Funktion des betroffenen Schultergelenkes<br />
bietet. Mit der Entwicklung der Kopfersatzprothese<br />
steht uns inzwischen ein Implantat<br />
zur Verfügung, das die Lücke zur<br />
Schaftprothese schließt. Der Kopfersatz ist<br />
indiziert, sobald die Defekte über die Knorpeloberfläche<br />
des Humeruskopfes hinausgehen,<br />
Humeruskopfdeformierungen vorliegen<br />
oder das Glenoid mit betroffen ist.<br />
* Schulterzentrum Berlin-Pankow. Partnerkrankenhäuser:<br />
Park-Klinik Weißensee und Schlosspark Klinik, Berlin<br />
Literatur:<br />
Lewy O, Copeland SA, Cementless surface replacement arthroplasty of the shoulder, 5- to 10-year results with the Copeland<br />
Mark-2 <strong>Pro</strong>sthesis, JBJS, Vol 83-B/2, März 2001. Lewy O, Funk L, Sforza G, Copeland SA, Copeland Surface Replacement<br />
Arthroplasty of the Shoulder in Rheumatoid Arthritis, JBJS, Vol 86-A/3 März 2004. Thomas SR, Sforza G, Lewy O, Copeland SA,<br />
Geometrical Analysis of the Copeland Cementless Surface Replacement Shoulder Arthroplasty with Correlation to Clinical<br />
Outcome, J Shoulder Elbow Surgery Vol 2, 2005. Jerosch J, Gute klinische Resultate – Studie an 50 Patienten mit zementfreiem<br />
Oberflächenersatz an der Schulter, ON, Special Schulter 2/2006<br />
17
18<br />
Schulterendoprothetik<br />
Inverse Schulterendoprothetik<br />
von Dr. med. Theodorus Patsalis*<br />
Konzept<br />
Mit der inversen Endoprothese wird das Rotationszentrum<br />
nach kaudal und medial verlagert.<br />
Der M. deltoideus kann so die Abduktion<br />
weitgehend allein bewältigen.<br />
Zudem schafft der inverse Aufbau eine gewisse<br />
Kopplung der Implantatkomponenten<br />
und eine geführte Bewegung. In der Folge<br />
wirken deutlich höhere Kräfte auf die knöcherne<br />
Verankerung als beim anatomischen<br />
Implantat.<br />
Ergebnisse und Komplikationen<br />
Die Komplikationsrate ist insgesamt nur wenig<br />
höher als bei anatomischen Implantaten.<br />
Die Komplikationen führen nach unserer eigenen<br />
Erfahrung meist nicht zum Verlust der<br />
<strong>Pro</strong>these, sondern lassen sich in der Regel<br />
durch einen erneuten Eingriff beseitigen. Die<br />
berichteten Lockerungsraten liegen unter 5<br />
<strong>Pro</strong>zent, ebenfalls nur geringfügig höher als<br />
beim anatomischen Implantat.<br />
Bei unserer eigenen Nachuntersuchung wies<br />
der Constant Outcome Score der inversen<br />
<strong>Pro</strong>thesen keinen signifikanten Unterschied<br />
zu dem der anatomischen <strong>Pro</strong>thesen auf.<br />
Allerdings demonstrierte eine französische<br />
Langzeitstudie eine Verschlechterung der<br />
Funktion bei inversen <strong>Pro</strong>thesen nach etwa<br />
6 Jahren. Über die Ursache wird nun spekuliert.<br />
Wegen der geführten Bewegung kann es zu<br />
einer Einbuchtung (Notching) am Glenoid<br />
und zu einer Verschlechterung der Funktion<br />
kommen. Die Hersteller haben auf dieses<br />
Dr. Theodorus Patsalis<br />
Für eine konventionelle anatomische Schulterprothese ist eine intakte Rotatorenmanschette<br />
die Grundvoraussetzung für die Wiederherstellung der Schulterfunktion.<br />
Kommt es aber durch Verlust der Rotatorenmanschette zu einer Dezentrierung<br />
und Instabilität, ist die konventionelle anatomische Schulterendoprothese kontraindiziert.<br />
Für solche Fälle wurde die inverse Endoprothese entwickelt, die in<br />
Deutschland seit rund 15 Jahren erfolgreich eingesetzt wird. Frühere Implantatgenerationen<br />
wiesen spezifische Komplikationsmuster auf. Diese können mit den<br />
aktuellen Designs wahrscheinlich vermieden werden.<br />
T.E.S.S. – inverse <strong>Pro</strong>these ohne Schaft<br />
<strong>Pro</strong>blem mit veränderten Implantatdesigns<br />
reagiert, die seit einigen Jahren im Einsatz<br />
sind. Es ist aber durchaus denkbar, dass<br />
nach der Beseitigung des Notching dieser<br />
Leistungsknick nicht auftreten wird. Bei den<br />
Patienten unserer Klinik, die mit der T.E.S.S.<br />
<strong>Pro</strong>these versorgt wurden, haben wir so<br />
einen Knick nicht beobachtet.<br />
Indikation und Revision<br />
Die inverse Endoprothese sollte erst bei Patienten<br />
ab 70 Jahren eingesetzt werden, nur<br />
in Ausnahmefällen früher. Ab 70 ist die Entscheidung<br />
für eine inverse <strong>Pro</strong>these auch in<br />
solchen Grenzfällen angezeigt, bei denen<br />
die Qualität und Funktion der Rotatorenmanschette<br />
fraglich ist, um das Risiko einer<br />
späteren Revision wegen sekundären Versagens<br />
der Rotatorenmanschette zu vermeiden.<br />
Bei inversen Schaft-Implantaten sind die<br />
Revisionsmöglichkeiten stark eingeschränkt.<br />
Mit dem schaftlosen Implantat T.E.S.S.<br />
bleibt genügend Knochen erhalten, um<br />
auch eine inverse <strong>Pro</strong>these zu revidieren.<br />
Das Revisionsimplantat kann nur wieder ein<br />
inverses sein.<br />
* Universitätsklinikum Essen, Orthopädische Klinik<br />
Literatur:<br />
Huguet D, Rio B, Tessier J, Zippoli B, le Groupe T.E.S.S., Humeral <strong>Pro</strong>sthesis without stem: preliminary results at more than 2 years<br />
follow-up, Revue de Chirurgie orthopedique et traumatologique (2009) S 97–S100. Gosens T, Total Evolutive Shoulder System,<br />
Preliminary experience of a new design with a new concept of Shoulder <strong>Pro</strong>sthesis. Department of Orthopaedics and Traumatology<br />
St. Elisabeth Hospital, Tilburg, The Netherlands, Poster ICSS Brazil 2004. Huguet D, Rio B, Teissier J, Toussaint B, With or without<br />
Stem, T.E.S.S. two years follow-up, Poster SESEC Athen 2006. Patsalis T, Das T.E.S.S. Schulterendoprothetik-System Sonderdruck<br />
Jatros Orthopädie 3/2007 Seite 12–14
Oberflächenersatz Hüfte <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
<strong>Pro</strong>: Indikation<br />
und Operationstechnik<br />
entscheidend<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Joachim Schmidt*<br />
In letzter Zeit ist die Diskussion um den Oberflächenersatz an der Hüfte immer kontroverser<br />
geworden. Bei vielen ist die Methode deshalb bereits in Misskredit geraten.<br />
Dabei wird oft übersehen, was für den Oberflächenersatz schon immer galt: Er<br />
ist ein Verfahren, das nur für eine ganz bestimmte Patientenklientel geeignet ist<br />
und sehr viel Erfahrung des Operateurs erfordert. Bei richtiger Indikationsstellung<br />
und einer in allen Phasen korrekten Operationstechnik kann man mit ihm sehr gute<br />
Ergebnisse erreichen.<br />
Indikation<br />
Der Oberflächenersatz kommt für Männer<br />
bis etwa 60 und für Frauen bis 55 Jahre in<br />
Frage. Allerdings ist das Alter biologisch zu<br />
betrachten. Patienten in dieser Altersgruppe,<br />
die nur eingeschränkt fit und vital<br />
sind, sollten nicht mit diesem Implantat versorgt<br />
werden. Für Patienten mit Hüftkopfnekrose<br />
(HKN) ist der Oberflächenersatz indiziert,<br />
wenn die Kernspintomographie<br />
zeigt, dass die HKN zum Stillstand gekommen<br />
ist und ausreichend stabile Verankerungsfläche<br />
für das Implantat vorhanden ist.<br />
Kontraindiziert sind Verformungen des Hüftgelenks,<br />
die eine gute Implantatpositionierung<br />
verhindern könnten. Ein BMI über 35<br />
ist ein Ausschlusskriterium, ebenso wie absehbar<br />
mangelnde Compliance im weitesten<br />
Sinn. Der Patient sollte den Wunsch haben,<br />
diese moderne <strong>Pro</strong>these für ein aktives, gesundes<br />
Leben zu nutzen.<br />
Weibliches Geschlecht ist keine Kontraindikation.<br />
Die in mehreren Studien gezeigten<br />
schlechteren Ergebnisse bei Frauen hängen<br />
nach neuesten Erkenntnissen (McBryde et<br />
al, 2010) mit Kopfdurchmessern unter 50 mm<br />
zusammen, wobei auch diese Zahl im Verhältnis<br />
zur übrigen Anatomie gesehen werden<br />
sollte. Bei sehr kleinen, leichten Patienten<br />
kann sie auch unterschritten werden.<br />
Operationstechnik<br />
Die Oberflächenersatzoperation ist deutlich<br />
anspruchsvoller als die Implantation einer<br />
Standardendoprothese, erfordert also besonders<br />
gründliches Training und viel Erfahrung.<br />
Für die exakte Positionierung der<br />
Femurkomponente bedarf es eines zuverlässigen<br />
Hilfsmittels, mit dem sich die kor-<br />
* Orthoparc, Köln<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Joachim Schmidt<br />
Einsatz der Navigationshilfe zur exakten<br />
Positionierung der Hüftkopfkappe<br />
rekte Position reproduzierbar erreichen<br />
lässt. Wenn man nicht navigiert, sollte deshalb<br />
die Qualität des Führungsinstrumentariums<br />
bei der Auswahl des Implantatmodells<br />
eine wichtige Rolle spielen.<br />
Die Pfannenpositionierung wurde lange vernachlässigt.<br />
Heute verfügen wir über klare<br />
Vorgaben für die optimale Position (Morlock<br />
et al, 2008): 45° Inklination und 15° Anteversion<br />
sind möglichst exakt einzuhalten. Da<br />
es für die Pfanne bisher weder ein exaktes<br />
Hilfsmittel noch die Möglichkeit einer exakten<br />
Navigation gibt, kommt es hier besonders<br />
auf die Erfahrung des Operateurs und<br />
des OP-Teams an.<br />
Die korrekte Pfannenpositionierung ist die<br />
Voraussetzung für eine normale Beweglichkeit.<br />
Zudem steigt der Abrieb bei Fehlpositionierung<br />
signifikant an. Schon deshalb<br />
19
20<br />
Oberflächenersatz Hüfte <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
<strong>Pro</strong>: Indikation und Operationstechnik entscheidend<br />
sind minimalinvasive Zugangswege für dieses<br />
Implantat nicht sinnvoll. Hier haben perfekte<br />
Übersicht und exakte Positionierung<br />
klare Priorität.<br />
Beweglichkeit, Impingement<br />
Die Außenrotationsfähigkeit ist in den ersten<br />
drei Monaten eingeschränkt, vermutlich wegen<br />
des häufig verwendeten dorsalen Zugangs.<br />
Bei Einhaltung der operativen Vorgaben<br />
gibt es für Flexion und Extension keine<br />
Unterschiede zur Standardversorgung. Eine<br />
umfassende Vergleichsstudie hat die gelegentlich<br />
behauptete Bewegungseinschränkung<br />
nach Oberflächenersatz nicht bestätigt<br />
(Schmidt et al, 2009). Eindeutig belegt ist<br />
auch die höhere Bewegungssicherheit, weil<br />
das Luxationsrisiko signifikant niedriger ist als<br />
bei der Standardendoprothese.<br />
Ein Impingement in Folge eines anterioren<br />
Überstandes der Pfanne kann durch korrekte<br />
Positionierung vermieden werden, soweit<br />
keine knöchernen Defekte vorhanden<br />
sind. Es kann in sehr seltenen Fällen auch<br />
bei korrekter Position vorkommen, wenn in<br />
der ventralen Gelenkkapsel Einklemmungserscheinungen<br />
auftreten. Seit wir dazu übergegangen<br />
sind, bei der Operation den ventralen<br />
Teil der Hüftkapsel intakt zu lassen,<br />
haben wir dieses <strong>Pro</strong>blem bei unseren Patienten<br />
nicht mehr gesehen. Insgesamt<br />
kommt Impingement beim Oberflächenersatz<br />
nicht häufiger vor, als bei der Standardendoprothese.<br />
Ergebnisse<br />
Das australische Endoprothesenregister<br />
führt rund 12.000 Patienten mit einem Oberflächenersatz<br />
der Hüfte auf. Nach 8 Jahren<br />
beträgt die Revisionsrate 5,3 % im Vergleich<br />
zu 4 % der Standardendoprothetik. Hier<br />
sind allerdings auch die Ergebnisse von Kliniken<br />
mit kleinen Implantationszahlen integriert.<br />
Der ohnehin geringe Unterschied wird<br />
weiter relativiert, wenn man die Patienten<br />
nach Altersgruppen vergleicht. Die Ergebnisse<br />
bei jüngeren Patienten sind mit der<br />
Standardversorgung deutlich schlechter als<br />
der Durchschnitt. Wenn andererseits die Parameter<br />
für den Oberflächenersatz stimmen<br />
– Patienten unter 50 Jahren, Kopfdurchmesser<br />
mindestens 50 mm – gibt es sehr<br />
gute Ergebnisse (<strong>Pro</strong>sser et al, 2010).<br />
Metallabrieb und<br />
Komplikationen<br />
Der normale Metallabrieb einer gut positionierten<br />
Endoprothese ist klinisch nicht relevant<br />
(Morlock et al, 2008). <strong>Pro</strong>bleme treten<br />
offensichtlich nur auf, wenn der Metallabrieb<br />
über dieses „Normalmaß“ deutlich hinausgeht,<br />
wobei es keine bekannten Grenzwerte<br />
gibt. Da ein klarer Zusammenhang zwischen<br />
Implantatpositionierung und Abriebrate besteht,<br />
liegt der Schluss nahe, dass abriebbedingte<br />
<strong>Pro</strong>bleme auf Positionierungsfehler<br />
zurückzuführen sind. In diesen Fällen<br />
kann es zur Bildung von Pseudotumoren<br />
kommen (Kwon et al, 2009). Dies geschieht<br />
aber offensichtlich nicht in allen Fällen; es<br />
müssen weitere, bisher unbekannte Faktoren<br />
hinzukommen. Es gibt keinen Beweis für<br />
ein höheres Allergiepotential nach dem Einsatz<br />
von Metall/Metall-Gleitpaarungen.<br />
Die wichtigsten Ursachen für Schenkelhalsfrakturen<br />
nach Oberflächenersatz sind eine<br />
falsche Indikation oder Fehler in der Operationstechnik.<br />
Bei deformierten Köpfen kann<br />
es vorkommen, dass die Femurkomponente<br />
nicht richtig aufgesetzt werden kann oder<br />
trotz technischer Hilfsmittel keine optimale<br />
Positionierung erreicht wird. In solchen Fällen<br />
entsteht eine Scherbelastung. Aus Experimenten<br />
wissen wir, dass zu starke Hammerschläge<br />
zur Mikrofrakturierung führen<br />
können. Schon deshalb sollte sichergestellt<br />
sein, dass der Zement beim Aufsetzen des<br />
Implantats die richtige Konsistenz hat. Auch<br />
hier gilt, dass mit sorgfältigem Vorgehen das<br />
Risiko dieser Komplikation auf ein Minimum<br />
gesenkt werden kann. Bei unseren eigenen<br />
1.100 Patienten haben wir in acht Jahren<br />
3 Schenkelhalsfrakturen – also weniger als<br />
0,3 % – verzeichnet.
Oberflächenersatzprothese<br />
im a/p-Strahlengang mit korrekter<br />
Position von Kopf und Pfanne<br />
Revision<br />
Femurseitig ist der Oberflächenersatz die<br />
maximal knochensparende Methode. Sollte<br />
es hier zu einem Versagen kommen, kann<br />
so weit proximal reseziert werden, dass die<br />
Implantation eines Standardschaftes problemlos<br />
möglich ist. Mit einem großen Kugelkopf,<br />
passend zur Pfanne, ist die Revision<br />
auch operationstechnisch sehr einfach.<br />
Dass auf der azetabulären Seite mehr Knochen<br />
geopfert werden müsse, als bei der<br />
Standardversorgung, ist nicht plausibel, es<br />
liegen auch keine Studien vor, die dies belegten.<br />
Mit den heutigen dünnwandigen Implantaten<br />
werden keine relevant größeren<br />
Pfannen benötigt.<br />
Literatur:<br />
Oberflächenersatzprothese in der<br />
„Lauensteinaufnahme“ (90° Flexion,<br />
45 Abduktion, neutrale Rotation) mit<br />
korrektem Ausgleich der Antetorsion<br />
Die Revision der Pfanne ist technisch trotzdem<br />
aufwendiger und in der Regel nicht mit<br />
Erhalt der Kappe zu erreichen. Bei einem<br />
Pfannendefekt sollte man zur Standardendoprothese<br />
wechseln. Die Literatur weist bei<br />
ausschließlicher Pfannenrevision schlechtere<br />
Ergebnisse aus (Steiger et al, 2010). Die<br />
Re-Revisionsrate hängt vor allem von der<br />
gewählten Revisionsstrategie ab. Bei der rein<br />
azetabulären Revision liegt sie bei 20 %, bei<br />
ausschließlich femoraler Revision bei 7 %, bei<br />
beidseitiger Revision – vergleichbar mit der<br />
Standardversorgung – bei nur 5 %.<br />
Kwon YM, Glyn-Jones S, Simpson DJ, Kamali A, McLardy-Smith P, Gill HS, Murray DW: Analysis of wear of retrieved metal-on-metal<br />
hip resurfacing implants revised due to pseudotumors. JBJS (Br) 2010, 92 B<br />
McBryde CW, Theivendran K, Thomas AMC, Treacy RBC, Pynsent PB: The influence of head size and sex on the outcome of Birmingham<br />
hip resurfacing. JBJS (Am) 2010, 92<br />
Morlock MM, Bishop N, Stahmer F, Zustin J, Breer S, Sauter G, Hahn M, Kraus M, Rüther W, Amling M: Versagensgründe von Oberflächenersatzimplantaten<br />
der Hüfte. Orthopäde 2008, 37<br />
<strong>Pro</strong>sser GH, Yates PJ, Wood DJ, Graves SE, Steiger de RN, Miller LN: Outcome of primary resurfacing hip replacement: evaluation<br />
of risk factors for early revision. Acta Orthopaedica 2010, 81(1)<br />
Schmidt J, Brüggemann GP, Franz A: Funktionelle Leistungsfähigkeit nach Hüftgelenkersatz. Endbericht 2009. Deutsche Sporthochschule<br />
Köln<br />
Steiger de RN, Miller LN, <strong>Pro</strong>sser GH, Graves SE, Davidson DC, Stanford TE: Poor outcome of revised resurfacing hip arthroplasty.<br />
Acta Orthopaedica 2010, 81(1)<br />
21
22<br />
Oberflächenersatz Hüfte <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
Kontra: Nicht quantifizierbares Risiko<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Steffen Breusch*<br />
Der Oberflächenersatz an der Hüfte hat in den letzten zehn Jahren viele Anhänger gewonnen.<br />
In Großbritannien wurde er inzwischen über 50.000-mal implantiert. Als<br />
Hauptargumente werden die Schonung der femoralen Knochensubstanz, größerer<br />
Bewegungsumfang, minimales Luxationsrisiko, Reduktion des Stress-shielding und<br />
bessere Rückzugsmöglichkeiten ins Feld geführt. Bei genauer Betrachtung der vorliegenden<br />
Daten bleibt von diesen vermeintlichen Vorteilen nicht viel übrig.<br />
Bewegungsumfang<br />
Dass der Oberflächenersatz einen größeren<br />
Bewegungsumfang erreicht, wurde weder<br />
im Experiment noch in der Klinik bestätigt.<br />
Im Gegenteil: Der Oberflächenersatz weist<br />
gegenüber Standardendoprothesen Nachteile<br />
auf hinsichtlich Notching und Impingement-bedingter<br />
Einschränkungen. 1<br />
Operationstechnik und<br />
Implantatpositionierung<br />
Der Oberflächenersatz der Hüfte erscheint<br />
operativ anspruchsvoller als die Implantation<br />
einer Standardendoprothese. Der verbleibende<br />
Hüftkopf kann die Exposition der<br />
Pfanne behindern; größere Schnitte und eine<br />
weitere Eröffnung des Situs erhöhen das Risiko<br />
von Nervenläsionen. Das Verfahren verzeiht<br />
Abweichungen von der optimalen Implantatpositionierung<br />
offensichtlich relativ<br />
schlecht. Auch kleine Differenzen können zu<br />
erhöhtem Metallabrieb oder zur Schenkelhalsfraktur<br />
führen. Das Impingementrisiko ist<br />
höher als bei Standardimplantaten, da beim<br />
Oberflächenersatz das Verhältnis zwischen<br />
Kopf und Hals kleiner ist. Anders als bei<br />
Hart/Weich-Paarungen kann bei der Metall/<br />
Metall-Gleitpaarung eine Randbelastung<br />
(edge loading) zu erheblichem Mehrabrieb<br />
führen. Selbst eine korrekte Positionierung<br />
schützt aber nicht zuverlässig vor diesem<br />
Phänomen. Bei Explantatanalysen wurden erhöhter<br />
Abrieb, Muskelnekrose und für Makrophagen<br />
toxische Ionenspiegel auch bei<br />
Pfannen innerhalb der sogenannten sicheren<br />
Zone (ca. 40–45° Inklination, 15–20° Anteversion,<br />
Lewinnek) gefunden. Bei Frauen mit<br />
kleinen Kopfgrößen ist dieser Zusammenhang<br />
besonders ausgeprägt.<br />
Metallabrieb und Ionenbelastung<br />
Der durchschnittliche Abrieb in der Gleitpaarung<br />
nach einer postoperativen Einlaufphase<br />
beträgt bis zu 5 µm pro Jahr. 2 Der<br />
Kobaltspiegel im Serum liegt bei diesen<br />
Patienten ca. fünfmal höher als in der Vergleichsgruppe.<br />
Bei gelockerten Metall/Metall-<br />
Endoprothesen kann der Faktor auf 50 bis<br />
300 steigen. 3 Die Kobaltionen werden auch<br />
von der Plazentaschranke nicht aufgehalten,<br />
weshalb der Oberflächenersatz bei Frauen<br />
im gebärfähigen Alter als kontraindiziert gilt.<br />
Es gibt inzwischen eine Reihe von Berichten<br />
und Einzelstudien über toxische und allergische<br />
Reaktionen auf Metallpartikel und<br />
-ionen nach der Implantation einer Metall/<br />
Metall-Gleitpaarung. Interessant sind in diesem<br />
Zusammenhang auch jüngste Ergebnisse<br />
erhöhter Metallionenspiegel nach<br />
Kniegelenkersatz. Die Datenlage erlaubt<br />
bisher keine abschließenden Aussagen über<br />
Inzidenz, auslösende Faktoren und die Gefährdung<br />
einzelner Patienten. Die Metall/Metall-<br />
Gleitpaarung bleibt damit ein nicht quantifizierbares<br />
Risiko. Jüngste Ergebnisse haben<br />
gezeigt, dass Chromspiegel über 10 µg/l<br />
(Serum) gehäuft mit Weichteilveränderungen<br />
verbunden sind und außerdem in diesen<br />
Fällen sowohl das späte Frakturrisiko als<br />
auch die Revisionsrate signifikant höher sind.<br />
Komplikationen und Revision<br />
Überlebensraten zwischen 95 und 99 % bei<br />
2 bis 8 Jahren Nachkontrolle wurden für die<br />
typischerweise jungen Patienten bisher berichtet.<br />
Solche Ergebnisse stehen aber in<br />
auffallendem Kontrast zu Registerdaten aus<br />
Kanada, Australien und Großbritannien, die<br />
* Edinburgh
deutlich höhere Revisionsraten ausweisen.<br />
Das englische Register dokumentiert implantatabhängige<br />
Revisionsraten zwischen<br />
3,3 % und 7,5 % bereits nach 3 Jahren.<br />
Eine Revisionsrate, die der Standardendoprothetik<br />
entspricht, erreichen mit Oberflächenersatz<br />
lediglich männliche Patienten<br />
unter 55 Jahren.<br />
Patientenalter Revisionsrate<br />
24<br />
Oberflächenersatz Hüfte <strong>Pro</strong> und Kontra<br />
Kontra: Nicht quantifizierbares Risiko<br />
sentiert wurden. Besonders alarmierend erscheint<br />
die Tatsache, dass bei Routinenachuntersuchungen<br />
mit dem MRT typische<br />
Veränderungen (siehe Abb. 1) auch bei rund<br />
einem Drittel der asymptomatischen Patienten<br />
nach Oberflächenersatz dokumentiert wurden.<br />
Rückzugsoptionen<br />
Eine ebenfalls verbreitete Aussage ist, dass<br />
der Oberflächenersatz dank geringer Resektion<br />
am Femur eine sehr gute Ausgangslage<br />
für folgende Revisionen schafft.<br />
Dem widersprechen die Zahlen des Australischen<br />
Registers, die seit 2008 vorliegen.<br />
Die Re-Revisionsrate nach gescheitertem<br />
Oberflächenersatz liegt bei 2,8 je 100 Komponentenjahren.<br />
Nach 12 Monaten gab es<br />
kumuliert 2,9 %, nach 3 Jahren 8,4 % und<br />
nach 5 Jahren 11,1 % Re-Revisionen. Darüber<br />
hinaus haben jüngste Daten aus Birmingham<br />
gezeigt, dass beim Wechseleingriff<br />
nur bei ca. 50 % die primäre Pfanne tatsächlich<br />
erhalten werden kann, und bei den Patienten<br />
Literatur:<br />
mit Pfannenerhalt weitere 13 % nach 5 Jahren<br />
versagt haben. Die Ergebnisse nach Wechsel<br />
bei Pseudotumor/ALVAL sind wegen begleitender<br />
Weichteildestruktion besonders<br />
ernüchternd. 9<br />
Fazit<br />
Nach den derzeitigen Empfehlungen der BHS<br />
erscheint der Oberflächenersatz aufgrund der<br />
aktuellen Datenlage bei Männern unter 55 Lebensjahren<br />
(noch) gerechtfertigt. Zurückhaltung<br />
ist bei Patienten über 65 und bei Frauen<br />
geboten. Eine detaillierte Aufklärung über alle<br />
potentiellen Komplikationen sollte in jedem<br />
Fall erfolgen. Blutwerte für Chrom und Kobalt<br />
sollten regelmäßig überprüft werden, beginnend<br />
mit einer Kontrolle nach 9 Monaten.<br />
Anhaltend hohe Serumwerte (>7 ppb) und<br />
klinische Symptome (Schwellung, Schmerz)<br />
sollten zu weiterführender Schnittbilddiagnostik<br />
Anlass geben. Bei Weichteilreaktionen<br />
in der Bildgebung wird die frühzeitige Revision<br />
empfohlen.<br />
1 Jacobs MA,. Goytia RN, Bhargava T. Hip Resurfacing through an Anterolateral Approach. Surgical Description and Early<br />
Review, J Bone Joint Surg Am. 2008 Aug;90–A(Suppl3):38–44<br />
2 Cuckler JM. The rationale for metal-on-metal total hip arthroplasty. Clin Orthop 2005;441:132–6<br />
3 Dunstan E, Sanghrajka AP, Tilley S, et al. Metal ion levels after metal-on-metal proximal femoral replacements: a 30-year follow-up.<br />
J Bone Joint Surg [Br] 2005;87-B:628–31<br />
4 Morlock MM, Bishop N, Zustin J, Hahn M, Rüther W, Amling M. Modes of Implant Failure After Hip Resurfacing: Morphological<br />
and Wear Analysis of 267 Retrieval Specimens J Bone Joint Surg Am. 2008 Aug;90-A(Suppl3):89–95<br />
5 Stulberg B N, Trier K K, Naughton M, Zadzilka J D, Results and Lessons Learned from a United States Hip Resurfacing<br />
Investigational Device Exemption Trial. J Bone Joint Surg Am. 2008;90(Suppl3):21–26<br />
6 National Joint Replacement Registry, Australian Orthopaedic Association, Annual Report 2008<br />
7 Pandit H, Glyn-Jones S, McLardy-Smith P, Gundle R, Whitwell D, Gibbons CL, Ostlere S, Athanasou N, Gill HS, Murray DW.<br />
Pseudotumours associated with metal-on-metal hip resurfacings. J Bone Joint Surg Br. 2008 Jul;90(7):847–51<br />
8 Toms AP, Marshall TJ, Cahir J, Darrah C, Nolan J, Donell ST, Barker T, Tucker JK. MRI of early symptomatic metal-on-metal total hip<br />
arthroplasty: a retrospective review of radiological findings in 20 hips. Clin Radiol. 2008 Jan;63(1):49-58. Epub 2007 Oct 24<br />
9 Grammatopolous G, Pandit H, Kwon YM, Gundle R, McLardy-Smith P, Beard DJ, Murray DW, Gill HS. Hip resurfacings revised<br />
for inflammatory pseudotumour have a poor outcome. J Bone Joint Surg Br. 2009 Aug;91(8):1019–24.
Integrierte Versorgung<br />
Erfolgsmodell mit<br />
Zukunftsperspektive<br />
von Dr. rer. pol. Claudia Linke*<br />
Dr. Claudia Linke<br />
Zehn Jahre Integrierte Versorgung haben das deutsche Gesundheitswesen verändert.<br />
Sie hat einige Schneisen ins Dickicht der Regelungen geschlagen und Brücken<br />
gebaut, wo vorher hermetische Trennung bestand. Vor allem aber hat sie den<br />
Leistungserbringern die Möglichkeiten eröffnet, in der Versorgung neue Wege auszuprobieren<br />
und den Patienten deutlich verbesserte Angebote zu machen. Fragt<br />
man die Beteiligten, fällt die Gesamtbilanz positiv aus. Der offensichtliche Erfolg<br />
wird jedoch durch erstaunlich wenige harte Daten belegt.<br />
Die Entwicklung in Zahlen<br />
Die Voraussetzungen für Modelle der Integrierten<br />
Versorgung (IV) wurden bereits mit<br />
der Gesundheitsreform des Jahres 2000<br />
geschaffen. Doch passierte zunächst nicht<br />
viel, denn die Integrationsverträge zwischen<br />
Leistungserbringern und Krankenkassen<br />
konnten damals nur mit Zustimmung der<br />
Kassenärztlichen Vereinigungen und unter<br />
komplexen Budgetbereinigungsverfahren<br />
abgeschlossen werden. Hier tendierte man<br />
aber eher zum Status Quo als zum Experiment.<br />
Erst als diese Beschränkung mit dem<br />
GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 abgeschafft<br />
und die Anschubfinanzierung eingeführt<br />
wurde, kam Bewegung ins Spiel.<br />
Einzelverträge erlaubten jetzt Strukturinnovationen<br />
im Versorgungsverlauf.<br />
Dass diese Chancen von den Akteuren bald<br />
genutzt wurden, zeigte sich in den stetig<br />
steigenden Zahlen der abgeschlossenen IV-<br />
Verträge. 2004 gab es 1.477 bei der BQS<br />
gemeldete Verträge, bis 2008 stieg diese<br />
Zahl auf 6.407. Im selben Zeitraum wuchs<br />
das Vergütungsvolumen von 296 Millionen<br />
auf 953 Millionen Euro, die Zahl der teilnehmenden<br />
Versicherten von rund 785.000 auf<br />
4,5 Millionen. 1 Die IV bot erstmals die Möglichkeit,<br />
das Gesamtbehandlungsergebnis<br />
mit der finanziellen Vergütung der erbrachten<br />
Leistungen zu verknüpfen. Damit wurde,<br />
ganz im Sinne der Erfinder, prozessuales<br />
Denken gefordert und dort, wo es effizient ist,<br />
belohnt. Die ärztlichen Leistungserbringer erhielten<br />
auf der anderen Seite die Chance,<br />
ihre medizinischen Ergebnisse im Gesamtverlauf<br />
einer Behandlung unter Einbezug<br />
aller beteiligten Berufsgruppen zu sichern.<br />
Die elektive Endoprothetik mit ihren weitgehend<br />
standardisierbaren Abläufen ist für die<br />
IV prädestiniert. Sie gehörte von Anfang an<br />
zu den Indikationen, für die besonders viele<br />
Versorgungsverträge abgeschlossen wurden.<br />
Im Bereich der Klassifikation des Vertragsgegenstandes<br />
nach DRGs liegen die<br />
Erkrankungen von Muskeln, Skelett und<br />
Bindegewebe ganz vorn. Sie belegen unter<br />
den gemeldeten Verträgen mit 20 <strong>Pro</strong>zent<br />
den dritten und mit anteilig 37 <strong>Pro</strong>zent des<br />
IV-Vergütungsvolumens den ersten Platz<br />
auf der BQS-Liste von 2008. 2<br />
Lückenhafte Ergebniskontrolle<br />
Angesichts der Bedeutung und des Volumens,<br />
welche die IV inzwischen erlangt hat,<br />
gibt es erstaunlich wenige harte Zahlen über<br />
ihre klinischen und/oder ökonomischen Ergebnisse.<br />
Für die ambulante Versorgung<br />
sind Einsparungen beim Krankengeld inzwischen<br />
nachgewiesen. Eine Studie der<br />
Universität Bremen untersuchte von Januar<br />
bis Dezember 2006 insgesamt rund 1.700<br />
Patienten, die in Hessen an den Kreuzbändern<br />
oder der Schulter operiert wurden.<br />
Dabei stellte sich heraus, dass die nach<br />
dem Modell der Integrierten Versorgung behandelten<br />
Patienten bis zu 35 Tage schneller<br />
wieder gesund und damit früher wieder<br />
arbeitsfähig waren als die konventionell<br />
behandelte Vergleichsgruppe.<br />
In der ausgesprochen flachen Datenlandschaft<br />
zur sektorübergreifenden IV ragt wiederum<br />
die Endoprothetik mit zwei einschlägigen<br />
Untersuchungen heraus. Die erste<br />
* <strong>Biomet</strong> Deutschland<br />
1 BQS-Bericht: Entwicklung der integrierten Versorgung in<br />
der Bundesrepublik Deutschland 2004 – 2008. 2 ibid. S. 75f<br />
25
26<br />
Integrierte Versorgung<br />
Entwicklung der IV-Verträge von 2005–2008<br />
(normierter Stand auf 1/2005)<br />
Quelle: BQS-Daten (eigene Darstellung)<br />
wurde von der Universität Witten-Herdecke<br />
im Jahr 2006 angefertigt und hatte den Integrationsvertrag<br />
der Barmer zur endoprothetischen<br />
Versorgung in Münster für die Jahre<br />
2004 und 2005 evaluiert. Die Befragung von<br />
149 IV-Patienten und 176 Patienten einer<br />
Vergleichsgruppe aus der Regelversorgung<br />
zeigte, dass die Patienten in der Integrierten<br />
Versorgung signifikant zufriedener mit dem<br />
Verlauf der Behandlung und dem erreichten<br />
Gesundheitszustand waren. Allerdings konnten<br />
95 <strong>Pro</strong>zent der Befragten keine Behandlungsunterschiede<br />
zwischen Integrierter und<br />
Regelversorgung erkennen oder konnten<br />
solche nicht benennen.<br />
Vorteile der IV nachgewiesen<br />
Mit einem wesentlich höheren Aufwand<br />
wurde die andere Studie durchgeführt, die<br />
auch eine entsprechend größere analytische<br />
Tiefe erreichte. Sie ist in Zusammenarbeit<br />
zwischen dem Krankenhaus Stenum, der<br />
Hochschule Bremen und mehreren Krankenkassen<br />
entstanden. Grundlage sind die<br />
Daten von Patienten, die 2006 und 2007 in<br />
Stenum eine Hüft- oder Knieendoprothese<br />
erhalten haben. Sie wurden im Rahmen des<br />
Joint-Care-<strong>Pro</strong>gramms – dem von <strong>Biomet</strong><br />
entwickelten integrierten Patientenbetreuungsprogramm<br />
– behandelt und mit einer<br />
konventionellen Kontrollgruppe verglichen.<br />
Die umfassende Studie untersuchte neben<br />
den medizinischen auch erstmals zentrale<br />
ökonomische Aspekte eines endoprothetischen<br />
Behandlungspfades.<br />
Unter anderem haben die Autoren eine lebensqualitätsbezogene<br />
Nutzwertanalyse erstellt,<br />
die eindeutig zugunsten des IV-<strong>Pro</strong>gramms<br />
ausgefallen ist. Die Bilanz der<br />
Ökonomen: „Es kann davon ausgegangen<br />
werden, dass das Joint-Care-Verfahren zu<br />
einer beschleunigten Rehabilitation nach<br />
der endoprothetischen Versorgung führt. Es<br />
ist zu erwarten, dass sich die Mehrkosten für<br />
das Joint-Care-Konzept bereits im ersten<br />
Jahr der Einführung wieder amortisieren.“<br />
12,00<br />
10,00<br />
8,00<br />
6,00<br />
4,00<br />
2,00<br />
0,00<br />
1. Quartal 05<br />
2. Quartal 05<br />
3. Quartal 05<br />
4. Quartal 05<br />
1. Quartal 06<br />
2. Quartal 06<br />
3. Quartal 06<br />
Auch klinisch ergaben sich deutliche Vorteile.<br />
Der Werteverlauf der verwendeten<br />
Scores erwies sich über alle Patienten und<br />
über alle Outcomegrößen hinweg als günstiger.<br />
Die Verweildauer der Patienten im Joint-<br />
Care-<strong>Pro</strong>gramm war um fünf Tage kürzer,<br />
ihre Schmerzen waren deutlich geringer und<br />
dementsprechend der Schmerzmitteleinsatz<br />
wesentlich kleiner. Der WOMAC-Score<br />
war auch nach einem Jahr postoperativ noch<br />
signifikant besser als bei der Vergleichsgruppe.<br />
Die Joint-Care-Patienten kamen mit<br />
nur 750 Minuten Pflegeaufwand aus, statt<br />
der 1.350 Minuten in der Standardbehandlung,<br />
ohne dass die Qualität der Pflege oder<br />
die Zufriedenheit darunter gelitten hätten.<br />
Im Gegenteil: Die Transparenz der standardisierten<br />
Abläufe steigerte das Wohlbefinden<br />
der Patienten.<br />
<strong>Pro</strong>zessuales Denken nötig<br />
4. Quartal 06<br />
1. Quartal 07<br />
Verträge<br />
Das Joint-Care-<strong>Pro</strong>gramm ist ein gutes Beispiel<br />
dafür, dass eine prozessuale Gesamtbetrachtung<br />
eine entscheidende Voraussetzung<br />
für den Erfolg von IV-Modellen ist. Das<br />
Wissen um den gesamten <strong>Pro</strong>zess muss<br />
dabei zusammengeführt und entsprechend<br />
neu organisiert werden, um die Effizienzreserven<br />
bestimmen und nutzen zu können.<br />
Das ist keineswegs bei allen IV-Modellen<br />
geschehen. Nicht selten wurde versucht, einen<br />
neuen integrierten <strong>Pro</strong>zess in alte funktionale<br />
Strukturen zu pressen und dabei die<br />
bekannten Behandlungsschritte weitgehend<br />
unverändert zu lassen.<br />
Das dürfte auch zum Teil erklären, warum<br />
nach dem Ende der Anschubfinanzierung<br />
im Dezember 2008 eine Reihe von IV-<br />
Verträgen gekündigt wurden. Sowohl Leistungserbringer<br />
als auch Kostenträger haben<br />
dabei die Initiative ergriffen. Die Berichte<br />
darüber sind allerdings anekdotisch, konkrete<br />
Zahlen liegen nicht vor. Ein anderer<br />
Grund für die Kassen, Verträge zu kündigen,<br />
liegt in der zu geringen Fallzahl pro Vertrag,<br />
wie zum Beispiel Iris Royt, IV-Vertragsver-<br />
2. Quartal 07<br />
3. Quartal 07<br />
4. Quartal 07<br />
1. Quartal 08<br />
2. Quartal 08<br />
3. Quartal 08<br />
4. Quartal 08<br />
Vergütungsvolumen<br />
Versicherte
keine Angabe<br />
Palliativversorgung<br />
sonstige, hier nicht aufgeführte Erkrankungen<br />
Erkrankungen von Muskel, Skelett u. Bindegewebe<br />
Erkrankungen des Kreislaufsystems<br />
Erkrankungen des Nervensystems<br />
Erkrankungen von Haut, subkutanem Gewebe und Brust<br />
Erkrankungen im HNO-, Mund-/Kiefer-Bereich<br />
Vollversorgung<br />
psychische Erkrankungen<br />
Schwangerschaft, Geburt<br />
hormonelle oder Stoffwechselkrankheiten<br />
Erkrankungen der Augen<br />
Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane<br />
Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane<br />
Erkrankungen des Verdauungssystems<br />
Erkrankungen der Atemwege<br />
Erkrankungen von Niere und Harnwegen<br />
Erkrankungen von Leber-, Gallenwegen u. Pankreas<br />
antwortliche von der Deutschen Angestelltenkasse<br />
(DAK) für den Raum Hessen, berichtet.<br />
„In der Endoprothetik müssten es<br />
etwa mindestens 50 Fälle pro Vertrag sein,<br />
damit sich der Aufwand für uns lohnt.“ Auf<br />
der anderen Seite seien ihrem Unternehmen<br />
in letzter Zeit eine ganze Reihe von<br />
Vorschlägen für neue IV-Verträge aus unterschiedlichen<br />
medizinischen Fachgebieten<br />
gemacht worden. Auch die DAK, so betont<br />
sie, ist weiterhin sehr an gut funktionierenden<br />
IV-Modellen interessiert.<br />
Ausblick<br />
Das Ende der Anschubfinanzierung hat offensichtlich<br />
einige der Akteure motiviert, die<br />
Grundlagen ihres Handelns zu überprüfen<br />
und daraus Konsequenzen zu ziehen. Es ist<br />
im Moment schwer, einen klaren Überblick<br />
Literatur:<br />
Verbrennungen<br />
Polytraumatische Versorgungen<br />
HIV<br />
Erkrankungen der blutbildenden Organe<br />
Verletzungen, Vergiftungen (ohne Drogen)<br />
Erkrankungen durch Alkohol u. Drogen<br />
Erkrankungen von Neugeborenen<br />
Infektionen und parasitäre Erkrankungen<br />
Myeloproliferative Erkrankungen<br />
0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 %<br />
geschätztes<br />
Vergütungsvolumen<br />
geschätzte Anzahl<br />
teilnehmende Versicherte<br />
Meldungen<br />
Muskuloskeletales System an der Spitze: Klassifikation des Vertragsgegenstandes in Anlehnung an die<br />
Hauptdiagnose-Gruppen (MDC) des G-DRG-Systems – prozentuale Anteile an der Summe „Vertrag einzeln<br />
gezählt“ der Verträge mit Vertragsbeginn ab 1.4.2007 und Vertragsende am oder nach dem 31.12.2008<br />
über die Entwicklungen in der Integrierten<br />
Versorgung zu gewinnen. Sie hat sich aber<br />
zu gut bewährt, um grundsätzlich in Frage<br />
gestellt zu werden. Erfolgreiche, wirklich<br />
neustrukturierte Modelle werden wohl auch<br />
unter den neuen Bedingungen bestehen<br />
bleiben. So erwartet denn auch die Gesellschaft<br />
für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen<br />
(DGIV) eine starke Zunahme von<br />
integrierten Versorgungsmodellen. „Das erste<br />
Jahr nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung<br />
hat gezeigt, dass integrierte Versorgungsmodelle<br />
eine Anschubfinanzierung<br />
nicht benötigen“, betont ihr Vorsitzender,<br />
Carsten Sterly. „Es gibt zahlreiche Versorgungsverträge,<br />
die den Patienten eine deutlich<br />
verbesserte Behandlungsqualität bieten,<br />
den Leistungserbringern eine zukunftsweisende<br />
Vergütung sichern und sich wirtschaftlich<br />
selbst tragen.“<br />
Amelung, V. E./Lägel, R. (2008), Neue Versorgungsformen – Eine Idee setzt sich durch, in: Amelung, V. E./Meyer-Lutterloh, K. et al.<br />
(Hrsg.), Integrierte Versorgung und Medizinische Versorgungszentren, Von der Idee bis zur Umsetzung, 2. Aufl., Berlin.<br />
BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung) (2008 ) www.bqs-register140d.de<br />
Linke, Claudia (2010), Managementgesellschaften im Rahmen der Integrierten Versorgung – Eine institutionenökonomische Analyse<br />
und die Entwicklung eines Lösungsdesigns, Bayreuth.<br />
Universität Witten/Herdecke (2006), <strong>Pro</strong>jekt zur Integrierten Versorgung Endoprothetik Münster – Ergebnisse der Evaluation durch<br />
das Institut für Strategieentwicklung, Witten/Herdecke.<br />
Weatherly, J. N. et al. (Hrsg.) (2007), Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren, Berlin.<br />
36 %<br />
37 %<br />
27
28<br />
Integrierte Versorgung<br />
Qualität und <strong>Pro</strong>zessoptimierung<br />
Ein Gespräch mit Dr. med. Manfred Krieger<br />
Warum ist die IV sinnvoll?<br />
Sie schafft dem Arzt einen Raum, in dem er<br />
frei agieren und Leistungen nach dem Bedarf<br />
des Patienten und nicht des Systems<br />
koordinieren kann. Der Patient kann dadurch<br />
sehr viel Zeit sparen. Nehmen wir einen<br />
Meniskusriss als Beispiel. Die Wartezeiten<br />
zwischen niedergelassenen Orthopäden,<br />
Radiologen, Klinik und Reha können sich zu<br />
vier, fünf Monaten summieren, in denen der<br />
Patient schlimmstenfalls arbeitsunfähig ist.<br />
Im Rahmen einer gut organisierten IV ist er<br />
spätestens vier Wochen nach der Erstuntersuchung<br />
wieder im Arbeitsprozess.<br />
Wieviel Geld wird dabei eingespart?<br />
Wir haben das zusammen mit den Gesundheitsökonomen<br />
der Hochschule Bremen für<br />
Schulter- und Fußoperationen evaluiert.<br />
Dank der <strong>Pro</strong>zessoptimierung sparen die<br />
Krankenkassen je Patient zwischen 2.500<br />
und 4.000 Euro an Krankengeld. Für die ärztlichen<br />
Leistungserbringer ist die IV interessant,<br />
weil die Einnahmen außerhalb des gedeckelten<br />
Budgets liegen und vernünftig<br />
liquidiert werden.<br />
Besteht nicht die Gefahr, dass in den<br />
Einzelverhandlungen der Preis nach<br />
unten getrieben wird?<br />
Wir haben bei einigen Kassen, die das versucht<br />
haben, die Verhandlungen abgebrochen.<br />
Qualität muss ihren Preis bekommen.<br />
Man muss die IV aber auch als Stimulans<br />
betrachten, sich um optimierte <strong>Pro</strong>zesse zu<br />
kümmern.<br />
Dr. Manfred Krieger<br />
Dr. Manfred Krieger ist Chefarzt im Gesundheits- und Pflegezentrum Rüsselsheim,<br />
Teilhaber des Gelenkzentrums Wiesbaden und Mitbegründer der Medical Networks<br />
GmbH, die sich auf die Ausarbeitung Integrierter Versorgungsverträge nach § 140<br />
a-d SGB V spezialisiert hat. Er hat vor zehn Jahren in Rüsselsheim den ersten<br />
IV-Vertrag in Deutschland – für den Behandlungsfall Cox- und Gonarthrose –<br />
geschlossen.<br />
Was raten Sie Ihren Kollegen?<br />
Sie sollten für hohe Qualität sorgen und<br />
gleichzeitig die Leistungen nicht unter Wert<br />
anbieten. Im Gelenkzentrum haben wir uns<br />
zum Beispiel aus Qualitätsgründen selber<br />
Mindestoperationszahlen auferlegt. Nicht 50<br />
Knie pro Klinik, sondern 50 pro Operateur.<br />
Man muss desweiteren die eigene Arbeit regelmäßig<br />
hinterfragen und sauber dokumentieren.<br />
Was halten Sie von Garantieleistungen?<br />
Der Eintritt des Garantiefalls ist kaum sauber<br />
zu definieren. Außerdem ist die Krankenkasse<br />
doch dafür geschaffen worden,<br />
das Kostenrisiko zu tragen. Sie auf den Leistungserbringer<br />
abzuwälzen, widerspricht der<br />
Logik des Systems.<br />
Wie sehen Sie die Zukunft der IV nach<br />
dem Ende der Anschubfinanzierung?<br />
Es wurden bereits viele Verträge wieder aufgekündigt.<br />
Dank unserer gesundheitsökonomischen<br />
Evaluation und der damit nachgewiesenen<br />
Qualität haben die Kassen an<br />
unseren Verträgen aber nach wie vor Interesse.<br />
Die Diskussion „Wie wird’s weitergehen?“<br />
haben wir seit zehn Jahren jedes Jahr<br />
erlebt. Unsere Verträge wurden immer diskussionslos<br />
fortgeschrieben.
XPE<br />
Quervernetzte Polyethylene<br />
von <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Dipl.-Ing. Rainer Bader*, Dipl.-Ing. Carmen Zietz*<br />
Die Hauptursache von Implantatversagen beim künstlichen Gelenkersatz ist bis<br />
heute die aseptische Implantatlockerung, die vor allem durch Abrieb an den Gelenkpartnern<br />
induziert wird. Den größten Anteil am Abrieb nehmen Partikel aus Polyethylen<br />
ein, welches neben Metall und Keramik der am häufigsten eingesetzte<br />
Gleitpartner ist. Die freigesetzten Abriebpartikel führen zu Immunreaktionen im Gewebe,<br />
welche konsekutiv Osteolysen hervorrufen und die Verankerung der Implantate<br />
im Knochen beeinträchtigen können. Um diesem <strong>Pro</strong>blem zu begegnen,<br />
wurden die quervernetzten Polyethylene entwickelt.<br />
Polyethylen in der Endoprothetik<br />
Der seit den 1960ern als Gleitpartner eingesetzte<br />
Kunststoff basiert auf ultrahochmolekularem<br />
Polyethylen (UHMWPE), das<br />
anfänglich unter Luftatmosphäre mit Gammastrahlen<br />
sterilisiert wurde. In den 1990er<br />
Jahren wurden Mechanismen der Veränderung<br />
der chemischen Eigenschaften des<br />
UHMWPE durch ionisierende Strahlung und<br />
die damit verbundene Oxidation und Herabsetzung<br />
der mechanischen Eigenschaften<br />
des Polymers aufgeklärt. Da dadurch die<br />
Abriebbeständigkeit und Haltbarkeit der Implantate<br />
reduziert werden, wurde intensiv an<br />
der Verbesserung des UHMWPE hinsichtlich<br />
Abrieb und Oxidation gearbeitet. Durch<br />
Ausgangsmaterial – UHMWPE<br />
gepresst oder extrudiert<br />
die zusätzliche Quervernetzung der Polymerketten<br />
des Polyethylens kann eine Erhöhung<br />
der Abriebbeständigkeit und eine<br />
längere In-vivo-Haltbarkeit für den Einsatz<br />
als Implantatwerkstoff erzielt werden. 1 Unterschiedliche<br />
Techniken zur Herstellung<br />
der quer- bzw. hochvernetzten Polyethylene<br />
werden angewendet (Abb. 1).<br />
Vernetzung der Polymerketten<br />
Dabei wird durch ionisierende Strahlung<br />
(Gammastrahlung oder Elektronenstrahlung)<br />
unterschiedlicher Dosen eine Vernetzung<br />
der Polymerketten des Polyethylens veranlasst.<br />
Die unterschiedlichen Strahlendosen<br />
bewirken unterschiedlich starke Vernet-<br />
Erwärmung des PE<br />
Vernetzung durch Bestrahlung (Gamma-/Elenktronenstrahlung)<br />
Unterhalb der<br />
Schmelztemperatur<br />
Temperierung des PE<br />
Oberhalb der<br />
Schmelztemperatur<br />
Fertigung des Implantates<br />
Sterilisation<br />
(Gamma, Gas-Plasma, ETO)<br />
mit Vitamin E<br />
Diffusion<br />
von<br />
Vitamin E<br />
Abb. 1: Übersicht über unterschiedliche Herstellungstechniken quer- bzw. hochvernetzter Polyethylene<br />
* Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie, Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Rostock<br />
29
30<br />
XPE<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Dipl.-Ing.<br />
Rainer Bader<br />
Dipl.-Ing. Carmen Zietz<br />
zungsgrade. Zudem gibt es Verfahren, bei<br />
welchen das Polyethylen im erwärmten Zustand<br />
bestrahlt wird. Bei der Bestrahlung<br />
werden chemische Bindungen aufgebrochen<br />
und freie Radikale gebildet. Die erneute<br />
Bindung der freien Radikale untereinander<br />
bewirkt die zusätzliche Quervernetzung der<br />
Polymerketten. Da sich nicht alle freien<br />
Radikale erneut binden, verbleiben diese im<br />
Polyethylenmaterial und können in Verbindung<br />
mit dem Luftsauerstoff zur Versprödung<br />
des Materials führen. Daher erfolgt die<br />
Bestrahlung bzw. Quervernetzung unter<br />
Sauerstoffausschluss, um oxidative <strong>Pro</strong>zesse<br />
im Material zu reduzieren. Durch<br />
nachträgliche Erwärmungsprozesse, oberoder<br />
unterhalb der Schmelztemperatur des<br />
Polyethylens, werden verbleibende freie Radikale<br />
reduziert. Durch abwechselnd wiederholtes<br />
Bestrahlen und Erwärmen wird<br />
versucht, den Vernetzungsgrad zu verbessern.<br />
Ein neuer Ansatz, die freien Radikale<br />
abzufangen, ist die Beigabe von Vitamin E.<br />
Dieses kann dem quer- bzw. hochvernetzten<br />
Polyethylen (X-PE) durch Diffusion oder<br />
durch Beimischung im Rohstoff, das heißt<br />
vor dem Vernetzungsprozess, zugeführt<br />
werden. Vitamin E bindet die freien Radikale<br />
bzw. verhindert deren Bindung an Sauerstoff<br />
und beugt somit der weiteren Bildung<br />
freier Radikale vor. 2 Die Abbildung 1 zeigt<br />
die heute üblicherweise verwendeten Verfahren<br />
und deren mögliche Kombination.<br />
Die anschließende Sterilisierung der quervernetzen<br />
Implantate erfolgt durch Gas-Plasma,<br />
Ethylenoxid oder ionisierende Strahlung mit<br />
einer Dosis unterhalb der Vernetzungsbestrahlung,<br />
um eine weitere ungewollte Vernetzung<br />
des X-PE zu verhindern.<br />
Ergebnisse<br />
Die durch Bestrahlung quervernetzten und<br />
mittels Temperierung oder Vitamin E stabilisierten<br />
Polyethylene zeigen in Simulatorstudien<br />
von Hüft- und Knieendoprothesen eine<br />
deutliche Reduzierung der Abriebmenge gegenüber<br />
konventionellem UHMWPE. Bei aktuellen<br />
In-vitro-Untersuchungen der Abriebpartikel<br />
wurden keine Unterschiede in der<br />
Größenverteilung der PE-Partikel festgestellt.<br />
Durch das geringere Abriebvolumen<br />
sind die biologisch aktiveren kleineren Partikel<br />
reduziert. Laut Galvin et al. scheint X-PE<br />
damit eine geringere funktionelle biologische<br />
Aktivität zu haben als UHMWPE. 3<br />
Die quervernetzten Polyethylene werden seit<br />
knapp 10 Jahren klinisch eingesetzt und bis<br />
heute vorwiegend in der Hüftendoprothetik<br />
verwendet. Klinische Follow-up-Studien bestätigen<br />
eine Reduzierung der Abriebrate<br />
gegenüber konventionellem UHMWPE. 4,5<br />
Zudem weisen explantierte Pfanneneinsätze<br />
aus X-PE geringere Abrieb- und Oxidationsspuren<br />
auf. 6 Längerfristige klinische Ergebnisse<br />
zu den neuen mit Vitamin E stabilisierten<br />
hochvernetzten Polyethylen-Implantaten<br />
stehen noch aus.<br />
Zusammenfassend zeigen die verwendeten<br />
quervernetzten Polyethylene als Gleitpartner<br />
in der Hüftendoprothetik bislang sehr gute<br />
kurz- und mittelfristige Ergebnisse in der<br />
klinischen Anwendung. Inwieweit der Einsatzbereich<br />
der neuen quer- bzw. hochvernetzten<br />
Polyethylene auf die Knieendoprothetik<br />
ausgedehnt werden kann, müssen<br />
derzeit laufende klinische Follow-up-<br />
Studien bestätigen.<br />
Literatur:<br />
1 Muratoglu OK, Bragdon CR, O’Connor DO, Jasty M, Harris WH. A Novel Method of Cross-Linking Ultra-High-Molecular-Weight<br />
Polyethylene to Improve Wear, Reduce Oxidation, and Retain Mechanical <strong>Pro</strong>perties. J Arthroplasty 2001 February; 16(2):149–60.<br />
2 Oral E, Wannomae KK, Hawkins NE, Harris WH, Muratoglu OK. -Tocopherol doped irradiated UHMWPE for high fatigue<br />
resistance and low wear. Biomaterials 2004;25(24):5515–22<br />
3 Galvin AL; Tipper JL; Jennings LM; Stone MH; Jin ZM; Ingham E; Fisher I. Wear and biological activity of highly crosslinked polyethylene<br />
in the hip under low serum protein concentrations. <strong>Pro</strong>c Inst Mech Eng H 2007 January; 221(1):1–10<br />
4 Garcia-Rey E, Garcia-Cimbrelo E, Cruz-Pardos A, Ortega-Chamarro J. New polyethylenes in total hip replacement: a prospective,<br />
comparative clinical study of two types of liner. J Bone Joint Surg Br 2008 February;90(2):149–53<br />
5 Digas G, Karrholm J, Herberts P. 5-year experience of highly crosslinked polyethylene in cemented and uncemented sockets - Two<br />
randomized studies using radiostereometric analysis.<br />
Acta Orthop 2007;78(6):746–54<br />
6 Kurtz SM, MacDonald D, Brenner E, Medel FJ, Hozack WJ, Purtill JJ, Paravisi J, Austin M, Goldberg VM, Kraay MJ, et al. In vivo<br />
oxidation, oxidation potential, and clinical performance of first and second-generation highly crosslinked acetabular bearing for THA.<br />
Poster 1790. San Francisco, CA; 2008
Medizintechnik<br />
Vitamin E gegen Oxidation<br />
Polyethylen E1 nun auch für das Vanguard Kniesystem<br />
Verbesserte mechanische Eigenschaften,<br />
wirksamer Oxidationsschutz und ein äußerst<br />
geringer Abrieb sind die großen Vorteile des<br />
neuen, von <strong>Biomet</strong> entwickelten Gleitpaarungsmaterials<br />
Polyethylen E1. Bisher war<br />
das E1 nur als Inlayoption für das Exceed<br />
ABT Hüftpfannensystem erhältlich. Jetzt ist<br />
es auch für das Vanguard Kniesystem verfügbar,<br />
und zwar in den Optionen CR, CR<br />
Lipped, AS, PS und PS Plus.<br />
Bei der Herstellung des E1 wird das Vitamin<br />
E in einem patentierten Verfahren in das zuvor<br />
hochvernetzte Polyethylen diffundiert.<br />
Dort bindet es die bei der Vernetzung entstandenen<br />
freien Radikale, die bei herkömmlichen<br />
hochvernetzten Polyethylenen<br />
Oxidation und eine Versprödung des Materials<br />
verursachen können. Das Vitamin E<br />
verhindert jedoch die Oxidation und sorgt<br />
damit für eine extrem niedrige Abriebrate.<br />
Tests bestätigen eine Reduzierung des Verschleißes<br />
um 87 <strong>Pro</strong>zent bei Knie-Gleitpaarungen<br />
im Vergleich zu konventionellem PE.<br />
• Oxidationsstabil und abriebfest<br />
• Patentierte 1:1-Kongruenz in<br />
der Frontalebene<br />
• Entlastung der Patellasehne<br />
ermöglicht größeren Bewegungsumfang<br />
• Kompressionsverschluss gegen<br />
Mikrobewegungen<br />
Literatur:<br />
<strong>Biomet</strong> Biomaterials Laboratory „The revolutionary second<br />
generation vitamin E stabilsed highly crosslinked<br />
UHMWPE“ Jan 2007<br />
31
32<br />
Biologische Knorpelregeneration<br />
Die autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT)<br />
von Univ.-<strong>Pro</strong>f. Dr. Dr. med. Reinhard Schnettler* und <strong>Pro</strong>f. Dr. med. Olaf Kilian**<br />
Mit der regenerativen Medizin verbindet sich die Vorstellung und auch Hoffnung,<br />
mit Hilfe neu zu etablierender Behandlungsverfahren dem Körper Unterstützung<br />
bei der Regeneration oder auch dem Ersatz geschädigter Gewebe zu geben. Zur<br />
Erreichung dieser Ziele kommen der Herstellung von Ersatzgeweben aus biologisch<br />
abbaubaren Trägermaterialien (Scaffold) sowie körpereigenen (autologen)<br />
Zellen des Patienten eine hohe Bedeutung zu. Bereits in der klinischen Anwendung<br />
sind der Ersatz für geschädigte Haut, unterschiedliche Knochenersatzmaterialien<br />
mit und ohne bioaktive Werkstoffe sowie unterschiedliche Ansätze in der Regeneration<br />
des geschädigten Knorpels.<br />
Generell kann die Herstellung dieser künstlichen<br />
Gewebe über eine Implantation von<br />
Gewebebildung fördernden zellfreien Trägerstrukturen<br />
erfolgen, über die Injektion<br />
von körpereigenen Zellen in geschädigte<br />
Körpergewebe und über die Herstellung<br />
neuer Gewebe außerhalb des Körpers<br />
durch Anzüchtung von Zellen auf Trägerstrukturen.<br />
Im ersten Fall spricht man von<br />
der sogenannten Guided Tissue Regeneration,<br />
im zweiten Fall geht es um eine Zelltherapie<br />
und im letzten Fall um das sogenannte<br />
Tissue Engineering.<br />
Die ACT ist ein zelltherapeutisches Verfahren<br />
zur Behandlung großflächiger, isolierter,<br />
umschriebener Knorpelschäden am Knieund<br />
Sprunggelenk. Da Knorpelgewebe sich<br />
nicht regenerieren kann, ist das Ziel der Behandlung,<br />
Knorpeldefekte durch die Formation<br />
eines hyalin-like Knorpelgewebes zu<br />
„reparieren“.<br />
Hyaliner Knorpel besteht zu 30 bis 40 <strong>Pro</strong>zent<br />
aus der extrazellulären Matrix, die sich<br />
aus den Grundsubstanzen <strong>Pro</strong>teoglykane,<br />
<strong>Pro</strong>teoglykanaggregane, Glukosaminglykane<br />
und Kollagenfibrillen, größtenteils aus Kollagen<br />
Typ II, in geringem Anteil aus Kollagen V,<br />
VI, IX, X und XI, zusammensetzt. <strong>Pro</strong>teoglykane<br />
haben eine hohe Wasserbindungsfähigkeit,<br />
so daß die dreidimensionale Matrix<br />
durch Wassermoleküle aufgefüllt wird. Diese<br />
Bindung führt zur Stabilität, Viskosität und<br />
Elastizität des hyalinen Knorpelgewebes.<br />
* Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Labor für Experimentelle<br />
Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg ** Klinik<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zentralklinik Bad Berka<br />
Struktur und Ausrichung der Kollagenfibrillen<br />
sind den herrschenden Verhältnissen optimal<br />
angepasst, das heißt, die Fasern verlaufen<br />
entlang der Linien des größten Zuges und<br />
Druckes (Trajektorien). Nur etwa ein bis drei<br />
<strong>Pro</strong>zent der gesamten Knorpelmasse bestehen<br />
aus zellulären Strukturen, den Chondronen<br />
(Chondroblast/Chondrozyt und Knorpelhof),<br />
die zunächst einzeln in die Matrix<br />
eingebettet sind, dann mehrere Chondrone<br />
zusammen als Gruppe, und nehmen schließlich<br />
unter der Oberfläche des Knorpels einen<br />
bogenförmigen Verlauf, was zu einer Verdichtung<br />
des Fasernetzes führt. So wird der<br />
größte Zug und Druck schon an der Oberfläche<br />
abgefangen (Abb. 1).<br />
Abb.1: Hyaliner humaner Knorpel, Kniegelenk<br />
Die Mikrobiomechanik des Knorpelgewebes<br />
basiert auf:<br />
• dem hohen Wassergehalt (60–70 <strong>Pro</strong>zent<br />
des Gewebes),<br />
• einem osmotisch erzeugten Quellungsdruck<br />
durch Aggregane als Polyanionen,<br />
• einer elektrostatischen Elastizität,<br />
• einem permanenten Expansionsdruck<br />
von 0,1 bis 0,2 MPa,<br />
• dem dehnungsresistenten<br />
Kollagenfasernetz.
Univ.-<strong>Pro</strong>f. Dr. Dr.<br />
Reinhard Schnettler<br />
Knorpelgewebe hat eine geringe metabolische<br />
Aktivität (bradytrophes Gewebe). Die<br />
Knorpelzellen weisen einen anaeroben<br />
Stoffwechsel mit einer niedrigen Glykolyserate<br />
auf. Der hyaline Knorpel ist ein avaskuläres<br />
und anisotropes Gewebe, das über<br />
synoviale Perfusion und in geringem Grad<br />
durch Diffusion aus perichondralen Gefäßen<br />
versorgt wird. Hyaliner Knorpel neigt mehr<br />
als die anderen Knorpelarten zur Degeneration.<br />
Dabei wird in den meisten Fällen Kalk<br />
eingelagert. Dies führt dazu, dass die Diffusion<br />
von Nährstoffen nicht mehr richtig funktioniert,<br />
die Chondrozyten hypertrophieren<br />
und schließlich zugrunde gehen.<br />
Dagegen sind für Faserknorpel charakteristisch<br />
die dichten Kollagenfaserbündel, zwischen<br />
denen kleine Chondrone mit meist einzelnen<br />
Chondrozyten liegen (Abb. 1).<br />
Ungeformte Grundsubstanz ist nur wenig<br />
vorhanden. Die Kollagenfasern bestehen im<br />
wesentlichen aus Kollagen Typ 1 und sind<br />
scherengitterartig nach der vorliegenden<br />
Druck- oder Zugbelastung angeordnet. Zwischen<br />
den Fasern liegen kleine Territorien<br />
(Chondrone) mit nur wenigen Chondrozyten.<br />
Faserknorpel ist mechanisch weniger belastbar<br />
als hyaliner Knorpel.<br />
Artikuläre Knorpeldefekte im Knie- und<br />
Sprunggelenk können traumatisch, vaskulär<br />
in Form einer Osteochondrosis dissecans<br />
mit einer Durchblutungsstörung der subchondralen<br />
Knochenplatte, durch Entzündungen<br />
und durch metabolische Dysregulationen<br />
bedingt sein.<br />
Abb. 2: Zustand nach ACT-Transplantation (human)<br />
<strong>Pro</strong>f. Dr. Olaf Kilian<br />
Die Einteilung der Knorpelschäden erfolgt<br />
bisher nach Outerbridge, wobei die Klassifikation<br />
durch die International Cartilage Repair<br />
Society (ICRS) detailliert wurde:<br />
Stadium 0 keine Knorpelschädigung<br />
Stadium 1 oberflächliche Läsionen<br />
1A Erweichung der Oberfläche<br />
1B oberflächliche Fissuren<br />
Stadium 2 Knorpelläsionen erreichen bis<br />
zu 50 <strong>Pro</strong>zent der Knorpeldicke<br />
Stadium 3<br />
3A Knorpelläsionen erreichen über<br />
50 <strong>Pro</strong>zent der Knorpeldicke<br />
3B Knorpelläsionen erreichen<br />
die Zone des mineralisierten<br />
Knorpels<br />
3C Knorpelläsionen erreichen<br />
die subchondrale Lamelle<br />
3D Blasenbildung kann<br />
periläsional auftreten<br />
Stadium 4<br />
4A Knorpelläsion bis kurz unter<br />
die subchondrale Lamelle<br />
4B Knorpelläsion tief in den<br />
spongiösen Knochen (Abb. 2)<br />
Regenerationen umschriebener artikulärer<br />
Knorpelschäden sind aufgrund der fehlenden<br />
Migration von Chondrozyten in den Defekt<br />
nicht zu beobachten. Bei Zerstörung<br />
der subchondralen Schicht, auch bei der<br />
Spongiolisation oder Mikrofrakturierung,<br />
kommt es im Bereich des frischen Knorpeldefektes<br />
zu einem Wundhämatom. Die<br />
Fribrinmatrix des Blutkoagels ist dann die<br />
Leitstruktur für das Einwandern von Stammzellen.<br />
Die weitere Differenzierung der<br />
Stammzellen, ausgelöst durch den lokalen<br />
Einfluss von Zytokinen und Wachstumsfaktoren,<br />
verläuft weniger zu Chondroblasten/zyten,<br />
sondern bildet als Bindegewebszellen<br />
Kollagentyp I und extrazelluläre Matrix<br />
des Bindegewebes. Es entsteht ein fibrokartilaginäres<br />
Knorpelgewebe, welches histologisch<br />
faserknorpeligem Narbengewebe<br />
entspricht.<br />
33
34<br />
Biologische Knorpelregeneration<br />
Mit dem Verfahren der ACT wird ein belastbares<br />
hyalin-like Knorpelgewebe im Defekt<br />
induziert (Abb. 2). Indikation für eine autologe<br />
Chondrozyten-Transplantation sind umschriebene<br />
Knorpeldefekte Grad 3B bis 4B<br />
nach IRCS mit einer Größenausdehnung zwischen<br />
3–15 cm² und eine Osteochondrosis<br />
dissecans Grad III und IV ab 3 cm². Bei größeren<br />
Defekten auf der Basis einer OD ist<br />
zusätzlich eine Spongiosaplastik erforderlich,<br />
kleinere Defekte (unter 3 cm²) sind eher die<br />
Indikation der osteochondralen autologen<br />
Transplantation (OATS).<br />
Voraussetzungen für eine ACT am Kniegelenk<br />
sind stabile Meniskusverhältnisse, eine<br />
regelrechte Beinachse, Bandstabilität und<br />
regelrechte, zum Defekt korrespondierende<br />
Gelenkflächen. Als Kontraindikationen werden<br />
die generalisierte Arthrofibrose und eine<br />
Achsabweichung des betroffenen Beines<br />
gesehen.<br />
Als erster Schritt werden zwei bis drei Knorpelbioptaten<br />
– in der Regel aus der Notchregion<br />
– arthroskopisch entnommen. In einem<br />
Speziallabor werden aus den Knorpelbioptaten<br />
die Chondrozyten isoliert und zwischen<br />
zwei und sieben Wochen kultiviert, bis durch<br />
Mitose die Anzahl der Knorpelzellen auf<br />
mehrere Millionen erhöht ist.<br />
Die Zellimplantation bei der konventionellen<br />
(nicht matrixgekoppelten) ACT erfolgte bisher<br />
durch das Einbringen der Chondrozytensuspension<br />
unter einem auf den Defekt<br />
genähten Periostlappen. Im Verlauf wurde<br />
häufig eine bindegewebige Hypertrophie<br />
des Periostlappens beobachtet. Ein weiteres<br />
Verfahren ist die matrix-assoziierte<br />
Kultivierung der Chondrozyten mit einem<br />
bovinen, dreidimensionalen Kollagengerüst<br />
(Kollagen I). Die Fixierung der Matrix mit den<br />
autologen Chondrozyten im Knorpeldefekt<br />
ist durch Naht oder durch Fibrinklebung<br />
möglich.<br />
Abb. 3: Arthroskopisch geführte Chondrosphären-<br />
Implantation (humanes Kniegelenk)<br />
Die Kultivierung der Chondrozyten in der eigenen<br />
Matrix durch dreidimensionale Zell-<br />
Zell-Kontakte zu Sphäroiden (bestehend<br />
aus ca. 200.000 Chondrozyten) ist eine<br />
weitere innovative Methode. Durch die<br />
Matrixproteine ausgelöste Adhäsion der<br />
Sphäroide wird der Knorpeldefekt – ohne<br />
Verwendung von Fibrinkleber oder einer<br />
chondralen Naht – aufgefüllt (Abb. 3).<br />
Standardisierte Untersuchungen im Tiermodell<br />
zeigen histologisch und biomechanisch<br />
die Induktion von hyalin-like, belastbarem<br />
Knorpelgewebe im Defekt. In der Literatur<br />
findet man weiterhin mehrere Studien mit<br />
75–90 <strong>Pro</strong>zent klinisch guten Fünfjahresergebnissen<br />
nach ACT am Kniegelenk. Die<br />
Resultate rechtfertigen die Aufnahme der<br />
ACT in das Therapiekonzept von Knorpeldefekten<br />
am Knie- und Sprunggelenk.
Klare Trends<br />
Perspektiven der Forschung und<br />
Entwicklung in der Medizintechnik<br />
von Dr. biol. hum. Henrich Mannel*<br />
Größere Flexibilität durch modulare Implantatkomponenten,<br />
geringere Traumatisierung<br />
durch optimierte Zugangswege, präzisere<br />
Implantation durch navigierte Instrumente<br />
und nicht zuletzt längere Standzeiten durch<br />
den Einsatz neuer Materialien in Verbindung<br />
mit optimierten Implantatgeometrien – das<br />
sind berechtigte Forderungen an einen modernen<br />
Versorgungsansatz. Ziel ist es, den<br />
behandelnden Arzt im Zuge seiner Intervention<br />
so zu unterstützen, dass letztlich die<br />
optimale Versorgung seiner Patienten gewährleistet<br />
ist. Können die damit verbundenen<br />
Innovationen zusätzlich noch bestehende<br />
<strong>Pro</strong>dukte substituieren, profitiert<br />
sogar die Gemeinschaft der Versicherten indirekt<br />
von den möglichen Einsparungen.<br />
Über Erfolg oder Misserfolg solcher Bemühungen<br />
entscheidet erfahrungsgemäß die<br />
Kompetenz der Akteure hinsichtlich der Aufgabe,<br />
einzelne Entwicklungen in einem klinischen<br />
Gesamtkonzept miteinander zu<br />
verbinden. Bekanntlich nimmt mit der Modularität<br />
auch die Komplexität zu. Das setzt<br />
durchaus großes, operatives Können beim<br />
Anwender voraus und gleichzeitig erhöhte<br />
Aufmerksamkeit im Hinblick auf diese <strong>Pro</strong>blematik<br />
seitens der Hersteller. Durchdachte<br />
Instrumente genauso wie intensive Schulungskonzepte<br />
sind sicherlich die beste Antwort<br />
auf die Herausforderung. Es wird darauf<br />
ankommen, beides optimal aufeinander<br />
abzustimmen und dem individuellen Patientenbedürfnis<br />
anzupassen.<br />
Zwar ist der Trend in Richtung anatomischer<br />
Rekonstruktion beim Hüftgelenkersatz und<br />
damit zu größeren Kopfdurchmessern ungebrochen.<br />
Damit reduziert sich das Luxationsrisiko<br />
insbesondere im Hinblick auf den<br />
steigenden Aktivitätsanspruch jüngerer Patienten.<br />
Es liegt allerdings auf der Hand,<br />
dass Pfannengröße und Kopfdurchmesser<br />
nicht von der Schnittlänge unterschritten<br />
werden können. Dazu muss seitens Anwender<br />
und Hersteller ein Konzept vorliegen.<br />
Gleichzeitig müssen sich beide Akteure<br />
in diesem Zusammenhang mit <strong>Pro</strong>blemen,<br />
wie zum Beispiel der Freisetzung von Metallionen<br />
auseinandersetzen. Erwartet man hier<br />
zukünftig eine sichere Lösung, darf man<br />
sich dem Einsatz neuer Materialien, wie beispielsweise<br />
dem karbonverstärkten PEEK,<br />
nicht verschließen.<br />
Dass die Navigation die eingeschränkte<br />
Sicht auf den Situs beim minimalinvasiven<br />
Zugang kompensieren kann, ist mittlerweile<br />
gemeinhin akzeptiert. Es ist jedoch aus<br />
ökonomischer Sicht gefordert, die mit der<br />
Navigation verbundene Verlängerung der<br />
Operationszeiten und Vergrößerung der<br />
Komplexität durch intelligente Lösungskonzepte<br />
zu minimieren. Der Einsatz von digitalen<br />
Templates für die Operationsplanung<br />
oder von aus individuellen MRT-/CT-Daten<br />
des Patienten gewonnenen Schablonen zur<br />
Instrumentnavigation werden diesen Anforderungen<br />
zukünftig am ehesten gerecht.<br />
Es wird also letztlich darauf ankommen,<br />
dass Ärzte zusammen mit der Industrie ein<br />
gemeinsames Verständnis von komplexen<br />
Versorgungskonzepten entwickeln. Dazu<br />
muss der jeweilige Hersteller von Medizinprodukten<br />
das gesamte Gebiet der Orthopädie/Unfallchirurgie<br />
überblicken, um seinen<br />
Kunden die technischen Voraussetzungen<br />
anbieten zu können. Der Erfolg sollte sich<br />
dann spätestens in den Registerdaten widerspiegeln.<br />
* <strong>Biomet</strong> Deutschland<br />
Dr. Henrich Mannel<br />
35
Ansprechpartner für Ihre Ideen<br />
Im Rahmen des konventionellen Innovationsmanagements<br />
wird Wissen überwiegend innerhalb<br />
eines Unternehmens gebündelt, analysiert<br />
und schließlich in marktreife <strong>Pro</strong>duktinnovationen<br />
umgesetzt.<br />
Die <strong>Biomet</strong> Deutschland GmbH allerdings<br />
möchte ihre Innovationsprozesse bewusst für<br />
ihre Partner und Kunden öffnen, indem sie beispielsweise<br />
– wie mit den Berliner Seminaren –<br />
ihren Kunden organisatorisches Wissen zugänglich<br />
macht, und umgekehrt die Impulse der<br />
Kunden in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit<br />
aufnimmt. Wir nennen diese wechsel-<br />
Weitere Informationen<br />
Möchten Sie weitere Information zu den Themen dieses Heftes<br />
oder Fallberichte zugeschickt bekommen? Möchten Sie die Berliner<br />
Seminare regelmäßig erhalten? Dann füllen Sie bitte das beiliegende<br />
Faxformular aus und schicken es an 030 / 845 81-117.<br />
Sie können die Information auch online anfordern bei:<br />
christina.heyd@biomet.com<br />
Rechtlicher Hinweis<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Biomet</strong> Deutschland GmbH<br />
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seitige Übertragung Open Innovation und<br />
möchten Sie einladen, künftige Entwicklungslösungen<br />
mit uns gemeinsam zu diskutieren.<br />
Wir sind darauf gespannt, von Ihren klinischen<br />
Erfahrungen mit neuen Technologien zu hören.<br />
Gerne nimmt Dr. Henrich Mannel, Leiter Forschung<br />
und Entwicklung, Ihre Emails dazu unter<br />
henrich.mannel@biomet.com entgegen.<br />
Wenn Sie darüber hinaus vielleicht sogar schon<br />
eine konkrete Innovation im Kopf haben, ist Dr.<br />
Mannel auch hier der richtige Ansprechpartner,<br />
um die Möglichkeiten einer gemeinsamen Realisierung<br />
mit Ihnen zu erörtern.<br />
<strong>Biomet</strong> praktiziert weder im medizinischen Bereich, noch gibt <strong>Biomet</strong> für die spezifische Anwendung<br />
am Patienten Empfehlungen für diese oder andere Operationstechniken ab. Der die<br />
Implantation durchführende Operateur ist in jedem individuellen Patientenfall für die Bestimmung<br />
des passenden Implantats und die Durchführung der angemessenen Implantationstechnik<br />
verantwortlich. <strong>Biomet</strong> übernimmt hierfür keine Verantwortung.<br />
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