sozial - BruderhausDiakonie
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Auch für<br />
10<br />
AKTUELL<br />
Pflegehilfskräfte<br />
gilt künftig ein<br />
gesetzlicher<br />
Mindestlohn<br />
<strong>sozial</strong> • Ausgabe 2 | 2010<br />
Mindestlohn<br />
Lohnkosten müssen refinanziert werden<br />
Ab Juli soll es auch in der Pflegebranche einen Mindestlohn geben. Der<br />
Weg dahin war nicht einfach. Die Wohlfahrtsverbände fürchten nach wie vor,<br />
der Mindestlohn werde zum Maßstab bei Vergütungsverhandlungen.<br />
Zwei Jahre haben die Vorarbeiten gedauert. Eine vom<br />
Bundesarbeitsministerium eingesetzte Kommission<br />
hat sechs Monate getagt. Seit Ende März schließlich<br />
steht der Vorschlag für einen Mindestlohn in der Pflegebranche:<br />
Ab dem 1. Juli soll für Beschäftigte in der<br />
ambulanten und stationären Pflege ein Mindeststundenlohn<br />
von 8,50 Euro gelten. Nach der Empfehlung<br />
der Kommission aus Vertretern der Gewerkschaft<br />
Verdi, des privaten Arbeitgeberverbands Pflege, der<br />
kommunalen Arbeitgeber sowie der Diakonie und<br />
der Caritas wird er bis Juli 2013 um 50 Cent angehoben.<br />
Derzeit arbeiten etwa 800 000 Beschäftigte in der<br />
Pflegebranche. In den Pflegeeinrichtungen und<br />
Pflegediensten der Diakonie sind es insgesamt<br />
rund 144 000 Mitarbeiter. Die sind von der Mindestlohnregelung<br />
zunächst nicht direkt betroffen.<br />
„Alle diakonischen Tarifwerke liegen deutlich über<br />
den empfohlenen Mindestlohnwerten“, weiß der<br />
diakonische Arbeitgeberverband VdDD (Verband<br />
diakonischer Dienstgeber in Deutschland). Nach den<br />
häufig angewandten Arbeitsvertragsrichtlinien der<br />
Bundesdiakonie etwa verdient eine Pflegehilfskraft<br />
in den westlichen Bundesländern derzeit 10,30 Euro.<br />
Dazu kommen Zuschläge, Sonderzahlungen und eine<br />
zusätzliche Altersversorgung.<br />
Private Anbieter zahlen dagegen häufig Löhne im<br />
Bereich des jetzt festgelegten Mindestlohns. Er<br />
entspricht ziemlich genau dem Tarifvertrag, den<br />
der Arbeitgeberverband Pflege mit zwei Branchengewerkschaften<br />
abgeschlossen hat. Die privaten<br />
Arbeitgeber, die in der ambulanten Pflege einen<br />
Marktanteil von 60 Prozent haben, in der stationären<br />
Pflege von 40 Prozent, warnten im Vorfeld denn auch<br />
vor allem vor einem zu hoch angesetzten Mindestlohn.<br />
„Es wäre eine Katastrophe, wenn die neue Pflegekommission<br />
Löhne festlegt, die dazu führen, dass<br />
Pflegeeinrichtungen insolvent werden“, sagte etwa<br />
Thomas Greiner, Vorsitzender des privaten Arbeitgeberverbands<br />
Pflege und Vorstandsvorsitzender der<br />
Dussmann-Gruppe, eines der großen privaten Pflegeheimbetreiber.<br />
Lange wehrten sich auch die kirchlichen Arbeitgeberverbände<br />
gegen einen Mindestlohn. Schwarzarbeit<br />
und Armut würden dadurch nicht bekämpft. Und<br />
Diakoniepräsident Klaus-Dieter Kottnik argumentierte,<br />
die meisten Einrichtungen der Diakonie bezahlten<br />
ohnehin über dem Niveau des Mindestlohns. Das<br />
eigentliche Problem sei, so Kottnik, dass die Kostenträger<br />
nicht mehr bereit seien, in ihren Pflegesätzen<br />
die gültigen Tarife zu berücksichtigen.<br />
Obwohl die Diakonie den Mindestlohn heute gutheißt,<br />
bleibt die Befürchtung, er könne als Normlohn<br />
missverstanden werden und die Vergütungsverhandlungen<br />
mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern<br />
erschweren – weil die bei Vergütungsverhandlungen<br />
den Mindestlohn zur Messlatte machen könnten<br />
statt der höheren Diakonietarife. „Die Qualität der<br />
Pflege und der Arbeitsplätze in unseren Diensten und<br />
Einrichtungen ist in Gefahr“, so Klaus-Dieter Kottnik.<br />
„Mindestlöhne allein lösen das Problem nicht“.<br />
Die Diakonie fordert deshalb, die Sozialgesetzgebung<br />
entsprechend anzupassen: Die Kostenträger müssten<br />
gesetzlich verpflichtet werden, das geltende Arbeitsrecht<br />
anzuerkennen und Tariflöhne zu respektieren<br />
und vollständig zu refinanzieren. „Der Mindestlohn<br />
ist eine Krücke“, urteilte Kottnik in einem Interview<br />
des Evangelischen Pressedienstes. „Was wir wirklich<br />
brauchen, ist eine tarifgerechte und angemessene<br />
Entlohnung für alle Berufsgruppen und bei allen Pflegeträgern.<br />
Und ganz entscheidend: Die Lohnkosten<br />
müssen durch die Pflegekassen refinanziert werden.“<br />
msk Z