jubiheft
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Die Chronik<br />
Nix Hippie: Der Spalter entdeckt die<br />
neue Deutsche Welle<br />
DIN-A-4-Format, intensive Reportagen<br />
über „Arme und Geknechtete“<br />
und ein Auflagen-<br />
Boom, der den Spalter als ernst<br />
zunehmendes Magazin in Hannover<br />
etabliert. Er selbst allerdings<br />
sieht den Erfolg des Spalters<br />
weniger bei Personen, als viel<br />
In diesem Klima war der Spalter<br />
zur richtigen Zeit am richtigen<br />
Ort - eine Alternative zur bürgerlichen<br />
Zeitung, ein Medium<br />
der Gegenöffentlichkeit. Der<br />
Schädelspalter war das schwarze<br />
Brett dieser Szene. Aber diese<br />
Szene veränderte sich in rapidem<br />
Tempo. Punks trugen auf<br />
einmal Anzüge, radikalisierten<br />
das System von innen, wurden<br />
Unternehmer und auf einmal<br />
war alles - frei nach Nina Hagen<br />
- so schön bunt hier. Der Spalter<br />
ebenso. Was natürlich das Altklientel<br />
verschreckte. Statt über<br />
Anti-Akw-Demos wurde nun<br />
über die Renaissance der Reizwäsche<br />
berichtet. Und es war<br />
nur die Götterdämmerung. Wenig<br />
später wurde es sogar pornographisch<br />
(der legendäre<br />
Theresa-Orlowski-Porno-Report).<br />
Aber so war die Zeit. Die<br />
NDW-Bewegung wollte Spaß,<br />
wer einst politisch korrekt war,<br />
FOTOS: PRIVAT / ARCHIV R&T VERLAG<br />
Keith rocks: 82 spielten die Stones das<br />
erste Mal in Hannover<br />
mehr in der politischen Konstellation<br />
dieser Zeit.<br />
Die große Epoche der Studentenbewegung<br />
war zehn Jahre<br />
her. Nun begannen sich in der<br />
zweiten Welle die einzelnen Szenen<br />
zu vernetzen. Die Abgrenzung<br />
von Politik und Kultur löste<br />
sich auf. Labels, Zeitschriften,<br />
Clubs und Bürgerinitiativen<br />
gründeten sich. Häuser<br />
wurden besetzt. Im ehemaligen<br />
DeFaKa-Kaufhaus entstand der<br />
Pavillon. Gereift ist dabei auch<br />
ein neuer, alternativer Lokalpatriotismus,<br />
der mit Bands wie<br />
Hans-A-Plast, Rotzkotz oder<br />
den 39 Clocks prahlen durfte.<br />
Fast so alt wie der Spalter:<br />
Der Pavillon<br />
fand nun Hedonismus ist auch<br />
ein schönes Wort. Statt in die<br />
rote Kuh ging man in Clubs wie<br />
dem Orly oder dem Spliff. Im<br />
Rückblick ist dieses erste Schädelspalter-Jahrzehnt<br />
einfach eine<br />
aufregende Zeit. Hannover<br />
96 stieg 1976 das zweite Mal aus<br />
der Bundesliga ab und 85 wieder<br />
auf (wenn auch nur kurz),<br />
die Underground-Musikszene<br />
Hannovers war auf ihrem Höhepunkt,<br />
in der bildenden<br />
Kunst wie am Theater passierten<br />
spannende Experimente -<br />
eine kreative Explosion, die im<br />
Spalter ihre Geschichtsschreiber<br />
fand.<br />
40 JAHRE SCHÄDELSPALTER 21