Integrierter Drehteller für die flexible 2K-Fertigung - Krauss Maffei
Integrierter Drehteller für die flexible 2K-Fertigung - Krauss Maffei
Integrierter Drehteller für die flexible 2K-Fertigung - Krauss Maffei
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AUTOMOBILBAU • WERKZEUGTECHNIK<br />
D ie<br />
<strong>Integrierter</strong> <strong>Drehteller</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>flexible</strong> <strong>2K</strong>-<strong>Fertigung</strong><br />
Werkzeugtechnik nach Maß. Für ein neues Pkw-Mittelkonsolenkonzept wurde<br />
ein <strong>2K</strong>-Werkzeug entwickelt, bei dem der <strong>Drehteller</strong> sich nicht in der Aufspann-<br />
platte befindet, sondern direkt im Werkzeug integriert ist. Der Verarbeiter kann das<br />
Werkzeug in Kombination mit einer Beistellspritzeinheit flexibel auf unterschied-<br />
lichen Maschinen einsetzen.<br />
Bild 1. Blick ins <strong>Drehteller</strong>werkzeug <strong>für</strong> <strong>die</strong> Konsolenträger-<strong>Fertigung</strong> auf einer<br />
Spritzgießmaschine des Typs KM 1300-12000 MC<br />
UWE STEINMEYER<br />
Otto Kunststoffverarbeitung<br />
Crock GmbH ist auf <strong>die</strong> Herstellung<br />
großvolumiger Bauteile wie<br />
Mülltonnen, Behälter, Paletten sowie Teile<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Automobilindustrie, den Bausektor<br />
etc. spezialisiert. Als <strong>Fertigung</strong>stechniken<br />
werden das 1K- und <strong>2K</strong>-Spritzgießen<br />
in Sperrschieber- und Umlegetechnik,<br />
<strong>die</strong> Gasinnendrucktechnik und<br />
das 2-Farben-Spitzgießen eingesetzt.<br />
Somit waren <strong>die</strong> Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Fertigung</strong> eines Grundträgers <strong>für</strong> eine<br />
Pkw-Mittelkonsole in <strong>2K</strong>-Technik <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Automobilindustrie erfüllt. Den Auftrag<br />
dazu erteilte der Systemlieferant Fau-<br />
recia. Das komplexe Bauteil wiegt etwa<br />
1000 g – davon entfallen 90 % auf <strong>die</strong><br />
Hartkomponente aus PP mit 15 % Glasfaser.<br />
Die Weichkomponente, ein thermoplastisches<br />
Elastomer, hat einen Anteil<br />
von rund 10 %. Hinzu kommen spezifische<br />
Anforderungen: „An den Konsolenträger<br />
müssen zahlreiche Anbauteile<br />
präzise montiert werden. Da kommt es<br />
darauf an, dass <strong>die</strong> Spaltmaße genau stimmen“,<br />
erläutert Helmut Herb, Prokurist<br />
bei Otto. „Außerdem muss der Konsolenträger<br />
Anti-Knarz-Anforderungen erfüllen<br />
und den Bestimmungen des Kopfaufschlagsicherheitsbereichsentsprechen.<br />
Da<strong>für</strong> werden bestimmte Bereiche<br />
mit der Weichkomponente umspritzt.“<br />
Mit der schwierigen Aufgabe wandte<br />
sich Otto an den Werkzeug- und Formenbauer<br />
Erich Schweiger GmbH & Co.<br />
KG.„Zunächst stellte sich natürlich <strong>die</strong><br />
Frage“, erinnert sich Geschäftsführer Anton<br />
Schweiger, „<strong>für</strong> welches <strong>2K</strong>-Konzept<br />
wir uns entscheiden. Für ein Werkzeug<br />
mit Sperrschiebern ist <strong>die</strong> Weichkomponente<br />
zu komplex gestaltet. Bei der Umsetztechnik<br />
wären wir mit inakzeptablen<br />
Schwindungsproblemen konfrontiert gewesen.<br />
Daher entschieden wir uns <strong>für</strong> ein<br />
<strong>Drehteller</strong>werkzeug.“<br />
Bei der <strong>Drehteller</strong>technik wird nach<br />
der Herstellung des Vorspritzlings <strong>die</strong> gesamte<br />
bewegliche Werkzeughälfte um<br />
180° gedreht. Im hier beschriebenen Anwendungsfall<br />
kommt der Vorspritzling<br />
aus PP in <strong>die</strong> Kavität <strong>für</strong> den folgenden<br />
Spritzvorgang. Dort wird er mit der<br />
Weichkomponente umspritzt.<br />
Sechs Tonnen in fünf Sekunden<br />
auf den Kopf gestellt<br />
Normalerweise können solche Werkzeuge<br />
nur auf speziell da<strong>für</strong> ausgelegten<br />
Mehrkomponentenmaschinen betrieben<br />
werden, weil sich der Drehkranz in der<br />
beweglichen Aufspannplatte befindet.<br />
„Wir benötigten aber eine <strong>flexible</strong> Lösung<br />
– ein Werkzeug, das auf verschiedenen<br />
Maschinen einsetzbar ist“, erklärt Helmut<br />
Herb. Schweiger schlug deswegen vor, den<br />
<strong>Drehteller</strong> komplett in das Werkzeug zu<br />
integrieren.„Wir hatten schon bei früheren<br />
Projekten Werkzeuge mit integriertem<br />
<strong>Drehteller</strong> gebaut und daher auf <strong>die</strong>sem<br />
Gebiet Erfahrungen gesammelt“, so<br />
Anton Schweiger,„neu bei <strong>die</strong>sem Projekt<br />
war <strong>für</strong> uns <strong>die</strong> Größenordnung: das Gesamtgewicht<br />
der Form liegt immerhin bei<br />
16 t. Die Auswerferseite des Werkzeugs,<br />
<strong>die</strong> in fünf Sekunden um 180° gedreht<br />
88 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 3/2004
Bild 2. CAD-Darstellung der beiden Werkzeughälften<br />
Bild 3. Dimensionsprüfung am <strong>2K</strong>-Bauteil<br />
mit einer Zeiss-Messmaschine bei der Erich<br />
Schweiger GmbH & Co. KG<br />
Bild 4. <strong>Fertigung</strong>szelle KM 1300-12000 MC<br />
<strong>für</strong> den Konsolenträger bei der Otto Kunststoffverarbeitung<br />
Crock GmbH<br />
Kunststoffe 3/2004<br />
wird,wiegt 6 t – das ist wegen der großen<br />
Schwungmasse eine besondere Herausforderung.“<br />
Trotzdem lohnte sich der Aufwand: Da<br />
sowohl in der <strong>Fertigung</strong> bei Otto als auch<br />
im Technikum bei Schweiger Maschinen<br />
der MC-Baureihe von <strong>Krauss</strong>-<strong>Maffei</strong> im<br />
Einsatz waren, konnte das Werkzeug flexibel<br />
an beiden Standorten bis zur Serienreife<br />
bemustert werden. Die ersten Versuche<br />
fanden bei Schweiger auf einer KM<br />
1000-8100 MC statt. In der Serienfertigung<br />
wird das Werkzeug auf einer KM<br />
1300-12000 MC, nun in Crock, eingesetzt.<br />
Helmut Herb: „Der integrierte<br />
<strong>Drehteller</strong> stellt <strong>für</strong> uns auch ein Absicherungskonzept<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> termingerechte<br />
<strong>Fertigung</strong> dar. Denn im Notfall können<br />
wir das Werkzeug in unserer <strong>Fertigung</strong><br />
auch auf anderen Maschinen einsetzen,<br />
um pünktlich zu liefern.“<br />
Flexibilität durch modulare<br />
Maschinentechnik<br />
Die zusätzlichen Beistell-Spritzaggregate,<br />
mit der <strong>die</strong> MC-Maschinen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>2K</strong>-<br />
Technik bei Schweiger und bei Otto umgerüstet<br />
wurden,können ebenfalls an verschiedenen<br />
Maschinen eingesetzt werden.<br />
Durch das modulare Konzept können <strong>die</strong><br />
<strong>2K</strong>-Bauteile also auf jeder Maschine der<br />
passenden Größe gefertigt werden. Ein<br />
weiterer Vorteil der MC-Maschinen besteht<br />
darin, dass <strong>die</strong> Erweiterung der<br />
Steuerung <strong>für</strong> den integrierten <strong>Drehteller</strong><br />
unkompliziert und störungsfrei mit der<br />
Maschinensteuerung kommuniziert.<br />
Die Automobilindustrie legt auf<br />
Schnelligkeit großen Wert. Für <strong>die</strong> Konstruktion<br />
und <strong>die</strong> <strong>Fertigung</strong> des Werkzeugs<br />
stand deshalb nur<br />
wenig Zeit zur Verfügung.<br />
„Zwischen dem Zeitpunkt,<br />
an dem uns <strong>die</strong> verbindlichen<br />
CAD-Daten<br />
des Bauteils vorlagen, und<br />
der Serienreife des Werkzeugs<br />
lagen nur 24 Wochen“,<br />
sagt Anton Schweiger<br />
nicht ohne Stolz. „In<br />
den ersten acht Wochen<br />
erstellten wir das Grundkonzept<br />
und <strong>die</strong> Werkzeugkonstruktion.<br />
Die<br />
Materialbeschaffung<br />
nahm zwei Wochen in Anspruch.<br />
Die eigentliche<br />
Werkzeugfertigung fand<br />
in den darauf folgenden<br />
Wochen statt. In <strong>die</strong>ser<br />
Phase gab es noch Änderungen<br />
am Bauteil, weil es<br />
AUTOMOBILBAU • WERKZEUGTECHNIK ■<br />
Im Profil: Werkzeug- und<br />
Formenbau Schweiger<br />
Das 1962 gegründete Unternehmen Erich<br />
Schweiger GmbH & Co. KG Werkzeug- und<br />
Formenbau mit Sitz in Uffing am Staffelsee<br />
beschäftigt etwa 60 Mitarbeiter. Mit einer<br />
eigenen Konstruktion und <strong>Fertigung</strong> konzentriert<br />
sich Schweiger vor allem auf <strong>die</strong> Herstellung<br />
hochwertiger Spritzgießwerkzeuge<br />
<strong>für</strong> technisch anspruchsvolle Teile. Schwerpunkte<br />
sind <strong>2K</strong>-Werkzeuge und Feuchtpolyester-Formen<br />
mit einem Gewicht von bis zu<br />
16 Tonnen. Das Unternehmen bietet seinen<br />
Kunden einen Komplettservice: Im Technikum<br />
können Bemusterungen bis zur Serienreife<br />
unter Einsatzbedingungen durchgeführt<br />
werden. Für <strong>die</strong> Erstellung von Erstmusterprüfberichten<br />
steht eine Zeiss-Messmaschine<br />
zur Verfügung.<br />
www.schweiger-formenbau.de<br />
in der ursprünglichen Form <strong>die</strong> erforderlichen<br />
Crashtests nicht bestanden hätte.<br />
Deswegen wurden noch sechzig Verstärkungsrippen<br />
integriert. Das zog einen<br />
aufwändigen Prozess nach sich, insbesondere<br />
weil das Werkzeug ja zwei Kerne<br />
hat.“<br />
Serienreif in 24 Wochen<br />
Um acht Wochen zeitversetzt begann<br />
Schweiger mit der <strong>Fertigung</strong> eines zweiten<br />
Werkzeugs <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rechtslenkervariante.<br />
Die damit hergestellten Bauteile sind<br />
<strong>für</strong> Fahrzeuge bestimmt, <strong>die</strong> in Märkte<br />
mit Linksverkehr wie Großbritannien,<br />
In<strong>die</strong>n, Südafrika oder Australien gelie-<br />
Bild 5. Erfolgreiche Partner (v.l.n.r.): Franz Freisl, Anton Schweiger<br />
(beide Erich Schweiger GmbH & Co. KG) und Helmut Herb<br />
(Otto Kunststoffverarbeitung Crock GmbH)<br />
V<br />
89
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AUTOMOBILBAU • WERKZEUGTECHNIK<br />
Im Profil: Otto Kunststoffverarbeitung<br />
Crock<br />
Die Otto-Gruppe erzielt einen weltweiten<br />
Jahresumsatz von 500 Mio. EUR. Der wichtigste<br />
Geschäftsbereich sind Entsorgungssysteme,<br />
auf technische Teile entfallen rund<br />
10 % des Gesamtumsatzes. Die Otto Kunststoffverarbeitung<br />
Crock GmbH mit Sitz im<br />
thüringischen Crock generiert mit Kunststoffteilen<br />
unter anderem <strong>für</strong> <strong>die</strong> Automobilund<br />
Haushaltsgeräteindustrie ein Umsatzvolumen<br />
von etwa 15 Mio. EUR. Am Standort<br />
Crock sind 110 Mitarbeiter beschäftigt, davon<br />
20 im Werkzeugbau. Der Schwerpunkt<br />
der Spritzgießfertigung liegt bei Maschinen<br />
mit Schließkräften zwischen 6500 und<br />
40 000 kN. <strong>2K</strong>-Teile können mit Schließkräften<br />
bis 23 000 kN produziert werden.<br />
www.okc-crock.de<br />
fert werden. Schweiger: „Wir waren mit<br />
der ersten Konstruktion gar nicht fertig<br />
und haben gleich mit der zweiten losgelegt.<br />
Wir wussten noch nicht einmal, ob<br />
das erste Konzept überhaupt funktio-<br />
niert. Da wurde es dann richtig spannend.“<br />
Aber das Vertrauen, das Otto der Erfahrung<br />
und dem Know-how des Formenbauers<br />
entgegenbrachte, war gerechtfertigt:<br />
Bei der ersten Bemusterung<br />
im Hause Schweiger produzierte das<br />
Werkzeug nur 24 Wochen nach Beginn<br />
des Projekts bereits voll funktionsfähige<br />
Bauteile, so dass <strong>die</strong> Serienfertigung wenig<br />
später beginnen konnte.<br />
Eine halbe Million Bauteile<br />
mit einem Werkzeug<br />
Otto wird sich aufgrund der Erfolge weiterhin<br />
verstärkt im <strong>2K</strong>-Bereich engagieren.<br />
Helmut Herb: „Das nächste Projekt<br />
ist eine <strong>2K</strong>-Radlaufschale. Unsere Stärke<br />
liegt darin, dass wir 360 Tage im Jahr produzieren.<br />
So sind wir in der Lage, <strong>die</strong> hohe<br />
Stückzahl von 500 000 Teilen mit einem<br />
Werkzeug und einer Maschine abzudecken.“<br />
Nach den guten Erfahrungen<br />
bei der Mittelkonsole wird Otto auch bei<br />
der Radlaufschale mit den Partnern<br />
Schweiger und <strong>Krauss</strong>-<strong>Maffei</strong> zusammenarbeiten.<br />
■<br />
DER AUTOR<br />
Werkzeugmachermeister UWE STEINMEYER, geb.<br />
1952, ist bei der <strong>Krauss</strong>-<strong>Maffei</strong> Kunststofftechnik<br />
GmbH, München, in der Kundenberatung und Projektierung<br />
auf dem Gebiet Spritzgießwerkzeuge tätig.<br />
SUMMARY PLAST EUROPE<br />
INTEGRATED ROTARY<br />
PLATFORM FOR<br />
FLEXIBLE TWO-COMPONENT<br />
PRODUCTION<br />
CUSTOMISED MOULD TECHNOLOGY. Moulds<br />
featuring rotary platform technology can usually only<br />
be employed on dedicated multi-component machines<br />
because the turntable is located in the movable<br />
platen. For a new car central console, a twocomponent<br />
mould has been developed in which the<br />
rotary platform is integrated into the mould directly.<br />
This gives processors the flexibility to use the mould<br />
in combination with a side injection moulding unit on<br />
any machine of appropriate size.<br />
NOTE: You can read the complete article<br />
by entering the number PE102831<br />
on our website at www.kunststoffe.de/PE.