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Erika Schmitt-Sackersdorff Kleider machen Leute - Impuls-Theater ...

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<strong>Erika</strong> <strong>Schmitt</strong>-<strong>Sackersdorff</strong><br />

<strong>Kleider</strong><br />

<strong>machen</strong><br />

<strong>Leute</strong><br />

...eine Komödie nach der gleichnamigen<br />

Erzählung von Gottfried Keller<br />

Der junge, etwas zur Melancholie neigende Schneider<br />

Strapinski wird von einem herrschaftlichen Kutscher ein Stück<br />

Weges mitgenommen, vor einen Gasthof abgesetzt und dort...<br />

ja, dort beginnt Strapinskis unfreiwillige Hochstapelei. Der<br />

Witz des Kutschers, es handle sich um einen polnischen<br />

Grafen von und zu Strapinski, verfängt bei der Wirtin, da unser<br />

Schneider beste Kleidung hat. Er weiß freilich, dass diese<br />

nicht für ihn bestimmt war, ihm aber statt des Lohnes von<br />

seinem bankrotten Meister gegeben wurde. Wenzel Strapinski,<br />

ausgehungert und kälteblass - die Wirtin schließt daraus<br />

Vornehmheit - versagt sich nicht den gefüllten Schüsseln und<br />

dem belebenden Wein. Zum Unglück - denn selbstverständlich<br />

will der anständige Schneider gleich wieder fort, kommt<br />

die Stammtischrunde und veranlasst den Herrn Grafen zu<br />

einem Spielchen. Wenzel gewinnt. Gottseidank, denn nun<br />

kann er die Zeche bezahlen. Aber er hat die Rechnung ohne<br />

die Wirtin gemacht. Jeder Fluchtversuch misslingt. Selbst als<br />

er dem anmutigen Zwang der liebevollen Augen Nettchens,<br />

einer Amtsratstochter, zu entfliehen versucht, wird er<br />

eingeholt. Nun beginnt das Spiel tragikomisch zu werden,<br />

denn Wenzel gerät in den Zwiespalt von Liebe und Ehrlichkeit<br />

- und der ist ein Abgrund. Das geahnte blamable und<br />

hohnvolle Ende kommt, beschleunigt von einem Rivalen um<br />

Nettchen, der die Geschichte durchschaut. Aber Nettchen hält<br />

nach anfänglicher schwerer Enttäuschung zu ihrem Erwählten,<br />

denn sie liebte nicht den Schein, mit welchem andere den<br />

Schneider umgaben. Sie liebt - nun weiß sie es gewiss - den<br />

so bescheidenen und im Grunde hochan-ständigen Wenzel.<br />

BS 532 / Regiebuch<br />

IMPULS-THEATER-VERLAG<br />

Postfach 1147, 82141 Planegg<br />

Tel.: 089/ 859 75 77;<br />

Fax: 089/ 859 30 44


PERSONEN:<br />

Wenzel Strapinski, Schneider<br />

Schwedler, ein Schuster<br />

Kutscher<br />

Wirtin, zum „Lamm“ in Goldach<br />

Böhni, Stadtschreiber<br />

Fiedler, Amtsrat<br />

Nettchen, dessen Tochter<br />

Meier, Textilien en gros<br />

Kinkhard, Südfrüchteimporteur<br />

Anna, Köchin<br />

Regine, Stubenmädchen<br />

Rosi, Stubenmädchen bei Fiedler<br />

Johann, Diener bei Fiedler<br />

ORT / DEKORATION / REQUISITEN:<br />

1., 3. und 4. Akt:<br />

Wirtsstube. Vom Zuschauer aus links ein kleinerer Tisch mit zwei<br />

Stühlen, rechts vor einer Bank an der Wand der größere<br />

Stammtisch. Gutbürgerliche Ausstattung nach Möglichkeit<br />

(Geschirrschrank; ein Kachelofen neben dem Stammtisch). Eine<br />

Türe vorne rechts (zur Küche u. a.) und eine links rückwärts. Links-<br />

auch ein Fenster.<br />

2. Akt:<br />

Zimmer beim Amtsrat. Wo kein zweites Bühnenbild möglich ist,<br />

verkürzt man das bisherige Bild durch einen Vorhang, der in der<br />

Mitte zur Seite hin etwas gerafft wird, umso einen Eingang<br />

anzudeuten. Die Türe vorne rechts bleibt, sie führt ins<br />

Schlafzimmer. Stammtisch wird entfernt. Das kleine Tischchen<br />

bekommt eine schöne Decke und nach Möglichkeit schöne Stühle.<br />

SPIELALTER:<br />

(junge) Erwachsene<br />

SPIELDAUER:<br />

ca. 90 Minuten<br />

Vorspiel<br />

Eine Bank vor dem Vorhang, auf der erschöpft der Schneider<br />

Strapinski sitzt. Schwedler tritt auf, betrachtet ihn kritisch, setzt sich<br />

neben ihn.<br />

Schwedler:<br />

Muss man Sie sagen oder reichts noch zum du?<br />

Strapinski: (mehr melancholisch als mürrisch)<br />

Mir egal.<br />

Schwedler:<br />

Bist wohl ein feiner Hund?<br />

Strapinski:<br />

Warum?<br />

Schwedler:<br />

Na ja, so wie du aussiehst! Der Mantel so gut, die Pelzmütze<br />

nobel - Sie sind wohl doch einer von den Vornehmen. Erlauben<br />

Sie: ein armer Handwerksbursche bittet um eine milde Gabe.<br />

Strapinski: (nach einem Seufzer)<br />

Bin selber einer.<br />

Schwedler:<br />

Wie bitte?<br />

Strapinski:<br />

Das Sprüchlein sag ich schon lange und vielleicht mit mehr<br />

Recht als du.<br />

Schwedler:<br />

Da schlag einer lang hin. Auch Schuster?<br />

Strapinski:<br />

Schneider.<br />

2


Schwedler: (singt)<br />

Ein Schuster und ein Schneider, die wollten nur mal eben zu<br />

ihrem eignen Zeitvertreib die Welt aus den Angeln heben.<br />

Strapinski:<br />

Bist eine, lustige Haut.<br />

Schwedler:<br />

Du nicht. Das ist nicht schwer zu merken. Schaust in die Welt<br />

wie drei Tage Riegenwetter.<br />

Strapinski:<br />

Na, wenn man friert und nichts im Magen hat. Und nicht weiß,<br />

wohin.<br />

Schwedler:<br />

Einen rechten Handwerksburschen stört das nicht. Die nächste<br />

Klinke geputzt - und schon gibt's was für den Magen. Im<br />

nächsten Heustadel untergekrochen - und das herrlichste Bett<br />

ist fertig.<br />

Strapinski:<br />

Hab's doch versucht, mir gibt keiner was ...<br />

Schwedler:<br />

Warum denn nicht?<br />

Strapinski:<br />

Seh ich denn aus wie ein Handwerksbursch?<br />

Schwedler:<br />

Aber Mensch, was machst du dich auch so fein, dass keiner dir<br />

anmerken kann, dass du von der edlen Schneiderzunft bist?<br />

Strapinski:<br />

Weil ich in meinem ganzen Leben nur Pech hab, darum.<br />

Schwedler:<br />

Das Pech hab ich weil ich ein Schuster bin. Aber hör mal,<br />

Freundchen, wenn der feine Mantel dich stört, dann schenk ihn<br />

doch mir! Ich verkauf ihn und mach mir einen guten Tag. Wie<br />

kommst du überhaupt zu dem vornehmen Ding? Hast ihn wohl -<br />

- - na?<br />

3


Strapinski:<br />

Ich hab ihn gar nicht. Mein Meister in Seldwyla machte Bankrott<br />

und konnte mir den Lohn nicht zahlen. Er gab mir dafür den<br />

Mantel und den Rock. Ein feiner Herr hatte sie bestellt aber<br />

nicht abgeholt.<br />

Schwedler:<br />

Da hast du dich schön übers Ohr hauen lassen.<br />

Strapinski:<br />

Ich war's zufrieden. Aber jetzt kann ich nicht fechten gehn, denn<br />

keiner gibt mir was.<br />

Schwedler:<br />

Wenn du weiter keine Sorgen hast. Verkauf doch das Gelump<br />

und mach dich mit mir auf die Wanderschaft. (singt)<br />

Es wollt ein Schneider wandern<br />

am Montag in der Fruh.<br />

Begegnet ihm der Teufel<br />

hat weder Strümpf noch Schuh.<br />

He, he, du Schneidergesell,<br />

komm mit mir in die Höll,<br />

du musst uns Teufel kleiden,<br />

es gehe wie es wöll.<br />

Strapinski:<br />

Hör auf mit dem dummen Lied.<br />

Schwedler:<br />

Sobald der Schneider in d' Höll neinkam<br />

nahm er sein Ellenstab,<br />

er schlug den Teufeln die Buckel voll,<br />

die Höll wohl auf und ab.<br />

He, he, du Schneidergesell,<br />

musst wieder aus der Höll.<br />

Wir brauchen nicht das Messen,<br />

es gehe wie es wöll.<br />

Strapinski:<br />

Bleib beim Leisten, Schuster.<br />

Hast ein einz'ges Muster.<br />

Einen wie den andern<br />

treten wir beim Wandern.<br />

Schwedler:<br />

Nachdem er all gemessen hat,<br />

nahm er ein lange Scher<br />

und schnitt den Teufeln die Schwänzeln ab,<br />

sie hupften hin und her.<br />

He, he, du Schneidergesell,<br />

pack dich nur aus der Höll.<br />

Wir brauchen nicht das Stutzen,<br />

es gehe wie es wöll.<br />

Strapinski:<br />

Nimm vom Kalb das Leder.<br />

Schustern kann nicht jeder.<br />

Geht der Schuh in Stücken,<br />

musst ihn eben flicken<br />

Schwedler:<br />

Drauf nahm er Faden und Fingerhut<br />

Und fing zu nähen an.<br />

Er näht den Teufeln die Nasen zu,<br />

so eng er immer kann.<br />

He, he, du Schneidergsell,<br />

pack dich nur aus der Höll.<br />

Wir können nicht mehr schnaufen,<br />

es gehe wie es wöll.<br />

4


Strapinski:<br />

Pechdraht, Pfriem und Leisten!<br />

Wer flickt die allermeisten?<br />

Wer seine Händ' nicht zeigen kann,<br />

der ist fürwahr ein Schustersmann.<br />

Schwedler:<br />

Nach diesem kam der Luzifer<br />

und sagt: es ist ein Graus.<br />

Kein Teufel hat ein Wedel mehr,<br />

pack dich nur aus der Höll.<br />

Wir brauchen keinen Schneider,<br />

es gehe wie es wöll.<br />

Strapinski: (viel freundlicher)<br />

Ich hoff, dass du jetzt fertig bist. Mein Lied ist aus.<br />

Schwedler:<br />

Meins noch nicht. Aber jetzt bist du endlich wieder munter<br />

geworden.<br />

Strapinski: (wieder etwas melancholisch)<br />

Ich freu mich gar nicht, denn jetzt bin ich doppelt hungrig.<br />

Schwedler:<br />

Dann komm weiter, in Seldwyla wirds wohl was zu essen<br />

geben.<br />

Strapinski:<br />

Da komm ich eben her, und kein Zünftiger geht einen Weg<br />

zurück.<br />

(Man hört Pferdegetrappel.)<br />

Schwedler:<br />

Hast Recht. Na, dann adschüs. - du, sieh mal, da kommt einer<br />

vierspännig gefahren. So gut sollte man's auch mal haben.<br />

Strapinski:<br />

Pa! Ich bin auch schon vierspännig gefahren.<br />

Schwedler:<br />

Geh schneid nicht so auf.<br />

Strapinski:<br />

Als ich gedient hab, war ich Kutscher beim General. Da bin ich<br />

jeden Tag vierelang gefahren.<br />

Schwedler:<br />

Du, schau doch, die Kutsche ist ja leer. - He! Schwager!<br />

Kutscher:<br />

He! Vetter!<br />

Schwedler:<br />

Kannst keine Last brauchen für deinen Wagen? Die Gäul sticht<br />

ja der Hafer.<br />

Kutscher:<br />

Prrr. Steh!<br />

(Das Getrappel hört allmählich auf, der Kutscher tritt auf mit<br />

Peitsche in der Hand.)<br />

Was soll's?<br />

Schwedler:<br />

Hier ist ein Meister Fliegengewicht mit leerem Magen. Nimm ihn<br />

mit nach Goldach, sonst fällt er um vor Hunger.<br />

Kutscher:<br />

Das ist keine Mietskutsche. Siehst nicht das Wappen vom<br />

Grafen Stiegelmannsfeld?<br />

Schwedler:<br />

Und ob ich's seh, schön in Rot und Gold. Ein goldener Graf,<br />

und nett von ihm, dass er nicht drinsitzt in der Kutsche. Geh, sei<br />

kein Unmensch. Der Schneider sitzt dir das Polster nicht ab!<br />

Kutscher:<br />

Ein Schneider bist? Mein Vater war auch einer.<br />

Strapinski:<br />

Strapinski.<br />

5


Kutscher:<br />

Also, edler Herr von Strapinski, Graf von und zu Strapinski,<br />

steigen Sie ein, euer Gnaden. Die Rösser wiehern schon nach<br />

Stall und Futter.<br />

Strapinski:<br />

Ich dank dir, Schuster - und leb' wohl. (ab mit dem Kutscher)<br />

Schwedler:<br />

Nachdem er nun hat aufgepackt,<br />

da ward ihm erst recht wohl.<br />

Er hüpft und springet unverzagt,<br />

lacht sich den Buckel voll.<br />

Ging eilends aus der Höll<br />

und blieb ein Schneidergesell.<br />

Drum holt der Teufel kein Schneider mehr,<br />

es gehe wie es wöll. (ab)<br />

1. AKT<br />

Wirtsstube im Gasthaus zum Lamm. Wirtin und Köchin Anna. Die<br />

Wirtin prüft Silberbestecke oder ordnet Tischwäsche. Anna trocknet<br />

sich die Hände.<br />

Wirtin:<br />

Das wärs also, Anna. Für heute reicht das Rindfleisch und die<br />

Hammelkeule. Und die Rebhuhnpastete ist ja auch noch da.<br />

Anna:<br />

Die ist reserviert für die Abendherren. Und wie ich den Herrn<br />

Stadtschreiber Böhni kenne, vertilgt der allein die Hälfte. Der<br />

mag sie doch so gern.<br />

Wirtin:<br />

Mich freut's, wenn's ihm schmeckt.<br />

Anna:<br />

Was ich gekocht hab, hat ihm noch immer geschmeckt.<br />

Wirtin:<br />

Anna! Anna! Man sagt zwar, Liebe geht durch den Magen, aber<br />

auf den Stadtschreiber dürfen Sie sich keine Hoffnungen<br />

<strong>machen</strong>. Der ist in festen Händen.<br />

Anna:<br />

Was sagen Sie?<br />

Wirtin:<br />

Nun, man sagt, dass er sich um Amtsrats Nettchen bemüht.<br />

Anna: (unwillig, sie fummelt nur so mit dem Handtuch)<br />

Das Nettchen? Ach, die kann ja nicht kochen. Die und der Herr<br />

Stadtschreiber? Das glaub ich nicht.<br />

Wirtin:<br />

Ich hab Sie jedenfalls gewarnt, Anna. - Mit dem Küchenzettel<br />

sind wir also fertig. Gibt's sonst noch was?<br />

Anna: (wirft das Handtuch über die Schulter)<br />

Zwei Schnepfen hab ich noch hängen.<br />

Wirtin:<br />

Die lass nur hängen bis ...<br />

(Zimmermädchen Regine kommt aufgeregt durch die Tür links<br />

hinten.)<br />

Regine:<br />

Frau! Eben ist ein feiner Wage vorgefahren mit goldenem<br />

Wappen und vierspännig. Ein Herr sitzt drin. Das ist sicher in<br />

Baron oder gar ein Graf.<br />

Wirtin: (aus der Ruhe gekommen)<br />

Ja, da muss ich doch gleich meine Haare - hier, nimm die<br />

Schürze - ein Graf meinst du? Wo ist denn der Sepp? Sepp!<br />

Sepp! Wo steckt denn der Bengel? Sepp! Gäste kommen!<br />

(nach links ab mit Regine)<br />

6


Anna: (am Fenster)<br />

Ein feiner Herr! Der weiß sich zu benehmen. Und wie<br />

bescheiden. Fast sieht er aus, als wollte er vor unserer Frau<br />

davonlaufen, Ha, die lässt keinen aus. - Mein Gott, ich, muss ja<br />

in die Küche - die Pastete - die Schnepfen. - Der Sepp soll<br />

gleich eine Forelle ... und keine Torte ist da, kein Nachtisch. -<br />

Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. (rechts ab)<br />

(Wirtin, Regine, Strapinski, Kutscher)<br />

Wirtin:<br />

Bitte, treten Sie ein, gnädiger Herr. Machen Sie sich's bequem.<br />

Sicher wünschen Sie ein Zimmer? Das Fürstenzimmer wär<br />

gerade frei. Sehr elegant und eine schöne Aussicht. Regine,<br />

der Sepp soll gleich im Fürstenzimmer einheizen. - Halt,<br />

Regine, nimm erst dem Herrn den Mantel ab. - Wo wünschen<br />

der Herr Platz zu nehmen? Am Stammtisch? Oder hier am<br />

kleinen Tisch?<br />

Strapinski:<br />

Aber nein, ich möchte...<br />

Wirtin:<br />

Nicht mit Fremden zusammensitzen. Das kann ich verstehen.<br />

Obwohl unsere Abendherren - also, alles was recht ist, es sind<br />

wirklich feine, welterfahrene Herren. Regine; die Speisekarte,<br />

tummel dich, Mädchen. - Vielleicht wünscht der Herr zuvor ein<br />

Glas Wein? Der Herr ist ja ganz durchfroren. Ja, das Wetter,<br />

der November ist kein Mai. Der Herr sind ja ganz blass vor<br />

Kälte! Gleich bringe ich einen schönen Tiroler, der wärmt.<br />

(Strapinski am Tisch, den Kopf in dis Hand gestützt.)<br />

Wirtin: (beim Kutscher, der neugierig in die Küche sieht, flüsternd)<br />

Ist wohl ein sehr feiner Herr?<br />

Kutscher: (leise)<br />

Das will ich meinen. Mein Herr ist ein Graf von und zu.<br />

Wirtin:<br />

Wirklich ein Graf? Ja, in meinem Haus verkehren nur vornehme<br />

Gäste. Darf man den Namen wissen?<br />

Kutscher:<br />

Edler von Strapinski nennt er sich.<br />

Wirtin:<br />

Wohl gar ein Pole? Da kommt er ja weit her. Und so mager,<br />

bleich und traurig, da sieht man das edle Blut.<br />

Kutscher:<br />

Ja, sehr edel. Der hat sich noch nie den Finger an einer Nadel<br />

geritzt.<br />

Wirtin:<br />

Es schickt sich nicht für Sie, über Ihren Herrn zu scherzen.<br />

Bleibt er länger hier?<br />

Kutscher:<br />

Das weiß ich nicht. Mir hat er nichts gesagt. Aber Frau Wirtin,<br />

wenn ich auch nur ein einfacher Mann bin und kein Graf, so<br />

hab ich doch Hunger. Kann ich hier was zu essen kriegen?<br />

Wirtin:<br />

Gehen Sie nur hinunter in die Kutscherstube, gleich durch die<br />

Küche, da gibt's was Handfestes. Aber ich will ja auch den<br />

Wein - kommen Sie gleich mit. (rechts ab mit Kutscher)<br />

(Strapinski blickt auf, sieht sich verwirrt um, merkt, dass er allein<br />

ist, steht auf und greift nach seinem Mantel. Anna erscheint mit<br />

einem Teller.)<br />

Anna:<br />

O, der Herr frieren? Der Herr will seinen Mantel anziehen?<br />

Gleich soll besser geheizt werden. - Bitte, wollen der Herr die<br />

Güte haben. Nur ein paar kleine Appetithappen, bis das Essen<br />

fertig ist. Den Mantel häng ich schon wieder hin, wenn der Herr<br />

nun gütigst wieder Platz nehmen wollen.<br />

Strapinski:<br />

Wie bitte? Ja, wenn Sie meinen. (isst hungrig)<br />

7


Anna:<br />

Gelt, das schmeckt? Ich sah doch gleich; dass der Herr Hunger<br />

hatten.<br />

Wirtin: (von rechts)<br />

So, da wär er, der Tiroler. Anna, was <strong>machen</strong> Sie denn hier? Ist<br />

in der Küche vielleicht nichts zu tun?<br />

Anna :<br />

Ich geh ja schon. (rechts ab)<br />

Wirtin:<br />

Ach, die Anna! Kochen tut sie gut, aber aufdringlich ist sie.<br />

Sodele, der Wein. Wenn der Herr einmal kosten wollen.<br />

Strapinski: (erschrocken, peinlich)<br />

Kosten? Waa - was kostet er denn?<br />

Wirtin:<br />

Ich meine doch: versuchen, probieren. Aber der Herr Graf<br />

kommen ja aus Polen, da sagt man wohl anders.<br />

Strapinski: (unruhig, erstaunt)<br />

Wie kommen Sie darauf? Und warum sagen Sie Graf zu mir?<br />

Wirtin:<br />

Nun, man hat eben seine Informationen. Aber wenn der Herr<br />

Graf inkognito bleiben wollen - ich bin diskret. Ja, was ich noch<br />

sagen wollte: Ihr Kutscher sitzt wohl versorgt unten in der<br />

Kutscherstube!<br />

Strapinski: (nervös)<br />

So.<br />

Wirtin:<br />

Aber der Herr Graf trinken ja gar nicht. Es ist von meinem<br />

besten. Freilich, der Herr mag es besser gewöhnt sein!<br />

(Böhni, Meier und Klinkhard treten von links auf.)<br />

Wirtin:<br />

Ah, da kommen ja auch unsere Abendherren. Grüß Gott, meine<br />

Herren - belieben Platz, zu nehmen. (mit den Herren am<br />

Stammtisch, während Strapinski vor sich hinstarrt)<br />

Meier: (interessiert, nicht neugierig)<br />

Wer ist denn der Fremde?<br />

Wirtin: (stolz, dann vertraulich)<br />

Ein feiner Herr, Ein vornehmer Herr. Ein Graf aus Polen; aber<br />

sagen Sie es bitte nicht weiter. Er reist inkognito.<br />

Klinkhard: (der Kann, der angeblich die Welt kennt)<br />

Ein Graf aus Polen? Was, Sie nicht sagen!<br />

Böhni:(skeptisch)<br />

Haben Sie seinen Pass gesehen?<br />

Wirtin:<br />

Aber wo werd ich denn! Für mich braucht's keinen Pass. Ich<br />

seh gleich, was an den <strong>Leute</strong>n dran ist. - Und haben Sie nicht<br />

die feine Kutsche gesehen, in der er gekommen ist? Die mit<br />

dem goldenen Wappen? So reisen nur feine Herren.<br />

Böhni:(ironisch)<br />

Oder Hochstapler.<br />

Wirtin: (empört, doch höflich)<br />

Herr Böhni! Ich lass mir von Ihnen meine Gäste nicht<br />

beleidigen.<br />

Meier:<br />

Sachte, sachte. Herr Böhni meint' es ja nicht so schlimm, Sie<br />

kennen ihn doch.<br />

Böhni:<br />

Meinen Schoppen, Frau Häberlin.<br />

Wirtin: (etwas verstimmt)<br />

Ja, ja, ich bring ihn ja schon. (bedient)<br />

Klinkhard: (zu laut, da es der Graf hören soll)<br />

Heute bekam ich von meinem Kompagnon aus Smyrna eine<br />

neue Sendung. Erstklassige Waren meine Herren.<br />

8


Böhni:<br />

Verdienstspanne nicht unter 100 Prozent. Prost Herr Klinkhard.<br />

Klinkhard: (verschnupft)<br />

Ich bin ein reeller Kaufmann, Herr Stadtschreiber, und verbitte<br />

mir solche Bemerkungen.<br />

Meier:<br />

Lassen Sie ihn doch. Er hat wieder mal seinen sauren Tag.<br />

(Anna und Regine mit Schüsseln.)<br />

Wirtin:<br />

Hier Herr Graf, das Essen. Ich wünsche gesegnete Mahlzeit<br />

und guten Appetit.<br />

Strapinski:<br />

Ja, danke.<br />

Wirtin:<br />

Regine, hier fehlt ein Löffel. Anna, wo ist der Nachtisch?<br />

Anna:<br />

Gleich Frau, ich bring's schon.<br />

(Mädchen ab.)<br />

Meier:<br />

Wünsche gesegnete Mahlzeit.<br />

Klinkhard:<br />

Schließe mich ergebenst an.<br />

Strapinski:<br />

Danke. Sehr freundlich.<br />

Wirtin:<br />

Haben der Herr Graf noch besondere Wünsche?<br />

Strapinski:<br />

Nein. (isst hastig, doch mit Anstand)<br />

Böhni:<br />

So habe ich noch keinen Grafen schlingen sehen.<br />

Meier:<br />

Er ist halt hungrig von der weiten Reise. Aber soll denn heute<br />

gar nicht gespielt werden? Bitte, die Karten, Frau Häberlin.<br />

Wirtin:<br />

Hier sind sie schon.<br />

Meier:<br />

Danke. Wer gibt?<br />

Klinkhard:<br />

Das letzte Mal haben Sie gewonnen.<br />

(Die Herren spielen. Strapinski schiebt den Teller zurück.)<br />

Wirtin:<br />

Ich hoffe, dass der Herr zufrieden ist.<br />

Strapinski:<br />

O, es war ausgezeichnet.<br />

Wirtin:<br />

Wie mich das freut. Des Gastes Lob ist mehr wert als<br />

Bezahlung.<br />

Strapinski:<br />

Das - das freut mich ebenfalls, - für Sie, Frau Wirtin.<br />

(Meier tritt an den Tisch.)<br />

Meier: (wie immer freundlich, nicht untertänig)<br />

Darf ich dem Herrn Grafen zum Nachtisch eine Zigarre<br />

anbieten? Eine echte Brasil. Ganz exquisit.<br />

Klinkhard: (etwas großtuerisch)<br />

Gehen Sie fort mit Ihren schwarzen Giftstängeln. Nach einer<br />

guten Mahlzeit eine türkische Zigarette. Bitte, Herr Graf.<br />

Strapinski:<br />

Bin leider Nichtraucher. Aber die Herren sind sehr freundlich.<br />

Danke.<br />

9


Meier:<br />

Es soll uns eine Ehre sein, wenn Sie sich ein wenig zu uns<br />

setzen, Herr Graf. Vielleicht beteiligen Sie sich an einem<br />

kleinen Spielchen?<br />

Strapinski: (etwas unsicher)<br />

Wenn die Herren erlauten, werde ich ein wenig zusehen.<br />

(Alle am Stammtisch.)<br />

Böhni:(anzüglich, boshaft)<br />

Das ist eine Kinderei mit solchen Einsätzen. Der Herr wird<br />

andere Spiele gewöhnt sein. Verdreifachen wir die Einsätze.<br />

Wollen Sie die Bank halten, mein Herr?<br />

Strapinski: (verlegen)<br />

Zu viel Ehre ne das Spiel nicht. Und außerdem - kein<br />

Schweizer Geld.<br />

Böhni: (zu hilfsbereit)<br />

Ich werde Ihnen gerne et was einwechseln.<br />

Meier: (der ihn dem Böhni nicht gerne überlässt)<br />

Bemühen Sie sich nicht. Ich lege dem Grafen vor. Wir<br />

verrechnen dann später.<br />

Strapinski:<br />

Sehr freundlich. Ich weiß nur nicht –<br />

Meier:<br />

Bitte keine Einwände. Wer hält die Bank?<br />

Böhni:(im neuen Angriff)<br />

Natürlich unser Gast. - Bitte zu geben, Herr. So danke.<br />

Meier:<br />

Nun ich. - Zwei - drei - immer noch nicht. Vier. Halt, genug.<br />

Klinkhard:<br />

Nicht schlecht. Noch eine. O, vierundzwanzig. Aus.<br />

Meier:<br />

Sie haben Chancen, Herr Graf, sagt ich's nicht?<br />

Einundzwanzig. Ja, ja,. geborgtes Geld heckt. Das ist eine alte<br />

Erfahrung.<br />

(Man spielt weiter; Im Vordergrund Wirtin, die an dem indes<br />

abgeräumten Tisch die Decke ordnet, von rechts Regine.)<br />

Regine:<br />

Das Zimmer ist fertig, Frau.<br />

Wirtin:<br />

Hat der Sepp gut eingeheizt? - Und ist das gute Damastzeug<br />

überzogen? - Ich komm nachher nachsehen. Und noch was<br />

Regine. Der Sepp soll das Gepäck des Herrn Grafen<br />

herauftragen.<br />

Regine:<br />

Ich werd's ihm sagen. (nach links ab)<br />

Meier: (bewundernd)<br />

Herr Graf, Sie haben unerhörtes Glück.<br />

Strapinski:<br />

Ja, ich weiß selbst nicht. Ich bin ganz verwirrt. (steht auf) Ich<br />

bitte mich zu entschuldigen. Ich muss ein wenig an die Luft.<br />

Böhni: (heuchlerisch)<br />

Hat das kleine Spielchen Sie so. erregt? Sie sind doch sicher<br />

ganz andere Glücksspiele gewöhnt. Und andere Einsätze.<br />

Strapinski:<br />

Warum glauben Sie das. (er wird unruhig)<br />

Böhni:<br />

Vornehmheit verpflichtet, Noblesse oblige, Herr Graf, nicht<br />

wahr? - Aber Frau Häberlin, wo bleibt die Rebhuhnpastete, die<br />

Sie uns für heute versprochen haben?<br />

Wirtin:<br />

Soll sofort angerichtet werden, meine Herren. – Anna, Anna,<br />

die Pastete. (rechts ab)<br />

Böhni: (wie einer, der seinen Weizen blühen sieht)<br />

Allseits zum Wohle!<br />

10


Meier:<br />

Ihr Spezielles, Herr Graf.<br />

Strapinski:<br />

Sie sind alle sehr freundlich zu mir, wirklich sehr freundlich.<br />

Aber ich möchte mich für einen Augenblick entschuldigen. Sie<br />

verzeihen. - Nur einen Augenblick. (nimmt seinen Mantel, geht<br />

nach vorn)<br />

(Der Vorhang schließt sieh so weit hinter ihm, dass der Stammtisch<br />

verdeckt ist.)<br />

Strapinski:<br />

Dem Himmel sei Dank! (sieht verstört nach allen Seiten) Was<br />

die nur von mir wollten mit ihrem ewigen: Herr Graf hier und<br />

Herr Graf dort. Es muss wohl eine Verwechslung sein. Aber satt<br />

bin ich für drei Tage. Der Wirtin schicke ich das Geld gleich<br />

morgen. Ich hab's ja jetzt. So leicht verdient es sich nicht in der<br />

Werkstatt. Das mit dem Grafentitel; das muss mir der Kutscher<br />

eingebrockt haben. Graf! (schütteln den Kopf) Froh bin ich, aus<br />

der Geschichte heraus zu sein. (will ab, stockt, da er die<br />

Stimmen auf der Bühne hört) Herr Graf! Herr Graf! Hat niemand<br />

den Grafen gesehen! Es wird ihm doch nichts zugestoßen<br />

sein? Hat ihn jemand fortgehen sehen? Mit Ihren dummen<br />

Redensarten haben Sie ihn verjagt, Herr Böhni. - Herr Graf!<br />

Herr Graf Strapinski!<br />

(Strapinski versucht sich ganz links zu verbergen. Vorhang etwas<br />

öffnen. Meier kommt suchend.)<br />

Meier:<br />

Ah, da sind Sie ja, Herr Graf. Wir haben Sie gesucht,<br />

befürchteten schon ein Unglück. Und dabei haben Sie sich<br />

offenbar nur verlaufen.<br />

Strapinski:<br />

Ja, ich fand den Ausgang nicht.<br />

Meier: (erstaunt, bedauernd)<br />

Wie, Sie wollten uns wirklich heimlich verlassen?<br />

Strapinski: (gesuchte , Ausrede)<br />

Nein, nein. Ich wollte nur an die frische Luft. Mir war nicht ganz<br />

wohl.<br />

Meier: (werbend)<br />

Meine Freunde sind ungeduldig auf ein neues Spielchen. Sie<br />

müssen ihnen Revanche geben. Aber kommen Sie herein. Ich<br />

friere wie ein Schneider.<br />

Strapinski: (ertappt)<br />

Wie ein Schneider? Wieso?<br />

Meier: (war ich verletzend?)<br />

Eine Redensart, die Sie als Pole natürlich nicht kennen können.<br />

(Vorhang geht wieder ganz auf, die Herren stehen, Wirtin räumt<br />

den Stammtisch ab.)<br />

Böhni:(dacht mir's doch, dass der nicht davonfliegt)<br />

Na, bringen Sie den Ausreißer zurück?<br />

Meier: (leise, ungehalten)<br />

Welch ein Ausdruck. Der Herr Graf ist doch kein Zechpreller!<br />

Böhni:<br />

Habe ich das behauptet? -- Was halten die Herren von einem<br />

steifen Grog?<br />

Klinkhard: (beipflichtend)<br />

Ein Wort zu seiner Zeit. Frau Häberlin, haben Sie gehört?<br />

Wirtin:<br />

Rum oder Arrak. Ach ja, ich weiß schon: Rum. (rechts ab)<br />

(Amtsrat Fiedler und Tochter Nettchen von links.)<br />

Böhni:<br />

O, der Herr Amtsrat! Und Fräulein Nettchen. Meine Reverenz,<br />

gnädiges Fräulein.<br />

(Handreichen herum.)<br />

11


Amtsrat: (vornehm, warmherzig)<br />

Guten Abend, meine Herren. Bitte, lassen Sie sich nicht stören.<br />

Wir wollen uns nur ein wenig aufwärmen, Wir kommen vom<br />

Herrn Präsidenten und sind nach zweistündiger Fahrt ganz<br />

durchfrören.<br />

Nettchen:<br />

Du, Papa, mir ist ganz warm.<br />

Meier:<br />

Darf ich Ihnen unsern neuen Freund, den Grafen Strapinski<br />

vorstellen.<br />

Amtsrat:<br />

Freut mich. Amtsrat Fiedler. Das ist meine Tochter Nettchen.<br />

Übrigens Strapinski - Strapinski - ich glaube, ich habe den<br />

Namen schon einmal gehört.<br />

Nettchen: (indem sie sehr freundlich die Hand gibt)<br />

Es ist gewiss ein sehr alter Name.<br />

Strapinski:<br />

Ich weiß nicht, aber es mag wohl sein, mein Fräulein. Ich habe<br />

noch nie darüber nachgedacht.<br />

Nettchen:<br />

Über Selbstverständlichkeiten macht man sich keine<br />

Gedanken.<br />

Amtsrat:<br />

Wir wollen uns setzen, meine Herren.<br />

(Böhni hat ihm aus dem Mantel geholfen, dabei nach Nettchen<br />

gesehen.)<br />

Böhni: (nun bei ihr)<br />

Bitte, Fräulein Nettchen, hier ist ein bequemer Stuhl.<br />

Nettchen: (mehr unruhig als kühl)<br />

Danke, Herr Böhni. Ich möchte erst Frau Häberlin begrüßen.<br />

(Wirtin mit Regine, die bedient und dann abgeht - beide von<br />

rechts.)<br />

Wirtin:<br />

O, welch seltene und liebe Gäste. Guten Abend, Fräulein<br />

Nettchen. Nein, Sie werden ja immer hübscher. Wo soll das<br />

noch hinaus? Guten Abend, Herr Amtsrat.<br />

Amtsrat: (gibt ihr die Hand)<br />

Immer munter, Frau Häberlin? Das ist recht. Ja, mein Nettchen<br />

ist jetzt aus der Pension zurück und bleibt bei mir.<br />

Wirtin:<br />

Bis eines Tages einer kommt und sie mitnimmt.<br />

Nettchen: (heiter)<br />

Heiraten? Ich denke ja gar nicht dran. - Aber Frau Häberlin,<br />

könnte ich mich wohl ein wenig frisch <strong>machen</strong>?<br />

Wirtin:<br />

Gewiss, Fräulein Nettchen. Kommen Sie nur.<br />

Nettchen: (im Abgehen)<br />

Nun sagen Sie bloß, wer ist denn der interessante Fremde?<br />

Meier:<br />

Ihr Wohl, Herr Amtsrat.<br />

Amtsrat:<br />

Komme nach, Herr Meier.<br />

(Sie trinken.)<br />

Wie geht's Geschäft?<br />

Meier:<br />

Kann nicht klagen. Nur für die Schneiderei fehlt mir wieder -eine<br />

tüchtige Kraft. Meinen letzten Zuschneider habe ich wegjagen<br />

müssen.<br />

Strapinski:<br />

Sie sind Schneider?<br />

Meier:<br />

Leider nicht, Herr Graf. Ich habe nur ein Stoffgeschäft mit<br />

angeschlossener Schneiderwerkstatt. Da ich aber selbst nichts<br />

vom Handwerk verstehe, bin ich ganz auf meinen Meister<br />

angewiesen. Aber das wird sie schwerlich interessieren.<br />

12


Strapinski:<br />

Das interessiert mich sogar sehr. (jetzt muss es raus!) Offen<br />

gesagt ich bin nämlich - -<br />

Böhni: (herausfordernd)<br />

Nun sagen sie bloß, dass Sie selber Schneider sind, Herr Graf.<br />

Strapinski: (Angst vor der Reaktion)<br />

Und wenn ich's wäre?<br />

(Gelächter)<br />

Klinkhard: (wischt alle Zweifel weg)<br />

Ein Schnei der - ein Schneider, der vierspännig fährt! Das ist<br />

wenigstens was Neues.<br />

Meier:<br />

So einen guten Witz hab ich schon lange nicht gehört.<br />

Amtsrat:<br />

Köstlich, Herr Graf. Ganz köstlich.<br />

Nettchen: (kommt)<br />

Die Herren sind j a sehr vergnügt. Darf man mitlachen?<br />

Amtsrat:<br />

Komm setz dich, Kind. Ja, stell dir vor, der Herr Graf wollte uns<br />

glauben <strong>machen</strong>, er sei ein Schneider.<br />

Nettchen:<br />

Der Herr Graf weiß sicher nicht einmal, auf welchen Finger man<br />

den Fingerhut steckt.<br />

Klinkhard:<br />

Ich schätze auf den Zeigefinger, denn der ist der vorwitzigste.<br />

Meier:<br />

Nein, auf den Ringfinger, denn der ist der kostbarste.<br />

Böhni:<br />

Ich für mein Teil bin für den Daumen, denn der ist am<br />

empfindlichsten. Übrigens, Herr Amtsrat ...<br />

(Unterhaltung der Herren)<br />

Strapinski: (ruhig zu Nettchen)<br />

Sie <strong>machen</strong> sich über mich lustig.<br />

Nettchen: (liebenswürdig)<br />

Aber nein, Herr Graf, Sie werden doch einen Spaß verstehen.<br />

Strapinski: (bitter)<br />

Macht es Ihnen Freude, sich auf Kosten anderer lustig zu<br />

<strong>machen</strong>?<br />

Nettchen:<br />

Nein, Herr Graf, das dürfen Sie nicht denken. So war es nicht<br />

gemeint. Es kann Sie doch nicht kränken, dass wir Ihnen den<br />

Schneider nicht glauben wollen?<br />

Strapinski:<br />

Sie sollten darüber nicht scherzen, Fräulein Nettchen. Gerade<br />

Sie nicht.<br />

Nettchen:<br />

Weil ich nur eine bescheidene Bürgertochter bin?<br />

Strapinski: (bestimmt)<br />

Weil Sie eine freie Schweizerin sind.<br />

Nettchen:<br />

Ich danke Ihnen, dass Sie mich daran erinnern, Herr Graf. Mit<br />

Ihnen kann man sich gut verstehen. Sie sind so gar nicht<br />

adelsstolz.<br />

Strapinski:<br />

Wie käme ich auch dazu.<br />

Nettchen:<br />

Sie haben wohl schon viel Schweres durchgemacht, Herr Graf.<br />

Sonst könnten Sie doch nicht so frei denken.<br />

Strapinski:<br />

Es hat jeder sein Schicksal. Und mich hat es schon tüchtig in<br />

der Welt umhergeworfen. - Aber heute - heute bin ich glücklich<br />

wie noch nie.<br />

Nettchen:<br />

Sie sind heute glücklich?<br />

13


Strapinski:<br />

Sehr. Und können Sie sich denken, warum?<br />

Nettchen:<br />

Woher sollt ich's wissen?<br />

Strapinski:<br />

Weil ich - weil Sie - weil uns heute kennen lernten.<br />

Nettchen: (verlegen)<br />

O, Herr Graf.<br />

Wirtin: (kommt)<br />

Sie, müssen entschuldigen, Herr Graf. Es ist mir so entsetzlich<br />

peinlich -<br />

Strapinski: (wie erwachend)<br />

O, ist es herausgekommen?<br />

Wirtin:<br />

Was soll denn herausgekommen sein? Es ist gar nichts<br />

herausgekommen - aus der Kutsche nämlich.<br />

Meier:<br />

Sie sprechen in Rätseln, Frau Häberlin.<br />

Wirtin:<br />

Der Kutscher des Herrn Grafen ist doch schon vor einer<br />

Viertelstunde weitergefahren. Er sagte, der Herr Graf wüsste<br />

Bescheid und deshalb habe ich's nicht gemeldet. Und jetzt stellt<br />

sich heraus...<br />

Strapinski: (erregt)<br />

Was hat er gesagt?<br />

Wirtin: (verzweifelt)<br />

Gesagt? Nichts. Aber er trägt keine Schuld. Der Sepp, der faule<br />

Bursche, hat vergessen das Gepäck aus der Kutsche zu holen,<br />

obwohl ich es ihm heilig auf die Seele gebunden hatte. Und<br />

jetzt eist die Kutsche über alle Berge und der Herr Graf hat sein<br />

Gepäck nicht.<br />

Strapinski:<br />

Und das - das Bündel, das im Wagen lag, hat er auch<br />

mitgenommen?<br />

Wirtin: (niedergeschlagen)<br />

Er hat nichts zurückgelassen. Ach, Herr Graf, es ist mir ja so<br />

peinlich. Man müsste sofort einen reitenden Boten -<br />

Strapinski: (eifrig)<br />

Nein, bemühen Sie sich nicht. Es ist nicht so wichtig.<br />

Nettchen:<br />

Daran erkennt man den Mann von Welt, der jedes,<br />

Missgeschick gelassen hinnimmt. Ich bewundere Sie, Herr<br />

Graf.<br />

Strapinski:<br />

O, Fräulein Nettchen. Wenn Sie wüssten, wie wenig<br />

Veranlassung dazu besteht.<br />

Meier:<br />

Das Unglück ist ja auch nicht so groß. Wenn der Kutscher<br />

merkt, dass das Gepäck noch im Wagen ist, dann wird er sofort<br />

umkehren.<br />

Böhni: (höhnisch)<br />

Das glaube ich nicht.<br />

Wirtin:<br />

Vielleicht weiß Herr Böhni überhaupt etwas Näheres. Er hat<br />

sich doch gleich nach dem Essen eine ganze Weile mit dem<br />

Kutscher unterhalten. Ich meine sogar, er hat ihm Geld in die<br />

Hand gedrückt.<br />

Böhni: (unwirsch)<br />

Unsinn. Da müssen Sie sich verguckt haben.<br />

Klinkhard: (großtuend)<br />

Aber das ist ja alles nicht so schlimm. Ich stelle dem Herrn<br />

Grafen gern das Notwendige aus meinem Bestand zur<br />

Verfügung, bis seine Sachen zurückkommen oder er sich neu<br />

equipiert hat.<br />

14


Meier: (ehrlich)<br />

Sie nehmen mir das Wort vom Munde. Ich bitte Sie, Herr Graf,<br />

über meine bescheidene Habe zu verfügen.<br />

Amtsrat:<br />

Selbstverständlich stehe auch ich jederzeit zur Verfügung. Mein<br />

Diener wird nachher einen Koffer mit dem Nötigsten<br />

herüberbringen.<br />

Strapinski: (befreit, und doch: wie soll das enden?)<br />

Sie sind alle so freundlich zu mir. Ich weiß nicht, wie ich dafür<br />

danken soll.<br />

Klinkhard:<br />

Von Dank kann keine Rede sein. Es ist uns eine Ehre, Ihnen zu<br />

helfen. - Aber Herr Amtsrat; wir wurden unterbrochen.<br />

(Herren reden für sich.)<br />

Strapinski: (zu Nettchen, bitter)<br />

Vielleicht wäre es aber besser, mich meinem Schicksal zu<br />

überlassen.<br />

Nettchen: (schockiert)<br />

Ist das nun Stolz - oder Hochmut.<br />

Strapinski:<br />

Keins von beiden, Fräulein Nettchen. Ich sagte das mehr in<br />

Ihrem als in meinem Interesse.<br />

Nettchen: (enttäuscht)<br />

Dann habe ich mir nur eingebildet, dass wir uns gut verstehen.<br />

(steht auf) Komm, Papa, es ist schon spät, wir wollen<br />

heimgehen.<br />

Strapinski: (ihr ganz nahe)<br />

Nun böse. Das tut mir sehr weh.<br />

Nettchen: (abgewandt)<br />

Sie haben uns zurückgewiesen, Herr Graf. Nicht wir Sie.<br />

Strapinski:<br />

Wie könnte ich das. (zu allen, entschlossen) Nein, ich bleibe.<br />

Und, das freundliche Angebot der Herren nehme ich gerne an.<br />

Amtsrat:<br />

Na also. Es wäre auch das erste Mal, dass mein Nettchen nicht<br />

ihren Willen durchsetzte.<br />

Meier:<br />

Ihr Entschluss freut mich außerordentlich, Herr Graf.<br />

Klinkhard:<br />

Nicht nur für uns, für ganz Goldach ist es eine besondere Ehre<br />

und ein Vergnügen.<br />

(Böhni schlendert zum Fenster, spricht also abseits von der Gruppe<br />

um Strapinski.)<br />

Böhni:<br />

So ist's recht. Kriecht Ihr nur vor Euerm vermeintlichen Grafen.<br />

Demütigen will ich euch, vor allem dich, mein hochnäsiges<br />

Nettchen. Du sollst mich noch auf den Knien darum bitten, mit<br />

meinem guten Namen deine Blamage zu verdecken. - (zu den<br />

anderen tretend) Falls mit dem Gepäck auch Ihre Effekten<br />

abgereist sein sollten, Herr Graf -- ich stehe Ihnen mit meinen<br />

Mitteln jederzeit gern zur Verfügung. Das soll mir der Spaß wert<br />

sein.<br />

Strapinski: (erschrocken)<br />

Wie bitte?<br />

Böhni:<br />

Ach, das ist nur so eine Redensart. (reibt sich die Hände)<br />

(Ende des ersten Bildes)<br />

15


2. AKT<br />

Zimmer beim Amtsrat. Rosi und Johann. Johann beim<br />

Silberputzen, Rosi mit Staubwedel.<br />

Rosi: (singt in G'stanzelton)<br />

Mein Schatz der ist lieb, aber reich ist er nit<br />

doch was nützt mir der Reichtum,<br />

Geld küss i j a nit.<br />

Johann: (der einen Stock verschluckt zu haben scheint, kühl<br />

bedauernd) Warum singen Sie immer so leichtsinnige Lieder,<br />

Fräulein Rosi!<br />

Rosi: (spitzbübisch)<br />

Hören's lieber was von der Treu? (singt)<br />

Es war einmal ein treuer Husar<br />

der liebt sein Mädel ein ganzes Jahr,<br />

ein ganzes Jahr und noch -<br />

Johann: (als wäre sein Innerstes beleidigt)<br />

Hör'n Sie auf, hör'n Sie auf! - Nein, so was Unseriöses wie Sie,<br />

dürfte es gar nicht geben.<br />

Rosi: (Oho!)<br />

Ich bin aber da. Und mich freut's, dass ich da bin. Und wenn<br />

Sie sich auf den Kopf stellen, Herr Johann.<br />

Johann: (will sie los werden)<br />

Wie kommt es überhaupt, dass Sie sich immer gerade dort zu<br />

tun <strong>machen</strong> wo ich zu arbeiten habe?<br />

Rosi: (höhnend)<br />

Arbeiten nennen Sie das? Ein bisserl Silberputzen, dem Herrn<br />

die Röck' ausbürsten, auf einem Tablett Visitenkarten<br />

umeinander tragen, Zigarren stibitzen und Sektflaschen auf die<br />

Seit' bringen. Das nennen Sie arbeiten?<br />

Johann: (wie erbleichend)<br />

Fräulein` Rosi, ich muss doch sehr bitten! Über meine Tätigkeit<br />

steht Ihnen kein Urteil zu. Für den Herrn Amtsrat bin ich<br />

unentbehrlich, das sagt er oft genug.<br />

Rosi: (ein bisschen bös)<br />

Meinen Sie vielleicht, der kriegt nicht auch allein seine<br />

Zigarrenkistl leer?<br />

Johann: (wieder mit erhobener Nase)<br />

Sie sind eine unausstehliche Person. Ich hoffe, Fräulein<br />

Antoinette wird Ihnen das vorlaute Wesen bald abgewöhnen.<br />

Rosi: (scheinbar harmlos)<br />

Fräulein Nettchen? Die hat selber gern lustige Leut um sich.<br />

Wissen Sie, was sie von Ihnen gesagt hat? Der Johann; sagt<br />

sie, der kommt mir vor wie ein Marabu.<br />

Johann:<br />

Wie ein - was?<br />

Rosi:<br />

Wie ein Marabu. Das ist ein Vogel, ein grauslicher. Hat Beine<br />

wie zwei Stecken und verbeugt sich immer feierlich nach allen<br />

Seiten. (parodierend) Sehr wohl, Herr Amtsrat, zu Diensten,<br />

gnädiges Fräulein.<br />

Johann: (beleidigt)<br />

Sie sind eine unverschämte Person. Das hat das gnädige<br />

Fräulein nie von mir gesagt. - Ich habe Sie übrigens vorhin<br />

etwas gefragt.<br />

Rosi:<br />

Warum ich grad dort bin, wo Sie „arbeiten", wie Sie's nennen..<br />

Das hat drei Gründ. Erstens mal, weil's mir Spaß macht, Sie zu<br />

frozzeln, zweitens weil ich weiß, dass Sie mich zum Teufel<br />

wünschen, denn dort steht die Cognacflasche vom gnädigen<br />

Herrn und drittens, weil ich hier abzustauben hab. (fährt mit<br />

dein Staubwedel über seine wohl geordnete Frisur)<br />

16


Johann: (fast außer sich)<br />

Sie impertinentes Frauenzimmer! Warten Sie, das sollen Sie<br />

büßen.<br />

(Beide jagen um den Tisch, Johann ungelenk, Rosi mit viel<br />

Gekicher und Gelächter. - Nettchen kommt.)<br />

Nettchen:<br />

Nanu, was ist denn hier los?<br />

Johann: (erschrocken)<br />

O, das gnädige Fräulein. Gnädiges Fräulein mögen<br />

entschuldigen. Bin etwas derangiert.<br />

Nettchen: (ehrlich herzlich)<br />

Das sehe ich. Wenigstens ein menschlicher Zug bei aller<br />

Vollkommenheit. Das beruhigt mich richtig, Johann!<br />

Rosi: (übermütig)<br />

Das kommt daher, weil ich ihn frisiert hab. Es war nur zu wenig.<br />

Bei so viel Pomad' müsst man ihn mit der Drahtbürst gegen den<br />

Strich striegeln.<br />

Nettchen:<br />

Still, Rosi. - (lächelnd) Vergreife dich nicht an seiner<br />

männlichen Würde. Wenn die wegfällt, bleibt vom Johann<br />

nichts mehr übrig, und das wäre doch schade. - Ich habe nach<br />

dir geklingelt, aber du kamst nicht. Du musst mir die Wickel aus<br />

den Haaren <strong>machen</strong>.<br />

Rosi:<br />

Gehen wir in die Schlafkammer hinüber?<br />

Nettchen:<br />

Nein, da ist es kalt, der Ofen ist ausgegangen.<br />

Rosi:<br />

Ich hol nur grad die Bürste und den Kamm.<br />

Nettchen:<br />

Gut!<br />

(Rosi ab, kommt während des Folgenden zurück und kämmt<br />

Nettchen.)<br />

Sie können ruhig bleiben, Johann, und Ihre Arbeit fertig<br />

<strong>machen</strong>.<br />

Johann:<br />

Sehr wohl, gnädiges Fräulein Antoinette.<br />

Nettchen:<br />

Sie haben schon in vielen Häusern gedient, Johann?<br />

Johann: (stolz)<br />

Sehr wohl, in den Schlössern und auf den Gütern der<br />

erlesensten Gesellschaft, bei Baronen, Fürsten und Grafen.<br />

Nettchen: (harmlos)<br />

Wie interessant. Aber haben Sie Ihre Stellung so häufig<br />

gewechselt!?<br />

Johann:<br />

Das lag an den jeweiligen Umständen, gnädiges Fräulein.<br />

Rosi:<br />

Oder an den Zigarrenkisten der großen Herren. Der Johann hat<br />

nämlich einen guten Geschmack und lange - ich meine<br />

gepflegte - Finger.<br />

Nettchen: (leicht unwirsch)<br />

Das will ich ja gar nicht wissen. - (interessiert) Sagen Sie,<br />

Johann, ist Ihnen einmal ein Graf Strapinski begegnet? Ich<br />

meine, es könnte ja sein.<br />

Johann: (überlegt)<br />

Strapinski? - Strapinski? einen Moment bitte - Strapinski? Ja<br />

richtig, war das nicht der Intimus von Seiner Durchlaucht Prinz<br />

Dagobert?<br />

Nettchen: (mit Herzklopfen)<br />

Sie kennen ihn also? Erzähren Sie doch von ihm.<br />

Johann: (spielt sich auf)<br />

Ja, wie war das doch. Der Graf war ein Jugendfreund von<br />

Seiner Durchlaucht und die beiden Herren hatten durchaus<br />

dieselben Ambitionen.<br />

17


Nettchen:<br />

Was für Ambitionen?<br />

Johann:<br />

Gutes Essen und Trinken. - Sehr gutes Essen und<br />

auserlesenes Trinken. - Dann das Glückspiel - und natürlich die<br />

Weiber.<br />

Nettchen:<br />

Ach!<br />

Johann: (nun vollends im Zug, kostet er die Aufmerksamkeit aus)<br />

Ja, ich entsinne mich noch an eine kleine Ballettratte, auf die<br />

war der Graf ganz versessen. Er hat sie seiner Durchlaucht<br />

dem Prinzen Dagobert ausgespannt, und es wäre beinahe zu<br />

einem Duell zwischen den Herren gekommen. Aber dann<br />

haben sie sich wieder versöhnt und beide großmütig verzichtet,<br />

denn die Kleine war inzwischen mit einem Husarenleutnant<br />

durchgebrannt. Das Versöhnungsgelage hat zwei Tage und<br />

zwei Nächte gedauert.<br />

Nettchen:<br />

Das ist ja schrecklich.<br />

Johann:<br />

Später habe ich den Grafen noch einmal wieder gesehen. - Da<br />

brauchte er sich die Haare nicht mehr zu färben, weil er keine<br />

mehr hatte, ging an zwei Stöcken und wackelte mit dem Kopf.<br />

(mimt das)<br />

Nettchen:<br />

Um Himmelswillen! Was erzählen Sie da? Wann ist denn das<br />

gewesen?<br />

Johann:<br />

Das kann gut und gerne seine zwanzig Jahre her sein.<br />

Nettchen:<br />

Zwanzig Jahre? - Ach du liebe Güte, hatte ich einen Schrecken.<br />

Johann:<br />

Das tut mir Leid, gnädiges Fräulein. Übrigens fällt mir ein, der<br />

Graf hieß gar nicht Strapinski, nein, Gablonski oder so ähnlich.<br />

Nettchen: (befreit)<br />

Mag er geheißen haben wie er will, was geht mich dieser wüste<br />

Mensch an. - Fertig, Rosi?<br />

Rosi:<br />

Sogleich, Fräulein Nettchen.<br />

Johann:<br />

Hat das gnädige Fräulein noch Befehle?<br />

Nettchen:<br />

Nein, danke, Johann. Sie können gehen.<br />

Johann:<br />

Sehr wohl. (ab)<br />

Rosi:<br />

So. - Einen Augenblick, nur noch abbürsten, Fräulein Nettchen<br />

Nettchen; (streckt und dehnt die Arme).,<br />

Ach Rosi, mir ist heute so leicht und fröhlich zumut, ich könnte<br />

die ganze Welt umarmen. Kennst du das Gefühl?<br />

Rosi:<br />

Freilich. So ist mir's immer, wenn ich verliebt bin. (trällert)<br />

Dann ist der Himmel so blau, so blau,<br />

und die Sonn scheint so schön, so schön -<br />

Nettchen: (glaubt, was sie sagt)<br />

Unsinn, verliebt! In wen sollte ich verliebt sein? Das ist nur, weil<br />

ich wieder daheim bin. Komm, du, lass uns eins tanzen. Ja?<br />

(Sie tanzen eire paar Schritte. Amtsrat kommt.)<br />

Amtsrat:<br />

Ei, immer feste im Takt, da möchte man ja mit<strong>machen</strong>.<br />

(Nettchen bei ihm) Es ist doch gut, dass wieder junges Leben<br />

im Haus ist. Es war die Jahre über gar so einsam für mich.<br />

18


Nettchen: (auch das glaubt sie)<br />

Ja, Vater. Und jetzt bleibe ich für immer bei dir.<br />

(Rosi ab.)<br />

Amtsrat:<br />

Für immer? Das ist ein großes Wort. Nein, Kind, so egoistisch<br />

bin ich nicht. Aber ein paar Jahre lang möchte ich mein<br />

Töchterchen gern für mich behalten.<br />

Nettchen:<br />

Und mir gefällt's so gut hier draußen auf dem Land. Keine<br />

engen Gassen, kein Hasten und Lärmen, Licht und Luft überall<br />

und dazu unsere schönen Berge.<br />

Amtsrat:<br />

Wenn dir's nur nicht zu einsam wird mit der Zeit.<br />

Nettchen:<br />

Ich hab ja dich. Du, Vater, hör doch mal! –<br />

(Schlittenglocken, Peitschengeknall, Lachen, Stimmen.)<br />

Amtsrat:<br />

Es scheint, da kommt Besuch. Ein Angriff auf meinen<br />

Weinkeller, Nettchen. Das haben die Herren sich so angewöhnt<br />

während meiner einsamen Jahre.<br />

Nettchen:<br />

Und warum sollten sie es nicht beibehalten? Ich freue mich<br />

doch auch über fröhliche Gäste.<br />

Amtsrat:<br />

Nun ja, bisher waren es ausgesprochene Herrenpartien,<br />

eigentlich nichts für junge Mädchen. Aber in Zukunft werden wir<br />

die Herren bitten, auch ihre Damen mitzubringen.<br />

Johann:<br />

Stadtschreiber Böhni, Kaufmann Klinkhard, Herr Meier und ein<br />

fremder Herr wünschen den Herrschaften ihre Aufwartung zu<br />

<strong>machen</strong>.<br />

Amtsrat:<br />

Nur herein mit ihnen.<br />

(Die Genannten treten ein, Begrüßung, Strapinski bescheiden im<br />

Hintergrund.)<br />

Meine Herren, ich beglückwünsche sie und mich zu der<br />

ausgezeichneten Idee, uns hier in unserer Abgeschiedenheit zu<br />

überfallen. Vor allem aber freue ich mich, dass Sie, Graf<br />

Strapinski, uns die Ehre geben.<br />

Meier: (erfreut)<br />

Ja, denken Sie, lieber Amtsrat, welch ein Zufall. Wir wollten den<br />

Grafen zu dieser Partie auffordern, er war aber nicht<br />

aufzufinden. So fuhren wir ohne ihn los. Aber gerade an der<br />

Stelle wo der Weg hierher von der Straße abbiegt, trafen wir ihn<br />

einsam durch den Schnee stapfend.<br />

Böhni: (höhnisch)<br />

Er ging, als wolle er heute noch das Ende der Welt erreichen.<br />

Meier: (arglos)<br />

Ja, er sah nicht rechts und nicht links. Und er erschrak förmlich,<br />

als wir ihn anriefen. Er wollte auch nicht mit uns kommen.<br />

Klinkhard: (Unterfon der Schadenfreude)<br />

Erst als Herr Böhni ihn fragte, ob er sich nicht getraue, den<br />

Schlitten zu führen, wo doch die Polen als waghalsige Fahrer<br />

bekannt seien, da sprang er auf und nahm die Zügel.<br />

Meier: (begeistert)<br />

Und dann gab's eine Fahrt! Donnerwetter, Donnerwetter! Das<br />

war eine Lust.<br />

Klinkhard: (tut, als ob er nur berichte)<br />

Der Herr Stadtschreiber aber war weiß wie der Schnee,<br />

klammerte sich mit beiden Händen fest und stöhnte immer:<br />

Langsamer! Fahren Sie doch vernünftig!<br />

Böhni: (wegwerfend)<br />

Glauben Sie, ich will mir von nichts und wieder nichts das<br />

Genick brechen?<br />

19


Amtsrat: (mit verbindlichem Humor)<br />

Warum haben Sie den Grafen auch in seiner nationalen Ehre<br />

gekränkt. Dafür mussten Sie büßen. - Mein Kompliment für Ihr<br />

kavaliermäßiges Verhalten, Graf Strapinski.<br />

Nettchen:<br />

Nun sieh einer diese Bescheidenheit. - Aber etwas müssen Sie<br />

mir erklären, Graf. In Ihrer Heimat fährt man doch häufig mit<br />

drei Pferden. Wie wird denn da geschirrt?<br />

Strapinski:<br />

Das ist sehr kompliziert, mein Fräulein, das müsste ich Ihnen<br />

aufzeichnen.<br />

Nettchen:<br />

Hier sind Papier und Stifte. Kommen Sie.<br />

(Beide am kleinen Tisch, Nettchen sitzend, Strapinski stehend,<br />

zeichnend und erklärend.)<br />

Amtsrat:<br />

Und wir werden inzwischen unser gewohntes Spielchen<br />

vorbereiten. Johann, den Bordeaux ins Herrenzimmer. Darf ich<br />

bitten, meine Herren.<br />

(Alle nach hinten ab bis auf Strapinski und Nettchen, die nur ihn<br />

sieht.)<br />

Strapinski:<br />

Die Leine wird also zuerst durch diese Öse geführt, dann hier<br />

herum, so dass sie sich mit der des Mittelpferdes trifft - - aber<br />

Fräulein Nettchen, Sie hören mir ja gar nicht zu.<br />

Nettchen: (wie erwachend)<br />

O doch, ich habe gut aufgepasst. Erst hier herum, dann dort<br />

und - ja, dann so hinüber.<br />

Strapinski: (lächelt)<br />

Ich fürchte, auf diese Weise würden Sie die arme Kreatur<br />

erdrosseln.<br />

Nettchen:<br />

Nun, lassen wir das. Ich versteh's doch nicht. Mit meiner alten<br />

Liese allein komm ich ja ganz gut zurecht. - Hat in Ihrer Heimat<br />

auch jeder Schlitten einen besonderen Namen?<br />

Strapinski: (ablenkend)<br />

Nein. Ich sah aber, dass der Schlitten von Herrn Böhni „Zum<br />

Teich“ heißt. Soll das etwas bedeuten?<br />

Nettchen:<br />

Das bedeutet, dass der Besitzer des Schlittens Geduld hat, und<br />

- wenn es sein muss - dreißig Jahre lang auf sein Glück warten<br />

kann.<br />

Strapinski: (sieht Nettchen bedeutungsvoll an)<br />

So. Nein, das wäre nichts für mich. - Und wie heißt Ihr<br />

Schlitten?<br />

Nettchen:<br />

Fortune. Das Glück.<br />

Strapinski: (bewegt)<br />

Ja, das ist ein schöner Name. Im Glück möchte ich gerne<br />

fahren, mit Ihnen, Fräulein Nettchen. Im Glück ins Glück. -<br />

Verzeihen Sie, halten Sie mich bitte nicht für unbescheiden.<br />

Nettchen: (begeistert)<br />

Aber wieso denn? Ich mag ja auch gerne mit Ihnen fahren. - -<br />

Ich meine, nachdem Ihre Fahrkunst so gelobt wurde, möchte<br />

ich für mich gerne etwas davon profitieren.<br />

Strapinski:<br />

Ach, damit ist es gar nicht so weit her.<br />

Nettchen:<br />

Sie sollten Ihr Licht nicht so unter den Scheffel stellen, Graf<br />

Strapinski. Hierzulande bewertet man die Menschen gern nach<br />

ihrem Auftreten und ihrer äußeren Erscheinung.<br />

Strapinski: (bitter lächelnd)<br />

Das habe ich bereits bemerkt, denn diese Eigentümlichkeit<br />

Ihrer Landsleute hat mich in eine schiefe Situation gebracht. -<br />

Und meine äußere Erscheinung ist zurzeit auch nicht<br />

vollkommen, denn bei der wilden Fahrt vorhin, ist mir an der<br />

Jacke dieser Knopf abgerissen.<br />

20


Nettchen:<br />

Wahrhaftig! Den Schaden werden wir schnell beheben. (holt<br />

Nähzeug)<br />

Strapinski:<br />

Aber, gnädiges Fräulein werden doch nicht selbst - (im<br />

Schneiderelement) bitte geben Sie mir die Nadel und erlauben<br />

Sie mir gütigst die Jacke auszuziehen -<br />

Nettchen:<br />

Aber Herr Graf, was fällt Ihnen ein, das gäbe eine schöne<br />

Näherei mit Ihren ungewohnten Händen! Ich könnte ja Rosi<br />

rufen, aber die wird in der Küche alle Hände voll zu tun haben.<br />

Da müssen Sie mir schon erlauben. - (näht) So, gleich sitzt er<br />

wieder fest.<br />

Strapinski:<br />

Nicht zu fest, sonst lässt er sich nicht knöpfen.<br />

Nettchen: (übermütig)<br />

Hu, welche Sachkenntnis. Die sollte man so einem feinen Herrn<br />

gar nicht trauen.<br />

Strapinski: (bedächtig)<br />

Vielleicht ist der Herr gar nicht so fein, wie es scheint. (nimmt<br />

sich ein Herz) Fräulein Nettchen, ich möchte Ihnen gerne etwas<br />

sagen -<br />

(Musik klingt leise, Geige oder Leierkasten.)<br />

Nettchen:<br />

Still! Hören Sie? Das ist der blinde Sepp. So lange habe ich den<br />

nicht mehr gehört.<br />

(Nettchen immer noch am Knopf beschäftigt, wiegen sich beide im<br />

Takt leise hin und her. Dann legt Strapinski sehr leicht den Arm um<br />

Nettchen und sie fangen wie unbewusst an zu tanzen. Langsam,<br />

leicht und schwebend. - Nach einiger Zeit kommt Böhni.)<br />

Böhni: (als habe er nichts gesehen)<br />

Ich wollte nur mal nachschauen, wo Sie bleiben Herr Graf. - (tut<br />

überrascht) O, welches Idyll, hoffentlich störe ich nicht.<br />

Nettchen: (tritt verstört etwas zurück)<br />

Wie bitte? Ach, Sie sind's, Herr Böhni, nein, Sie stören nicht.<br />

Graf Strapinski zeigte mir nur eben einige neue Tanzschritte,<br />

wie sie neuerdings in Paris Mode werden.<br />

Strapinski:<br />

Vorsicht, Fräulein Nettchen, der Faden!<br />

Nettchen:<br />

Ach ja, ich muss rasch eine Schere holen.<br />

Strapinski:<br />

Nicht nötig, bemühen Sie sich nicht. (beißt den Faden ab)<br />

Böhni: (betont)<br />

Eine zünftige Bewegung, Herr Graf. Fast wie bei einem<br />

gelernten Schneider.<br />

Nettchen: (scharf)<br />

Das ist eine ganz dumme Bemerkung, Herr Stadtschreiber. Der<br />

Herr Graf wollte mir nur den Weg um die Schere ersparen.<br />

Böhni: (verbindlich)<br />

Es ist zweifellos sehr höflich, sich deshalb die Zähne zu<br />

strapazieren. - Aber weshalb ich hereinkam, Graf Strapinski.<br />

Sie werden drüben als vierter Mann beim Spiel gebraucht. Ich<br />

habe heute Pech und möchte einige Runden aussetzen.<br />

Strapinski: (mit Blick auf Nettchen)<br />

Das tut mir Leid.<br />

Böhni: (gemein)<br />

Ihre Teilnahme ehrt mich. Aber gehen Sie nur hinüber, die<br />

Herren warten schon ungeduldig auf Sie. Ich werde inzwischen<br />

gerne Fräulein Nettchen Gesellschaft leisten.<br />

(Strapinski ab.)<br />

21


Nettchen: (eisig)<br />

Zu gütig. Aber meine Hausfrauenpflichten lassen mir keine Zeit<br />

zu einem Plauderstündchen.<br />

Böhni: (mit der ihm möglichen Wärme)<br />

Ihre Hausfrauenpflichten schienen Sie bis eben nicht sehr zu<br />

bedrücken, Fräulein Nettchen. Was dem Grafen recht war,<br />

dürfte mir als altem Freund des Hauses wohl billig sein.<br />

Nettchen: (einer Anstandspflicht genügend)<br />

Nun also, setzen wir uns für ein paar Minuten. - Wie geht s Ihrer<br />

Frau Mutter, Herr Stadtschreiber?<br />

Böhni:<br />

Sie wartet sehnsüchtig auf die Schwiegertochter, die ich ihr ins<br />

Haus bringen soll, denn die Arbeit in dem großen Haus wird ihr<br />

nun bald zu viel. Und Sie wissen ja; sie gehört noch zu der<br />

kraftvollen Generation, die nichts den Dienstboten überlässt,<br />

was sie selbst besser <strong>machen</strong> könnte.<br />

Nettchen: (kurz, sachlich)<br />

Ich weiß. Keine Magd hat es bisher länger als einen Monat bei<br />

ihr ausgehalten.<br />

Böhni:<br />

Das liegt daran, dass das junge Mädchenvolk keinen Ernst und<br />

kein Pflichtgefühl mehr hat. Mit einem Taler Monatsgeld sind<br />

sie nicht mehr zufrieden und dann wollen sie gar noch alle vier<br />

Wochen einen Sonntag frei haben. Und dabei sind sie sogar<br />

frech und geben Widerworte, wenn die Mutter zankt.<br />

Nettchen: (in Böhnis Ton)<br />

Dann haben sie freilich keine Zeit zum Arbeiten, denn Ihre liebe<br />

Mutter zankt doch den ganzen Tag über.<br />

Böhni:<br />

Ja, leider hat sie ein so cholerisches Temperament, dass ich oft<br />

gezwungen bin, mich im Wirtshaus davon zu erholen. Deshalb<br />

habe ich mich nun entschlossen, mir eine Frau zu nehmen,<br />

damit es daheim gemütlicher wird.<br />

Nettchen: (spitz)<br />

Und damit Ihre Mutter einen Blitzableiter hat, wenn Sie im Amt<br />

sind.<br />

Böhni:<br />

Aber Fräulein Nettchen, so dürfen Sie das doch nicht ansehen.<br />

Wenn Sie - - ich meine, wenn die junge Frau erst einmal im<br />

Haus ist, dann wird meine Mutter sicher gerne einen Teil ihrer<br />

Pflichten abtreten.<br />

Nettchen:<br />

Davon bin ich überzeugt. Sie wird nur noch kommandieren und<br />

das arme Schaf darf die Arbeit tun. Es wird ihr nicht anders<br />

gehen, als den Mägden. Nur mit dem Unterschied; dass sie den<br />

Dienst nicht aufsagen kann.<br />

Böhni: (beteuernd)<br />

So weit wird es nie kommen, denn ich bin ja der Herr im Haus<br />

und werde meine Frau zu schützen wissen.<br />

Nettchen: (lächelnd)<br />

Auch gegen die eigene Mutter? Das glauben Sie selber nicht.<br />

Aber wer ist überhaupt die Glückliche, die Sie in Aussicht<br />

genommen haben? Man hat, doch noch gar nichts dergleichen<br />

gehört. Ist sie aus Goldach? Oder aus Seldwyla? Oder gar von<br />

weiter her? Das wäre wohl am günstigsten, denn die hiesigen<br />

jungen Damen kennen die Verhältnisse im Haus zum Teich<br />

Bethesta allzu gut.<br />

Böhni: (erstmals etwas hilflos)<br />

Fräulein Nettchen, ich weiß nicht, wollen Sie mich nicht<br />

verstehen ,oder verstehen Sie mich wirklich nicht.<br />

Nettchen: (tut nur so)<br />

Also, jetzt verstehe ich Sie wirklich nicht.<br />

Böhni: (werbend)<br />

Wissen Sie denn nicht mehr, dass ich Sie schon als ganz<br />

kleines Mädchen immer auf den Schoss genommen und Sie<br />

„meine kleine Frau" genannt hab?<br />

22


Nettchen:<br />

Aber was soll denn das nun wieder heißen? Sie sprechen in<br />

Rätseln, Herr Böhni.<br />

Böhni: (wirkt läppisch)<br />

Und wenn ich Sie fragte: „Was bist du, mein Nettikind?" Dann<br />

antworteten Sie: „Deine kleine Frau."<br />

Nettchen: (amüsiert)<br />

Aber Herr Stadtschreiber, Sie werden doch aus dem dummen<br />

Nachplappern eines Kindes keine Ansprüche herleiten wollen?<br />

Böhni:<br />

Und warum nicht? Ich ließ Ihnen ja Zeit genug, sich an den<br />

Gedanken zu gewöhnen. Gerade deswegen habe ich ja das<br />

Frage- und Antwortspiel mit ihnen wiederholt, bis Sie dann -<br />

leider zur weiteren Erziehung Ihrer Tante übergeben wurden.<br />

Die Erinnerung an mich muss Ihnen doch haften geblieben<br />

sein.<br />

Nettchen:<br />

Da muss ich Sie enttäuschen. Ich habe höchstens einmal<br />

flüchtig an Sie gedacht, wenn Ihr Name beiläufig in Vaters<br />

Briefen auftauchte. Wie hätte ich auch anders, als an einen<br />

guten Onkel an Sie denken sollen. Sind Sie doch zwanzig<br />

Jähre älter als ich.<br />

Böhni:<br />

Achtzehn, Fräulein Nettchen; nur achtzehn.<br />

Nettchen:<br />

Das macht keinen Unterschied. Ich bedaure nur, dass Sie mich<br />

in eine peinliche Lage gebracht haben. (aufstehend) Ich möchte<br />

deshalb das unfruchtbare Gespräch beenden.<br />

Böhni: (will einlenken)<br />

Sie sind erregt, Fräulein Nettchen. Es kam zu überraschend, zu<br />

unvorbereitet. Ich wäre auch nicht so mit der Tür ins Haus<br />

gefallen, wenn ich nicht eben Zeuge der Szene mit Strapinski -<br />

Nettchen: (zu kurz)<br />

Was hat Graf Strapinski damit zu tun? Bitte lassen Sie ihn aus<br />

dem Spiel.<br />

Böhni: (schon wieder gefährlich)<br />

Ich wüsste nicht, was ich lieber täte. Aber der Herr beliebten<br />

seine Karten ins Spiel zu mischen und das werde ich nicht<br />

dulden.<br />

Nettchen: (kämpferisch)<br />

Und ich werde nicht dulden, dass Sie mir nachspionieren oder<br />

mich gar bevormunden. Merken Sie sich das.<br />

Böhni:<br />

Wenn Sie wüssten, wie schön Sie in Ihrem Zorn sind, Nettchen,<br />

dann würden Sie verstehen, dass ich mich hinreißen lasse<br />

(versucht sie an sieh zu reißen)<br />

Nettchen: (laut)<br />

Lassen Sie los! Ich schreie um Hilfe. Loslassen! sag ich.<br />

Strapinski: (noch Karten in der Hand, die er achtlos fortwirft)<br />

Was geht hier vor! Lassen Sie augenblicklich die Dame frei!<br />

(Nettchen klammert sich an ihn. Die andern Herren, Rosi und<br />

Johann.)<br />

Amtsrat: (baff)<br />

Nanu? Was soll denn das heißen? Was geht hier vor?<br />

Böhni: (auch platt)<br />

Eine Lebensrettung, wie Sie sehen, Herr Amtsrat: Der kühne<br />

Ritter befreit die Prinzessin aus der Gewalt des Räubers.<br />

Meier: (auch überrascht)<br />

Gar kein so Vergleich, scheint mir schlechter,<br />

Amtsrat: (bestimmt, dann mit unsicherem Humor)<br />

Nettchen. Hättest du wohl die Freundlichkeit, deine Arme von<br />

dem Halse des Herrn zu lösen, an dem sie meines Erachtens<br />

nichts zu suchen haben. Solltest du jedoch das unbezwingbare<br />

Bedürfnis verspüren, dich an eine männliche Brust zu lehnen,<br />

so stehe ich als dein Vater und naturgegebener Beschützer<br />

gern zur Verfügung.<br />

23


Nettchen: (fällt ihm um den Hals)<br />

Ach Vater.<br />

Amtsrat:<br />

Ach Vater! Mehr weißt du wohl nicht zu sagen, mein Kind.<br />

Vielleicht ist dann der Herr Graf so liebenswürdig, sich zu<br />

dieser merkwürdigen Situation zu äußern.<br />

Strapinski: (still, wie schicksalsergeben)<br />

Herr Amtsrat, ich glaube, wir haben uns lieb Ihre Tochter und<br />

ich.<br />

Amtsrat: (schon etwas geschmeichelt)<br />

So, glauben Sie das? Und was glaubst denn du, mein Kind?<br />

Nettchen:<br />

Ich weiß es ganz sicher, Papa.<br />

Amtsrat:<br />

Nun sieh einer an. Sie weiß es ganz sicher. Er glaubt und sie<br />

weiß. Was soll man nur als Vater dazu sagen?<br />

Strapinski:<br />

Ich weiß ebenfalls ganz sicher, dass ich Ihre Tochter liebe, Herr<br />

Amtsrat. Ich wagte nur nicht zu hoffen, dass auch sie -<br />

Klinkhard: (zu aufdringlich)<br />

Also ist glas nun eine Verlobung oder ist es keine.<br />

Meier: (herzlich)<br />

Das Stichwort ist gefallen, Herr Amtsrat. Jetzt sind Sie an der<br />

Reihe.<br />

Amtsrat: (mit gespieltem Selbstbedauern, dann deutlich stolz)<br />

Ja, das Stichwort ist gefallen. Nur habe ich nicht auf- sondern<br />

abzutreten. Vor noch nicht einer halben Stunde hat diese junge<br />

Dame, die da eben eines jungen Herrn Hand ergreift und<br />

festhält - hat diese junge Dame sage ich, mir mit dem<br />

ehrlichsten Augenaufschlag erklärt, dass sie mich niemals<br />

verlassen wolle. Großmütig habe ich auf dieses selbstlose<br />

Angebot verzichtet und mir nur einige wenige Jahre des<br />

glücklichen Zusammenseins gewünscht. Aber das Schicksal<br />

und das Herz dieses törichten Mädchens gönnen mir nicht<br />

einmal das. - Schon als Schulkind behauptete sie fortwährend,<br />

nur einen Italiener oder Polen, einen großen Pianisten oder -<br />

einen Räuberhauptmann mit schönen schwarzen Locken<br />

heiraten zu wollen. Und nun haben wir die Bescherung. Statt<br />

sich unter den Söhnen der Heimat, wie es sich gehört,<br />

umzutun, träumt sie von der polnischen Wüstenei als dem<br />

ersehnten Paradies. Nun, meinen Segen hat sie, denn man soll<br />

Schlafwandler nicht wecken. - Nehmen Sie meine Tochter, Herr<br />

Graf, und schicken Sie sie mir zurück, wenn sie in Ihrer Polakai<br />

friert und einst unglücklich wird und heult. Ach, was würde ihre<br />

selige Mutter entzückt sein, wenn sie hätte erleben können,<br />

dass ihr verzogener Liebling zu einer Frau Gräfin geworden ist!<br />

Meier:<br />

Das war eine schöne Rede. Darauf müsste man eigentlich<br />

anstoßen.<br />

Amtsrat: (in Stimmung)<br />

Richtig, mein Bester. Lasst uns den Kummer ersäufen und die<br />

Freude begießen. Der erste ist eine derbe, die zweite eine sehr<br />

empfindliche Pflanze. - Johann, hol einen Arm voll Silberhalsige<br />

aus der verstaubtesten Kellerecke. Und nun, ihr zwei glücklich<br />

Verstummten, kehrt auf die Erde und in unsere<br />

glückwunschbereite Mitte zurück. Wir müssen beraten, auf dass<br />

ihr gefeiert werdet, wie es in Goldach der Brauch ist.<br />

Nettchen:<br />

Muss das sein, Papa?<br />

Klinkhard:<br />

Und ob das sein muss! Solange die Verlobung nicht öffentlich<br />

gefeiert wurde, wird sie nicht anerkannt. Das sollten, Sie als<br />

Goldacher Kind doch wissen.<br />

24


Amtsrat:<br />

Wie sich die Meinungen ändern. Wie großartig hat mir der<br />

kleine Fratz früher die künftigen Verlobungs- und<br />

Hochzeitsfeierlichkeiten ausgemalt. Da sollte nicht an Seide,<br />

Spitzen und Gold nicht an Musik und nicht an gutem Essen und<br />

Trinken geknausert werden. Und nun? „Muss das sein, Papa?"<br />

Hahaha!<br />

Strapinski: (bedrückt, ernst)<br />

Ich bitte, Herr Amtsrat. Auch ich liebe kein großes Aufsehen.<br />

Amtsrat:<br />

Tja, das hätten Sie sich früher überlegen müssen, mein lieber<br />

künftiger Schwiegersohn! In Goldach gelten nun einmal<br />

Goldacher Sitten. Und eher beißen sich meine lieben<br />

Landsleute die Zungen ab, als dass sie auf eine Sensation, wie<br />

sie die Verlobung von Amtsrats Nettchen sein wird, verzichten.<br />

Ich schlage deshalb vor, wir feiern heute über acht Tage bei<br />

unserer guten Freundin, der Lammwirtin.<br />

Meier:<br />

Ich bin dabei.<br />

Klinkhard: (überlegend)<br />

Das wird sich <strong>machen</strong> lassen.<br />

Böhni: (sehr beherrscht)<br />

Und ich möchte bitten, den Termin etwas zu verschieben, -<br />

wenn man überhaupt Wert auf meine Teilnahme legt.<br />

Amtsrat:<br />

Ich lege sogar ganz besonderen Wert darauf, Herr<br />

Stadtschreiber. Denn erstens freue ich mich, dass Sie uns trotz<br />

einer begreiflichen Enttäuschung die Treue halten wollen. Zum<br />

andern hatte man wohl schon über gewisse Heiratspläne<br />

Ihrerseits gemunkelt, was nun nicht besser, als durch Ihre tätige<br />

Teilnahme an der Verlobungsfeier dementiert werden kann.<br />

Welchen Termin schlagen Sie also vor?<br />

Böhni:<br />

Leider muss ich in den nächsten Tagen eine kleine Reise<br />

antreten. Danach aber benötige ich einige Zeit für die<br />

Festvorbereitungen. Denn, ich hoffe sehr, dass Sie mir den<br />

Posten des Arrangeurs und des Festleiters zusprechen.<br />

Amtsrat: (glaubt ihm arglos)<br />

Mit dem größten Vergnügen. Und ich muss sagen, Herr<br />

Stadtschreiber, dass mich Ihre Bitte ganz besonders freut, weil<br />

sie Ihrer Großherzigkeit alle Ehre macht.<br />

Böhni: (schlangenhaft)<br />

Jedem nach seiner Art, Herr Amtsrat. Die Goldacher sollen ihr<br />

blaues Wunder erleben.<br />

Klinkhard:<br />

Lassen Sie uns aber nicht zu lange darauf warten.<br />

Böhni: (Herr der Lage)<br />

Nicht länger als nötig. Ich schlage vor - ja, das ginge - also ich<br />

schlage den Freitag, den 13. vor.<br />

Meier:<br />

Ein seltsames Datum.<br />

Strapinski:<br />

Warum nicht einen Tag früher oder später?<br />

Böhni: (verrucht sanft)<br />

Sind Sie abergläubisch, Herr Graf? Oder haben Sie ein<br />

schlechtes Gewissen?<br />

Meier:<br />

Na, na, was soll denn das heißen?<br />

Böhni: (rasch)<br />

Es hat also niemand etwas dagegen einzuwenden? Dann kann<br />

ich für diesen Tag die Einladungen verschicken. Möchten Sie<br />

mir bitte recht bald eine Liste der Gäste zuschicken, Fräulein<br />

Nettchen.<br />

Nettchen:<br />

Das ist doch Papas Sache.<br />

25


Amtsrat:<br />

Die ich gerne den berufenen Händen des Stadtschreibers<br />

überlasse. Aber nun wollen wir endlich auf unser Brautpaar<br />

anstoßen! Wo bleibt denn der Johann? Rosi, schau mal nach,<br />

wo er steckt.<br />

(Rosi öffnet die Türe weit, da steht Johann, die Sektflasche am<br />

Mund, taumelt flaschenschwingend herein.)<br />

Johann:<br />

Heißa! Wir - wir feiern Ver - Verlobung! Hoch lebe das glück -<br />

das glückliche Paar!<br />

(Vorhang)<br />

3. AKT<br />

Wirtsstube wie im 1. Akt, mit künstlichen Girlanden ausgeputzt.<br />

Wirtin, Anna, Regine.<br />

Wirtin:<br />

Aber so hören Sie doch zu, Anna. Sie sind so konfus, als ob<br />

Ihre eigene Verlobung gefeiert werden sollte.<br />

Anna:<br />

Soll ich mich nicht freuen? Endlich hab ich mal wieder ein<br />

richtiges Festmahl kochen können.<br />

Regine:<br />

Und dass das Fräulein Nettchen sich mit dem Grafen Strapinski<br />

und nicht mit Herrn Böhni verlobt, das ist ganz besonders nett<br />

von ihr, nicht wahr, Anna?<br />

Anna :<br />

Ich verbitte mir diese Anzüglichkeiten. Was geht mich Herr<br />

Böhni an!<br />

Wirtin:<br />

Na, na, Anna. Wir sind ja nicht blind. Immer stecken Sie mit<br />

dem Herrn Stadtschreiber zusammen.<br />

Anna:<br />

Das ist nur wegen dem <strong>Theater</strong>spiel zur Verlobungsfeier.<br />

Regine:<br />

Das ist wahr. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, weil die<br />

Anna laut ihre Rolle lernt.<br />

Wirtin:<br />

Der Herr Stadtschreiber hätte auch was Gescheiteres tun<br />

können, als die Anna theaterspielen zu lassen. Sie hat Flausen<br />

genug im Kopf. - Regine, wo sind denn die vielen Blumen, die<br />

geschickt wurden?<br />

Regine:<br />

Die hab ich auf den Gabentisch im Festsaal gestellt.<br />

Wirtin:<br />

Gut. Ich will's mir dann mal ansehen.<br />

(Die Mädchen ab.)<br />

Ah, da kommt ja Herr Böhni als Erster der Gäste. Die<br />

Herrschaften sind noch auf ihren Zimmern, werden aber gleich<br />

erscheinen.<br />

Böhni: (im Vorgefühl seines Triumphes)<br />

Ich bin noch nicht als Gast da, Frau Häberlin, sondern als<br />

Vergnügungsleiter. Für unser <strong>Theater</strong>stück habe ich zwei<br />

Männer mitgebracht, einen Schuster und einen Kutscher, sie<br />

sitzen unten in der Kutscherstube. Mit Fräulein Anna hätte ich<br />

gerne noch einmal gesprochen.<br />

Wirtin:<br />

Da wird nichts draus, die hat in der Küche zu tun. Sie haben sie<br />

mir schon verrückt genug gemacht mit Ihrem <strong>Theater</strong>stück.<br />

Böhni: (händereibend)<br />

Es wird für alle eine große Überraschung werden.<br />

26


Wirtin: (mit Spott)<br />

Ich hätte gar nicht gedacht, dass es Ihnen so viel Vergnügen<br />

<strong>machen</strong> würde, Fräulein Nettchens Verlobung auszugestatten.<br />

Wir alle glaubten, dass Sie - nun ja, was man so redet.<br />

Böhni: (unterdrückt böse)<br />

Hat man geredet? Nun, dann soll man heute noch mehr zu<br />

reden kriegen!<br />

(Amtsrat mit Nettchen.)<br />

Wirtin:<br />

Meinen herzlichen Glückwunsch Fräulein Nettchen, - Herr<br />

Amtsrat. Und wie das Bräutchen glüht - wie eine Rose.<br />

Böhni: (aalglatt)<br />

Und ich werde mir Mühe geben, diesen Tag zu einem<br />

unvergesslichen für Sie zu <strong>machen</strong>, Fräulein Nettchen.<br />

Nettchen: (die überhört, strahlend)<br />

Der schönste Tag meines Lebens, Herr Böhni.<br />

Amtsrat:<br />

Wo ist Graf Strapinski?<br />

Wirtin:<br />

Auf seinem Zimmer. Ich lasse ihn gleich rufen.<br />

Böhni: (verschlagen)<br />

Der Glückliche. Fast könnte ich ihn beneiden. Aber so<br />

verwegen bin ich nicht, mich mit einem echten Grafen messen<br />

zu wollen.<br />

Nettchen: (was hat er vor?)<br />

Ich versteh Sie nicht.<br />

Böhni: (lächelnd)<br />

Sie werden mich bald verstehen, Gnädigste. Zerbrechen Sie<br />

sich nur nicht vorzeitig Ihr reizendes Köpfchen.<br />

Amtsrat: (sachlich)<br />

Sie haben die Regie der Verlobungsfeier übernommen. Darf<br />

man das Programm wissen?<br />

Böhni:<br />

Festessen und Empfang sind im Festsaal, wo sich die Gäste<br />

bereits versammeln. Für den kleinen Freundeskreis habe ich<br />

zuvor eine kleine Überraschung hier im Herrenstübchen<br />

vorbereitet, die gleich ihren Anfang nehmen wird.<br />

(Meier und Klinkhard)<br />

Meier:<br />

Hier sind sie alle? Im Saal droben wartet man schon auf das<br />

Brautpaar. Sie haben uns herbitten lassen; Herr Böhni?<br />

Böhni:<br />

Um Sie alle erst mal in die rechte Stimmung zu bringen. Aber<br />

die Hauptperson fehlt noch.<br />

(Strapinski kommt, begrüßt Nettchen, dann die andern.)<br />

Amtsrat:<br />

So, nun können wir wohl nach oben gehen. Wir wollen die<br />

Gäste nicht warten lassen.<br />

Wirtin:<br />

Es fehlen noch einige. Aber die Stimmung ist gut. Die Musik<br />

spielt zur Unterhaltung.<br />

Böhni:<br />

Dann wollen wir uns hier auch unterhalten. Ich bitte die Stühle<br />

in eine Reihe zu stellen. Gleich bin ich wieder da. (ab)<br />

(Die Herren und die Wirtin ordnen die Stühle schräg zum Publikum,<br />

auf der linken Bühnenseite. Brautpaar im Vordergrund.)<br />

Nettchen:<br />

Ach Lieber, ich bin j a so glücklich.<br />

Strapinski: (sehr erregt, doch leise)<br />

Nettchen, ich muss dich einen Augenblick allein sprechen.<br />

(zieht sie nach rechts vorne)<br />

Nettchen:<br />

Wir haben ein ganzes Leben vor uns, in dem wir uns sagen<br />

können, wie lieb wir uns haben.<br />

27


Strapinski:<br />

Ja, Nettchen. Aber ich muss dir etwas sagen, was mich, was<br />

uns beide betrifft. Es hätte schon längst geschehen müssen;<br />

aber ich habe den Mut nicht gehabt. Aber jetzt weiß ich, dass<br />

du mich von Herzen lieb hast und da darf es keine<br />

Geheimnisse und Unklarheiten zwischen uns geben.<br />

Nettchen:<br />

Du erschreckst mich. Um was handelt es sich denn?<br />

Strapinski: (rasch)<br />

Dass ich kein Pole, sondern Schlesier bin, habe ich dir schon<br />

erzählt.<br />

Nettchen:<br />

Nun ja. Und was weiter?<br />

Strapinski:<br />

Ich habe aber keine Papiere, um mich ausweisen zu können.<br />

Die waren ja in dem Bün - ich meine in dem Gepäck, das der<br />

Kutscher aus Versehen mitgenommen hat.<br />

Nettchen:<br />

Ich dachte, die hättest du dir inzwischen wieder beschafft?<br />

Strapinski:<br />

Ja - nein - das heißt, sie würden nicht viel nützen. Nettchen, ich<br />

muss es dir jetzt sagen. Ich bin in Wirklichkeit -<br />

Böhni: (laut)<br />

So. Ich bitte die Herrschaften Platz zu nehmen. Das Brautpaar<br />

kommt in die Mitte, wie es sich gehört. Also, wir können<br />

anfangen.<br />

Das Spiel<br />

Er: Schwedler. Sie: Anna. Nachbar: Kutscher. Er und Sie treten<br />

auf. Das Publikum, vor allem Strapinski erlebt, wirklich mit: Zuerst<br />

amüsiert, dann die Tücke spürend, usw.<br />

Er:<br />

Jetzt sind allein wir, liebe Braut<br />

Heut wurdest du mir angetraut.<br />

Nun sage jetzt mir auf der Stell,<br />

Hast du mich lieb als Trautgesell?<br />

Bist mir im Herzen treu und brav?<br />

Sie.:<br />

Ich liebe dich, mein lieber Graf<br />

Aus aller Kraft in meinem Herzen.<br />

Glaub mir, ich wage nicht zu scherzen.<br />

Mein Lieben dauert alle Zeit<br />

Und länger als die Ewigkeit.<br />

Mein Leben will ich mit dir teilen.<br />

Er:<br />

Ach, lass uns länger noch verweilen<br />

Zu plaudern von der Liebe Wesen.<br />

Wie kam's, dass du mich auserlesen?<br />

Sie:<br />

Es war, ich sag es dir ganz offen<br />

Als hätt ein Blitz mein Herz getroffen,<br />

Da ich dich sah in jener Stunde,<br />

Als offenbar mir ward die Kunde<br />

Du seiest edel von Geblüt,<br />

Wie man's auch gleich am Mantel sieht.<br />

Er:<br />

Mein liebes Herze, sag mir an,<br />

28


Ganz können wir Ihnen diesen<br />

Spieltext hier nicht geben. Ist doch<br />

klar, oder?! Wenn Sie dieses Stück<br />

spielen wollen – rufen Sie uns an:<br />

<strong>Impuls</strong>-<strong>Theater</strong>-Verlag<br />

Tel.: 089 / 859 75 77<br />

Dann besprechen wir alles weitere!<br />

29

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