Ätherische Öle – Neue pharmakologische Erkennt - Zentralverband ...
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Serie Phytotherapie 15. Mitteilung<br />
Praxis<br />
Was ist gesichert in der Phytotherapie?<br />
<strong>Ätherische</strong> <strong>Öle</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Neue</strong> <strong>pharmakologische</strong> <strong>Erkennt</strong>nisse<br />
ergänzen und bestätigen<br />
altes Erfahrungswissen<br />
Pfefferminze: „Arzneipflanze des Jahres 2004“<br />
Geschichtlicher Hintergrund<br />
Armeipflanzen, die ätherische <strong>Öle</strong><br />
enthalten, begleiten die Menschheit<br />
seit über 5.000 Jahren und bereits vor<br />
3.000 Jahren wurden gezielt Destillationsgeräte<br />
benutzt, um letztlich die<br />
begehrten ätherischen <strong>Öle</strong> als „Quinta<br />
essentia“ zu erhalten.<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Schilcher<br />
Ehrenpräsident des ZÄN<br />
Allerdings waren solche wertvollen<br />
Arzneien Priestern, Königen<br />
oder Adelsgeschlechtern vorbehalten<br />
und die berühmte Königin von Saba<br />
soll das erste Duftmonopol der Weltgeschichte<br />
besessen haben.<br />
Gerade in Ägypten blühte die<br />
Kunst der Aromenverwendung, u.a.<br />
als Grabbeigabe und zur Konservierung<br />
von Mumien. Von Ramses III.<br />
wird der Satz überliefert: „Kein Tag<br />
ist glücklich ohne Wohlgeruch.“<br />
Griechen und Römer übernahmen das<br />
Wissen um ätherische <strong>Öle</strong>.<br />
Nach dem Untergang des römischen<br />
Weltreichs gelangte dieses besondere<br />
Wissen zu den fränkischen<br />
Königen, und so erließ KARL DER<br />
GROßE um das Jahr 800 n. Chr. ein<br />
erstes Gesetz, um die Anwender vor<br />
Schäden durch unsachgemäße Herstellung<br />
zu schützen. Im 10. Jahrhundert<br />
versuchten arabische Ärzte an<br />
ihren Medizinischen Fakultäten in<br />
Isfahan und Cordoba die Besonderheiten<br />
der Arzneipflanzen mit Aromen<br />
näher zu erforschen, während zu etwa<br />
der gleichen Zeit in den Klostergärten<br />
ein erster Anbau solcher Arzneipflanzen<br />
und auch eine systematische<br />
Beschreibung durch HILDEGARD VON<br />
BINGEN in ihrer Schrift „Physica“<br />
erfolgte: „… so gibt die Krauseminze,<br />
wenn sie dem Fleisch, den Fischen<br />
oder Speisen oder dem Mus beigefügt<br />
wird, jener Speise einen guten Geschmack<br />
… und verschafft eine gute<br />
Verdauung …“<br />
Im Mittelalter führte LEONHART<br />
FUCHS in seinem „Kreutterbuch“ diese<br />
Systematik fort und lieferte auch entsprechende<br />
Bilder von solchen Arzneipflanzen,<br />
beispielsweise vom Fenchel:<br />
„… mildert das Grimmen im<br />
Leib …“<br />
Allmählich entwickelte sich im 15.<br />
und 16. Jahrhundert Grasse in Südfrankreich<br />
zum Mittelpunkt der Aromenherstellung,<br />
und so ist es nicht<br />
verwunderlich, dass französische Ärzte<br />
und Forscher, wie RENÉ GATTFOSSE.<br />
JEAN VALNET oder ROBERT TISSERAND<br />
244<br />
im letzten Jahrhundert den Begriff<br />
„Aroma-Therapie“ prägten und damit<br />
auch die intensive Erforschung<br />
der Inhaltsstoffe und ihrer Wirkmechanismen<br />
angestoßen wurde. So wird<br />
seit 1969 nun jährlich ein wissenschaftlicher<br />
Kongress von ISEO<br />
(International Symposium of Essential<br />
Oil) mit internationalen, interdisziplinären<br />
Experten durchgeführt.<br />
Was sind ätherische <strong>Öle</strong>? <strong>–</strong><br />
Einige Definitionen sowie<br />
Tipps für die Praxis<br />
<strong>Ätherische</strong> <strong>Öle</strong>, synonym auch als<br />
natürliche Aroma- oder Duftstoffe<br />
bezeichnet, sind leicht flüchtige, fett<br />
bzw. alkohollösliche, aromatisch riechende<br />
und schmeckende Pflanzeninhaltsstoffe<br />
des sekundären Pflanzenstoffwechsels.<br />
Hierzu einige wichtige Erläuterungen<br />
für die tägliche Praxis:<br />
Hustentropfen zum Beispiel müssen<br />
alkoholhaltig sein, sonst lösen<br />
sich die ätherischen <strong>Öle</strong> nicht, oder<br />
wenn Sie in Ihrer naturheilkundlichen<br />
Praxis ätherische <strong>Öle</strong> als Badezusatz<br />
verordnen, dann müssen Sie dem Patienten<br />
erklären, dass zur Emulgierung<br />
solcher Stoffe Sahne bzw. Milch<br />
notwendig wird. Bei ätherischen <strong>Öle</strong>n<br />
handelt es sich schließlich um aromatisch<br />
riechende Stoffe, daher gehören<br />
die wasserdampfflüchtigen Stoffe des<br />
Knoblauchs nicht zu den ätherischen<br />
<strong>Öle</strong>n.<br />
Besonders wichtig ist folgende botanisch-anatomische<br />
Besonderheit:<br />
Die ätherischen <strong>Öle</strong> werden in den<br />
Pflanzen in speziellen Sekreträumen<br />
oder Drüsenhaaren gebildet.<br />
Das ist für die Praxis von besonderer<br />
Bedeutung. Wenn der Verbraucher/Patient<br />
bestimmte ätherische <strong>Öle</strong><br />
aus Tee zu sich nehmen will, muss die<br />
Droge vorher sorgfältig zerkleinert<br />
bzw. gepulvert sein. Das gilt z.B. für<br />
das ätherische Öl aus der Kalmuswurzel<br />
oder wenn man das ätherische<br />
Öl der Gartenraute verwenden möchte,<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)
dann muss man auf jeden Fall die<br />
Blattepidermis zerstören, um an das<br />
ätherische Öl zu gelangen. So erfordert<br />
es auch die vernünftige Verwendung<br />
der Fenchelfrüchte, dass diese<br />
vorher mit dem Teelöffel zerdrückt<br />
und dann erst mit heißem Wasser<br />
überbrüht werden. Andererseits muss<br />
man natürlich auch vorsichtig beim<br />
Trocknen und bei der Lagerung zu<br />
Werke gehen. Dies wird am Beispiel<br />
der Pfefferminze deutlich:<br />
Das ätherische Öl ist beim Pfefferminzblatt<br />
in einer Drüsenschuppe<br />
lokalisiert (siehe dazu Abb. 1). Eine<br />
solche Droge muss besonders vorsichtig<br />
gelagert werden, damit die<br />
Wirkstoffe <strong>–</strong> das ätherische Öl <strong>–</strong> nicht<br />
etwa aufgrund des zu hohen Drucks<br />
austreten und sich im Raum verflüchtigen.<br />
Auch Thymian und Salbeiblätter<br />
besitzen Drüsenschuppen und Drüsenhaare<br />
und dürfen daher nicht bei<br />
Temperaturen über 50 oC getrocknet<br />
werden, damit die Drüsenschuppen<br />
und -haare nicht aufplatzen und sich<br />
das ätherische Öl nicht verflüchtigt.<br />
Die ätherischen <strong>Öle</strong> sind keine<br />
einheitlichen Stoffe, sondern ein ätherisches<br />
Öl besteht i.d.R. aus vielen bis<br />
sehr vielen Einzelkomponenten. Chemisch<br />
zählt man die Einzelkomponenten<br />
zu den Monoterpenen oder<br />
Sequiterpenen oder Phenylpropan-<br />
Praxis<br />
Abb. 2: Drüsenhaar des Thymians<br />
Derivaten (siehe dazu das Gaschromatogramm<br />
des Pfefferminzöls in<br />
Abb. 3).<br />
Da die phytochemische Zusammensetzung<br />
stark variieren kann, sind<br />
daher nicht nur organoleptische, sondern<br />
mehrere physikalische und chemische<br />
Qualitätsprüfungen notwendig.<br />
Die wichtigsten analytischen Verfahren<br />
sind die Dünnschichtchromatographie<br />
(siehe dazu DC von<br />
Pfefferminzöl in Abb. 4 und die Gaschromatographie<br />
(Abb. 3). Damit lassen<br />
sich bestimmte sog. wirksamkeitsmitbestimmende<br />
Stoffe, in diesem<br />
Fall möglichst viele Inhaltsstoffe,<br />
Abb. 1: Drüsenschuppe auf dem Pfefferminzblatt<br />
246<br />
nachweisen. Bei der Kamille z.B. sind<br />
dies das Bisabolol oder das Chamazulen.<br />
Fehlen diese Inhaltsstoffe, dann<br />
ist diese Kamille auch nur halb so<br />
wirksam und nicht dazu geeignet, sich<br />
daraus einen wirkungsvollen Kamillentee<br />
zu brühen oder eine wirksame<br />
Tinktur herzustellen.<br />
Beim natürlichen Pfefferminzöl<br />
lassen sich mittels DC oder GC verschiedene<br />
Wirkstoffe detektieren. Der<br />
wichtigste pharmakologisch aktive<br />
Stoff ist sicher Menthol. Die anderen<br />
Stoffe sind jedoch sehr wichtig für den<br />
Geruch und daher möglicherweise<br />
entscheidend für die Verwendung des<br />
Pfefferminzöls im Rahmen einer<br />
Aroma-Therapie, da reines Menthol<br />
keinen „runden und harmonischen“<br />
Geruch besitzt.<br />
Pharmakologisch<br />
abgesicherte Applikation<br />
ätherischer <strong>Öle</strong> versus<br />
Aroma-Therapie?<br />
Die reinen ätherischen <strong>Öle</strong> oder Zubereitungen<br />
mit ätherischen <strong>Öle</strong>n<br />
kann man im Sinne der sog. rationalen<br />
Phytotherapie anwenden, wobei<br />
rational nicht im Gegensatz zu<br />
irrational steht. Gemeint sind vielmehr<br />
Arzneimittel, die auf der Basis<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)
Praxis<br />
Abb. 3: Gaschromatogramm des ätherischen Pfefferminzöls<br />
der Kommission-E-Monografien oder<br />
auf der Basis der Monografien von<br />
ESCOP (European Scientific Cooperative<br />
on Phytotherapy) beurteilt<br />
wurden und die auch die vorgegebenen<br />
Dosierungen beachten. In der<br />
Kommission E, der ich von 1978 bis<br />
2003 angehörte, wurden insgesamt<br />
380 Pflanzen bearbeitet, davon mussten<br />
wegen fehlenden <strong>Erkennt</strong>nis-<br />
materials und/oder Nebenwirkungen<br />
152 negativ beurteilt werden. Von<br />
ESCOP liegen zur Zeit 80 Monografien<br />
vor.<br />
Die Anwendung ätherischer <strong>Öle</strong><br />
im Sinne der „Aroma-Therapie“;<br />
also in sehr niedriger Dosierung sowie<br />
mit olfaktorischen Zielsetzungen<br />
über das limbische System, zählt aufgrund<br />
des Mangels an wissenschaft-<br />
Abb. 4: Dünnschichtchromatographie des Pfefferminz- und Minzöls<br />
248<br />
lich akzeptierten klinischen Studien<br />
zur Zeit noch nicht zur rationalen<br />
Phytotherapie. Dies ist zu bedauern,<br />
schließlich sind ätherische <strong>Öle</strong> pharmakologisch<br />
hoch aktive Naturstoffe.<br />
Einige <strong>pharmakologische</strong><br />
Besonderheiten von<br />
ätherischen <strong>Öle</strong>n<br />
Lokale Wirkung und kutiviszerale<br />
Reflexe<br />
Die ätherischen <strong>Öle</strong> wirken bei äußerlicher<br />
Anwendung einmal lokal<br />
hyperaemisierend: Beispielsweise bemerkt<br />
der Patient, welcher sich mit<br />
Eukalyptusöl oder auch mit Pfefferminzöl<br />
einreibt, rasch, dass die Hautdurchblutung<br />
gefördert wird, und zusätzlich<br />
kann es mittels kutiviszeraler<br />
Reflexe sogar zu schmerzstillenden<br />
Reaktionen an unterschiedlichen Organen<br />
kommen, z.B. der Leber, dem<br />
Leber-Gallen-System; sogar bei Herzerkrankungen<br />
werden Erfolge bei der<br />
Verwendung von Kampfer-haltigen<br />
Zubereitungen verzeichnet.<br />
Antiphlogistische Wirkung<br />
Eine antiphlogistische Wirkung nach<br />
äußerlichem Auftragen von Kamillenöl-Zubereitungen<br />
lässt sich gut bei der<br />
Neurodermitis und auch bei der Windeldermatitis<br />
zeigen. Aus experimentellen<br />
Untersuchungen ergeben sich<br />
eindeutige Hinweise auf Hemmung<br />
der Cyclooxygenase durch ätherisches<br />
Kamillenöl, Eukalyptusöl, Nelkenöl<br />
und vielen anderen ätherischen <strong>Öle</strong>n.<br />
Geeignete Kamillenpräparate wirken<br />
zudem desinfizierend und antiseptisch.<br />
Die desinfizierende Wirkung<br />
<strong>–</strong> das gleiche gilt für Propolis <strong>–</strong> ist<br />
allerdings im Vergleich zu einem lokal<br />
anzuwendenden Antibiotikum deutlich<br />
geringer, wie A. PAULI und H.<br />
SCHILCHER erst kürzlich in ihrer sehr<br />
umfangreichen Arbeit „Specific<br />
Selection of Essential Oil Compounds<br />
for Treatment of Childrens Infection<br />
Diseases“ berichten.<br />
Bei einem Vergleich mit einem<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)
Antibiotikum muss allerdings sichergestellt<br />
sein, dass das betreffende<br />
ätherische Öl gewisse Mindestgehalte<br />
an pharmakologisch relevanten Inhaltsstoffen<br />
enthält.<br />
Antimikrobielle Wirkung<br />
Eine außerordentlich wichtige Eigenschaft<br />
der ätherischen <strong>Öle</strong> ist ihre<br />
Aktivität gegenüber verschiedenen<br />
Bakterienstämmen. <strong>Neue</strong>rdings wurden<br />
auch Untersuchungen zur Wirksamkeit<br />
gegenüber bestimmten Viren<br />
(Herpesvirus Typ I, II) veröffentlicht.<br />
Es gibt sowohl aus meiner eigenen<br />
Arbeitsgruppe wie aus der Gruppe um<br />
Prof. SALLER entsprechende Untersuchungen<br />
mit ätherischen <strong>Öle</strong>n gegen<br />
grampositive und gramnegative<br />
Keime, z.B. Bacillus subtilis, verschiedene<br />
Enterokokkenstämme oder<br />
auch Staphylokokken. Die Wirkungen<br />
gewisser ätherischer <strong>Öle</strong> gegenüber<br />
sog. Hospitalkeimen wie E. coli,<br />
Klebsiellen, Proteus oder Pseudomonas<br />
sind i.d.R. nicht so ausgeprägt.<br />
Erstaunlicherweise wirkt speziell<br />
Pfefferminzöl besonders günstig gegen<br />
nosokomiale Staphylokokken, sogar<br />
Wirkungen gegen Tuberkulose-<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)<br />
Praxis<br />
bakterien werden in der neueren Literatur<br />
beschrieben.<br />
Expektorierende und andere<br />
Wirkungen<br />
Besonders wichtig ist schließlich die<br />
expektorierende Wirkung von ätherischen<br />
<strong>Öle</strong>n bei Erkrankungen des<br />
Respirationstrakts, dabei wirken sie<br />
teilweise sogar erstaunlich gut antitussiv.<br />
In tierexperimentellen Untersuchungen<br />
mit Menthol und Eukalyptusöl<br />
zeigte sich bei inhalativer<br />
Anwendung eine deutlich gesteigerte<br />
Sekretion und der Bronchospasmus<br />
wurde vermindert.<br />
Sekretolytika schaffen Linderung<br />
über das erleichterte Abhusten von<br />
Schleim.<br />
Ähnlich deutlich regen ätherische<br />
<strong>Öle</strong> die Sekretproduktion der Verdauungsdrüsen<br />
an, wirken entkrampfend,<br />
antiphlogistisch und antiseptisch<br />
und sogar im gewissen Sinn diuretisch.<br />
Ein zutreffender Ausdruck ist<br />
„aquaretisch“, damit wir sofort den<br />
Unterschied zu den echten Diuretika<br />
deutlich erkennen. Denn ein ätherisches<br />
Öl reicht zum Beispiel zur Behandlung<br />
einer Hypertonie nicht aus.<br />
249<br />
Pfefferminze: Die Arzneipflanze<br />
des Jahres 2004<br />
Von einem Arbeitskreis des Institutes<br />
für Geschichte der Medizin an der<br />
Universität Würzburg wurde eine<br />
mehr oder weniger tagtäglich gebrauchte<br />
Heilpflanze zur Arzneipflanze<br />
des Jahres 2004 gewählt. Die<br />
medizinische Verwendung der Pfefferminzblätter<br />
bzw: des ätherischen<br />
Pfefferminzöls ist erst seit dem 17.<br />
Jahrhundert bekannt. Dies liegt daran,<br />
dass die Pfefferminze als so genannter<br />
Dreifach-Bastard (Tripelbastard) in<br />
der Natur nicht wild vorkommt. In der<br />
Natur kommen nur die Eltern der<br />
Pfefferminze vor, nämlich die langblättrige<br />
Minze (Mentna longifolia),<br />
die rundblättrige Minze (Mentha<br />
rotundifolia), die Bachminze (Mentha<br />
aquatica) und die Ährenminze (Mentha<br />
spicata). Die Pfefferminze kann<br />
aus genetischen Gründen nicht aus<br />
Samen gezogen werden. Der Anbau<br />
der Pfefferminze muss daher vegetativ,<br />
d.h. über ihre Ausläufer (Stolonen)<br />
erfolgen. Dies ist also der Grund,<br />
warum die Pfefferminze nicht in den<br />
alten berühmten Kräuterbüchern wie
z.B. von LEONHARD FUCHS (1501-<br />
1566) erscheint. Nach der Entdeckung<br />
der spontanen Kreuzung durch den<br />
englischen Botaniker JOHN RAY, entdeckte<br />
man in England auch alsbald<br />
den medizinischen Nutzen des Dreifach-Bastards,<br />
den JOHN RAY wegen<br />
seines „scharfen“ Geschmacks, verursacht<br />
durch das vorhandene Menthol,<br />
„Peppermint“ nannte. Die arzneiliche<br />
Wirkung wurde sehr bald auch in<br />
Deutschland bekannt und seit etwa<br />
1702 wird Pfefferminze bei uns kultiviert.<br />
Der Pfefferminztee mit seiner<br />
krampflösenden, blähungstreibenden<br />
und galletreibenden Wirksamkeit ist<br />
sowohl im Hausgebrauch als auch als<br />
Naturarzneimittel innerhalb der Naturheilverfahren<br />
seit dem 18. Jahrhundert<br />
nicht mehr wegzudenken.<br />
Wesentlich später beschäftigte sich<br />
die Wissenschaft mit der gezielten<br />
Wirksamkeit des ätherischen Pfefferminzöls.<br />
Die Monografien der Kommission<br />
E und auch von ESCOP<br />
attestieren dem ätherischen Pfefferminzöl<br />
folgende Wirkungen:<br />
antibakteriell<br />
blähungslindernd (karminativ)<br />
galletreibend (cholagog)<br />
kühlend<br />
krampflösend (spasmolytisch)<br />
lokalanästhesierend<br />
motilitätsfördernd (Beschleunigung<br />
der Magenentleerung)<br />
Diese Effekte sind auch bei einem<br />
Pfefferminzöl-Kombinationsprodukt<br />
zu erwarten, das aus <strong>pharmakologische</strong>n<br />
und geruchlichen Gründen mit<br />
weiteren ätherischen <strong>Öle</strong>n kombiniert<br />
sowie außerdem durch den<br />
Zusatz von natürlichem Menthol verstärkt<br />
wird. Eine solche sinnvolle<br />
Kombination ist zum Beispiel das<br />
Wildkräuteröl special K der Firma<br />
St. Johanser, das zu 83 % aus ätherischem<br />
und mit Menthol verstärktem<br />
Pfefferminzöl besteht. Das Wildkräuteröl<br />
special K kann bei folgenden<br />
Indikationen eingesetzt werden:<br />
äußerlich zum Einreiben bei Muskelschmerzen<br />
oder anderen<br />
rheumatischen Beschwerden,<br />
Praxis<br />
Abb. 5: Native Pfefferminzpflanze<br />
ferner bei Migräne und Neuralgien,<br />
zur Inhalation bei Katarrhen der<br />
oberen Luftwege,<br />
zum Einnehmen bei Magen-Darm-<br />
Beschwerden.<br />
Klinische Studien erbrachten u.a. den<br />
Nachweis der Wirksamkeit des Pfefferminzöls<br />
bei der Rhinitis. Der Wirknachweis<br />
wurde durch Verminderung<br />
der typischen Symptomatik erbracht.<br />
Die Applikation erfolgte durch einfaches<br />
Schnüffeln (Handrücken, Taschentuch)<br />
und durch Inhalation.<br />
Im WildkräuteröI special K sind<br />
weitere ätherische <strong>Öle</strong> im Sinne einer<br />
olfaktorischen Verbesserung kombiniert,<br />
d.h. einfaches Pfefferminzöl<br />
wird geruchlich verbessert durch<br />
Orangenöl, Pomeranzenöl usw. Das<br />
sind ätherische <strong>Öle</strong>, die hinsichtlich<br />
der Pharmakologie zwar relativ wenig<br />
Bedeutung haben, aber die das Öl insgesamt<br />
angenehmer im Geruch machen.<br />
Wildkräuteröl special K wirkt<br />
auf Grund der gesamten Zusammensetzung<br />
antibakteriell, blähungsreduzierend,<br />
also karminativ, es wirkt<br />
ferner galletreibend und kühlend.<br />
250<br />
Letzterer Effekt ist besonders wichtig<br />
bei Sportverletzungen, da es durch die<br />
kühlende Wirksamkeit zu einer relativ<br />
schnellen Schmerzlinderung kommt.<br />
Zusätzlich wirkt das Wildkräuteröl<br />
krampflösend und motilitätsfördernd<br />
auf den Darm.<br />
Eine weitere klinische Prüfung des<br />
Pfefferminzöls liegt hinsichtlich der<br />
Beeinflussung eines Spannungskopfschmerzes<br />
im Vergleich zu Paracetamol<br />
vor. Dabei zeigt die Kombination<br />
aus Pfefferminzöl und Paracetamol<br />
die stärkste Wirkung, aber auch das<br />
Pfefferminzöl allein hat schon eine<br />
nachhaltigere Wirkung im Vergleich<br />
zu lediglich Paracetamol.<br />
Eine seit vielen Jahrhunderten bekannte<br />
Wirkung des Pfefferminzöls in<br />
Kombination mit Kümmelöl hat jetzt<br />
eine Renaissance erfahren, die innerliche<br />
Einnahme bei funktioneller Dyspepsie,<br />
bei Störungen der Magenmotilität<br />
sowie bei krampfartigen Beschwerden<br />
im oberen Gastrointestinaltrakt.<br />
PITTLER und ERNST (1999)<br />
sehen unlängst aufgrund einer Metaanalyse<br />
(aus 5 klinischen Studien)<br />
eine solche Wirkung bestätigt.<br />
Mögliche unerwünschte<br />
Arzneimittelwirkungen<br />
In jüngster Zeit wird vonseiten der<br />
obersten Gesundheitsbehörden gerade<br />
die Naturheilkunde zunehmend kritisch<br />
betrachtet. Aufgrund von häufig<br />
nicht nachvollziehbaren Nachrichten<br />
im Internet werden auch Nebenwirkungen<br />
beispielsweise nach unsachgemäßer<br />
Verwendung von ätherischen<br />
<strong>Öle</strong>n oder Verwendung von nicht<br />
kontrollierter Qualität berichtet. So<br />
werden beispielsweise terpenhaltige<br />
ätherische <strong>Öle</strong> öfter fälschlicherweise<br />
für Kontaktallergien verantwortlich<br />
gemacht, ohne dass die Qualität des<br />
betreffenden ätherischen <strong>Öle</strong>s untersucht<br />
worden ist. Falsch bzw. länger<br />
gelagerte ätherische <strong>Öle</strong> können sich<br />
chemisch verändern, wobei Metabolite<br />
bzw. Artefakte entstehen können,<br />
die in der Lage sind, Kontaktallergien<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)
auszulösen. Durch die Einwirkung<br />
von Luftsauerstoff, Licht und Wärme<br />
können Hydroperoxide entstehen, die<br />
relativ leicht eine Kontaktdermatitis<br />
verursachen können.<br />
Unsachgemäße Lagerung von ätherischen<br />
<strong>Öle</strong>n kann zusätzlich dazu<br />
führen, dass das ätherische Öl mit dem<br />
Luftsauerstoff reagiert und dann<br />
toxisch wirkende Hyperperoxide entstehen.<br />
Phototoxische und photosensibilisierende<br />
Nebenwirkungen werden<br />
durch die gleichzeitige Anwesenheit<br />
von Furanokumarinen verursacht.<br />
Dazu zählen vor allem die Citrusöle,<br />
ganz besonders das Bergamottöl. Die<br />
sog. Kölnisch-Wasser-Dermatitis wird<br />
vom Bergamottöl ausgelöst.<br />
Eine abortive Wirkung einiger<br />
ätherischer <strong>Öle</strong> (thujonhaltige <strong>Öle</strong> der<br />
Nadeln des Sadebaums) soll noch<br />
missbräuchlich zur Abtreibung genutzt<br />
werden. Zusätzlich sind nach<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)<br />
Praxis<br />
Abb. 6: Mentha piperita L.<br />
251<br />
Verwendung thujonreicher Zubereitungen<br />
toxische Leberschäden beschrieben.<br />
Die in der älteren Literatur fälschlicherweise<br />
beschriebene nephrotoxische<br />
Wirkung des ätherischen<br />
Wacholderöls hängt eindeutig mit der<br />
Verwendung qualitativ ungeeigneter<br />
Wacholderöle zusammen, wie unsere<br />
eigenen toxikologischen Studien<br />
zeigen konnten.<br />
Aspekte der Aroma-Therapie<br />
Riechen spielt eine zentrale Rolle für<br />
die Aufnahme von bioenergetischen<br />
Informationen über den olfaktorischen<br />
Weg. Die Rezeptoren im Bereich der<br />
Riechschleimhaut werden bereits<br />
durch extrem wenige Duftmoleküle<br />
erregt. Über den Traktus olfaktorius<br />
wird nun in verschiedene Gehirnareale<br />
projiziert (Temporallappen,
Mandelkern, Cortex piriformis) sowie<br />
zum limbischen System geleitet.<br />
Es geht also um das sog. „Riechhirn“<br />
und das limbische System und<br />
gerade deswegen verursacht das Verdampfen<br />
von Wildkräuteröl special K<br />
in einer Aromalampe eine anregende,<br />
heilklar belebende und erfrischende<br />
Wirkung. Das ist zwar nicht im Sinne<br />
der Pharmakologie, aber eben im<br />
Sinne der individuellen Empfindung.<br />
Auch die Konzentrationsbereitschaft<br />
sowie das allgemeine körperliche und<br />
seelische Befinden wird verbessert.<br />
Wenn man noch die weiteren <strong>Öle</strong> des<br />
Wildkräuteröls mitberücksichtigt,<br />
dann wird durch den Geruch der verschiedenen<br />
<strong>Öle</strong> eine Verstärkung des<br />
Gefühls der inneren Harmonie erreicht.<br />
Diese subjektiven Empfindungen<br />
sollten Sie in Ihrer Praxis ernst nehmen,<br />
denn es handelt sich keinesfalls<br />
um Paramedizin, sondern wir wollen<br />
gerade in unserer hektischen Zeit erreichen,<br />
dass sich der Patient insgesamt<br />
entspannter und wohler fühlt.<br />
Ein „Aroma-Effekt“, der im Übrigen<br />
in mehreren Kaufhäusern den Kunden<br />
zum längeren Verweilen im Kaufhaus<br />
animieren soll.<br />
Gerade hier sehen wir die Verbindung<br />
zur babylonischen Vorzeit, wo<br />
durch Räucherwerk und <strong>Öle</strong> religiöse<br />
Riten von Düften begleitet wurden.<br />
Hilfe für Typ-2-<br />
Diabetiker<br />
Studie belegt:<br />
Orale Magnesiumsupplementierung<br />
verbessert die<br />
Insulinwirkung<br />
Diabetiker verlieren besonders bei<br />
schlecht eingestelltem Blutzuckerspiegel<br />
viel Magnesium mit<br />
dem Urin und weisen daher häufig<br />
einen Magnesiummangel auf. Dadurch<br />
wird die Aktivität des magnesiumabhängigen<br />
Enzyms Tyrosinkinase<br />
im Insulinrezeptor herabgesetzt<br />
Praxis<br />
Damals wie heute wird durch diese<br />
Düfte versucht, eine meditative Versenkung<br />
zu erreichen, wie sie bei<br />
Naturvölkern im Himalaja auch heute<br />
noch im Rahmen von Heilungszeremonien<br />
praktiziert wird. Aber auch<br />
Krankenhäuser in Deutschland unterstützen<br />
mittlerweile den Heilungsprozess<br />
bei ihren Patienten mittels<br />
einer gezielten Aroma-Therapie, die<br />
von geschultem Personal begleitet<br />
wird.<br />
Zusammenfassend ist<br />
festzustellen:<br />
Wirkungsweisen und Wirksamkeit der<br />
ätherischen <strong>Öle</strong> sind aus Sicht der<br />
Naturwissenschaft seit dem Altertum<br />
bekannt und nun durch zahlreiche<br />
experimentelle und wenige klinische<br />
Studien im Sinne einer rationalen<br />
Phytotherapie nachgewiesen. Insbesondere<br />
bei der Anwendung als<br />
physiologisch interessante Duftstoffe<br />
(man spricht dabei meist nicht von<br />
ätherischen <strong>Öle</strong>n, sondern von Duftstoffen<br />
im Sinne der klassischen<br />
Aroma-Therapie) bedarf es noch etlicher<br />
wissenschaftlicher Untersuchungen.<br />
Es sollte aber seitens der Heilberufe<br />
mehr auf solche Besonderheiten<br />
geachtet werden.<br />
und die Insulinwirkung beeinträchtigt.<br />
Ein Magnesiummangel trägt deshalb<br />
auch zur Entstehung einer Insulinresistenz<br />
bei. In einer randomisierten,<br />
placebokontrollierten Doppelblindstudie<br />
wurde bei Typ-2-Diabetikern<br />
mit erniedrigtem Serum-Magnesiumspiegel<br />
die Auswirkung einer oralen<br />
Magnesiumsupplementierung mit 600<br />
mg Magnesium pro Tag auf die<br />
Insulinempfindlichkeit und auf die<br />
Stoffwechselkontrolle untersucht.<br />
Die Studie zeigte deutlich den<br />
Nutzen einer hoch dosierten oralen<br />
Magnesiumsupplementierung als Begleittherapie<br />
von Typ-2-Diabetikern,<br />
die mit dem oralen Antidiabetikum<br />
252<br />
Ein Kombinationspräparat, das<br />
nicht nur additive <strong>pharmakologische</strong><br />
Aspekte berücksichtigt, sondern auch<br />
olfaktorische Parameter, besitzt gegenüber<br />
einem monoätherischen Öl<br />
erfahrungsgemäß einige Vorteile. Mit<br />
dem St. Johanser Wildkräuteröl<br />
special K besitzen wir ein solches<br />
sinnvoll zusammengesetztes Kombinationspräparat.<br />
Die Hauptkomponente<br />
ist 83 % arzneibuchkonformes<br />
Pfefferminzöl, das mit 0,9 % natürlichem<br />
Menthol, 6 % cineolreichem<br />
Eukalyptus-, 2,4 % Wacholderbeeröl<br />
und 0,2 % natürlichem Kampfer verstärkt<br />
wird im <strong>pharmakologische</strong>n<br />
Sinne. Die olfaktorischen Aspekte<br />
werden durch Orangenschalen-, Pomeranzenblüten-,<br />
Citronell-, Lavendelblüten-,<br />
Nelken-, Latschenkiefer- und<br />
Thymianöl (insgesamt 4,8 %) mitberücksichtigt<br />
im Sinre der Aromatherapie.<br />
Literatur beim Verfasser. Eine Übersicht<br />
zu den bisher erschienenen 14<br />
Mitteilungen sind in der Ärztezeitschrift<br />
für Naturheilverfahren 43. Jg.,<br />
Heft 11, S. 704, 2002 nachzulesen.<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Schilcher<br />
Zaumberg 25<br />
87509 Immenstadt/Allgäu<br />
Tel./Fax: 0 82 23 / 72 52<br />
Glibenclamid aus der Klasse der Sulfonylharnstoffe<br />
behandelt werden und<br />
erniedrigte Serum-Magnesiumspiegel<br />
aufweisen. Es kam zu einem signifikanten<br />
Anstieg des Serum-Magnesiumspiegels,<br />
die Insulinsensitivität<br />
und die Kontrolle des diabetischen<br />
Stoffwechsels wurden verbessert. Die<br />
Studie belegt erneut die wesentliche<br />
Bedeutung von Magnesium für die<br />
insulinvermittelte Glukoseaufnahme<br />
in die Zelle.<br />
Rodriguez-Moran M, Guerrero-Romero F: Oral<br />
magnesium supplementation improves insulin<br />
sensitivity and metabolic control in type 2<br />
diabetic subjects. Diabetes Care 26: 1147-1152<br />
(2003)<br />
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 45, 5 (2004)