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s-0042-101873
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Leitlinie 161<br />
Genaue Zeitfenster für Notfallinterventionen bei ambulant erworbener<br />
Pneumonie wurden bisher nicht definiert. Eine Orientierung<br />
geben Studien und resultierende Leitlinienempfehlungen<br />
zur Sepsis [92]. Die Einleitung einer adäquaten Antibiotikatherapie<br />
sollte bei diesen Patienten schnellstmöglich (bei der schweren<br />
Sepsis mit Organversagen und beim septischen Schock idealerweise<br />
innerhalb der ersten Stunde), d.h. direkt nach Abnahme<br />
von Blutkulturen ohne Verzögerung durch weitere diagnostische<br />
Maßnahmen erfolgen [90, 91,95, 125,131]. Die aktuellen internationalen<br />
und nationalen Sepsisleitlinien empfehlen die Implementierung<br />
sogenannter Sepsisbündel für das Management dieser<br />
Patienten (● " Tab.6) [92, 93]. Als zentrale Maßnahmen sollen<br />
die Einleitung eines raschen Volumenmanagements und einer<br />
adäquaten kalkulierten antimikrobiellen Therapie innerhalb von<br />
einer Stunde sowie eine Erfolgskontrolle und ggf. der Beginn<br />
einer Vasopressortherapie bei persistierender Hypotension innerhalb<br />
der ersten sechs Stunden abgeschlossen sein (siehe Kapitel<br />
5.5). Eine Reihe von aktuellen Studien sowie eine Metaanalyse<br />
zeigten, dass ein konsequentes Umsetzen dieser Bündel mit einer<br />
signifikant geringeren Sepsissterblichkeit einhergeht [110, 128,<br />
129, 132 –137]. Auch in Deutschland konnte durch Implementierung<br />
einer strukturierten Diagnostik und eines adäquaten Sepsismanagements<br />
in der Notaufnahme bei Patienten mit ambulant<br />
erworbener Pneumonie die Prognose verbessert werden [132].<br />
Das hier eingeführte Konzept der Pneumonie als Notfall [139]<br />
trägt folgenden Tatsachen Rechnung:<br />
a) die Letalität bei Patienten mit Schweregradkriterien, die eine<br />
Hospitalisation begründen, ist hoch (ca. 8% in den CRB-65<br />
Klassen 1–2 bzw. 25 –30 % in den CRB-65 Klassen 3–4),<br />
b) nicht alle hospitalisierten Patienten mit schwerer Pneumonie<br />
(Kriterien: Notwendigkeit einer Beatmung und/oder der Gabe<br />
von Vasopressoren) erfüllen diese Kriterien bereits bei Aufnahme.<br />
Vielmehr kann sich ein solcher Notfall innerhalb von<br />
3–7 Tagen entwickeln; gerade bei den Patienten mit Entwicklung<br />
einer schweren Pneumonie im Verlauf ist die Letalität<br />
am höchsten [110, 104],<br />
c) das Letalitätsrisiko der ambulant erworbenen Pneumonie<br />
wird unterschätzt,<br />
d) die Möglichkeit einer Reduktion der Letalität durch die Erkennung<br />
und Behandlung von Patienten mit Schweregradkriterien<br />
bzw. Organdysfunktion ist belegt [110].<br />
4.5 Welche zusätzlichen Patienten sollten eine<br />
intensivierte Überwachung bzw. Therapie erhalten?<br />
E9 Patienten der Gruppen 1a und 1b mit instabilen Komorbiditäten<br />
oder ≥1 Minorkriterien sollen intensiviert überwacht werden.<br />
Dazu sollen Vitalparameter und Organfunktion bis zur klinischen<br />
Stabilität regelmäßig reevaluiert werden. Starke Empfehlung,<br />
Evidenz B.<br />
Wie oben ausgeführt besteht für Patienten mit ambulant erworbener<br />
Pneumonie und instabilen Komorbiditäten ein erhöhtes<br />
Letalitätsrisiko (siehe 4.2.1).<br />
Auch Patienten mit Minorkriterien, welche die oben genannten<br />
Kriterien für eine ambulant erworbene Pneumonie als Notfallerkrankung<br />
(Majorkriterien oder systemische Hypotension oder<br />
Präsenz von > 2 Minorkriterien) nicht erfüllen, tragen ein erhöhtes<br />
Risiko für Komplikationen. So konnte in einer Studie gezeigt<br />
werden, dass bei Patienten, welche aufgrund fehlender initialer<br />
Indikation einer direkten Verlegung auf Intensivstation erst im<br />
Tab. 6 Sepsisbündel (modifiziert nach [90, 92, 110, 125].<br />
Sepsisbündel<br />
Schnellstmöglich abgeschlossen<br />
innerhalb von 3 Stunden<br />
Abgeschlossen<br />
innerhalb von 6 Stunden<br />
Laktatbestimmung<br />
Gabe von Vasopressoren, wenn<br />
kein Ansprechen auf Volumengabe<br />
Entnahme von Blutkulturen Wiederholung der Laktatmessung,<br />
wenn initial erhöhte Werte<br />
intravenöse Gabe einer adäquaten<br />
Breitspektrum-Antibiotikatherapie<br />
(möglichst innerhalb der ersten<br />
Stunde)<br />
bei arterieller Hypotension oder<br />
Laktaterhöhung rasche intravenöse<br />
Gabe von Kristalloiden<br />
Verlauf des stationären Aufenthaltes intensivpflichtig wurden,<br />
ein Anstieg der Minorkriterien von im Mittel 2 auf 4 zu verzeichnen<br />
war. Diese Patienten wiesen eine signifikant erhöhte Letalität<br />
(51 % vs. 20 %) im Vergleich zu denen auf, welche direkt intensivmedizinisch<br />
betreut wurden [87].<br />
Es lassen sich demnach zusätzlich zwei Patientengruppen definieren,<br />
welche einer intensivierten Überwachung und Therapie<br />
im Krankenhaus bedürfen, ohne dass die Kriterien einer Pneumonie<br />
als Notfall erfüllt wären [60, 73,125, 127, 131,132].<br />
▶ Patienten mit instabilen oder potenziell dekompensierenden<br />
Komorbiditäten und<br />
▶ Patienten mit ≥1 Minorkriterien<br />
4.6 Welches Monitoring ist bei Patienten angezeigt, die<br />
einer intensivierten Überwachung bedürfen?<br />
E10 Über das (selbstverständliche) Monitoring von Patienten<br />
mit Notwendigkeit einer Beatmung und/oder einer Vasopressortherapie<br />
hinaus sollen alle hospitalisierten Patienten mit<br />
Schweregradkriterien nach CRB-65, akuter bzw. akut-auf-chronischer<br />
respiratorischer Insuffizienz und/oder dekompensierter<br />
Komorbidität, sofern sie keiner begründeten und konsentierten<br />
Limitation des Therapieziels unterliegen, ein Monitoring der<br />
Vitalparameter und der Organfunktionen erhalten. Starke Empfehlung,<br />
Evidenz B.<br />
E11 Insbesondere alle Patienten mit kardialer Komorbidität<br />
sollen ein symptombezogenes kardiales Monitoring erhalten.<br />
Starke Empfehlung, Evidenz B.<br />
E12 Bei allen Patienten soll auf Pneumonie-assoziierte Komplikationen<br />
geachtet werden (komplizierter parapneumonischer<br />
Erguss bzw. Empyem, Abszess). Starke Empfehlung, Evidenz B.<br />
4.6.1 Evaluation des Pneumonieverlaufs<br />
Eine intensivierte Überwachung kann, abhängig vom klinischen<br />
Zustand des Patienten, entweder auf einer Intermediate-care-<br />
Station (IMC) oder personell und technisch dafür ausgestatteten<br />
Station erfolgen (geeignete Überwachungsoptionen bis hin zur<br />
kontinuierlichen Monitorisierung oder Telemetrie).<br />
Eine intensivierte Überwachung sollte mindestens eine tägliche<br />
Evaluation der Vitalparameter (Oxymetrie, Atemfrequenz, Blutdruck,<br />
Herzfrequenz, Temperatur, Bewusstseinsstatus) umfassen,<br />
zudem eine Evaluation der Organfunktionen.<br />
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Ewig S et al. Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention – Update 2016 … Pneumologie 2016; 70: 151–200