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TTM in der neurologischen Intensivmedizin

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Fieber bei <strong>neurologischen</strong> Intensivpatienten<br />

hämorrhagischer Insult) untersuchte<br />

(Greer DM; Stroke 2008; 39:3029).<br />

In dieser Studie konnte gezeigt werden,<br />

dass Fieber e<strong>in</strong> klarer unabhängiger<br />

Prädiktor für schlechtes neurologisches<br />

Outcome gemessen an Morbidität<br />

(modified Rank<strong>in</strong> Scale, Glasgow<br />

Come Scale, Barthel Index, ICU und<br />

Hospital length of stay) und Mortalität<br />

ist. Inwieweit sich dieser Effekt auch<br />

auf febrile, nicht neurologische Patienten<br />

übertragen lässt, wird <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong>tensiv<br />

und kontroversiell diskutiert (Young<br />

P; N Engl J Med 2015;373; 2315, siehe<br />

dazu Intensiv-News 2/16).<br />

In e<strong>in</strong>er retrospektiven Kohortenstudie<br />

<strong>in</strong>kludierten Saxena und Mitarbeiter<br />

letztlich mehr als 100.000 Patienten,<br />

die die Inklusionskriterien, SHT,<br />

Stroke beziehungsweise akute ZNS-Infektion<br />

erfüllten (Saxena M; Intensive<br />

Care Med 2015, 41:823). Sie untersuchten<br />

den E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> KKT auf das Outcome.<br />

Hierzu korrelierten sie die KKT<br />

<strong>der</strong> ersten 24 Stunden auf <strong>der</strong> Intensivstation<br />

mit <strong>der</strong> Krankenhausmortalität.<br />

Diese Autoren fanden e<strong>in</strong>e signifikant<br />

erhöhte Mortalität bei KKT höher als<br />

39 °C beziehungsweise niedriger als<br />

37 °C <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe von Patienten mit<br />

Schädelhirntrauma beziehungsweise<br />

Schlaganfall, nicht jedoch bei Patienten<br />

mit ZNS-Infektion im Vergleich<br />

zum Normothermie. Diese Resultate<br />

stellen nun e<strong>in</strong>mal die Hypothese, ob<br />

Fieber bei allen <strong>neurologischen</strong> Intensivpatienten<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n ist, <strong>in</strong> Frage.<br />

Grundsätzlich sollten hier bei <strong>der</strong> Interpretation<br />

<strong>der</strong> Resultate die Limitationen<br />

<strong>der</strong> Studie genauer <strong>in</strong> Betracht<br />

gezogen werden.<br />

Erstens, neurologische Erkrankungen<br />

entwickeln sich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Erkrankungen<br />

wie Schädelhirntrauma<br />

o<strong>der</strong> auch Stroke wissen wir, dass nicht<br />

nur die ersten 24 Stunden e<strong>in</strong>en relevanten<br />

E<strong>in</strong>fluss auf das Outcome <strong>der</strong><br />

Patienten haben. „Secondary neuronal<br />

<strong>in</strong>juries“, sogenannte „Zweitschäden“,<br />

die erst während des Aufenthaltes auf<br />

<strong>der</strong> Intensivstation auftreten, können<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> ersten Wochen e<strong>in</strong>en signifikanten<br />

E<strong>in</strong>fluss auf Mobilität und<br />

12<br />

Abb.: Möglicher Temperaturverlauf von „Targeted Temperture Management“ bei <strong>neurologischen</strong><br />

Intensivpatienten (nach Dr. Florian Frank).<br />

Mortalität haben. In <strong>der</strong> Literatur gibt<br />

es unzählige Beispiele, dass diese Sekundärschädigungen<br />

sehr wohl durch<br />

Fieber negativ modifiziert werden können.<br />

Daher ist me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach<br />

die Analyse <strong>der</strong> Patiententemperatur<br />

nur über die ersten 24 Stunden als unzureichend<br />

zu erachten.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus konnten die Autoren<br />

nicht für e<strong>in</strong>en (antipyretischen) Effekt<br />

durch NSARs o<strong>der</strong> physikalische Maßnahmen<br />

kontrollieren. Auch das führt<br />

zu e<strong>in</strong>er weiteren Unsicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Interpretation <strong>der</strong> Studien ergebnisse,<br />

da gezeigt werden konnte, dass NSAR<br />

und auch physikalische Temperatur-<br />

Kontrollmaßnahmen neben dem temperatursenkenden<br />

Effekt auch ausgeprägte<br />

anti-<strong>in</strong>flammatorische und<br />

dadurch auch neuromodu latorische<br />

Eigenschaften besitzen (Broessner G,<br />

Stroke 2010; 41:2969).<br />

So kann zum Beispiel e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong><br />

(zerebralen) Temperatur durch Verabreichung<br />

von NSAR zu e<strong>in</strong>er Reduktion<br />

<strong>der</strong> zerebralen Perfusion und Sauerstoffversorgung<br />

führen und damit <strong>in</strong>sgesamt<br />

die Prognose verschlechtern<br />

(Schiefecker AJ; Crit Care 2013, 17:R88).<br />

Für die Temperatur zum Aufnahmezeitpunkt,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Hypothermie,<br />

konnte gezeigt werden, dass sie mit<br />

dem Outcome von unterschiedlichen<br />

<strong>neurologischen</strong> Erkrankungen assoziiert<br />

ist. Es wird diskutiert, dass Hypothermie<br />

zum Aufnahmezeitpunkt als<br />

Surrogatparameter <strong>der</strong> <strong>neurologischen</strong><br />

Initialschädigung zu bewerten ist. Aus<br />

all diesen Gründen denke ich nicht,<br />

dass die Resultate <strong>der</strong> Studie Saxena et<br />

al. unsere kl<strong>in</strong>ische Interpretation <strong>der</strong><br />

Patiententemperatur <strong>in</strong>nerhalb von 24<br />

Stunden nachhaltig bee<strong>in</strong>flussen sollte.<br />

Welche Patiententemperatur sollte nun<br />

bei <strong>neurologischen</strong> Intensivpatienten angestrebt<br />

werden?<br />

Diese Frage ist nicht e<strong>in</strong>heitlich zu beantworten,<br />

son<strong>der</strong>n sollte aufgrund <strong>der</strong><br />

Diagnose des Patienten als auch <strong>der</strong><br />

Komplikationen <strong>in</strong>dividuell entschieden<br />

werden.<br />

Schädel-Hirn-Trauma: Die drei großen<br />

randomisierten Studien zum Thema<br />

Temperaturkontrolle (therapeutische<br />

Hypothermie) bei schwerem<br />

Schädel-Hirn-Trauma s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />

alle negativ verlaufen (Andrews PDJ; N<br />

Engl J Med 2015, 373:2403; Clifton GL;<br />

Lancet Neurol 2011, 10:131). Daher ist<br />

<strong>der</strong> grundsätzliche E<strong>in</strong>satz von therapeutischer<br />

Hypothermie beim schweren<br />

Schädel-Hirn-Trauma außerhalb<br />

von Studien <strong>der</strong>zeit nicht zu empfehlen.<br />

Ob e<strong>in</strong>e kontrollierte Normothermie<br />

s<strong>in</strong>nvoll ist, gilt es <strong>in</strong> zukünftigen<br />

Studien zu testen.<br />

Erhöhter <strong>in</strong>trakranieller Druck: Hier<br />

gibt es ausreichend wissenschaftli-<br />

Nr. 4, 2016

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