Jahresbericht 11/12 - Heilpädagogisches Zentrum Hagendorn
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«Nei nöd! – Allei mache!»<br />
10 <strong>11</strong> übergänge stärKen das Kind<br />
Kinder verstehen es wunderbar, Bekanntes<br />
zurückzulassen und sich mit Neugier und<br />
Tatendrang auf Neues einzulassen. Übergänge<br />
stellen das Kind vor Herausforderungen und<br />
fordern Kompetenzen im Bereich der Problemlösungsstrategien.<br />
Übergänge brauchen<br />
Motivation und Mut. Vertrautes, Erfahrenes,<br />
Gelerntes und Wertvolles werden mitgenommen<br />
und integriert.<br />
Nina ist eine Erstklässlerin mit Trisomie 21,<br />
ein Mädchen mit gewinnender Art, erfrischender<br />
Offenheit und beeindruckenden sozialen<br />
Fähigkeiten.<br />
Eine der ersten Herausforderungen beim Übergang<br />
vom Kindergarten in die erste Primarklasse<br />
stellte der Schulweg dar. Was einerseits<br />
Risiko und Gefährdung bedeuten kann, beinhaltet<br />
andererseits auch Chancen, Neuentdeckungen<br />
und die Aktivierung von Ressourcen.<br />
Mit einer selbst ausgewählten Schultasche<br />
meistert Nina Tag für Tag aufs Neue den Weg<br />
zum Schulhaus. An ihrer Seite sind ihre liebsten<br />
Freunde. Sie ist sicht- und spürbar gestärkt<br />
durch das Vertrauen ihrer Bezugspersonen.<br />
Ihre Motivation, mit den anderen Kindern zur<br />
Schule zu laufen, und der Stolz, Erstklässlerin<br />
zu sein, beflügeln sie. Der Schulweg wird<br />
zur abenteuerlichen Reise mit vielen Neuentdeckungen<br />
und wertvollen Erfahrungen.<br />
«Hilf mir, es selbst zu tun!»<br />
Das ist der häufig zitierte pädagogische Leit-<br />
satz von Maria Montessori. Konkretes Handeln<br />
führt die Kinder zur Handlungs vorstellung<br />
und zum inneren Bild. Nina arbeitet mit den<br />
numerischen Stangen im Zahlenraum von<br />
1 bis 10. Sie holt sich eine Stange nach der<br />
anderen. Zielgerichtet und mit der Selbstver-<br />
ständlichkeit einer routinierten Schülerin läuft<br />
sie vom Gruppenraum in den angrenzenden<br />
Klassenraum und legt die Zahlentreppe von<br />
1 bis 10. Die Stangen kennt sie bereits aus dem<br />
Kindergarten. Zusammen mit ihren Freunden<br />
hat sie sie im Kindergarten selber angemalt –<br />
abwechselnd blau und rot, in zunehmender<br />
Grösse. Damals war die Herausforderung noch,<br />
die farblichen Einteilungen hinzukriegen.<br />
Heute geht es darum, die ansteigende Reihenfolge<br />
zu finden und die Zahlen bis 10 in ihrer<br />
Zahlengrösse fühl- und sichtbar zu erleben.<br />
So kann sie ein inneres Bild der Zahlenfolge<br />
aufbauen und später auf die abstrakte Zahlenreihe<br />
übertragen.<br />
Um Übergänge wie jenen vom Konkreten zum<br />
Abstrakten zu unterstützen, gilt es, emotionale<br />
Grundfunktionen zu nutzen.<br />
Wichtige handlungsbezogene Emotionen sind:<br />
gefühlsmässige Beteiligung in der Planung,<br />
Durchführung und Evaluation der Handlung,<br />
Motivation und Frustrationstoleranz.<br />
Kinder müssen die Erfahrung machen, etwas<br />
bewirken zu können, mitbestimmen zu können.<br />
Es ist unsere Pflicht, ihren Äusserungen und<br />
ihrer Initiative Raum zu geben und sie ernst<br />
zu nehmen. Nina macht diese Erfahrung zu<br />
Hause und im Schulalltag. Sie lernt zu erkennen,<br />
wann sie Hilfe braucht und wann es<br />
alleine geht.<br />
«Nei nöd! – Allei mache!» Spätestens nach diesem<br />
Ausruf wissen Lehrpersonen oder Mitschüler,<br />
dass Nina es sich zutraut, selber auszuprobieren,<br />
wie etwas gelingt, oder ganz einfach, dass sie<br />
selber forschen und entdecken möchte.