TÜRKISCH GOLD - Landestheater Tübingen
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er sah mich vorsichtig an und sagte: 'Willst du nicht lieber doch nochmal mit ihm<br />
reden?'<br />
Mein Name ist Hatice. Ich bin Türkin, mit deutschem Pass, für Politiker eine<br />
gelungene Integration, für deutsche Männer die verbotene, exotische Frucht und für<br />
deutsche Frauen der Grund, ihre Haare zu hassen. Mein Name hat keine Bedeutung!<br />
Oder zumindest nur so viel Bedeutung wie Mandy, Gaby oder Erna. Die erste Frau<br />
unseres Propheten Mohammed hieß Hatice, sie war die erste Muslima (wer hat<br />
eigentlich aus der Muslime eine Muslima gemacht und müsste die Steigerung dann<br />
nicht Muslimus heißen?).<br />
Eine meiner Schwestern lebt seit ihrer Hochzeit in der Türkei und versteht überhaupt<br />
nicht, warum ich mich im Beruf so stresse. Natürlich mache ich was falsch, ich<br />
versuche in zwei Welten gleichgut zurechtzukommen, die sich einfach nicht unter<br />
einen Hut bringen lassen. Zwei Gesellschaften, die sich, selbst wenn sie dieselbe<br />
Sprache sprächen, einfach nicht verstehen.<br />
Es gibt noch zahllose Dinge zu erzählen über meine Parallel-Universen. Da ist z.B.<br />
der Dönerverkäufer, der sich freut, wenn ich ein Lahmacun oder ein Dürüm bestelle<br />
und er mir als erster Kundin an diesem Tag keinen 'Döner mit alles und schaffe<br />
Sosse' machen muss. Und da ist noch vieles mehr. Was ist die wirkliche Rolle von<br />
'Türkenkoffern' in türkischen Familien, was hat es mit dem Goldschmuck junger<br />
Türkinnen auf sich, wie werden Familienfeste gefeiert und warum lehnt sich bei<br />
Hochzeiten der Schwager immer mit der Kamera aus dem Auto? Weshalb sehen<br />
unsere Möbel aus wie in den Fernsehserien der 60er Jahre? Und glauben Sie mir,<br />
Geschenke sind ein Grauen! Ein ausgeliehener Teller geht niemals leer zurück, der<br />
geborgte Zucker kommt in Form eines Kuchens wieder.<br />
Da sind natürlich auch die Vorstellungen davon, was Hans und Helga so machen.<br />
Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken. Und es ist klar, dass Hans<br />
ein Brötchenholer ist, dass man beim ersten Date mit Hans getrennt bezahlt, dass<br />
Helga niemals zum Friseur gehen würde, einfach nur um sich die Haare föhnen zu<br />
lassen, all das wissen wir Türken längst über Hans und Helga. Und noch eins: man<br />
kann den ganzen Abend beieinandersitzen und richtig schön diskutieren.<br />
Auszüge aus: Hatice Akyün, Einmal Hans mit scharfer Soße. Leben in zwei Welten, München:<br />
Goldmann Verlag, 2005.<br />
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