annette-eickert-imagine-me-without-you
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Franklin rückte das Jackett seines dunklen Anzugs und den roten Schlips zurecht, als<br />
auch schon Motorengeräusche auf der Auffahrt zu hören waren. Die erwarteten Gäste<br />
ka<strong>me</strong>n genau zur richtigen Zeit. Doch vorerst war er den kritischen Blicken der beiden<br />
ausgeliefert. Lucas mochte den schwarzen Anzug und die graue Krawatte nicht, beides<br />
war unbequem. Die Kleidung, ebenso die Schuhe, gehörten eigentlich Samuel. Da sie die<br />
gleiche Größe trugen, hatte seine Adoptivmutter schon öfter zu diesem Mittel gegriffen.<br />
Wenigstens wusste Samuel nichts davon, denn der hätte das nicht besonders lustig<br />
gefunden. Außerdem sah sein Stiefbruder in dem Anzug viel besser aus, als er sich<br />
mo<strong>me</strong>ntan fühlte. Am liebsten trug Lucas eine alte Jeans, darüber ein T-Shirt oder einen<br />
Pullover und ein paar Sneakers.<br />
»Hatte ich nicht gesagt, du sollst was mit deinen Haaren machen?«, mokierte sich<br />
Susanne und stöckelte auf ihn zu. Sie hasste Lucas verwuschelten strohblonden Haare. Er<br />
dagegen mochte sie genau so. Um sie zu ärgern, hatte er sie absichtlich nach dem<br />
Duschen mit ein wenig Gel verstrubbelt. Jetzt musterte sie ihn skeptisch von oben bis<br />
unten, überprüfte selbst, ob er saubere Fingernägel hatte. Obwohl es nichts zu <strong>me</strong>ckern<br />
gab, denn Lucas hatte auf alles geachtet und sogar die Schuhe poliert und die Krawatte<br />
ordentlich gebunden, kräuselte sie die Lippen.<br />
Franklin nickte lediglich. »Alles in Ordnung, Liebling.« Er legte ihr dabei einen Arm um<br />
die Hüfte und drehte sie bestimmt zur Haustür um, wo es gerade klingelte. Aber bevor er<br />
sich ebenfalls umdrehte und wartete, dass der Butler Maximilian den Gästen die Tür<br />
öffnete, flüsterte er Lucas zu. »Du benimmst dich gefälligst, haben wir uns verstanden?<br />
Du redest nicht, nur wenn du direkt gefragt wirst. Ich war von Anfang an dagegen, dass<br />
du dabei bist. Aber Mr. Talbot hat leider ausgeplaudert, dass du unser Adoptivsohn bist.<br />
Das wird für ihn auch noch Konsequenzen haben. Ein Ersatz ist schnell gefunden. Auf<br />
geschwätzige Haus<strong>me</strong>ister kann ich gut verzichten.«<br />
Lucas schloss die Augen, at<strong>me</strong>te einmal tief durch und öffnete sie wieder. Sein<br />
Pulsschlag beschleunigte sich und seine Kehle war plötzlich ganz trocken. Franklins<br />
Drohung hatte er sehr deutlich verstanden. Er wusste, was passieren würde, wenn er sich<br />
nicht an die Regeln hielt. Bei Verstoß erwarteten ihn mindestens ein Monat doppelt so<br />
viel Arbeit und die Großeinkäufe wären gestrichen, was nicht so schlimm wäre, wenn er<br />
nicht zusätzlich für Franklins Wutausbrüche als Punchingball benutzt werden würde.<br />
Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Das letzte Mal war an Viktorias<br />
Geburtstag vor drei Monaten gewesen, als eine von ihren Freundinnen sich mit ihm<br />
unterhalten hatte. Dass es sich dabei von Anfang an um einen Streich seiner<br />
Stiefschwester gehandelt hatte, die das Ganze extra so arrangiert hatte, dass Franklin<br />
Zeuge wurde, dachte er nur ungern zurück. Blaue Flecken, Quetschungen und Prellungen<br />
hatten ihn wochenlang begleitet.<br />
Aus den Augenwinkeln nahm Lucas wahr, wie Maximilian Mr und Mrs Lancford<br />
einließ, die sofort von Susanne und Franklin heuchlerisch gut gelaunt in Empfang<br />
genom<strong>me</strong>n wurden. Überraschenderweise wirkten die neuen Nachbarn auf den ersten und<br />
auch auf den zweiten und dritten Blick offenherzig, freundlich und keineswegs arrogant.<br />
Das schmälerte ein wenig Lucas wachsende Nervosität.<br />
Aufgrund des belauschten Gespräches wusste Lucas, dass die beiden Gäste im gleichen<br />
Alter wie seine Adoptiveltern waren, aber ihnen sah er es nicht an. Sie schienen ganz<br />
anders zu sein, anders, als er es gewöhnt war. An Susannes versteinertem