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Thema<br />
Von Tränen, Trost und Ermutigung<br />
„Danke, dass du mit mir weinst!“<br />
Heute morgen habe ich mein Titelbild auf Facebook<br />
rot eingefärbt und mit dem Hashtag #aleppoisburning<br />
(Aleppo brennt) versehen. Ein Hashtag ist ein Schlagwort,<br />
mit <strong>des</strong>sen Hilfe ich verschiedene Beiträge zu einem<br />
Thema im Internet suchen kann. Und ich finde viele Titelbilder<br />
auf Facebook, die heute rot sind. Sie zeigen Solidarität<br />
mit der syrischen Stadt Aleppo, die laut Berichten<br />
momentan komplett umstellt ist.<br />
Und auch, wenn mir oft gar nicht klar ist, wer hier auf<br />
welcher Seite für was kämpft, so ist eins sicher, täglich<br />
sterben Menschen. Sie sind massenweise eingeschlossen<br />
und ständigen Luftangriffen ausgesetzt. Medizinische<br />
Versorgung fehlt, zu essen gibt es nur noch wenig - Reis<br />
und Hülsenfrüchte. Bilder von brennenden Häusern und<br />
Verwundeten überfluten Facebook. Die Stadt ist kaum<br />
noch zu erkennen.<br />
Doch ich kenne auch andere Bilder dieser Stadt. Bilder,<br />
die Mahmoud, Ahmad und Mohamad mir auf ihren<br />
Handys zeigen, wenn wir im Y not - Café sitzen mit Geschichten<br />
dazu aus einer glücklichen Zeit in Aleppo. Ich<br />
bekomme dann oft Sehnsucht nach einer Stadt, die es so<br />
gar nicht mehr gibt und kann mir kaum vorstellen, wie es<br />
sich erst für die Drei anfühlen muss.<br />
„Ich bin krank vor Heimweh!“, schreibt Mahmoud auf<br />
Facebook und postet ein weinen<strong>des</strong> Gesicht unter mein<br />
Bild. „Danke, dass du mit mir weinst!“, schreibt Ahmad mir<br />
in einer Nachricht! „Ich bin froh, dass ihr hier seid und ich<br />
fühle mit euch!“, schreibe ich.<br />
„Du kannst meine Familie sein!“<br />
Ich helfe Mohamad mit seinen Unterlagen fürs Arbeitsamt.<br />
Er redet über seine Familie, die er auf der Flucht<br />
zurücklassen musste und darüber, dass es manchmal<br />
schwer fällt, Hilfe und Trost von Fremden anzunehmen.<br />
Ich erzähle ihm von meiner Familie und davon, wie es ist,<br />
wenn die Eltern zwar da sind, es aber nicht schaffen, sich<br />
um ihr Kind zu kümmern und wie ich ein neues zu Hause<br />
in einer „fremden“ Familie gefunden habe. Wie viele<br />
Menschen mein Leben unterstützt haben und es auch<br />
mir oft schwerfiel, dies anzunehmen, aber auch, wie aus<br />
Fremden Freunde, ja sogar eine Familie wurde und dass<br />
auch der <strong>CVJM</strong> meine Familie ist. Ich erkläre ihm, dass<br />
ich gerne den Trost weitergeben möchte, den ich durch<br />
Gott und die Menschen, die er mir zur Seite gestellt hat,<br />
erfahren habe. „Ich bin traurig, für dich und für mich“<br />
sagt Mohamad später, „aber ich freue mich auch, dass<br />
wir beide hier sind. Du kannst meine Familie sein!“ „Ja,<br />
und du meine!“, sage ich.<br />
„Danke Gott für Trost und Ermutigung“<br />
Ich hatte früher oft das Gefühl an meiner Familiengeschichte<br />
zu verzweifeln. Oft habe ich mich gefragt,<br />
warum Gott all das Leid zulässt? Warum ich?<br />
Und dann war Gott da und hat mich getröstet.<br />
Manchmal, indem er mein Herz berührt hat und<br />
manchmal, indem er mir Menschen zur Seite gestellt<br />
hat. Er hat mich erfahren lassen, dass ich auch in<br />
meiner tiefsten Verzweiflung nicht allein bin. Und er<br />
hat meinen Blick geändert. Habe ich früher meinen<br />
Lebensweg als Leidensweg gesehen, so sehe ich ihn<br />
heute als Segensweg.<br />
In schweren Zeiten haben mir die Briefe <strong>des</strong> Paulus<br />
geholfen. Auch sein Leben war zunächst von Gewalt<br />
bestimmt und selbst als er vom Christenverfolger zum<br />
Apostel wird, ist sein Leben oft von Leid geprägt, ihm<br />
wird nach dem Leben getrachtet, er muss fliehen, er<br />
kommt ins Gefängnis, aber die Perspektive hat sich<br />
geändert. Durch das Erbarmen und den Trost, den er<br />
durch Gott erfährt, wird er immer wieder ermutigt. Im<br />
2. Brief an die Korinther, Kapitel 1, Verse 4-7 schreibt<br />
er:<br />
„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn<br />
Jesus Christus! Er ist ein Vater, <strong>des</strong>sen Erbarmen unerschöpflich<br />
ist, und ein Gott, der uns nie verzweifeln<br />
lässt. Auch wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir<br />
immer wieder Mut. Darum kann ich auch anderen Mut<br />
machen, die Ähnliches durchstehen müssen. Ich kann<br />
sie trösten und ermutigen, so wie Gott mich selbst getröstet<br />
und ermutigt hat. Ich leide mit Christus und in<br />
seinem Dienst in reichem Maß. Aber ebenso reich sind<br />
der Trost und die Ermutigung, die mir durch ihn geschenkt<br />
werden. Wenn ich leide, so geschieht es, damit<br />
ihr Mut bekommt und zur Rettung gelangt. Und wenn<br />
ich getröstet werde, so geschieht es, damit ihr den<br />
Mut bekommt, die gleichen Leiden wie ich geduldig zu<br />
ertragen. Ich bin voller Zuversicht, wenn ich an euch<br />
denke; denn ich weiß: Wie ihr meine Leiden teilt, so<br />
habt ihr auch teil an dem Trost und der Ermutigung,<br />
die mir geschenkt werden.“<br />
Das wünsche ich uns allen, dass wir teilhaben können<br />
am Trost und der Ermutigung, die Paulus erfahren hat,<br />
die ich erfahren habe und die Gott für jeden von uns<br />
bereithält.<br />
Petra Lampe<br />
Exkurs<br />
Das (Trost-)Pflaster<br />
Die Wiege <strong>des</strong> Heftpflasters steht an der Elbe. Im<br />
Jahr 1880 ließ sich der brandenburgische Apotheker<br />
Paul C. Beiersdorf in Hamburg nieder. Nach<br />
langwierigen Tüfteleien entwickelte er einen<br />
mit Salbe bestrichenen Wundverband - die erste<br />
Möglichkeit, Wirkstoffe dauerhaft auf die Haut<br />
zu bringen. 1882 beantragte der findige Apotheker<br />
das Patent zur „Herstellung von gestrichenen<br />
Pflastern“. Am 28. März 1882 wurde schließlich<br />
die Patenturkunde für dieses medizinische Pflaster<br />
ausgestellt.<br />
Mittlerweile gehört es in jeden Sanitätskasten<br />
und fehlt in keinem Haushalt - durchschnittlich 50<br />
Zentimeter davon verbraucht jeder Bun<strong>des</strong>bürger<br />
pro Jahr. Der nützliche Helfer für die kleinen Verletzungen<br />
im Alltag ist längst zur Selbstverständlichkeit<br />
geworden. Dem Apotheker Paul Beiersdorf<br />
sei Dank.<br />
Das Trostpflaster steht im übertragenen<br />
Sinn für eine Wiedergutmachung oder<br />
Genugtuung. Es soll in Gestalt tröstender<br />
Worte oder kleiner Geschenke das<br />
Nichterreichen eines angestrebten<br />
Ziels quasi<br />
ersetzen und so im<br />
übertragenen Sinn<br />
die „offene Wunde“<br />
bedecken.<br />
Claudia Bull<br />
Thema<br />
4<br />
anzeiger|<strong>CVJM</strong> <strong>Berlin</strong><br />
anzeiger|<strong>CVJM</strong> <strong>Berlin</strong> 5