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KULTUR<br />
Große Kunst<br />
in kleinen<br />
Kreisen<br />
30 Jahre CCSL.<br />
Was ist geblieben,<br />
wie geht es weiter?<br />
Das Jahr begann mit einem neuen<br />
Abenteuer. Jaroslaw Flicinski,<br />
ein polnischer Maler, seit<br />
kurzem hier ansässig, ist ein sympathischer,<br />
kluger Mann, ein außerordentlich<br />
konsequenter Künstler, außerdem<br />
praktisch ein Nachbar von mir, sollte<br />
die Galerie verwandeln. Er liebt große<br />
Wände. Seine Kunst besteht darin,<br />
Bilder direkt auf die Wand zu malen. So<br />
einfach es sich anhört, ist es aber nicht.<br />
Um des Bildes würdig zu sein, muss die<br />
Wand von allen Unreinheiten und Unebenheiten<br />
befreit werden.<br />
JaroSlaW und sein liebenswerter<br />
polnischer Assistent, ein genialer<br />
Handwerker, machten sich an die<br />
Arbeit. Es wurde geputzt, geebnet,<br />
verputzt. Die Galerie war eine einzige<br />
Baustelle. Nach einer<br />
Woche bekamen<br />
die Wände einen<br />
ganz neuen feinen<br />
Putz. Und dann ist<br />
es so weit: Das Bild<br />
erwuchs der Wand<br />
und enthüllte sich.<br />
Schwebende Linien<br />
in ganz fein abgestimmten<br />
Farben<br />
breiteten sich aus.<br />
Die Räume erhielten<br />
eine neue Leichtigkeit, einen Glanz,<br />
eine Schönheit, denen alle verfielen.<br />
Ein intensiver Dialog zwischen Kunst<br />
und Betrachter entstand.<br />
Zu den SChÖnen Ereignissen<br />
zählten auch ein sonniger Sonntag im<br />
Mai, als wir die Eröffnung einerAusstellung<br />
vier holländischer Künstler<br />
feierten. Außer den Künstlern und ihren<br />
zahlreichen Fans waren die nette Frau<br />
Konsul und der Herr Botschafter, der<br />
extra aus Lissabon gekommen war, anwesend.<br />
Er sprach über die essentielle<br />
Rolle der Kunst in unserer Welt. Wir<br />
waren von seinen Worten beeindruckt<br />
und konnten nur zustimmen. Es wurde<br />
ein großes Fest mit holländischen Spezialitäten<br />
und portugiesischem Wein.<br />
Dann ging es zurück nach Portugal<br />
mit „Instantés“, einer Ausstellung, die<br />
sieben junge portugiesische, gegen-<br />
Jaroslaw Flicinski spielt mit Farben<br />
ständliche Künstler zeigte. Einer, Juliano<br />
Gomes, malte monatelang kleine<br />
Frauenporträts, die in ihrer Qualität<br />
an Rembrandt erinnerten. Ein anderer,<br />
Tomas Colaço, bemalte große Leinwände,<br />
die wie Tapisserien an der Wand<br />
hingen. Eines dieser skurrilen Bilder<br />
stellte einen Esel (Mula Algarvia) dar,<br />
der, wie selbstverständlich in einem<br />
geräumigen Empfangssalon steht, mit<br />
feinem Teppich und barockem Interieur.<br />
Ein französischer Besucher, ehemaliger<br />
Politiker, betrachtete das Bild, erkannte<br />
darin einen Salon, in dem Staatsempfänge<br />
gefeiert wurden und fragte: „Was<br />
will uns der Künstler sagen? Glaubt er,<br />
dass alle Politiker Esel sind?“<br />
Fotos: Cineterra, CCSL<br />
Zu den schönen Momenten des Jahres<br />
zählten auch die Ausstellungen von<br />
Nuno Santiago und Gervásio, zwei portugiesischen<br />
Malern, deren Entwicklung<br />
wir seit Jahren verfolgen und die<br />
eine wunderbare künstlerische Reife<br />
erreicht haben.<br />
MuSik SPielt im Leben des Centros<br />
eine wichtige Rolle. Im Juni feierte die<br />
Associação dos Amigos de São Lourenço,<br />
ein Verein, der unsere Konzerte<br />
unterstützt, 30 Jahre CCSL mit einer<br />
Gala auf der Terrasse. Es gab Musik<br />
aus New Orleans und argentinisches<br />
Essen mit Tango-Tänzen. Es war ein<br />
fröhlicher farbenprächtiger Abend.<br />
In der diesjährigen Konzertreihe hatten<br />
wir unter anderem das Vergnügen zwei<br />
wunderbare Pianisten zu hören, den<br />
Australier Piers Lane und die Chinesin<br />
Sa Chen. Im September kamen russische<br />
Musiker. Überraschung: die Geigerin<br />
war hochschwanger und erwartete<br />
Zwillinge. Aber das tat ihrem Spiel<br />
keinen Abbruch, alle waren von der hohen<br />
Musikalität des Trios begeistert.<br />
eS gab in dieSeM Jahr leider auch<br />
weniger fröhliche Ereignisse: ein Brunnen<br />
von Philippe Claisse, der fröhlich<br />
den ganzen Sommer unter der Palme<br />
plätscherte, wurde gestohlen. Philippe<br />
machte sich sofort an die Arbeit und<br />
erschuf einen zweiten Brunnen. Doch<br />
auch der wurde wenige Wochen später<br />
gestohlen. Die Brunnen bestanden aus<br />
Musikinstrumenten aus Kupfer. Wurden<br />
sie wegen des Kupfers gestohlen?<br />
Zum Jahresende wollen wir der Krise<br />
die Stirn bieten und stellen Werke aus,<br />
die unter 1000 Euro kosten. Einige sind<br />
stark reduziert. Die Künstler machen<br />
mit, sie verkaufen ihr letztes Hemd.<br />
The artist’s last shirt heißt deshalb<br />
die Ausstellung, die am 17. <strong>Dezember</strong><br />
eröffnet wird.<br />
Marie Huber<br />
Eine feste Größe im CCSL:<br />
die Marmor-Skulptur von João<br />
Cutileiro; Libertar, Acryl-Bild<br />
von João Paramés<br />
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