Schüfeli auf Bohnen
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ihr Hirten …» fehlerfrei. Das fiese Biest hob beim <strong>auf</strong>brausenden<br />
Applaus beschwichtigend die Hände – eine<br />
Geste, die sie von Marika Röck (<strong>auf</strong> dem Schwarz-Weiss-<br />
Fernseher) abgekupfert hatte.<br />
Ob an Geburtstagen, Hochzeiten oder Beerdigungen –<br />
«Mer saage-n-uff» hatte immer die richtigen Reime. Mutter<br />
schickte mich vor, derweil Rosie gelangweilt an ihrer<br />
Flöte saugte und mir dann mit einem flotten «Der lustige<br />
Landmann» die Schau stahl.<br />
Das war der Moment, in dem mein Hass <strong>auf</strong> Weihnachtsgedichte<br />
reifte und sich meine Gier nach dem<br />
Blasinstrument ins undefinierbare steigerte!<br />
20 Jahre später ging ich vom Gereimten <strong>auf</strong> Prosa<br />
über – von «aktiv» zu «passiv». Das heisst: Ich trug keine<br />
Gedichte mehr vor. Sondern liess vortragen – und zwar<br />
meine eigenen Weihnachtsgeschichten.<br />
Ich war bestandener Onkel von fünfjährigen Nichten und<br />
Neffen. Die sollten mir nicht mit der Blockflöte unter den<br />
Baum kommen! Denen drückte ich meine Geschichten in<br />
die Hände. Und sie hatten die in perfektem Deutsch zu<br />
rezitieren. Nach den ersten drei Zeilen schnarchte die<br />
Familie im Kanon. Nur die Kinder fandens «geil», weil<br />
ich sie mit Tonnen von Schokomäusen belohnte.<br />
Als dann eine «Schweizer Illustrierte» bei uns zu Hause<br />
anrief, ob ich ihr einen Artikel zum Thema «Schwul in<br />
den 50er-Jahren» schreiben könnte, bellte meine gute<br />
Mutti in den Höhrer: «Das fehlt gerade noch! Er kann nur<br />
Weihnachtsgeschichten …»<br />
Und damit wurde ich erstmals unter «Weihnachtsgeschichten»<br />
ins Klischee-Fach der Medien abgelegt.<br />
Heute habe ich gut ein Drittel des Jahres mit dem<br />
Heraussaugen von Weihnachtsgeschichten zu tun.<br />
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