TITELTHEMA „Lausche da, wenn Eulen schrein …“ Vor dem rekonstruierten Shakespeare-Theater in Neuss steht eine Büste des englischen Dichters Fotos: Christoph Krey <strong>BR</strong>-Klassik widmet dem Dramatiker William Shakespeare im Jahr seines 400. Todestages eine Musiknacht 4 – <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong>
TITELTHEMA Eine Laute zirpt. Der Luftgeist Ariel wirbelt herein, hilft dem alten Magier Prospero beim Ankleiden und singt: „Wo die Bien‘, saug‘ ich mich ein / Bette mich in Maiglöcklein / Lausche da, wenn Eulen schrein / Fliege mit der Schwalben Reih’n / Lustig hinterm Sommer drein …“ Der Geist kündigt dem knorrigen Prospero in dieser Schlüsselszene aus Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“ an, dass ihm eine unbeschwerte Zukunft bevorsteht. Ariels Lied, im Englischen als „Where the bee sucks“ bekannt, ist einer der berühmtesten Songs aus den Dramen William Shakespeares (1564 – 1616). durchwoben von Klängen und getragen von Ariels Liedern. Theater war zu Shakespeares Zeit kein reines Sprechtheater: Songs, Bühnenmusik, oft auch Tanz, gehörten zu jeder Aufführung. Die magische und exotische Grundstimmung schattiert Shakespeare mit Geräusch- und Toneffekten, Volksmusikalisches sorgt für rustikale Momente. Die Melodien stammen vom Hof-Lautenisten Robert Johnson und gehören zu den ganz wenigen Stücken, die aus Shakespeares Lebzeiten erhalten sind. Forscher und Theatermacher bedauern Felsen heulen und Ariels Flügel flirren. Am häufigsten vertont wurden „Der Sturm“ und „Romeo und Julia“, welches als Ballettmusik von Sergej Prokofjew Welterfolge feierte. Die Faszination für die Geschichte des Liebespaares Romeo und Julia, die Shakespeare in Verona verortet, ist bis heute ungebrochen. Elgin Heuerding hat dort das „Haus der Julia“ besucht, eine Pilgerstätte für glücklich und unglücklich Verliebte inklusive Balkon, auf dem Julia – falls es sie überhaupt gegeben hat – nie stand, weil Dem Dichter und seiner Musik sowie seinem musikalischen Echo widmet <strong>BR</strong>-Klassik am 12. November den Themenabend „Brush up Your Shakespeare“. Autorin und Moderatorin Elgin Heuerding stellt Vertonungen von „Romeo und Julia“ vor, verführt die Hörer zu Rundgängen ins England der Shakespeare-Zeit und ins rekonstruierte historische „Globe Theatre“ in Neuss, spricht mit Sir Peter Jonas, dem ehemaligen Intendanten der Bayerischen Staatsoper (21 Uhr) – und lässt den ganzen Abend lang Musik erklingen. Rekonstruktionszeichnung des Londoner Globe-Theaters (oben), Shakespeares Geburtshaus in Stratford-upon-Avon Fotos: Morphart, The Shakespeare Birthplace Trust William Shakespeare hat nicht einfach Theaterstücke geschrieben, er hat das Drama neu definiert, und das auch im musikalischen Sinn. Seine Bühnenmusiken wurden Teil der Dichtung und Handlung, seine Lieder kleine Kunstwerke für sich. Shakespeares Verse sind Wortmusik, seine Dramen inhaltlich und sprachlich durchkomponiert wie große symphonische Werke. Auch deshalb heißt der Autor im englischen Sprachraum „The Bard“ – der Poet, der Barde. „Das Werk keines anderen Dichters und Dramatikers der Weltliteratur hat eine vergleichbare Fülle von musikalischen Kompositionen angeregt“, schreibt der Münchner Anglist Hans Walter Gabler in seiner Studie zu Shakespeare und der Musik. Schon „Der Sturm“ hat als wohl musikalischstes der Shakespeare-Dramen nicht nur seinen eigenen Klang, sondern auch eine eigene Musikhistorie. Das Stück ist dies – für spätere Komponisten war es Chance und Ansporn, unabhängige Klangkonzepte zu den Dramen zu entwickeln. Ludwig van Beethoven soll sich 1802 von „Der Sturm“ zu seiner Klaviersonate Nr. 17 inspiriert haben lassen. Dutzende Komponisten vertonten seit dem 17. Jahrhundert die Lieder der Shakespeare-Dramen. Als die Oper sich im 18. Jahrhundert als neues Genre auf den Bühnen etabliert hatte, entstanden bald die ersten musiktheatralischen Fassungen; inzwischen sind mehr als 200 Opern zusammengekommen. Andere Komponisten schrieben Bühnenmusiken. Zu einem Klassiker etwa wurde Felix Mendelssohn Bartholdys „Sommernachtstraum“ von 1843 für das Potsdamer Theater, eine Musik, die auch konzertant ihre Magie entfaltet. Sehr illustrativ für die Szenen geschrieben ist dagegen die „Sturm“-Bühnenmusik des Finnen Jean Sibelius (1925/26) für das Königliche Theater Kopenhagen: Hier hört man deutlich den Wind über die er später angebaut wurde. Auch ins englische Stratford-upon-Avon ist die Musikjournalistin gereist, wo das Geburtshaus Shakespeares ein Touristenmagnet ist – obwohl nicht restlos klar ist, ob der Mensch, der die Dramen geschrieben hat, dort gelebt hat. Die Magie seiner Worte lockt Besucher dennoch an diese Orte – genauso wie der Sprachzauber Komponisten inspiriert hat. Felicia Englmann – <strong>BR</strong>-Klassik Samstag, 12.11.<strong>2016</strong>, 18.05 Uhr Brush up Your Shakespeare – eine Musiknacht für den großen Dichter und Dramatiker, 355 Min. br-klassik.de Mehr Informationen unter: br.de <strong>BR</strong>-<strong>Magazin</strong> – 5