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naturfreundin_3-16
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THEMA<br />
BÜRGERWISSENSCHAFT<br />
2.000 Kilometer Nonstop-Flug<br />
Möglicherweise entsteht gerade eine neue Kranichroute entlang der Alpen<br />
bDer Kranichzug gehört zweifellos zu den<br />
spektakulärsten Naturschauspielen, die sich in<br />
Deutschland erleben lassen. Jeden Herbst sammeln<br />
sich Zehntausende Kraniche (Grus grus) zumeist<br />
aus Nord- und Osteuropa an den großen<br />
deutschen Rastplätzen in der Boddenlandschaft<br />
südwestlich von Rügen, dem Linumer Bruch oder<br />
auch der Diepholzer Moorniederung, um sich<br />
neue Fettreserven für den Weiterflug anzufressen.<br />
Die bis zu 130 Zentimeter großen und maximal<br />
sieben Kilogramm schweren Zugvögel – geschützt<br />
durch das Bundesnaturschutzgesetz – legen<br />
im Jahr mehrere Tausend Kilometer zurück,<br />
wenn sie zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren<br />
wechseln. Mit einer Flügelspannweite<br />
von etwa 230 Zentimetern können sie bis zu<br />
4.000 Metern hoch und bis zu 2.000 Kilometer<br />
Nonstop fliegen. Normalerweise liegen die Tagesetappen<br />
zwischen zehn und 100 Kilometern.<br />
Der europäische Kranichzug verläuft traditionell<br />
auf zwei gut erforschten Routen:<br />
aaDen baltisch-osteuropäischen Zugweg nutzen<br />
Kraniche vorwiegend aus Finnland, dem<br />
Baltikum, Polen und Westrussland, um die<br />
großen Rastplätze der ungarischen Tiefebene<br />
zu erreichen. Von dort verläuft diese Route<br />
weiter über den Balkan und Sizilien bis nach<br />
Tunesien, während eine alternative Route<br />
Richtung Türkei abzweigt und in Israel endet.<br />
aaAuf dem sogenannten westeuropäischen<br />
Zugweg ziehen Kraniche zumeist aus Mitteleuropa<br />
und Skandinavien in französische<br />
und spanische Winterquartiere. Deutschland<br />
wird auf dieser Route von Nordost nach Südwest<br />
überflogen, wobei Baden-Württemberg<br />
und Bayern bisher im wahrsten Sinne des<br />
Wortes links liegen gelassen wurden.<br />
Allerdings scheint sich das gerade zu ändern.<br />
In Bayern wurden im Jahr 2011 während des gesamten<br />
Herbstzuges kaum 5.000 Kraniche gezählt.<br />
Ein Jahr später wurde dieser Wert plötzlich<br />
innerhalb von sechs Tagen alleine südlich<br />
der Donau erreicht. Und am 1. November 2013<br />
wurden schon mehr als 9.000 Kraniche gemeldet.<br />
Auch in Baden-Württemberg, Österreich und<br />
der Schweiz wurden plötzlich ungewöhnlich viele<br />
Kraniche gesichtet.<br />
Die Gründe für die deutlich gestiegenen<br />
Durchzugszahlen in Süddeutschland sind noch<br />
nicht genau bekannt. Doch viel deutet darauf<br />
hin, dass sich gerade eine neue alternative Zugroute<br />
der Kraniche etabliert, die auf dem baltisch-osteuropäischen<br />
Zugweg unterwegs sind.<br />
Schon seit der Jahrtausendwende werden aus<br />
Norditalien immer mehr westwärts ziehende<br />
Kraniche gemeldet. Im Herbst 2011 kam es dann<br />
erstmals zu einem Massenzug von mehreren<br />
Tausend Kranichen, die den baltisch-osteuropäischen<br />
Zugweg in Ungarn verließen, dann sowohl<br />
nördlich als auch südlich des Alpenhauptkammes<br />
nach Westen flogen und die Überwinterungsgebiete<br />
der auf dem westeuropäischen Zugweg<br />
wandernden Kraniche ansteuerten – und dabei<br />
sozusagen eine Alpentraverse zwischen den<br />
beiden großen europäischen Zugwegen bildeten.<br />
Auslöser dieses Zuges war vermutlich eine anhaltende<br />
Ostwetterlage. Doch auch in den folgenden<br />
Jahren wiederholte sich dieses Phänomen<br />
– ohne entsprechend markante Wetterlagen.<br />
Welche Mechanismen hinter dieser Entwicklung<br />
stehen und ob sich diese neue Route langfristig<br />
etabliert, wird wissenschaftlich untersucht.<br />
Wer diese Untersuchungen mit eigenen Kranichbeobachtungen<br />
unterstützen möchte, kann<br />
auf www.ornitho.de sehr einfach eigene Vogelbeobachtungen<br />
melden. Diese stehen dann für<br />
wissenschaftliche Auswertungen und den Naturschutz<br />
zur Verfügung.c CHRISTOPHER KÖNIG<br />
<br />
DACHVERBAND DEUTSCHER AVIFAUNISTEN<br />
TTDer Dachverband Deutscher Avifaunisten ist ein<br />
Zusammenschluss aller ornithologischen Verbände in<br />
Deutschland und vertritt etwa 10.000 Feldornithologen<br />
und Vogelbeobachter. www.dda-web.de<br />
TTwww.ornitho.de ist ein Portal zur Meldung von Vogelbeobachtungen<br />
für Jedermann, dessen Daten für den<br />
Naturschutz genutzt werden.<br />
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