gfwmTHEMEN11_Sep2016
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eine Fachpublikation der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V.<br />
Ausgabe 11 – September 2016<br />
U. Schmidt, S. Floeth: Verschwendungsfaktoren in der Wissensarbeit<br />
Anwendung, Produktion und Revision von Wissen und stellen<br />
einen dauerhaften Lernprozess dar. (7) Das eigentliche Produktionsmittel<br />
der Wissensarbeiter ist ihr Expertenwissen; „die<br />
Fähigkeit, Informationen zu bewerten und Wissen aus Information<br />
zu generieren“. (8) Diese ständige Revision und Weiterentwicklung<br />
der zugrundeliegenden Wissensbasis verdeutlicht<br />
das dynamische Wesen von Wissensarbeit: Durch die permanente<br />
Veränderlichkeit dieser Ausgangslage kann davon ausgegangen<br />
werden, dass sich eine Folgetätigkeit immer entweder<br />
in Aufgabenstellung, Lösungsweg bzw. Herangehensweise<br />
und/oder Ergebnis von den vorangegangenen unterscheidet.<br />
Hiermit wird ein wichtiger Unterschied zu anderen Formen der<br />
Arbeit deutlich. Wo z. B. in Produktionsbetrieben die wiederholte<br />
Fertigung eines identischen Produkts in möglichst geringen<br />
Toleranzen entsprechend festgelegter Standards das erklärte<br />
Ziel sein kann, ist dies mit dem Wesen der Wissensarbeit nicht<br />
vereinbar.<br />
Als für die Wissensarbeit relevante Ressource kann dabei gemäß<br />
der Abgrenzung von Schmidt und Kempa-Liehr all das<br />
betrachtet werden, was die Generierung von Wissen beeinflusst.<br />
Dies umfasst sowohl die materiellen, immateriellen<br />
und psychologischen Voraussetzungen, mit und unter denen<br />
gearbeitet wird, als auch die individuellen Eigenschaften (Ausbildung,<br />
Kenntnisse, Intelligenz, Erfahrungen usw.) der beteiligten<br />
Personen. (9) Auf dieser Grundlage wurden insgesamt<br />
neun Verschwendungsfaktoren identifiziert. Sie lassen sich in<br />
zwei Kategorien untergliedern und werden nachfolgend näher<br />
erläutert.<br />
Verschwendungsfaktoren bei den<br />
Rahmenbedingungen von Wissensarbeit<br />
In dieser Kategorie befinden sich Faktoren, die Mängel in den<br />
Rahmenbedingungen von Wissensarbeit widerspiegeln. Dabei<br />
handelt es sich um Einflussgrößen, die insbesondere vom<br />
Management des jeweiligen Unternehmens unmittelbar beeinflusst<br />
und gestaltet werden.<br />
Unter Berücksichtigung der obigen Abgrenzung sowie des Verschwendungsbegriffs<br />
von Ono und Bodek werden im Rahmen<br />
dieses Beitrags Gegebenheiten dann als Verschwendungsfaktoren<br />
bezeichnet, wenn sie eine oder mehrere der folgenden<br />
Konsequenzen provozieren:<br />
——<br />
Ineffizienz, als ein unnötig hoher Aufwand von Ressourcen<br />
bzw. Zeit, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen.<br />
——<br />
Ineffektivität, als unnötig geringe Qualität in Anbetracht<br />
des Potenzials und des investierten Aufwands.<br />
Da im Kontext von Wissensarbeit der Mensch einen zentralen<br />
Erfolgsfaktor ausmacht, spielen zudem „psychologische Kollateralschäden“<br />
als dritte Konsequenz eine gravierende Rolle,<br />
die über Ineffizienz und Ineffektivität hinausgehen bzw. diese<br />
häufig zusätzlich fördern oder bedingen:<br />
——<br />
Mitarbeiterunzufriedenheit, als durch vermeidbare<br />
Gegebenheiten bei der Arbeit ausgelöste Gefühle der<br />
Überforderung, Stress, Geringschätzung, Demotivation<br />
und Frustration.<br />
Orientierungsdefizit<br />
Definition: Fehlende, mangelhafte oder inkonsistente Zielsetzungen,<br />
Anforderungen und Priorisierungen.<br />
Sich in einer unwegsamen und unbekannten Umgebung zu<br />
verlaufen, kann zu einer unangenehmen Erfahrung werden.<br />
Entsprechend groß ist die Erleichterung, einen vertrauten Orientierungspunkt<br />
zu sichten, der in Richtung des Ziels weist.<br />
Um im Berufsalltag nicht ebenfalls in Gefahr zu geraten, den<br />
falschen Weg einzuschlagen, benötigen die Mitglieder einer<br />
Organisation „eine Art Kompass […], der ihr Verhalten koordiniert<br />
und ausrichtet.“ (10) Mit anderen Worten: Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter brauchen Orientierung in Form von<br />
Zielen und Vorgaben, auf deren Grundlage sie ihr Denken und<br />
Handeln während ihrer täglichen Arbeit ausrichten können.<br />
(11) Sind diese Orientierungskoordinaten unklar definiert, widersprüchlich<br />
oder fehlen gänzlich, ist es dem Einzelnen nur<br />
schwer möglich, seine Aktivitäten so auszurichten, dass sie<br />
den größtmöglichen Nutzen für die Gesamtorganisation erbringen.<br />
Was passieren kann, wenn inkonsistente Ziele vorgegeben<br />
werden, führt der Dieselgate-Skandal bei Volkswagen vor<br />
Augen, der seinen Ursprung u. a. auch in unvereinbaren Vorgaben<br />
hat. Hier war die Erreichung der strengen Stickoxidwerte<br />
aus den USA im vorgegebenen Zeitrahmen und Budget nicht<br />
realistisch. Statt auf diesen Zielkonflikt mit einer Revision und<br />
Anpassung der Vorgaben zu reagieren, wurde die „Betrugssoftware“<br />
entwickelt. (12)<br />
(7) Willke, Helmut: Systemisches Wissensmanagement, S. 21-23, 1998<br />
(8) Baumann, Stefanie: Wissensarbeit klassifizieren – Eine Analyse verschiedener Ansätze und ihre Anwendbarkeit unter Berücksichtigung der Büroumgebung,<br />
Arbeitspapiere Wissensmanagement Nr. 1, S. 26, 2004<br />
(9) Schmidt, Ulrich / Kempa-Liehr, Andreas, ebenda, S. 244-246, 2015<br />
(10) Dillerup, Ralf / Stoi, Roman: Unternehmensführung, S. 156, 2013<br />
(11) Dillerup, Ralf / Stoi, Roman, ebenda, S. 154, S. 156, 2013<br />
(12) Siehe: http://www.welt.de/wirtschaft/article154412154/Warum-Volkswagen-den-Schuldigen-nie-finden-wird.html<br />
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