Judo-Magazin 09/2016
Serie mit Johanna Müller: „Mein Jahr in der Nationalmannschaft“
Serie mit Johanna Müller: „Mein Jahr in der Nationalmannschaft“
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In JM App/eMag:<br />
NADA-Videos zum Ablauf<br />
von Dopingkontrollen!<br />
Eine Dopingprobe kann von Johanna Müller<br />
und allen anderen <strong>Judo</strong>kas der Nationalmannschaft<br />
jederzeit eingefordert werden<br />
Foto: Micha Neugebauer<br />
Serie: Mein Jahr in der Nationalmannschaft<br />
Wenn es klingelt …<br />
Von Johanna Müller<br />
Dopingkontrollen. Alle wissen, worum es geht. Die wenigsten<br />
wissen allerdings, was das für eine Athletin alles mit sich bringt<br />
M<br />
an muss zwei Arten von<br />
Kontrollen unterscheiden:<br />
Kontrollen nach einem Wettkampf<br />
und Kontrollen zu Hause oder<br />
beim Trainingslager. Kontrollen nach einem<br />
Wettkampf sind für uns recht häufig<br />
und daher ziemlich normal. Nach einem<br />
erfolgreichen Turnier werden aus<br />
den Medaillengewinnern zwei bis drei<br />
ausgelost, die nach der Siegerehrung zur<br />
Dopingprobe auf die Toilette müssen.<br />
Das kann recht flott gehen oder ziemlich<br />
lange dauern – je nachdem, wie viel Gewicht<br />
man vorher gemacht hat oder wie<br />
viel man während des Wettkampfs getrunken<br />
oder auch nicht getrunken hat,<br />
kann man direkt auf Toilette oder halt<br />
lange Zeit nicht...<br />
Meist begleiten einen die Trainer mit<br />
in den Warteraum, damit man nicht zu<br />
lang alleine rumsitzt. In guten Fällen<br />
bekommt man ein Bier, damit man seine<br />
Medaille gleich etwas mehr genießen<br />
kann! Die Kontrollen können 15 Minuten<br />
dauern – oder bis zu fünf, sechs Stunden.<br />
Siehe oben. Hat man es endlich geschafft,<br />
die 90 Milliliter voll zu machen, hat das<br />
Warten noch kein Ende. Es kann nämlich<br />
auch sein, dass der Urin zu „dünn“ ist.<br />
Dann muss man eine neue Probe abgeben,<br />
gegebenenfalls auch eine dritte.<br />
Nachdem das alles überprüft wurde,<br />
geht es ans Formulare ausfüllen und Abfüllen<br />
in kleine Fläschchen (Probe A und<br />
B). Bei den Formularen werden persönliche<br />
Daten aufgenommen und einge-<br />
24<br />
<strong>Judo</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>09</strong>/16
SPORTGESCHEHEN<br />
nommene Medikamente abgeklärt, um<br />
späteren Missverständnissen vorzubeugen.<br />
Zum Schluss werden auf allen Verpackungen,<br />
Fläschchen und Formularen<br />
die Nummern verglichen, damit es nicht<br />
zu Unstimmigkeiten oder Verwechslungen<br />
kommt. Dann wird alles sicher verpackt<br />
und die Kontrolle ist beendet.<br />
Um 6 Uhr morgens<br />
Bei den Heimkontrollen ist<br />
der Ablauf der Gleiche, allerdings<br />
das Drumherum<br />
nicht. Es gibt ein Onlinesystem,<br />
bei dem man lange<br />
im Voraus für jeden Tag angeben<br />
muss, wo man sich befinden<br />
wird, also beim Training,<br />
im Trainingslager, beim Wettkampf, im<br />
Urlaub, bei der Freizeitgestaltung am Wochenende...<br />
Man kann immer und überall<br />
und zu jeder Zeit kontrolliert werden.<br />
Oft wird man morgens um 6 Uhr<br />
aus dem Bett geklingelt. Doch auch vor<br />
dem Wettkampf können Kontrollen ungelegen<br />
kommen. Speziell als Vertreterin<br />
einer Sportart, in der man aufs Gewicht<br />
achten muss, ist ein paar Tage vor dem<br />
Wettkampf bisweilen „nicht mehr viel zu<br />
holen“. Gewicht wird in den letzten Tagen<br />
vor dem Wettkampf meist über Minimierung<br />
von Trinken gemacht.<br />
„Immer und<br />
überall und zu<br />
jeder Zeit.“<br />
Johanna Müller bei einem Wettkampf. Danach können<br />
Dopingkontrollen lange dauern<br />
Foto: David Finch<br />
Nun sitzt man also morgens um 6 Uhr<br />
mit der Kontrolleurin im Wohnzimmer<br />
und wartet darauf, dass man es<br />
schnell hinter sich bringen kann. Morgens<br />
klappt das meist ganz gut, doch<br />
mittags oder am Nachmittag passiert es<br />
öfter, dass man gerade von der Toilette<br />
kommt, wenn es klingelt. Und dann<br />
kann das Ganze wieder ein paar<br />
Stündchen dauern. Ebenfalls<br />
speziell ist, dass die Kontrolleurin<br />
immer bei einem<br />
sein muss, vom Wäschewaschen,<br />
über Einkaufen<br />
bis zu sonstigen Terminen.<br />
Sie begleitet einem zum<br />
Training, in die Uni, überall<br />
hin. Zudem muss man immer<br />
über das Handy erreichbar sein, falls<br />
die Kontrolleurin an der Haustür klingelt,<br />
man aber gerade nicht da ist. Dann<br />
wird man angerufen und muss sich innerhalb<br />
einer Stunde mit der Kontrolleurin<br />
treffen – sonst bekommt man einen<br />
sogenannten „Missed Test“. Drei<br />
davon, und es droht eine Sperre von drei<br />
Monaten bis zu zwei Jahren.<br />
Kontrolle statt Freizeitspaß<br />
Ich hatte nun schon die eine oder andere<br />
Kontrolle, die meisten verliefen ohne<br />
Probleme, ich war früh zu Hause anzutreffen<br />
und konnte<br />
das Ganze schnell<br />
über die Bühne bringen.<br />
An eine Kontrolle<br />
erinnere ich mich<br />
allerdings bis heute.<br />
Es war kurz vor<br />
Weihnachten, die<br />
Kölner Trainingsgruppe<br />
hatte sich<br />
verabredet, abends<br />
zusammen auf den<br />
Weihnachtsmarkt zu<br />
gehen. Es wäre in jenem<br />
Jahr mein erstes<br />
Mal gewesen, weil<br />
ich bis dahin zu dieser<br />
Zeit stets in Japan<br />
im Trainingslager war<br />
und es dort so etwas<br />
nicht gibt. Ich habe<br />
mich also schon sehr<br />
gefreut, bin losgefahren<br />
und erinnere mich<br />
Das Jahr von Johanna Müller<br />
Die Serie<br />
Eine besondere Serie im <strong>Judo</strong> <strong>Magazin</strong>:<br />
Nationalmannschaftskämpferin Johanna<br />
Müller berichtet ein ganzes<br />
Jahr lang in jeder Ausgabe von ihren<br />
Wettkämpfen, ihrem Training<br />
und ihren Erfahrungen im Nationalteam.<br />
Die 57-Kilo-Athletin vom PSV<br />
Olympia Berlin lässt die Leserinnen<br />
und Leser an ihren Eindrücken und<br />
Gedanken teilhaben und ermöglicht<br />
Blicke hinter die Kulissen des <strong>Judo</strong>-<br />
Spitzensports. <br />
•<br />
noch, dass es ziemlich lange gedauert<br />
hat, weil die Bahnen ausgefallen waren.<br />
Nachdem ich es endlich geschafft hatte<br />
und am Heumarkt ausstieg, um mich<br />
dort mit den anderen zu treffen, klingelte<br />
mein Handy, unbekannte Nummer.<br />
Ich ahnte es schon, denn mit unterdrückter<br />
Nummer ruft immer die<br />
Nationale Anti Doping Agentur, die<br />
NADA, an. Ich nahm das Gespräch<br />
an – und wie sollte es anders sein, die<br />
gute Frau der Dopingkontrolle meldete<br />
sich sehr freundlich. Wir telefonierten<br />
kurz, sie fragte, wo ich mich derzeit befinden<br />
würde. Nachdem wir beide festgestellt<br />
hatten, dass eine Kontrolle auf<br />
einem überfüllten Weihnachtsmarkt<br />
wohl schwer durchzuführen sein würde,<br />
stieg ich in die nächste Bahn nach<br />
Hause. Dort angekommen, wartete die<br />
Frau bereits vor meiner Haustür. Wir<br />
gingen in meine Wohnung, und die<br />
Kontrolle dauerte zwei Stunden. Endlich<br />
fertig, war meine Trainingsgruppe<br />
schon wieder auf dem Rückweg vom<br />
Weihnachtsmarkt. Für mich war der<br />
Abend gelaufen.<br />
Ohne Zweifel ist es wichtig, Sportlerinnen<br />
und Sportler regelmäßig zu<br />
überprüfen, und meist ist es auch recht<br />
unkompliziert. Allerdings sind das ständige<br />
Eintragen des genauen Standorts<br />
(was man schnell mal vergessen kann,<br />
wenn sich kurzfristig die Pläne ändern)<br />
und die ständige Abrufbereitschaft natürlich<br />
lästig. Für einen sauberen Sport<br />
nehme ich das allerdings selbstverständlich<br />
in Kauf. <br />
•<br />
<strong>Judo</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>09</strong>/16 25