DIVSI Studie Digitalisierte urbane Mobilität
DIVSI-Studie-Digitalisierte-Urbane-Mobilitaet
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nicht ohne ausdrückliche Zustimmung an Dritte weitergegeben werden. Aber selbst die Zustimmung,<br />
sein Fahrverhalten tracken zu lassen, wird eventuell leichtfertig von den Nutzern gegeben, weil diese<br />
sich des Wertes ihrer Daten nicht bewusst sind“ (Tobias O. Keber, zit. nach <strong>DIVSI</strong> 2016:65). Bei den<br />
meisten Smart-Service-Diensten ist bekanntlich diese Nutzer-Leichtfertigkeit mit der „Zustimmung<br />
auf Mausklick“ gegeben, weshalb im Rahmen eines „Nutzerschutzes“ allgemeine und spezielle Verbraucherschutzbestimmungen<br />
vorzusehen sind.<br />
Bereits erfolgreich haben US-Versicherungen neue Modelle entwickelt, die dem Versicherungsnehmer<br />
dienen sollen. Auch in der <strong>DIVSI</strong>-<strong>Studie</strong> sieht iRights.Lab Chancen für den Verbraucher: „Im<br />
Bereich Smart Mobility sind telematikbasierte Kfz-Versicherungen ein aktuelles Anwendungsfeld.<br />
Tarife werden dabei unter anderem auf Basis des tatsächlichen Fahrverhaltens des Versicherungsnehmers<br />
angepasst. Zu diesem Zweck wird zumeist eine Blackbox in das Auto des Kunden eingebaut,<br />
die das Fahrverhalten des Fahrers verfolgt und aufzeichnet. Auf Basis einer Datenanalyse werden<br />
schließlich die Prämien errechnet und entsprechend angepasst. Diese Art von Versicherungsmodell<br />
verspricht eine Reihe von Chancen. So werden die Autoversicherer in die Lage versetzt, profitablere<br />
Versicherungsmodelle anbieten zu können. Zugleich können die Autofahrer profitieren, insbesondere<br />
jene, die bislang aufgrund ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe – wie beispielsweise Fahranfänger<br />
– ungeachtet ihres individuellen Fahrstils hohe Prämien zahlen mussten“ (<strong>DIVSI</strong> 2016:11). Die<br />
Erfassung des „tatsächlichen Fahrverhaltens“ lässt allerdings die schon bekannten Auswirkungen<br />
u.a. auf die Privatheit der Menschen erwarten: „Zugleich birgt ein solches Modell Risiken. So ermöglicht<br />
das Tracking, umfassende Bewegungsprofile von Autofahrern zu erstellen. Darüber hinaus ist an<br />
Personengruppen zu denken, die beispielsweise im Schichtdienst arbeiten und deshalb ihr Fahrzeug<br />
zu Zeiten nutzen müssen, die als risikobehaftet identifiziert werden, und deshalb höhere Tarife zahlen<br />
müssen“ (ebd.).<br />
Über die tatsächlichen – absehbar erheblichen 60 – Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer<br />
liegen hingegen weder aus den USA noch aus Europa Erfahrungsberichte und Analysen vor. Es liegt<br />
auf der Hand, dass eine Versicherung etwa bei der Schadensabwicklung eines Unfalls mithilfe der<br />
Blackbox-Auswertung zum Beispiel eine ggf. nicht versicherte Mitschuld ihres Kunden feststellt und<br />
bei ihm seine (derzeit 5 % betragende) Policekostensenkung direkt oder über eine Neutarifierung<br />
kompensiert. Auch, was den „individuellen Fahrstil“ betrifft, wird auch unter Big-Data-Bedingungen<br />
selbst die höchstentwickelte Mustererkennung durch Algorithmen deutlich überfordert. Nicht<br />
nur aus Sicht von Verkehrspsychologen, sondern auch aus ganz alltagspraktischer Sicht ist es nicht<br />
möglich, aufgrund beispielsweise des Bremsverhaltens einen „unsicheren“ von einem „rücksichtsvollen“<br />
Fahrer zu unterscheiden. Einem Fahrer „Minuspunkte“ zu geben, der beispielsweise mehrfach<br />
auf einer Vorfahrtsstraße verlangsamt oder gar stoppt, um einen lange wartenden Querverkehr<br />
einscheren zu lassen, wäre unangemessen. Grenzwertig würde es, wenn – was viele ausgesprochene<br />
„Routinefahrer“ tun – schon beim Auftauchen eines Kleinkinds auf dem straßenseitigen Gehweg oder<br />
bei Erkennung eines vorausfahrenden unsicheren Radfahrers das Verlangsamen bzw. Bremsen als<br />
„Fahrunsicherheit“ interpretiert würde. Gerade die erfahrenen „Routinefahrer“ manövrieren in <strong>urbane</strong>n<br />
Zonen, in denen viele Fußgänger oft unbedacht die Straße betreten, sogar mit Geschwindigkeiten<br />
unter 30 km/h aus einem einfachen Grund: Der Schwächere hat im Zweifelsfall immer ohne Betrachtung<br />
der Schuldfrage den größeren Schaden, und das ist bekanntlich nicht das Auto. Ein „smarter“<br />
Nutzerschutz wäre hier angebracht.<br />
60 <br />
Die Implikationen dieser Blackbox-Datenauswertung des „tatsächlichen Fahrverhaltens“ sind so umfangreich, dass sie an<br />
dieser Stelle nicht im Einzelnen dargestellt werden.<br />
<strong>Digitalisierte</strong> <strong>urbane</strong> <strong>Mobilität</strong><br />
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