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Anzeiger des CVJM Berlin e.V. 10/11/12 2016

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Thema<br />

Von Tränen, Trost und Ermutigung<br />

„Danke, dass du mit mir weinst!“<br />

Heute morgen habe ich mein Titelbild auf Facebook<br />

rot eingefärbt und mit dem Hashtag #aleppoisburning<br />

(Aleppo brennt) versehen. Ein Hashtag ist ein Schlagwort,<br />

mit <strong>des</strong>sen Hilfe ich verschiedene Beiträge zu einem<br />

Thema im Internet suchen kann. Und ich finde viele Titelbilder<br />

auf Facebook, die heute rot sind. Sie zeigen Solidarität<br />

mit der syrischen Stadt Aleppo, die laut Berichten<br />

momentan komplett umstellt ist.<br />

Und auch, wenn mir oft gar nicht klar ist, wer hier auf<br />

welcher Seite für was kämpft, so ist eins sicher, täglich<br />

sterben Menschen. Sie sind massenweise eingeschlossen<br />

und ständigen Luftangriffen ausgesetzt. Medizinische<br />

Versorgung fehlt, zu essen gibt es nur noch wenig - Reis<br />

und Hülsenfrüchte. Bilder von brennenden Häusern und<br />

Verwundeten überfluten Facebook. Die Stadt ist kaum<br />

noch zu erkennen.<br />

Doch ich kenne auch andere Bilder dieser Stadt. Bilder,<br />

die Mahmoud, Ahmad und Mohamad mir auf ihren<br />

Handys zeigen, wenn wir im Y not - Café sitzen mit Geschichten<br />

dazu aus einer glücklichen Zeit in Aleppo. Ich<br />

bekomme dann oft Sehnsucht nach einer Stadt, die es so<br />

gar nicht mehr gibt und kann mir kaum vorstellen, wie es<br />

sich erst für die Drei anfühlen muss.<br />

„Ich bin krank vor Heimweh!“, schreibt Mahmoud auf<br />

Facebook und postet ein weinen<strong>des</strong> Gesicht unter mein<br />

Bild. „Danke, dass du mit mir weinst!“, schreibt Ahmad mir<br />

in einer Nachricht! „Ich bin froh, dass ihr hier seid und ich<br />

fühle mit euch!“, schreibe ich.<br />

„Du kannst meine Familie sein!“<br />

Ich helfe Mohamad mit seinen Unterlagen fürs Arbeitsamt.<br />

Er redet über seine Familie, die er auf der Flucht<br />

zurücklassen musste und darüber, dass es manchmal<br />

schwer fällt, Hilfe und Trost von Fremden anzunehmen.<br />

Ich erzähle ihm von meiner Familie und davon, wie es ist,<br />

wenn die Eltern zwar da sind, es aber nicht schaffen, sich<br />

um ihr Kind zu kümmern und wie ich ein neues zu Hause<br />

in einer „fremden“ Familie gefunden habe. Wie viele<br />

Menschen mein Leben unterstützt haben und es auch<br />

mir oft schwerfiel, dies anzunehmen, aber auch, wie aus<br />

Fremden Freunde, ja sogar eine Familie wurde und dass<br />

auch der <strong>CVJM</strong> meine Familie ist. Ich erkläre ihm, dass<br />

ich gerne den Trost weitergeben möchte, den ich durch<br />

Gott und die Menschen, die er mir zur Seite gestellt hat,<br />

erfahren habe. „Ich bin traurig, für dich und für mich“<br />

sagt Mohamad später, „aber ich freue mich auch, dass<br />

wir beide hier sind. Du kannst meine Familie sein!“ „Ja,<br />

und du meine!“, sage ich.<br />

„Danke Gott für Trost und Ermutigung“<br />

Ich hatte früher oft das Gefühl an meiner Familiengeschichte<br />

zu verzweifeln. Oft habe ich mich gefragt,<br />

warum Gott all das Leid zulässt? Warum ich?<br />

Und dann war Gott da und hat mich getröstet.<br />

Manchmal, indem er mein Herz berührt hat und<br />

manchmal, indem er mir Menschen zur Seite gestellt<br />

hat. Er hat mich erfahren lassen, dass ich auch in<br />

meiner tiefsten Verzweiflung nicht allein bin. Und er<br />

hat meinen Blick geändert. Habe ich früher meinen<br />

Lebensweg als Leidensweg gesehen, so sehe ich ihn<br />

heute als Segensweg.<br />

In schweren Zeiten haben mir die Briefe <strong>des</strong> Paulus<br />

geholfen. Auch sein Leben war zunächst von Gewalt<br />

bestimmt und selbst als er vom Christenverfolger zum<br />

Apostel wird, ist sein Leben oft von Leid geprägt, ihm<br />

wird nach dem Leben getrachtet, er muss fliehen, er<br />

kommt ins Gefängnis, aber die Perspektive hat sich<br />

geändert. Durch das Erbarmen und den Trost, den er<br />

durch Gott erfährt, wird er immer wieder ermutigt. Im<br />

2. Brief an die Korinther, Kapitel 1, Verse 4-7 schreibt<br />

er:<br />

„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn<br />

Jesus Christus! Er ist ein Vater, <strong>des</strong>sen Erbarmen unerschöpflich<br />

ist, und ein Gott, der uns nie verzweifeln<br />

lässt. Auch wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir<br />

immer wieder Mut. Darum kann ich auch anderen Mut<br />

machen, die Ähnliches durchstehen müssen. Ich kann<br />

sie trösten und ermutigen, so wie Gott mich selbst getröstet<br />

und ermutigt hat. Ich leide mit Christus und in<br />

seinem Dienst in reichem Maß. Aber ebenso reich sind<br />

der Trost und die Ermutigung, die mir durch ihn geschenkt<br />

werden. Wenn ich leide, so geschieht es, damit<br />

ihr Mut bekommt und zur Rettung gelangt. Und wenn<br />

ich getröstet werde, so geschieht es, damit ihr den<br />

Mut bekommt, die gleichen Leiden wie ich geduldig zu<br />

ertragen. Ich bin voller Zuversicht, wenn ich an euch<br />

denke; denn ich weiß: Wie ihr meine Leiden teilt, so<br />

habt ihr auch teil an dem Trost und der Ermutigung,<br />

die mir geschenkt werden.“<br />

Das wünsche ich uns allen, dass wir teilhaben können<br />

am Trost und der Ermutigung, die Paulus erfahren hat,<br />

die ich erfahren habe und die Gott für jeden von uns<br />

bereithält.<br />

Petra Lampe<br />

Exkurs<br />

Das (Trost-)Pflaster<br />

Die Wiege <strong>des</strong> Heftpflasters steht an der Elbe. Im<br />

Jahr 1880 ließ sich der brandenburgische Apotheker<br />

Paul C. Beiersdorf in Hamburg nieder. Nach<br />

langwierigen Tüfteleien entwickelte er einen<br />

mit Salbe bestrichenen Wundverband - die erste<br />

Möglichkeit, Wirkstoffe dauerhaft auf die Haut<br />

zu bringen. 1882 beantragte der findige Apotheker<br />

das Patent zur „Herstellung von gestrichenen<br />

Pflastern“. Am 28. März 1882 wurde schließlich<br />

die Patenturkunde für dieses medizinische Pflaster<br />

ausgestellt.<br />

Mittlerweile gehört es in jeden Sanitätskasten<br />

und fehlt in keinem Haushalt - durchschnittlich 50<br />

Zentimeter davon verbraucht jeder Bun<strong>des</strong>bürger<br />

pro Jahr. Der nützliche Helfer für die kleinen Verletzungen<br />

im Alltag ist längst zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden. Dem Apotheker Paul Beiersdorf<br />

sei Dank.<br />

Das Trostpflaster steht im übertragenen<br />

Sinn für eine Wiedergutmachung oder<br />

Genugtuung. Es soll in Gestalt tröstender<br />

Worte oder kleiner Geschenke das<br />

Nichterreichen eines angestrebten<br />

Ziels quasi<br />

ersetzen und so im<br />

übertragenen Sinn<br />

die „offene Wunde“<br />

bedecken.<br />

Claudia Bull<br />

Thema<br />

4<br />

anzeiger|<strong>CVJM</strong> <strong>Berlin</strong><br />

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