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gewünschte Wirkung, denn eine knappe Stunde später verließ ihre<br />
Kundin zufrieden das Geschäft. Gekauft hatte sie neben den biometrischen<br />
Passbildern vier Aufnahmen aus der Trickkiste – natürlich<br />
zum Passfotopreis.<br />
Nach einem Blick auf die Uhr verschwand Cora in der winzigen<br />
Kaffeeküche und sah schmachtend auf ihr Smartphone. Das Quizduell-Spielen<br />
während der Dienstzeit war allen Mitarbeitern der<br />
Foto-Hütte seit Anfang des Jahres leider genauso untersagt, wie<br />
Besuche bei Facebook und das private Chatten. Als dieser nette<br />
Zeitvertreib noch unentdeckt war, zogen die vielen Arbeitsstunden<br />
ohne Kundschaft mühelos an ihr vorüber. Schon oft hatte sie sich<br />
gefragt, ob es überhaupt nötig war, der Versuchung zu widerstehen.<br />
Schließlich konnte man die Einhaltung der neuen Regel<br />
kaum überprüfen. Trotzdem blieb sie standhaft, denn es war durchaus<br />
nachvollziehbar, warum die Chefin das Verbot ausgesprochen<br />
hatte. Trotzdem fand Cora die detaillierten Ausführungen über den<br />
volkswirtschaftlichen Schaden durch private Smartphonenutzung<br />
am Arbeitsplatz etwas übertrieben. Fakt war, dass die Regale im<br />
Laden nach dem offiziellen Machtwort wieder deutlich häufiger<br />
geputzt wurden.<br />
Für heute war bereits alles vom Staub befreit und der Inhalt aller<br />
Schubladen von links nach rechts sortiert. So verblieben noch zwei<br />
endlose Stunden, bis um 14 Uhr die Ablösung eintreffen sollte.<br />
Gelangweilt aß Cora eine viel zu weiche Nektarine. Der Saft lief<br />
über ihre Hand und am Kinn herunter, um abschließend einen<br />
wenig dekorativen Fleck auf dem Shirt zu hinterlassen. Warum<br />
passierte sowas immer, wenn sie nichts zum Darüberziehen dabei<br />
hatte? Nachdem sie ihren optischen Eindruck durch den Einsatz<br />
von Wasser und Spülmittel nicht maßgeblich verbessern konnte,<br />
stand sie mit gerunzelter Stirn vor dem Waschbecken und sah in<br />
den Spiegel. An der oberen linken Ecke klebte schon seit Ewigkeiten<br />
eine Postkarte mit den Worten: »Kleine Mädchen fürchten<br />
die Dunkelheit. Große Mädchen fürchten schlechte Beleuchtung.«<br />
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