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17. Oktober, Frankfurt: Bildungskongress - s2design

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Titelthema | Frühkindliche Bildung | Schulische Bildung | Berufliche Bildung<br />

Im Weiteren werden die Kommunikationschancen im Netz<br />

und die Möglichkeiten zur Bildung virtueller sozialer Netzwerke<br />

in Frage gestellt. Der „Traum von der neuen Gemeinschaft“<br />

(S. 118), in der ohne Hierarchien und Institutionen<br />

auf der Grundlage von kollaborativer Informationsgewinnung<br />

Exzellenz entstehe, wird als Utopie entlarvt. Auch die These<br />

von den positiven Möglichkeiten und Wirkungen einer selbstbestimmten<br />

Selbstdarstellung im Netz auf die Identitätsentwicklung<br />

und den sozialen Zusammenhalt, unterzieht die<br />

Verfasserin einer skeptischen Betrachtung. Schließlich verwundert<br />

es nicht, dass Frau Gaschke auf Grund ihrer beruflichen<br />

Tätigkeit als Journalistin die problematischen Folgen<br />

des Online-Journalismus auf die Berichterstattung und die<br />

Politik besonders herausstellt. Sie sieht in den Online-Medien,<br />

die durch Schnelligkeit, Jederzeitigkeit und Mitmachkultur<br />

gekennzeichnet sind, langfristig eine Katastrophe für<br />

die Demokratie. An besonders frappierenden Fällen beleuchtet<br />

sie die Konsequenzen einer neuen Online-Politik, wie<br />

sie nicht nur in den USA, sondern auch bei uns im politischen<br />

Alltag längst praktiziert wird.<br />

Abschließend beschreibt die Verfasserin das Internet als das<br />

Medium der „neuen Kind-Erwachsenen“. Sie sieht in der Tendenz<br />

weg von der Sprachkultur hin zur Bildkultur den Aus löser<br />

und das Ergebnis einer zunehmenden Infantilisierung,<br />

wie der Boom der Unterhaltungs- und Spieleelektronik zeige.<br />

Weil unsere Demokratie, Wissenschaft, Philosophie und<br />

Literatur auf dem Fundament der Sprache aufgebaut seien,<br />

könne es ihrer Meinung nach nicht völlig gleichgültig sein,<br />

„ob wir uns das Sprechen, das Widersprechen, das Analysieren<br />

und Widerlegen eines Arguments, das Einfühlungsvermögen<br />

für den Standpunkt des Gegners, Sprachwitz, Kreativität<br />

und Ironie abgewöhnen zugunsten des Schauens.“ (S. 183f.)<br />

Polemische Zuspitzungen<br />

Die Zitate verdeutlichen die problematische Argumentationsweise<br />

von Frau Gaschke. Sie spitzt die Gegensätze zwischen<br />

den Versprechungen der „Netzapologeten“ und den eigenen<br />

Kritikpunkten mit Hilfe kreativer Wortschöpfungen und teilweise<br />

vernichtender Formulierungen polemisch zu. Auf diese<br />

Weise entstehen eine durchgehend negative Grundstimmung<br />

und eine total ablehnende Haltung gegenüber den neuen Medien,<br />

die im Gegensatz zu den rationalen Argumenten stehen.<br />

Die eingangs angesprochene Ambivalenz der Medien gerät<br />

dabei aus dem Blick. Für einen unvoreingenommenen Leser<br />

wird so eine ausgewogene Beurteilung der positiven und negativen<br />

Seiten der neuen Medien verhindert. Der Hinweis, es<br />

gäbe genügend Befürworter des Netzes, rechtfertigt nicht<br />

diese völlig einseitige und ohne sachliche Gegenposition absolut<br />

wirkende Verurteilung der neuen Medien. Diese Darstellung<br />

ist überhaupt nur möglich, weil der Argumentationszusammenhang<br />

zwei grundlegende wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse außer Acht lässt. Zum einen werden die histo-<br />

12<br />

Themendienst 03 | 2009<br />

rische Entwicklung der Medien und ihre Bedeutung für die<br />

kulturelle Evolution nicht gesehen. In der Geschichte der<br />

Menschheit stehen die gesellschaftlichen Systeme (Wissenschaft,<br />

Kultur, Technik, Wirtschaft, Soziales, Politik) und das<br />

Mediensystem als Basis der gesellschaftlichen Kommunikation<br />

und Kultur in ständiger Wechselwirkung miteinander<br />

und treiben sich in ihrer Entwicklung gegenseitig voran. Die<br />

neuen Medien sind Ergebnis interner Regelungsprozesse im<br />

Mediensystem, die von außen, durch andere gesellschaftliche<br />

Systeme, nicht direkt beeinflussbar oder steuerbar sind.<br />

Allerdings ist es ein berechtigtes Anliegen, die Instrumentalisierung<br />

der neuen Medien für unterschiedliche Interessen<br />

anderer gesellschaftlicher Systeme aufzudecken. Darin liegt<br />

das Verdienst des Buches.<br />

Zum anderen besteht ein grundlegender Fehler in der isolierten<br />

Untersuchung der neuen Medien und ihrer Auswirkungen.<br />

Medien sind Kommunikationsmedien, die Botschaften nicht<br />

nur weitergeben, sondern deren Inhalte auf je medienspezifische<br />

Weise konstruieren. Medienpädagogische Forschung<br />

hat immer wieder gezeigt, dass die Bedeutung dieser Inhalte<br />

für den Nutzer von den jeweiligen Kontexten der Nutzung abhängt.<br />

Ob das Internet bzw. die neuen Medien positive oder<br />

negative Wirkungen entfalten, wird daher vom Nutzungskontext<br />

bestimmt. Dabei kommen eine Vielfalt von Kontexten ins<br />

Spiel: individuelle, soziale, mediale, institutionelle, wirtschaftliche,<br />

religiöse, ideologische. Erst ihre sorgfältige Analyse<br />

würde eine angemessene Beurteilung des Internet ermöglichen.<br />

Die Ausblendung der historischen Entwicklung der neuen<br />

Medien und der aktuellen lebensweltlichen Kontexte führen<br />

zu einer falschen Zielstellung des Buches. Wir brauchen<br />

keine „Strategien gegen die digitale Verdummung“, sondern<br />

Hilfen und Handlungsanleitungen dafür, wie die Menschen<br />

die positiven Chancen und Möglichkeiten der neuen Medien<br />

optimal nutzen und ihre Gefährdungen und Fehlentwicklungen<br />

erkennen und vermeiden können. Dahin zielen seit vielen<br />

Jahren die beharrlichen Bemühungen der Medienpädagogik<br />

in den Bildungsinstitutionen, wenn auch bisher leider nur<br />

mit mäßigem Erfolg. 1 Die Entlarvung ideologischer Versprechungen<br />

der „Digitalisten“ und die Sensibilisierung für bedrohliche<br />

individuelle und soziale Folgen der neuesten Medienentwicklungen<br />

sind dafür eine notwendige, jedoch keine<br />

hinreichende Voraussetzung. Mit solchen Publikationen aber,<br />

wie der von Frau Gaschke, werden nur Ängste geschürt und<br />

Konfrontationen verstärkt, die die Auseinandersetzung über<br />

eine vernünftige Nutzung der neuen Medien erschweren.<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Susanne Gaschke:<br />

Klick – Strategien gegen die digitale Verdummung.<br />

Freiburg/Br.: Herder 2009<br />

1 Vgl. D. Spanhel: Zur Entwicklung der Medienpädagogik in der Schule seit 1995. In: merz H.2/2005, S. 70 ff.; D. Spanhel: Medienerziehung.<br />

Handbuch der Medienpädagogik Bd. 3, Stuttgart 2006.

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