als Datei - Freie Waldorfschule Heidelberg
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Inhalt<br />
...der Festschrift 25 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
04<br />
Was will die <strong>Waldorfschule</strong>?<br />
„Die Kinder in Ehrfurcht empfangen, in Liebe erziehen,<br />
in Freiheit entlassen“<br />
05 Beginn der Waldorfschulbewegung – Rudolf Steiner<br />
06 Ansprache Udo Weidenhammer vom 17. Oktober 2007<br />
12<br />
Grußworte<br />
12 Dr. Eckard Würzner, Oberbürgermeister<br />
13 Helmut Rau, MdL, Minister für Kultur, Jugend und Sport<br />
14 Hartwig Schiller, Vorstand, Bund der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
15 Theresia Bauer, Bündnis 90 – die Grünen, MdB<br />
16 Klaus Billing, für den Waldorfkindergarten <strong>Heidelberg</strong> e.V.<br />
17 Lothar Binding, SPD, MdB, früher im Gemeinderat <strong>Heidelberg</strong><br />
18 Thomas Demele, Pfarrer der Christengemeinschaft<br />
19 Joachim Gerner, Bürgermeister für Familie, Soziales und Kultur<br />
20 Michael Therapeutikum<br />
21 Dr. Ursula Lorenz,Vorsitzende der FWV <strong>Heidelberg</strong><br />
22 Roland Marsch, Bürgermeister Edingen-Neckarhausen<br />
23 Werner Pfi sterer, Landtagsabgeordneter des Wahlkreises <strong>Heidelberg</strong><br />
24 Albert Schmelzer, <strong>Freie</strong> Hochschule für anthropos. Pädagogik Mannheim<br />
26 Dr. Anke Schuster, SPD, Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion<br />
27 Günther Trapp, 1. Vorsitzender Stadtteilverein Wieblingen<br />
28 Partnerschule <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> Russland<br />
29 Olja Lewkowets, ehemalige Austauschschülerin<br />
30 Christof Wiechert, für die Anthroposophische Gesellschaft Dornach<br />
32<br />
Anfänge<br />
„Ein Einzelner hilft nicht, sondern wer sich mit vielen<br />
zur rechten Stunde vereinigt“<br />
32 Gründung, Interview mit Angelika Sauer<br />
36 Schulgeschichte, Walter Schlegel
38<br />
Leben und Lernen<br />
„Keine Erziehung ohne Beziehung“<br />
38 Schulabgänger, Christian Majenz<br />
40 Schulabgänger, Johannes Steudle<br />
42 “Wege zum Bildungsglück”, Matthias Fechner<br />
48 “<strong>Waldorfschule</strong> und Religion”, Thomas Demele<br />
50 Jahresarbeiten 8. und 12. Klasse<br />
54 Bas<strong>als</strong>tufe, Sabine Zund<br />
56 Kunsttherapie, Ellen Fischer<br />
58 Eurythmie, Helene Kilders<br />
60 Betriebspraktikum 10. Klasse, Sonja Hecht-Jäckel<br />
62 Freundeskreis, Gildard Huppmann<br />
64 Kindertagesstätte, Doris Weidenhammer<br />
66 Neuer Sportplatz, Thomas Diener<br />
67 Shakespeare‘s Best<br />
68 „Das Tier <strong>als</strong> guter Lehrer“, Alph Lehmann<br />
70 Bibliothek<br />
72<br />
Ausblicke: <strong>Waldorfschule</strong> aktueller denn je<br />
„Wir brauchen die Authentizität der Erziehungskunst“<br />
72 Ganztagsschule heute und in Zukunft, Antje Frohmuth<br />
76 Schulträgerorgan (STO), Matthias Optiz<br />
78 Toleranz und globales Lernen, Albert Schmelzer<br />
82 Vortrag Christof Wiechert<br />
85 Schule in der Presse und ihre Öffentlichkeitsarbeit<br />
88<br />
Zahlen, Daten, Fakten, Impressum<br />
88 Liste Klassenspiele<br />
90 Abiturstatistik<br />
92 Buchempfehlungen Bibliothek<br />
93 Impressum
Wie alles begann<br />
Zeitgemäße Erziehung in der Zigarettenfabrik<br />
Die erste <strong>Waldorfschule</strong> wurde am 7. September<br />
1919 in Stuttgart für die Arbeiterkinder der Waldorf-Astoria<br />
Zigarettenfabrik er öff net. Emil Molt<br />
(1876 - 1936), Inhaber der Zigarettenfabrik, war davon<br />
überzeugt, dass vor allem Kinder seiner Mitarbeiter<br />
eine zeitgemäße Erziehung erhalten sollten.<br />
Im März 1919 brachte er bei einer Betriebsratssitzung,<br />
an der auch Rudolf Steiner teilnahm, seine<br />
Idee vor. Er forderte daraufhin Rudolf Steiner auf,<br />
die Leitung dieser neu zu gründenden Schule zu<br />
übernehmen.<br />
Vorwort 5<br />
Rudolf Steiner (1861 - 1925)<br />
… hatte in Wien vor allem Naturwissenschaften,<br />
aber auch Philo sophie, Geschichte und deutsche<br />
Literatur studiert. Er hatte jahrelang die He-<br />
rausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften<br />
Goethes betreut. Nach dem verlorenen Weltkrieg<br />
setzte er sich für eine neue soziale Ordnung ein.<br />
Im Rahmen der Schulgründung befasste er sich<br />
mit einer ganzheitlichen Menschenkunde und<br />
Pädagogik. Seine erweiterte Sicht vom Menschen<br />
bestimmte viele Lebensbereiche, so die anthroposophisch<br />
orientierte Medizin, die biologischdynamische<br />
Landwirtschaft, die Eurythmie,<br />
Sprachgestaltung und auch ein erneuertes Bankwesen.
6<br />
Vorwort<br />
Kenntnisreich, aber erfahrungsarm:<br />
Macht Schule unsere Kinder krank?<br />
Vortrag Udo Weidenhammers anlässlich der 25-Jahr-Feier am 17.10.2007<br />
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste,<br />
Eltern, Kolleginnen und Kollegen,<br />
Schulen werden in erster Linie für junge Menschen<br />
gebaut, denn in euch, liebe Schülerinnen<br />
und Schüler, liegt die Zukunft. Wir wissen, dass<br />
Zukunft ohne Vergangenheit und Gegenwart<br />
nicht denkbar ist, denn nur aus dem Verstehen<br />
der Vergangenheit lässt sich unsere Gegenwart<br />
erklären… aus der von Vergangenheit gebildeten<br />
Gegenwart ist Zukunft gestaltbar. Ich gehe<br />
zurück zu dem Ausgangsgedanken: Schulen<br />
werden für euch erbaut.<br />
Ich habe Schülerinnen und Schüler verschiedener<br />
Altersstufen unserer Schule befragt, was sie<br />
hier an dieser Stelle – hätten sie Gelegenheit<br />
dazu – zu den Menschen sagen wollten, die<br />
die <strong>Waldorfschule</strong> nicht kennen.<br />
Einige dieser Aussagen lese ich Ihnen, liebe An-<br />
wesende, vor, beginnend mit den Äußerungen der<br />
6. Klasse.<br />
Die Sechstklässler formulieren:<br />
„Vieles, was über uns gesagt wird, stimmt nicht…“<br />
„Wir haben ganz andere Ziele…“<br />
„Wir lernen noch mehr…“<br />
„Probleme kann man mit den Lehrern<br />
besprechen…“<br />
„Wir werden nicht vollgestopft…“<br />
„Alle dürfen das Gleiche machen…“<br />
„Man kann sich <strong>Waldorfschule</strong> nicht vorstellen,<br />
wenn man sie nicht kennt.“ (Aussage eines frisch<br />
übergewechselten Schülers)…<br />
„Alle sitzen zusammen… Eltern helfen mit…“<br />
Aussagen der 7. Klasse:<br />
„… ganz normale Schule, normale Kinder…“<br />
„…keine „Baumschule“…“<br />
„Es gibt keine „Guten“ und „Schlechten“ (achten<br />
Sie aber darauf, dass man nicht meint, wir wären<br />
alle nur Durchschnitt!)<br />
„Man muss keine Angst haben …“<br />
Eigentlich ist jetzt ja schon alles gesagt – einige<br />
Gedanken möchte ich dennoch hinzufügen.<br />
Zwei Aussagen stelle ich dem voran:<br />
Ich bin mir – erstens – sicher, dass es gelingen<br />
kann, Überlegungen über Schule anzustellen,<br />
ohne den Begriff „PISA-Studie“ zum wesentlichen<br />
Gesichtspunkt der Ausführungen zu<br />
machen, denn ich denke, dass „PISA“ uns nur in<br />
Einzeldisziplinen weiterhelfen kann. Darüber<br />
hinaus bin ich – zweitens – davon überzeugt,<br />
dass eine hohe Übertrittsrate in die Gymnasien<br />
nicht wirklich ein Qualitätsmerkmal für erfolgreiche<br />
Bildungspolitik darstellt.<br />
Und so möchte ich damit beginnen, zunächst<br />
einen Gedanken in diesen Raum hineinzustellen,<br />
den ich im Besonderen auch an die Schülerinnen<br />
und Schüler der Oberstufe richten will, den Ge-<br />
danken, dass unsere Gesellschaft noch selten so<br />
intelligent war wie heute – und doch war sie<br />
selten so wenig gesund wie heute.<br />
Die Gesundheit gerade der Kinder macht uns<br />
heute große Sorgen.<br />
Wenige Beispiele nur möchte ich benennen:<br />
■ Mangelnde Bewegung, veränderte Essgewohnheiten,<br />
fehlender Rhythmus und vieles mehr,<br />
führen mehr denn je zu Stoffwechselstörungen.
■ Kreislauferkrankungen nehmen zu.<br />
■ Aus neurophysiologischer Sicht wissen wir von<br />
zunehmenden Aufmerksamkeitsstörungen…<br />
usw., usw.<br />
Und wie gesund sind unsere Kinder, wie gesund<br />
ist unsere Gesellschaft hinsichtlich der sozialen<br />
Fähigkeiten? … Macht Schule krank?<br />
Nun wissen nicht nur wir um die Schwächen<br />
im deutschen Bildungssystem. In der Republik<br />
stellt man vielfache Untersuchungen an, ge-<br />
winnt Erkenntnisse – und die Konsequenz? Den<br />
Erzieherinnen in den Kindergärten – gottlob<br />
nicht in Baden-Württemberg – werden Lernprogramme<br />
offeriert, ich bin auch gewillt zu sagen:<br />
diktiert, was zur Folge haben wird, dass die<br />
Vorwort 7<br />
Kinder noch früher intellektualisiert werden.<br />
Kinder werden immer früher eingeschult, und<br />
wir wissen um die Hilferufe von Grundschullehrerinnen<br />
und -lehrern, die mit einem Großteil<br />
dieser Kinder wenig anzufangen wissen.<br />
Noch mehr Lernstoff wird in verkürzter Schulzeit<br />
vermittelt werden, u.v.m<br />
Die Folgen …? Was stimmt da im Denken der<br />
Bildungsexperten nicht? Ist da eine Ahnung von<br />
dem, was es bedeuten könnte, Schule völlig neu<br />
zu denken, wie dies Hartmut v. Hentig 2003<br />
forderte? Der Untertitel seines Buches lautet:<br />
„Eine Übung in pädagogischer Vernunft“. Er stellt<br />
fest, dass „Die Schule von heute … weit davon<br />
entfernt (ist), Lebens- und Erfahrungsraum für<br />
lernende und sich bewährende Kinder zu sein.
8<br />
Vorwort<br />
Sie entlässt die jungen Menschen manchmal<br />
kenntnisreich, aber in jedem Fall erfahrungsarm,<br />
erwartungsvoll, aber orientierungslos, ungebunden,<br />
aber auch unselbständig.“ (1)<br />
Frage ich Sie nach dem 1., 2., 3. Potenzsatz, können<br />
Sie diese jetzt sofort benennen, wissen Sie die<br />
Einwohnerzahl Schwedens, kennen Sie die Länge<br />
der Donau, die Hauptstadt Ghanas, wissen Sie,<br />
was im Jahre 1027 geschah? … Sie können nicht<br />
antworten?! – Ist es dieses „Nichtwissen“, das<br />
man mit dem Begriff „Bildung“ belegt? Ein jeder<br />
wird einräumen, dass dies nicht gemeint sein<br />
kann! Welche Grundüberlegungen steckten<br />
nun aber in der Waldorfpädagogik? Geht es hier<br />
nicht auch um Wissen und Wissensvermittlung?<br />
Mit Sicherheit, ja! – Aber da ist noch etwas, das –<br />
zumindest – gleichwertig neben diesem steht!<br />
Einer dieser grundlegenden Gedanken ist der,<br />
dass ein junger Mensch die Möglichkeit haben<br />
sollte, ich sage hier bewusst, mindestens 18 Jahre<br />
lang Bildung an sich erleben zu können, 18 Jahre<br />
Zeit zu haben, sich ausbilden zu können, sich<br />
ausbilden zu können entsprechend den Gesetzmäßigkeiten<br />
seiner Individualität. Nicht er muss<br />
in ein vorgegebenes System passen, das zum<br />
Beispiel früh aussondert, wenn das Lerntempo<br />
nicht mitgehalten werden kann, sondern das<br />
System, wenn man das jetzt noch so nennen darf,<br />
schafft Räume für individuelle Entwicklungen!<br />
Es gibt keinen größeren pädagogischen Irrtum,<br />
<strong>als</strong> zu meinen, man müsse alle Schüler gleich<br />
behandeln! Gerade in dieser Erkenntnis liegt die<br />
Chance für die Entwicklung eines jeden Einzelnen!<br />
Hinter einer solchen Grundüberlegung steht<br />
natürlich ein spezieller Gedanke, der sich in<br />
Kurzform so benennen ließe: Die Kinder in<br />
Ehrfurcht empfangen, in Liebe erziehen,<br />
in Freiheit entlassen.<br />
Hinter solch einer Pädagogik steht aber auch<br />
ein besonderes Menschenbild. Zunächst sei<br />
der Grundgedanke formuliert: Im Mittelpunkt<br />
aller Betrachtungen steht die Individualität!<br />
(1) Hartmut v. Hentig: Die Schule neu denken, BELTZ Taschenbuch 119, Weinheim 2003, … letzte Seite<br />
Mit der Anschauung vom Menschen, die Rudolf<br />
Steiner ins Zentrum der anthroposophischen<br />
Geisteswissenschaft gestellt hat, sieht die<br />
Waldorfpädagogik in jedem Kind eine unantastbare<br />
Individualität, die schon vor der Geburt und<br />
Konzeption existiert hat und die aus ihrer Ver-<br />
gangenheit ein ganz persönliches Schicksal in<br />
das jetzige Erdenleben mitbringt, verbunden<br />
mit zunächst noch verborgenen Impulsen für<br />
die Zukunft, die nach und nach <strong>als</strong> ein leitendes<br />
Lebensmotiv oder Ideal hervortreten können.<br />
In dem Maße, in dem es dem Menschen gelingt,<br />
in Übereinstimmung mit der eigenen „Anlage<br />
und Bestimmung“ zu leben und zu handeln, ist<br />
er frei. Die Sehnsucht nach dieser Freiheit ist es,<br />
die alle Menschen verbindet; sie ist allgemeinmenschlich<br />
und individuell zugleich. Somit haben<br />
Erziehung und Bildung die Aufgabe, den jungen<br />
Menschen auf dem Wege dorthin zu unterstützen<br />
und zu begleiten.<br />
Bleibe ich bei dem anfangs geäußerten Gedanken,<br />
die Welt war selten so intelligent wie zu dem<br />
jetzigen Zeitpunkt und ist dennoch nicht in der<br />
Lage, die zentralen und brennenden Problemfelder<br />
in den Griff zu bekommen, geschweige<br />
denn zu lösen, so muss ich fragen, welches denn<br />
die Kompetenzen und Fähigkeiten sind, die eine<br />
in die Zukunft weisende Pädagogik heute<br />
vermitteln muss?<br />
Mit Sicherheit gilt es, Basiskompetenzen zu<br />
vermitteln, die den späteren Jugendlichen bzw.<br />
Erwachsenen in die Lage versetzen, die Anforderungen<br />
des täglichen Lebens möglichst gut zu<br />
meistern, das erst schafft die erforderlichen<br />
Fundamente für weitere Spezialisierungen.<br />
Wie zeichnet sich dieser mit Basiskompetenzen<br />
ausgestattete Mensch aus?<br />
Leo Nefi odow (2000) beschreibt in Anknüpfung<br />
an den humanistischen Psychologen Abraham<br />
Maslow (1999), dass sich gesunde Menschen
durch die folgenden gemeinsamen Merkmale<br />
auszeichnen:<br />
■ Sie besitzen eine bessere Wahrnehmung der<br />
Realität, die Fähigkeit, Menschen und Sachver-<br />
halte richtig zu beurteilen.<br />
■ Sie können sich selbst, andere und die Natur<br />
akzeptieren.<br />
■ Sie besitzen Natürlichkeit, Spontaneität<br />
und Einfachheit und lassen sich durch<br />
Konvention von wichtigen Aufgaben nicht<br />
abhalten.<br />
■ Sie sind problemorientiert, nicht ich-orientiert.<br />
■ Sie haben ein Bedürfnis nach Privatheit, das<br />
heißt, sie können ohne Unbehagen einsam sein.<br />
■ Sie sind autonom, aktiv und wachstums-<br />
orientiert.<br />
■ Sie besitzen eine unverbrauchte Wertschät-<br />
zung, grundlegende Lebensgüter werden mit<br />
Ehrfurcht, Freude, Staunen geschätzt.<br />
■ Sie wurden von mystischen Erfahrungen<br />
geprägt.<br />
■ Sie besitzen Gemeinschaftsgefühl, ein tiefes<br />
Gefühl der Identifi kation, Sympathie und<br />
Zuneigung.<br />
■ Sie können die Ich–Grenze überschreiten,<br />
haben intensive interpersonelle Beziehungen.<br />
■ Sie haben eine demokratische Charakterstruk-<br />
tur und freundlichen Umgang mit Menschen,<br />
ungeachtet der Klasse, Rasse, Erziehung und<br />
des Glaubens.<br />
■ Sie besitzen eine starke ethische Veranlagung,<br />
feste moralische Werte, eine chronische<br />
Unsicherheit hinsichtlich des Unterschiedes<br />
zwischen Richtig und F<strong>als</strong>ch.<br />
■ Ihr Humor ist philosophisch, nicht feindselig,<br />
sie lachen nicht über feindselige, verletzende<br />
oder Überlegenheitswitze.<br />
■ Gesunde Menschen sind ohne Ausnahme<br />
kreativ, sie leisten Widerstand gegen Anpas-<br />
sungsdruck.<br />
Spricht man heute von einer die Kinder krank<br />
machenden Schule, so stellt sich die Frage nach<br />
der Gesundheit doch auch hier! Und da wir bei<br />
Vorwort Vo V rw r or ort 9<br />
Schuleintritt nachweislich schon sehr viele Kinder<br />
haben, die in oben genanntem Sinne nicht mehr<br />
gesund sind, dann muss doch alles darauf aus-<br />
gerichtet sein, Antworten zu geben darauf, wie<br />
Schule dazu beitragen kann, dass diese Kinder<br />
wieder gesund werden können oder doch<br />
wenigstens nicht noch kränker werden!<br />
Was sind das für Kinder, die uns heute bei den<br />
Schulaufnahmeuntersuchungen begegnen?<br />
Tatsächlich ist gegenwärtig immer häufi ger zu<br />
beobachten, dass manche Kinder bereits vor dem<br />
traditionellen Einschulungsalter eine beachtliche<br />
intellektuelle Wachheit und Leistungsbereitschaft<br />
zeigen, die zum Beispiel auch einen<br />
vorzeitigen Schulbesuch zu rechtfertigen<br />
scheinen. Untersucht man solche Kinder aber<br />
näher, so zeigt sich nicht selten eine Dissoziation,<br />
<strong>als</strong>o ein Auseinanderklaffen der verschiedenen<br />
Entwicklungsebenen:<br />
Intellektuell sind sie so gut wie schulreif, physiologisch,<br />
seelisch, sozial aber noch längst nicht.<br />
In jedem Fall ist ein vorliegendes Auseinanderklaffen<br />
der verschiedenen Entwicklungsebenen<br />
<strong>als</strong> ein sicheres Zeichen zu werten, dass die<br />
Entwicklungsgrundlagen noch zu wenig<br />
gefestigt sind, um den vielfältigen Anforderungen<br />
der Schule auf Dauer gewachsen zu sein.<br />
Die intellektuellen, kognitiven Fähigkeiten<br />
können sich auch nur dann gesund entfalten,<br />
wenn sie nicht auf Kosten der Schaffenskraft,<br />
Kreativität und Sozialkompetenz gedeihen,<br />
sondern Hand in Hand mit ihnen gehen.<br />
Auch die Waldorfpädagogik muss sich neuen<br />
Herausforderungen stellen. Es stellt sich heute<br />
die Frage, wie wird Waldorfpädagogik – im Wissen<br />
um ihre Wurzeln – im Jahre 2040 aussehen<br />
müssen, aussehen können?<br />
Heute schon besteht eine große Nachfrage nach<br />
Ganztagesplätzen. Eine weitere Herausforderung<br />
stellt sich in der Betreuung von Kleinst- und<br />
Kleinkindern, Krippenplätze sind gefragt.
10<br />
Vorwort<br />
Und es stellt sich auch die Frage: Stimmt der alte<br />
Grundsatz in Zukunft noch, Schule müsse die<br />
Welt in das Klassenzimmer holen? Könnte es<br />
nicht ebenso lauten: Die Kinder und Jugendlichen<br />
müssen – natürlich unter altersspezifi schen<br />
Gesichtspunkten – hinaus in die Welt?! Brauchen<br />
wir diese Schulräume noch, müssen<br />
wir nicht ganz andere Räume erschließen?<br />
Einige Steiner-Schulen in der Schweiz gehen<br />
hier schon seit etwa 15 Jahren ganz neue Wege,<br />
indem sie ihre Schüler in der 11. und 12. Klasse 3<br />
bzw. 2 Tage in der Woche in Betrieben verbringen<br />
lassen – und man sollte es nicht vermuten,<br />
weniger Unterricht führt zu höherer Kompetenz,<br />
führt zu – nachweislich – besseren Ergebnissen<br />
bei der Matura!<br />
Die <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> steht in ihrem<br />
25. Jahr, deshalb sind wir hier versammelt, um<br />
dies zu feiern. 25 Jahre Vergangenheit lassen<br />
uns unsere Gegenwart verstehen – sie geben<br />
uns aber auch die Möglichkeit, aus ihr heraus<br />
Zukunft zu gestalten.<br />
Die <strong>Waldorfschule</strong> ist – gemessen an ihren<br />
Entwicklungszielen – ein junges Projekt. Sie ist<br />
perspektivisch angelegt und Rudolf Steiner<br />
sah ihre Aufgabe in einer gesamtgesellschaftlichen<br />
Neuorientierung. Somit soll Waldorfpädagogik<br />
reformierend auf das ganze Schulwesen<br />
wirken. Sie will, ihrem Ursprungsimpuls nach, den<br />
öffentlichen Raum mitprägen, ja sogar Öffentlichkeit<br />
hervorbringen. Hier stehen wir erst am<br />
Anfang.<br />
Ich bitte alle, helfen Sie mit, dass sich diese<br />
Zukunft entwickeln kann, ihr <strong>als</strong> die Schüler und<br />
Schülerinnen dieser Schule, Sie <strong>als</strong> Eltern dieser<br />
Kinder, wir, die Lehrer, Sie, die Freunde und<br />
wohlwollende Gönner und Sie, die Politiker, die in<br />
der Verantwortung dieser Zukunft stehen. Helfen<br />
Sie mit, dass diese zukunftsweisende Pädagogik<br />
ihren Platz in der Bildungslandschaft bewahren<br />
kann und fragen Sie – bitte – nach, wenn wieder<br />
einmal mehr Kampagnen, gleich welcher Art,<br />
über uns hinweg rollen – wir geben Ihnen gerne<br />
Antwort auf Ihre Fragen.<br />
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit<br />
Udo Weidenhammer (Lehrer und Vorstand)
Vorwort Vorwor<br />
11
Die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen.<br />
Zu diesem Jubiläum gratuliere ich allen ganz herzlich, die ihren Teil zu der Erfolgsgeschichte<br />
dieser Schule beigetragen haben.<br />
Eine Schule wie die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> verfolgt naturgemäß eine eigene<br />
pädagogische Zielsetzung. Die Angebote sind vielfältig: ein umfangreicher Fächerkanon,<br />
in dem bereits ab der ersten Klasse die Fremdsprachen Englisch und Russisch<br />
angeboten werden, Theaterprojekte im Rahmen der Klassenspiele, musikpädagogische<br />
Aktivitäten, Sozial-, Forst- und Landwirtschaftspraktikum und die seit 2005/06<br />
eingeführte teilgebundene Ganztagesschule sind nur einige Beispiele des pädagogischen<br />
Gesamtkonzepts. Der Erfolg dieses Ansatzes äußert sich in dem regen Zuspruch,<br />
den die Schule fi ndet. Seit ihrer Gründung ist die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
zu einem wichtigen Baustein in der <strong>Heidelberg</strong>er Bildungslandschaft geworden.<br />
Ich danke allen, die in den vergangenen Jahren mit großem Engagement die Schulgemeinde<br />
mitgetragen und ihre Verantwortung für die junge Generation ernst genommen<br />
haben. Der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> wünsche ich auch in Zukunft<br />
viel Glück und Erfolg.<br />
Helmut Rau<br />
Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg,<br />
Minister für Kultur, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg<br />
Grußworte 13
Eine helle Pädagogik auf dichtem Grund<br />
Als Ernst Weißert, der legendäre Nestor der Waldorfschulbewegung<br />
Michaeli 1980 in Stuttgart die kleine Initiativgruppe aus <strong>Heidelberg</strong><br />
verabschiedete, welche zu einer Waldorfschulgründung aufgebrochen<br />
war, da gab er ihr ein bedeutungsvolles Wort mit auf den Weg: „In der<br />
Stadt <strong>Heidelberg</strong> haben Sie es wahrhaftig mit einem dichten Boden zu<br />
tun, den es mit viel Geduld und Beharrlichkeit zu beackern gilt.“<br />
Dieser Satz war durch reiche Erfahrung gedeckt. Denn überall in der Welt, wo Tradition, ein natürlich<br />
schönes Umfeld und Wohlstand die dramatischen Fragen der Gegenwart zu relativieren scheinen, da<br />
ist der Acker für den pädagogischen Landmann häufi g wie verdichtet und versiegelt. Da scheint das<br />
Leben auch ohne neue Saat und frische Keimkräfte weiter möglich zu sein. An solchen Orten wird die<br />
Gründung einer <strong>Waldorfschule</strong> erfahrungsgemäß schwer. Da braucht es besondere Treuetugenden<br />
wie Geduld und Beharrlichkeit, um die <strong>als</strong> richtig und notwendig erkannten Ziele zu erreichen.<br />
Das war in <strong>Heidelberg</strong> nicht anders. Denn in einer der schönsten Städte Deutschlands mit der ältesten<br />
Universität und einer über 800-jährigen Geschichte brauchte es die Mischung einer geistig konturierten,<br />
initiativkräftigen Gründergruppe, die sowohl den intellektuellen Ansprüchen der städtischen Tradition<br />
entsprach <strong>als</strong> auch die seelisch-geistige Tragekraft entwickelte, welche für eine Waldorfschulgründung<br />
notwendig ist. Angelika Sauer, Karl-Martin Dietz und Thomas Kracht stehen stellvertretend für eine rasch<br />
wachsende Gruppe junger, pädagogisch engagierter Menschen, der es bereits im August 1982 gelang,<br />
den Unterrichtsbeginn der neuen Schule in der Blumenstraße zu feiern.<br />
Seitdem sind in bisher sechs Bauabschnitten Schritt für Schritt die notwendigen Schritte unternommen<br />
worden, um eine moderne, an den Zeitforderungen und Entwicklungsbedingungen junger Menschen<br />
abgelesene Pädagogik zu verwirklichen. So steht der Neubau eines Stallgebäudes für Tiere und Gartenbau-Unterricht<br />
gleichberechtigt neben dem Neubau des Werkhauses, des Mensagebäudes oder des<br />
Oberstufengebäudes. Staatlich anerkannte Abschlüsse sind für die Zukunft der Schüler ebenso wichtig<br />
wie eine ganzheitliche Erziehung, eine harmonische Seelenentwicklung und eine verlässliche Betreuung<br />
in einer teilgebundenen Ganztagesschule.<br />
<strong>Heidelberg</strong> hat sich <strong>als</strong> ein Ort zahlreicher Anregungen und geistigen Aufbruchs für die deutsche<br />
Waldorfschulbewegung erwiesen. Im Rückblick auf 25 Jahre erfolgreiche Schulgeschichte lässt sich feststellen,<br />
dass der Segen Ernst Weißerts unverkennbar wirksam mit der <strong>Heidelberg</strong>er Schule verbunden<br />
ist. Dass er es bleiben möge, ist Wunsch und Zuversicht aller ihrer Freunde.<br />
Hartwig Schiller<br />
Vorstand, Bund der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>n
Die <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> ist seit 25 Jahren ein nicht mehr wegzudenkendes Juwel in der<br />
<strong>Heidelberg</strong>er Schullandschaft. Dazu mein herzlicher Glückwunsch.<br />
Schulen in freier Trägerschaft gehören für mich unverzichtbar zu einer Zivilgesellschaft, in der Bürgerinnen<br />
und Bürger Initiative ergreifen und Verantwortung übernehmen. Darüber hinaus erfüllen diese Schulen<br />
eine wichtige Aufgabe in unserem Bildungssystem. Sie ermöglichen eine wünschenswerte Vielfalt an<br />
Bildungsangeboten. Sie sind innovativ – zum Nutzen des gesamten Bildungswesens, denn viele an freien<br />
Schulen begonnene Entwicklungen wurden später von staatlichen Schulen aufgegriffen.<br />
Die <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> ist seit 25 Jahren ein Beweis dafür, dass Selbstständigkeit und Eigenverantwortung<br />
die Qualität von Unterricht und den Schulerfolg aller Schülerinnen und Schüler fördert. Sie<br />
zeigt tagtäglich, dass Schülerinnen und Schüler auch – oder besser gerade – ohne Ziffernoten, Sitzenbleiben<br />
und Selektion erfolgreich lernen und alle Schulabschlüsse erwerben können. Sowohl bei meinen Besuchen<br />
der <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> wie auch in Gesprächen mit LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen<br />
beeindruckt mich immer besonders der erzieherische Ethos, dem alle verpfl ichtet sind und dass diese<br />
Schule sich ein pädagogisches Programm gegeben hat, das eine Orientierung bietet für die Arbeit in den<br />
Klassenzimmern, wie auch in den Werkstätten, ja für das gesamte Schulleben bis zur Schularchitektur.<br />
Sie wissen mich wie auch meine Landtagsfraktion auf Ihrer Seite, weil für uns Grüne das öffentliche Schulwesen<br />
sowohl aus Schulen in staatlicher Trägerschaft wie auch aus Schulen in freier Trägerschaft besteht.<br />
Das bedeutet, dass alle Schulen einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen und dies gilt gerade für Ihre<br />
Schule. Ich weiß, dass Ihnen die individuelle Förderung aller Kinder am Herzen liegt und dass Sie auch <strong>als</strong><br />
freie Schule dem Wert sozialer Gerechtigkeit verpfl ichtet sind.<br />
Im Grundgesetz wird das Verbot der sozialen Sonderung nach Besitzverhältnissen der Eltern ausdrücklich<br />
betont. Dies heißt aber, dass die Mittel des Landes an die freien Schulen so bemessen sein müssen, dass<br />
die Elternbeiträge für die Familien zu schultern sind. Seit Jahren jedoch reichen die Zuschüsse nicht aus.<br />
Mit dem sog. Bruttokostenmodell ist nun eine von Land und Schulträgern gemeinsam entwickelte<br />
und akzeptierte Berechnungsgrundlage für diese Zuschüsse im Gesetz festgeschrieben worden. Jedoch<br />
gibt es deshalb nicht mehr Geld für die Schulen. Es soll erst kommen, wenn die Schülerzahlen bei den<br />
Schulen in freier Trägerschaft zurückgehen. Dies ist absurd, da ein Rückgang der Schülerzahlen u.a. auch<br />
wegen der steigenden Beliebtheit der freien Schulen nicht absehbar ist. Deshalb hat sich die Fraktion<br />
Grüne seit Jahren für den Einstieg in das Stufenmodell zur besseren Finanzierung der Schulen in freier<br />
Trägerschaft ausgesprochen und Anträge zur Erhöhung der Zuwendungen an die Schulen gestellt. Diese<br />
Anträge sind von der Regierungsmehrheit abgelehnt worden.<br />
Wir werden aber in unserem Bemühen für bessere Rahmenbedingungen für die <strong>Waldorfschule</strong>n nicht<br />
nachlassen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für die weitere Gestaltung Ihrer Schule und für die<br />
Zukunft alles Gute.<br />
Theresia Bauer<br />
Bündnis 90 - Die Grünen, Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg
16 1 Grußworte<br />
Gr G uß u wo wort rt rte<br />
Liebe Freunde der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> in <strong>Heidelberg</strong> Wieblingen !<br />
Zum 25- jährigen Bestehen der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> in <strong>Heidelberg</strong>-<br />
Wieblingen gratulieren wir Ihnen ganz herzlich <strong>als</strong> damaliger Impulsgeber<br />
der Schulinitiative.<br />
Der Waldorfkindergarten <strong>Heidelberg</strong> in der Wielandstr. 33 wurde 1976<br />
gegründet und hat 1979 seine pädagogische Arbeit aufgenommen. Es<br />
war schon bald klar, dass es in <strong>Heidelberg</strong> eine <strong>Waldorfschule</strong> geben<br />
muss. Herr Dr. Wolfgang Raeschke hat am 6. März 1979 einen Arbeitskreis<br />
zur Gründung einer <strong>Waldorfschule</strong> in <strong>Heidelberg</strong>, in den Räumen<br />
des Waldorfkindergartens in der Wielandstr. 33 ins Leben gerufen – den<br />
Donnerstagskreis. Bereits im November 1980 erfolgte die Gründung des<br />
„Waldorfschulverein <strong>Heidelberg</strong> e.V.“. Die pädagogische Arbeit wurde<br />
vor 25 Jahren – 1982 – in der Blumenstraße in <strong>Heidelberg</strong> begonnen.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen war hervorragend,<br />
da zwei Persönlichkeiten – Angelika Sauer und Peter Meinhardt –<br />
sowohl im Vorstand des Kindergartens <strong>als</strong> auch im Schulvorstand waren.<br />
Der Kindergarten konnte so immer regen Anteil, auch durch die Teilnahme<br />
an den pädagogischen Konferenzen an dem Geschehen in<br />
Wieblingen nehmen. Der Waldorfkindergarten in der Wielandstraße<br />
unterstützte auch tatkräftig die Initiative zur Gründung des Waldorfkindergartens<br />
an der Schule, der heutigen Kindertagesstätte.<br />
Der Waldorfkindergarten <strong>Heidelberg</strong> in der Wielandstraße wünscht<br />
der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> in <strong>Heidelberg</strong> - Wieblingen für die Zukunft viel<br />
Kraft, gute Impulse und ein Umfeld, das die Schule stützt und trägt.<br />
Klaus Billing<br />
Für den Waldorfkindergarten <strong>Heidelberg</strong> e.V.
Verehrtes Kollegium, geschätzte Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler,<br />
gestatten Sie mir, Ihnen allen die herzlichsten Glückwünsche zum 25-jährigen<br />
Jubiläum der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> zu übermitteln.<br />
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, in der die <strong>Waldorfschule</strong> gebaut wurde. Es<br />
war ein ungewöhnlicher Bauprozess unter spezieller Beteiligung der Eltern, der<br />
schon ahnen ließ, dass es hier um besondere pädagogische Konzepte gehen würde.<br />
Die <strong>Waldorfschule</strong> steht für lebendigen und abwechslungsreichen Unterricht, sie<br />
steht für Kreativität, Teamfähigkeit, Leistung und Motivation der Schülerinnen<br />
und Schüler, sie steht für sprachliche und naturwissenschaftliche Fächer ebenso<br />
wie für handwerklichen bzw. künstlerisch-praktischen Unterricht.<br />
Solche Lehrmethoden sind nur mit viel Engagement und Geduld denkbar. Hierfür<br />
möchte ich dem Kollegium und der Schulleitung sehr herzlich danken – eine große<br />
Bereicherung der <strong>Heidelberg</strong>er Schullandschaft. Diese Leidenschaft zahlt sich aus:<br />
diejenigen, die in den 25 Jahren die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> besucht haben, welche nicht<br />
nur ihre intellektuellen Begabungen gefördert, sondern auch Schlüsselqualitäten wie<br />
soziale Kompetenz, Wahrnehmungsfähigkeit sowie die Befähigung, prozessual zu<br />
denken, gebildet hat, studieren und arbeiten erfolgreich in verschiedenen Bereichen.<br />
Gratulieren und danken möchte ich auch Ihnen, den Eltern und Schülern, die sich<br />
gemeinsam für den Besuch der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> entschieden haben, denn<br />
erst damit entsteht ein Raum in unserer Gesellschaft für die Anwendung des<br />
Waldorfkonzepts.<br />
Ich wünsche der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
weiterhin viel Erfolg!<br />
Viele Grüße<br />
Lothar Binding<br />
SPD, Mitglied des Deutschen Bundestags,<br />
früher im Gemeinderat <strong>Heidelberg</strong><br />
Grußworte 17
18<br />
Grußworte<br />
Herzliche Glückwünsche zu den ersten 25 Jahren<br />
und viele gute Wünsche für die nächsten 25 Jahre<br />
sendet der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> die Christengemeinschaft <strong>Heidelberg</strong>,<br />
verbunden mit einem großen Dank für die Ermöglichung aller Religionsunterrichte<br />
und die Zusammenarbeit besonders mit den Lehrern und anderen<br />
Mitarbeitern der <strong>Waldorfschule</strong>.<br />
Die freilassende Atmosphäre der <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> ermöglicht<br />
Schülern und Eltern sowie den Mitarbeitern der Schule das Zusammenwirken<br />
der verschiedensten individuellen (auch religiösen) Impulse in einer sich immer<br />
wieder erneuernden Schulgemeinschaft.<br />
Die christliche Grundstimmung der <strong>Waldorfschule</strong> zeigt sich darin, dass die<br />
pädagogische Arbeit getragen wird durch die Liebe zum Kind, zum Jugendlichen.<br />
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Wer ist im Schulalltag mein<br />
Nächster? Ist es nicht der, der mich gerade braucht, der durch mein Mithelfen<br />
„werden“ kann, durch den ich selbst „werden“ kann?<br />
Die menschlichen Begegnungen innerhalb dieser <strong>Waldorfschule</strong> sind deshalb<br />
der kostbarste Beitrag zum Unterricht wie zum ganzen Schulalltag; nicht,<br />
weil die Begegnungen immer ideal verlaufen, nicht weil alles harmonisch ist,<br />
sondern weil es eine Grundbereitschaft zum Lernen am Anderen gibt – auch<br />
bei den Erwachsenen.<br />
Die Christengemeinschaft <strong>Heidelberg</strong> wünscht der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong><br />
<strong>Heidelberg</strong>, dass sie nicht nachlässt darin, freilassend – christlich – menschlich<br />
zu wirken, und dass sie dies <strong>als</strong> ein Werden ausstrahle in die Stadt, in das<br />
Umland.<br />
Auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit<br />
Ihr Thomas Demele<br />
Pfarrer der Christengemeinschaft
Anlässlich der Bundeselternratstagung im Rahmen des 25-jährigen Bestehens der<br />
<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> übermittle ich Ihnen im Namen von Herrn Oberbürgermeister<br />
Dr. Würzner die Grüße der Stadt <strong>Heidelberg</strong>.<br />
Insgesamt 11 allgemeinbildende Schulen in privater Trägerschaft setzen einen besonderen<br />
Akzent in unserer Stadt. Rund 4.600 Schülerinnen und Schüler besuchen<br />
diese Einrichtungen.<br />
Die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> mit ihren rund 470 Schülerinnen und Schülern ist ein Zentrum<br />
der Kreativität, das die <strong>Heidelberg</strong>er Schul- und Bildungslandschaft bereichert.<br />
Das Besondere an ihr: die tragende Rolle, die gerade den Eltern im Schulkonzept<br />
zukommt. Gründungen von <strong>Waldorfschule</strong>n gehen aus Elterninitiativen hervor.<br />
Darüber hinaus begleiten Eltern die Entwicklung der Schule und das in größerem<br />
Ausmaß <strong>als</strong> das bei Regelschulen gewöhnlich der Fall ist. In den regelmäßigen<br />
Eltern abenden, die in den unteren Klassen teilweise im monatlichen Rhythmus<br />
stattfi nden, nehmen die Eltern an der Entwicklung der Schulklasse und ihrer Kinder<br />
Anteil. Die Eltern sind auch aufgefordert sich mit pädagogischen, organisatorischen<br />
und rechtlichen Belangen der Schule auseinanderzusetzen. Kurzum: Eltern und<br />
Lehrer tragen gemeinsam Verantwortung für das Leben und Arbeiten an der<br />
Schule.<br />
Die Stadt <strong>Heidelberg</strong> fördert die Arbeit der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>. So hat sie beim<br />
Neubau am jetzigen Standort Mittelgewannweg den Waldorfschulverein mit rund<br />
395.000 DM unterstützt. Im Jahr 2006 kamen nochm<strong>als</strong> ca. 43.000 Euro <strong>als</strong> städtischer<br />
Zuschuss für die beiden neuen Schulgebäude, Werkhaus und Mensabau,<br />
hinzu. Seit 1997 erhält die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> laufende Zuschüsse zum Schulbetrieb<br />
in Höhe von jährlich durchschnittlich 20.000 Euro.<br />
Der 73. Bundeselternratstagung 2008 wünsche ich<br />
einen erfolgreichen und harmonischen Verlauf.<br />
Dr. Joachim Gerner<br />
Bürgermeister für Familie, Soziales und Kultur<br />
der Stadt <strong>Heidelberg</strong><br />
Grußworte 19
20<br />
Grußworte<br />
Im Begegnungsfeld von Schülern, Lehrern und Eltern entwickelt<br />
sich ein Schulorganismus und fi ndet seine sich wandelnde<br />
Gestalt. Zum 25-jährigen Bestehen wünschen wir der <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong>, dass dieses Begegnungsfeld weiterhin<br />
voller schöpferischer Bewegung sein möge. So können in<br />
wacher Wahrnehmung an den Fragen der Zeit Wege zur Fähigkeitsbildung<br />
entdeckt und entwickelt werden. Die Offenheit<br />
der Kinder und ihre Nähe zum Werdenden kann dazu immer<br />
neu ermutigen.<br />
Mit Blick auf diese Zukunftskräfte schenken wir der Schule<br />
etwas Lebendiges, Mitwachsendes für ihren Garten.*<br />
Mit herzlichen Wünschen<br />
Die MitarbeiterInnen des<br />
Michael Therapeutikum in <strong>Heidelberg</strong><br />
* Der Schule wurde anlässlich dieses Jubiläums ein Baum gespendet.
Zum 25 jährigen Bestehen möchte ich im<br />
Namen der <strong>Freie</strong>n Wähler <strong>Heidelberg</strong> sehr<br />
herzlich gratulieren.<br />
Was dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> erste Heimat für diese Schule<br />
unter besonderem Vorzeichen bescheiden<br />
für zunächst wenige Kinder entstand, hat sich<br />
organisch wachsend zu einer sehr spezifi schen<br />
Schullandschaft entwickelt. Sie waren eine der ersten privaten Schulen in <strong>Heidelberg</strong> –<br />
inzwischen fi nden Sie sich in der Gesellschaft von vier weiteren Gymnasien und einer<br />
ständig wachsenden Zahl von Grundschulen in privater Trägerschaft. Im Schuljahr<br />
2005/2006 besuchten in <strong>Heidelberg</strong> 18.774 Kinder öffentliche Schulen, 2940 private<br />
Gymnasien! Ihre Schule zählte 469 Schüler, davon 188 aus <strong>Heidelberg</strong>. (Zahlen aus<br />
dem Schulbericht der Stadt <strong>Heidelberg</strong>).<br />
Ihr ganzheitliches Fördern der jungen Menschen zu selbstständigen und verantwortungsvollen<br />
Mitgliedern der Gesellschaft hat gerade heute einen ganz besonderen<br />
Wert. Wie wesentlich die Förderung, Erziehung und Bildung unserer Kinder für uns alle<br />
ist, wird nun auch zunehmend in der Öffentlichkeit und in der Politik diskutiert und<br />
erkannt. Wir bewegen uns damit auf den Spuren von Wilhelm von Humboldt, der 1809<br />
<strong>als</strong> neues Unterrichtsideal „Lernen lernen“ im Rahmen seiner Reformen forderte.<br />
Die Bildung sollte lebenslang und allumfassend sein und dem Einzelnen zur Entfaltung<br />
seiner Kräfte verhelfen.<br />
<strong>Heidelberg</strong> verfügt über eine äußerst vielseitige und reiche Schullandschaft, aus<br />
der gerade Einrichtungen wie die Ihre nicht mehr wegzudenken sind. Für jedes Kind<br />
gelingt es, einen Lernort nach eigenen Fähigkeiten und Neigungen zu fi nden. Der<br />
musische Schwerpunkt und die Ausrichtung nach den Ideen von Rudolf Steiner ist<br />
für zahlreiche Familien <strong>als</strong> Kontrapunkt in unserer zunehmend materialistischen<br />
Welt ein gutes Erziehungsangebot.<br />
Ich wünsche Ihnen allen weiter eine harmonische Entwicklung. Bleiben Sie eine<br />
lebenslange Heimat für Ihre Schüler und Schülerinnen!<br />
Dr. Ursula Lorenz<br />
Fraktionsvorsitzende der FWV <strong>Heidelberg</strong><br />
Grußworte 21
22<br />
Grußworte<br />
Zum 25jährigen Jubiläum der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> gratuliere ich<br />
den Verantwortlichen des Waldorfschulvereins e.V. namens des Gemeinderats,<br />
der Gemeindeverwaltung und persönlich sehr herzlich.<br />
Unmittelbar an der Gemarkungsgrenze zu Edingen-Neckarhausen hat sich<br />
die <strong>Waldorfschule</strong> nun schon seit Jahren zu einer anerkannten und allseits<br />
geschätzten Bildungseinrichtung entwickelt. Sicher trägt neben der gelungenen<br />
baulichen Konzeption und der individuellen Betreuungsform auch<br />
die Nähe zu unserer Gemeinde dazu bei, dass verhältnismäßig viele Kinder<br />
auch aus Edingen-Neckarhausen gerne die Waldorfpädagogik nutzen.<br />
Erwähnen will ich dabei nicht nur das Bildungsangebot, sondern auch die Kindertagesstätte<br />
mit ihrem vielfältigen Betreuungsangebot. Lange vor den heute<br />
ganz aktuellen Ausbaukonzepten der Kleinkinderbetreuung hat sich der Waldorfschulverein<br />
dieser Herausforderung für unsere Gesellschaft angenommen.<br />
Die Resonanz und inzwischen gewährte Unterstützungen sind eindrucksvolle<br />
Beweise und Bekenntnisse zur Betreuungs- und Bildungsvielfalt unserer Gesellschaft.<br />
Ich wünsche der <strong>Waldorfschule</strong> eine weiterhin gute Entwicklung, stets verantwortliche,<br />
weitsichtige und dem Wohle unserer künftigen Generationen<br />
verpfl ichtete Persönlichkeiten.<br />
Roland Marsch<br />
Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen
25 Jahre <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
Herzlichen Glückwunsch!<br />
Zum 25-jährigen Bestehen der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> im Schuljahr 2007/2008<br />
gratuliere ich allen Schülerinnen und Schülern, allen Eltern, der Schulleitung, dem gesamten<br />
Lehrerkollegium sowie allen Freunden und Förderern sehr herzlich.<br />
Ich freue mich mit Ihnen über diesen wichtigen Meilenstein im Leben Ihrer Schule.<br />
„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen“ hat einmal<br />
Benjamin Franklin gesagt.<br />
Bildung beginnt bereits im Kindergarten. Der große Wissensdrang und die große Freude<br />
am Lernen von Kindern darf nicht erst in der Schule genutzt und gestärkt werden.<br />
Die Schule selbst ist nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Ort des<br />
Miteinanderlernens und des Miteinanderlebens: Hier werden die jungen Menschen auf<br />
die tatsächlichen Anforderungen des Lebens vorbereitet.<br />
Die Erwartungen, die mittlerweile an die Schülerinnen und Schüler – aber auch an die<br />
Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern – gestellt werden, sind enorm gewachsen. Die<br />
<strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> begegnet diesen Herausforderungen mit einem ganz eigenen und<br />
besonderen pädagogischen Profi l und ist hierbei erfolgreich.<br />
Das Ziel ist klar defi niert: „Die vielen praktisch-künstlerischen Fächer ermöglichen es, die<br />
Schüler zu sozial kompetenten, lebens- und handlungsfähigen Zeitgenossen zu erziehen,<br />
die gestellte Aufgaben verantwortungsbewusst ergreifen und kreativ lösen.“<br />
Ich wünsche der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong>, die eine Bereicherung des vielfältigen<br />
Bildungssystems unseres Landes Baden-Württemberg darstellt, eine weiterhin positive<br />
Entwicklung. Wie bisher werde ich für Sie in meinen Funktionen <strong>als</strong> Mitglied des Landtags<br />
von Baden-Württemberg und <strong>als</strong> <strong>Heidelberg</strong>er Stadtrat für Ihre Anliegen stets ein<br />
offenes Ohr haben.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Ihr<br />
Werner Pfi sterer<br />
CDU-Fraktion, Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg,<br />
<strong>Heidelberg</strong>er Stadtrat<br />
Grußworte 23
24<br />
Grußworte<br />
Wer die gegenwärtige bildungspolitische Diskussion verfolgt, kann den Eindruck<br />
gewinnen, dass <strong>Waldorfschule</strong>n aktueller sind denn je. Denn immer deutlicher<br />
wird, wie kindgemäß die dort praktizierte Pädagogik ist: die Möglichkeit, ohne<br />
Sitzenbleiben und Noten angstfrei zu lernen, die enge persönliche Beziehung zu<br />
einem Klassen lehrer in den ersten sechs oder acht Schuljahren, der Epochenunterricht,<br />
der es erlaubt, sich über drei oder vier Wochen täglich in ein Weltgebiet zu<br />
vertiefen, das frühe Sprachenlernen, die phänomenologische Unterrichtsmethode,<br />
die zu einem reichen Welterleben führt und anderes mehr.<br />
All diese Strukturen und Methoden sind wichtig und sinnvoll, reichen aber nicht<br />
aus. Denn wie gut eine Schule ist, hängt vor allem ab von der Qualität der Lehrenden.<br />
Wenn man versucht, die Anforderungen, die sich einem Waldorfl ehrer<br />
stellen, zu umreißen, wird man auf drei Qualitäten blicken müssen: eine pädagogische,<br />
eine künstlerische und eine soziale.<br />
Zunächst ist sicherlich das Bemühen entscheidend, Kinder immer besser verstehen<br />
und lieben zu lernen. Wer sich auf Kinder einlässt, wird bemerken, dass sie<br />
sich in einer stetigen Entwicklung befi nden. Während das Vorschulkind seelisch<br />
völlig mit der Umgebung verbunden ist und sie nachahmt, hat das Schulkind<br />
Freude daran, einen Reichtum innerer Vorstellungen aufzunehmen. Jetzt wirkt<br />
der Erzieher weniger über das sinnvolle Tun <strong>als</strong> über die künstlerisch geformte<br />
Sprache: Wer Tiere, Pfl anzen und Steine lebendig schildern kann und die Kinder<br />
zu einer inneren Anschauung hinführt, wird Vorbild und geliebte Autorität.<br />
Wiederum anders stellt sich die Aufgabe für die Oberstufenlehrer/innen dar:<br />
Auf dem Hintergrund einer profunden Kenntnis des studierten Fachgebiets<br />
sind die Schülerinnen und Schüler zur eigenständigen Urteilsbildung anzuregen.<br />
Zu der skizzierten pädagogischen gesellt sich eine künstlerische Herausforderung.<br />
Es gilt, durch den rhythmischen Wechsel von An- und Entspannung, Konzentration<br />
und Loslassen „atmend“ unterrichten zu lernen, es gilt zudem, zum<br />
Gestalter der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten zu werden: Wie der Lehrende<br />
spricht und sich bewegt, ist für den Erziehungsprozess von eminenter Bedeutung.<br />
Eine dritte Aufgabenstellung ist die soziale. <strong>Waldorfschule</strong>n sind Einrichtungen<br />
ohne Rektor und mit kollegialer Selbstverwaltung. Initiative ist gefragt, aber auch<br />
Hinhören auf die Impulse der anderen – <strong>Waldorfschule</strong> ist ein tägliches Feld<br />
sozialen Übens.<br />
Angesichts dieser Herausforderungen stellt die Anthroposophie eine unerlässliche<br />
Hilfe dar. Dabei meint das Wort weniger „Weisheit vom Menschen“ <strong>als</strong><br />
„Bewusstsein des eigenen Menschentums“ – Anthroposophie ist ein Weg, die<br />
im eigenen Selbst noch schlummernden Möglichkeiten kennen zu lernen und<br />
zu wecken. Insofern ist das Lehrerwerden und das Lehrersein immer auch ein<br />
Übungsweg biografi scher Entwicklung.
Wenn man sich <strong>als</strong> verantwortliches Kollegium für die Ausbildung von WaldorflehrerInnen<br />
fragt, wie all diese Qualitäten anzuregen sind, wird sofort deutlich,<br />
dass ein Lehrerseminar allein damit hoffnungslos überfordert wäre. Unsere<br />
Studierenden sind darauf angewiesen, dass es erfahrene Lehrerinnen und Lehrer<br />
an den Schulen gibt, die bereit sind, sie in die Praxis einzuführen. Seit Jahren übernehmen<br />
Kolleginnen der <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> diese Aufgabe in den jährlichen<br />
Praktika, und wir möchten uns dafür sehr herzlich bedanken. Darüber<br />
hinaus gehen vom <strong>Heidelberg</strong>er Kollegium immer wieder Impulse für die Weiterentwicklung<br />
der Waldorfpädagogik aus – die konzeptionelle Arbeit an einer<br />
„Bas<strong>als</strong>tufe“ im Übergang vom Kindergarten zur Schule sowie die Bemühungen<br />
um die Gestaltung der Schule <strong>als</strong> Ganztagsschule sind dafür aktuelle Beispiele.<br />
Auch für diese Initiativen sind wir ausgesprochen dankbar, bilden sie doch ein<br />
anregendes Umfeld für unsere Ausbildung.<br />
In diesem Sinne möchten wir die <strong>Heidelberg</strong>er Schulgemeinschaft sehr herzlich<br />
zum 25-jährigen Jubiläum beglückwünschen, wir hoffen weiterhin auf gute<br />
Zusammenarbeit!<br />
Dr. Albert Schmelzer<br />
Für das Kollegium der <strong>Freie</strong>n Hochschule für<br />
anthroposophische Pädagogik Mannheim<br />
Grußworte 25
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler,<br />
zum 25-jährigen Jubiläum der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> gratuliere ich im Namen der<br />
SPD-Gemeinderatsfraktion ganz herzlich.<br />
Bildung heißt, in Kindern ein Feuer entfachen – dieses Bild erscheint mir am treffendsten,<br />
um die Arbeit der Schulleitung, Lehrerschaft und Eltern der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
der letzten 25 Jahre zu beschreiben.<br />
Jeden Tag stets aufs Neue die Neugierde und das Interesse der Kinder zu wecken mittels<br />
eines lebendigen Unterrichts, der „Lernen durch Tun“ in den Mittelpunkt stellt, das war und<br />
ist der Anspruch der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong>. Die Freude und der Eifer mit dem die Kinder<br />
bei der Sache sind, machen deutlich, dass dieses Ziel auch erreicht wird.<br />
Vielfältige Möglichkeiten zum Experimentieren, Improvisieren oder Musizieren stehen den<br />
Kindern zur Verfügung. Unterrichtsinhalte und -formen werden auf die Prozesse kindlichen<br />
Lernens abgestimmt. So wird jeder Schüler und jede Schülerin entsprechend seiner/ihrer<br />
Fähigkeiten mitgenommen. Gemeinsames miteinander und voneinander Lernen stärkt<br />
leistungsschwache wie leistungsstarke Schülerinnen und Schüler und lässt sie soziale<br />
Kompetenzen entwickeln, die über den Schulalltag hinaus prägend sind.<br />
Der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> wünsche ich weiterhin viel Erfolg bei diesem Engagement für<br />
eine Bildung, die die Interessen und Fähigkeiten der Kinder in den Mittelpunkt stellt, denn:<br />
Jeder Mensch ist dazu bestimmt, ein Erfolg zu sein, und die Welt ist dazu bestimmt, diesen<br />
Erfolg zu ermöglichen.<br />
Dr. Anke Schuster<br />
SPD, Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion
Der Stadtteil Wieblingen gratuliert der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> zu ihrem 25jährigen<br />
Jubiläum sehr herzlich.<br />
Zusammen mit der städtischen Fröbelschule, der privaten Thadden-Schule und den<br />
städtischen Berufsschulen trägt die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> dazu bei, dass Wieblingen<br />
der schulreichste Stadtteil <strong>Heidelberg</strong>s geworden ist. Als die ersten Schulgebäude errichtet<br />
wurden, lagen sie noch draußen im Feld, zwischen Wieblingen und Edingen.<br />
Heute liegen sie durch die Entstehung des Gewerbegebietes Nord schon am nördlichen<br />
Wieblinger Ortsrand. Aber immer noch stellen sie durch ihre auffällige Bauweise einen<br />
Blickfang dar für alle, die die Verbindungswege zwischen Wieblingen und Edingen benutzen<br />
und setzen einen architektonischen Akzent für unseren Stadtteil.<br />
Wichtiger ist freilich, was in dieser Schule geschieht. Wenn auch die große Mehrheit<br />
der Schüler aus anderen Stadtteilen und Gemeinden kommt, so sind es doch auch nicht<br />
wenige Wieblinger, die ihre Kinder bewusst dem anthroposophischen Erziehungs- und<br />
Bildungskonzept der <strong>Waldorfschule</strong> anvertrauen, zumal auch der relativ kurze Schulweg<br />
einlädt. Die Konzerte und Theateraufführungen der Schule sind eine Bereicherung des<br />
Wieblinger Kulturlebens und die Einladungen zu den Schulfesten richten sich immer<br />
auch an die Wieblinger Bevölkerung. Dass der Waldorfkindergarten sich am diesjährigen<br />
Wieblinger Straßenfest beteiligte, ist ein Zeichen der Verbundenheit mit unserem Stadtteil.<br />
Was Waldorf-Schulgelände ist in intensiver Selbsthilfe und Eigeninitiative der Schulgemeinschaft<br />
entstanden.<br />
Der Stadtteilverein spricht dem Schulverein <strong>als</strong> Träger der Schule und vor allem den<br />
engagierten Eltern seine Anerkennung für die geleistete Arbeit aus und wünscht der<br />
immer größer gewordenen Schar der Schüler, dass sie die hier vermittelte spezifi sche<br />
Ausbildung <strong>als</strong> hilfreichen Weg ins Leben erfahren kann.<br />
Ich persönlich wünsche dem Schulverein, allen Verantwortlichen, allen Lehrern und<br />
Erziehern, aber auch allen Eltern, weiterhin Kraft, damit sie die an sie gestellten, nicht<br />
leichten Aufgaben im Sinne der Tradition im Einklang mit der Wirklichkeit erfüllen<br />
können.<br />
Gerade angesichts der derzeitigen Diskussionen<br />
über die Bildung unserer Kinder ist eine gemeinsame<br />
Anstrengung von allen Verantwortlichen zwingend<br />
erforderlich.<br />
Günter Trapp<br />
1. Vorsitzender Stadtteilverein Wieblingen<br />
Grußworte 27
!<br />
<br />
658<br />
-<br />
198216, , -, , 12<br />
E-mail: sc658@kirov.spb.ru; : 377-60-03; 377-94-98<br />
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Schule Nr. 658, <strong>Waldorfschule</strong> St. Petersburg, Russland (Partnerschule)
Liebes Kollegium der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong>!<br />
Ich möchte Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie meinen Aufenthalt in Deutschland<br />
vor anderthalb Jahren möglich gemacht haben. Ich bin immer noch von der wunderschönen<br />
Stadt <strong>Heidelberg</strong> und von eurer Schule sehr begeistert! Ich hatte doch die<br />
Möglichkeit, mich mit einer richtigen deutschen <strong>Waldorfschule</strong> bekannt zu machen<br />
und mich voll in ihrem Lernprozess zu befi nden.<br />
Schon mit der ersten Faust-Epoche bin ich in die Welt der deutschen Sprache und der<br />
deutschen Poesie eingetaucht. Das Werk hat auf mich einen sehr großen Eindruck<br />
gemacht, und, obwohl es für mich von der Sprache her immer noch schwer ist, habe<br />
ich es schon zweimal mit Entzücken gelesen. Es hat mir auch viel Spaß gemacht,<br />
im Russischunterricht zu sein und ich hoffe, dass ich wenigstens ein bisschen dazu<br />
beitragen konnte. Auf jeden Fall haben wir manchmal mit einigen Schülern auch außer<br />
Rahmen des Unterrichts Russisch gesprochen. Mit Englisch und Französisch war es für<br />
mich ein wenig schwierig, weil das Niveau der Sprache sehr hoch war, aber das half mir,<br />
meine Kenntnisse zu erfrischen und gab mir einen Anstoß, mich weiter auch mit diesen<br />
Sprachen zu beschäftigen. Was mir aber sehr Leid tat, dass unser Eurythmieunterricht<br />
nicht weiter stattfi nden konnte. So etwas wie die Eurythmie in eurer Schule konnte ich<br />
leider in der Schule in Russland kaum erleben.<br />
Besonders gern erinnere ich mich aber auch jetzt noch an das Theaterstück. Obwohl<br />
mein Beitrag dazu nicht besonders groß war, waren die Proben und die Aufführung<br />
selbst eine große Freude für mich. Das war eine lustige Zeit, weil ich mich dam<strong>als</strong> viel<br />
mit vielen in der Klasse unterhalten habe.<br />
Vielen herzlichen Dank auch an die Familie Mantei, bei der ich viel Liebe, Sorge und<br />
Verständlichkeit gefunden habe. Wenn ich Schwierigkeiten hatte, konnte ich<br />
mich immer an sie wenden und ihr freundliches Verhalten zu mir war für mich eine<br />
große Unterstützung. Noch wollte ich meinen besten Dank an Frau Huppmann,<br />
Frau Hecht-Jäckel und Frau Nikolajewski wenden, weil sie mir zu dieser Reise verholfen<br />
und während meines Aufenthalts sehr viel geholfen haben.<br />
Und das Wichtigste möchte ich noch zum Schluss hinzufügen. Natürlich hat diese Reise<br />
sehr viel zu meinen Deutschkenntnissen beigetragen und half mir, den Entschluss zu<br />
fassen, dass ich sicher Deutsch studieren möchte. Ich studiere zurzeit an der Fakultät für<br />
Fremdsprachen und will mein Leben noch weiter mit der deutschen Sprache verbinden.<br />
Und ich will auch dazu beitragen können, dass die Beziehungen zwischen Deutschland<br />
und Russland immer fester werden!<br />
Noch mal herzlichen Dank!<br />
Olja Lewkowets<br />
Ehemalige Austauschschülerin der <strong>Waldorfschule</strong> St. Petersburg<br />
Grußworte 29
Die Pädagogische Sektion der <strong>Freie</strong>n Hochschule für Geisteswissenschaft am Goethe anum in Dornach<br />
gratuliert der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> von ganzem Herzen zum 25-jährigen Geburtstag! Den<br />
Eltern, Schülern, Lehrern, Vorständen und Mitarbeitern sei gratuliert!<br />
Wer heute über den Campus der Schule mit dem vielen Grün, den schönen Gebäuden, dem großen<br />
Garten läuft, sollte einen Moment innehalten und bedenken, was in weniger <strong>als</strong> einer Generation hier<br />
an Arbeit, an Realisierungswillen geleistet worden ist! Hinter dem Gebäude fl iesst der Neckar meist<br />
ruhig die letzten Kilometer bis zur Einmündung in den Rhein, kommend aus <strong>Heidelberg</strong>, der Stadt der<br />
Romantiker und Denker. Aber auch der Stadt, wo keltische und germanische Kultur auf frühe christliche<br />
wie römische Siedlungen stießen. Dieses Zusammentreffen zeigt sich auch in der geografi schen Beschaffenheit.<br />
Der sagenumwobene Odenwald endet und die steilen Berge kommen zu einem fast<br />
schroffen Einhalt, um der weiten Rheinebene Platz zu machen. An diesem Übergang steht die Schule:<br />
an der einen Flanke die Bergwelt, an der anderen die Weite des Flusstales. Eine Gegend <strong>als</strong>o, in der<br />
viel zusammenkommt.<br />
So war es wohl auch in der Schulgeschichte. Aus verschiedenen Richtungen kamen viele Strömungen<br />
zusammen. Strömungen in den Impulsen der dort Arbeitenden. Oft gelang es ihnen, zusammen zu wirken,<br />
aber nicht immer. Die Schule wurde auch erschüttert durch heftige, auch persönliche Gegensätze,<br />
obwohl jeder aus seiner Sicht dem Kulturimpuls der Erziehungskunst dienen wollte. So standen der<br />
Berg und das die Weite suchende Tal sich manchmal verständnislos gegenüber.<br />
Doch die Zeit steht nicht still und sie heilt alle Wunden. Es darf berechtigt klingen, dass für diese<br />
wunderbare Schule ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wer einen Tag lang die Gelegenheit hat, die<br />
Schüler von „ganz unten“ bis „ganz oben“ mit zu erleben, fühlt sich gestärkt in diesem Gedanken: voller<br />
Leben, Lernwillen und Offenheit erlebt man die Schüler der Schule. Sie zeigen uns durch die Art, wie sie<br />
im Leben stehen, dass dieses die Erziehung ist, die wir unserer Jugend vermitteln wollen. Im Gespräch<br />
mit den älteren Schülern auf die schöne Ausstellung plastischer Arbeit in der Eingangshalle blickend,<br />
sieht man, wie gleichsam Wissenschaft und Kunst sich zu entfalten beginnen. Schaut man im Klassenzimmer<br />
der ersten Klasse den Kindern zu, wie sie mit der Lehrerin üben, sieht man, was da bereits<br />
Schönes an den Wänden hängt. Hört man aber auch, wie die Schule um ihren „Anfang“ hat kämpfen<br />
müssen, dann erfüllt einen das in den Klassen Erlebte mit großer Zuversicht. Zuversicht auf die Kraft der<br />
Idee der Erziehungskunst für die Zukunft der Schule und Dankbarkeit für das schon Erreichte prägen so<br />
das Gesamtbild. Möge die Schule immer mehr ein Beispiel werden für menschengerechte Erziehung,<br />
Berg und Tal werden sich versöhnen.<br />
Hier ist dann ein Dank an Eltern, Vorstände und Lehrer am Platz, die die Schule in ihren neuen Lebensabschnitt<br />
hineinführen, damit die Jugend den Ort fi nde, wo sie Kräfte und Wissen für ihr Leben aufnehmen<br />
kann.<br />
In herzlicher Verbundenheit<br />
Ihr<br />
Christof Wiechert<br />
für die Anthroposophische Gesellschaft Dornach, Leiter der Pädagogischen Sektion
32 3 Anfänge An Anfä fä fäng ng nge<br />
„Das war schon eine große Aufgabe“<br />
Interview mit Angelika Sauer, Unternehmerin und Förderin der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
Angelika Sauer gehört zu den Pionieren der Waldorfpädagogik in <strong>Heidelberg</strong>. Sie hat den Waldorfschulverein<br />
mitgegründet und war bis 2007 im Vorstand tätig. Anlässlich des 25-jährigen Schulbestehens schildert<br />
sie, wie alles begann und was in ihren Augen die <strong>Waldorfschule</strong> so besonders macht. Frau Sauer ist mit Leib<br />
und Seele Unternehmerin: Sie hat einen eigenen Verlag geleitet und berät zahlreiche Unternehmen.<br />
Frau Sauer, was bewegte Sie persönlich, dieses<br />
Projekt mit aller Kraft zu unterstützen?<br />
Ich gehörte der anthroprosophischen Gesellschaft<br />
hier in <strong>Heidelberg</strong> an. In diesem Kreis fanden sich<br />
einige, die sich für <strong>Heidelberg</strong> eine <strong>Waldorfschule</strong><br />
wünschten und mit denen ich ins Gespräch kam.<br />
Außerdem habe ich selber ab 1947 für sechs Jahre<br />
die <strong>Waldorfschule</strong> in Stuttgart besucht. So war es<br />
für mich ganz selbstverständlich, mich für eine<br />
Schule in <strong>Heidelberg</strong> einzusetzen. In <strong>Heidelberg</strong><br />
hatte es ja bereits mehrere Gründungsinitiativen<br />
gegeben, die aus unterschiedlichen Gründen nicht<br />
durchgehalten wurden. Als wir Mitte der 70er den<br />
Waldorf-Kindergartenverein ins Leben riefen, bewegte<br />
uns deshalb vor allem die Frage, wie es gelingen<br />
kann, eine Dichte im sozialen Miteinander<br />
herzustellen. Ich persönlich habe das Projekt vor<br />
allem <strong>als</strong> kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe<br />
verstanden. Das hängt wohl damit zusammen,<br />
dass ich in meiner ursprünglichen Ausbildung Sozialarbeiterin<br />
bin. Ich habe in diesem Beruf auch<br />
einige Zeit gearbeitet, bevor ich Verlegerin wurde.<br />
Wie sahen die ersten konkreten Schritte aus?<br />
Das Ehepaar Raeschke hatte in Karlsruhe bereits<br />
einen Waldorfkindergarten gegründet und wurde<br />
zusammen mit einigen andern schnell zum Kristallisationspunkt<br />
für die <strong>Heidelberg</strong>er Initiative.<br />
1978 haben wir mit dem Waldorfkindergarten in<br />
der Wielandstraße begonnen. Schnell kam die Frage<br />
nach einer Schule auf. Viele Eltern hatten zum<br />
damaligen Zeitpunkt Kinder, die die <strong>Waldorfschule</strong><br />
Mannheim besuchten. Obwohl sie wussten, ihre<br />
Kinder würden wohl nicht mehr hier auf die Schule<br />
kommen, haben sie sich sehr eingesetzt für <strong>Heidelberg</strong>.<br />
Wir verspürten eine starke inhaltliche Verbundenheit<br />
mit der Waldorfpädagogik. Und so lag<br />
von Anfang an ein Schwerpunkt auf der inhaltlichen<br />
Arbeit. Uns ging es vor allem darum, die<br />
Lehren Steiners so zu vermitteln, dass das Wirken<br />
des Geistes in der Welt unmittelbar erfahren werden<br />
kann.<br />
Es entstand dann auch der Wunsch, ein Jahr lang<br />
sehr intensiv die Waldorfpädagogik hier in der<br />
Stadt bekannt zu machen. Wir haben eine regelrechte<br />
Kampagne gestartet mit Vortragsreihen<br />
und pädagogischen Wochenenden, beispielsweise<br />
zur „Philosophie der Freiheit“ – mit großer Resonanz.<br />
Was macht die <strong>Waldorfschule</strong> besonders?<br />
Das hängt natürlich mit dem Menschenbild zusammen.<br />
Heute basiert Schule stark auf kognitiver<br />
Wissensvermittlung, während die Waldorfpädagogik<br />
den Menschen ganzheitlich bilden will. Es ist<br />
ein fortwährendes Bemühen, Wissen lebendig<br />
werden zu lassen. Durch den Epochenunterricht<br />
leben die Kinder über längere Zeit in dem gleichen<br />
Inhalt und der Inhalt kann in ihnen wachsen. Nach<br />
2 oder 3 Jahren wird das Wissen wieder aufgegriffen.<br />
Allerdings dann auf einer neuen Ebene. Der
Geschichtsunterricht nimmt beispielsweise Bezug<br />
auf die Pyramiden, die die Kinder bereits in Mythen<br />
und Sagen kennen gelernt haben. In der Oberstufe<br />
steht dann die Frage im Vordergrund, warum die<br />
Pyramiden mathematisch so exakt sind. Die Kinder<br />
und Jugendlichen fi nden so immer wieder<br />
Entsprechungen in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase.<br />
Was war denn das Schwierigste in der Phase der<br />
Gründung?<br />
Da sind mindestens zwei Dinge zu nennen. Wir<br />
hatten sehr spät einen Gründungslehrer und waren<br />
froh, <strong>als</strong> mit Herrn Meißner, der in Mannheim<br />
unterrichtete, Ende 1981 ein erfahrener Mann gefunden<br />
wurde. Der Gründungslehrer muss mindestens<br />
einen achtjährigen Klassenzyklus durch-<br />
laufen haben, so die Aufl age des Bundes der<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n. Nun hatten wir aber noch keine<br />
Klassenräume. Bei der Suche begegneten uns einige<br />
Widerstände. Für viele war es schwer nachzuvollziehen,<br />
warum <strong>Heidelberg</strong> noch eine fünfte<br />
Privatschule brauchte. Die Stadt bot uns verschiedene<br />
Räumlichkeiten an, unter anderem den Karlstorbahnhof,<br />
der dam<strong>als</strong> in einem Zustand war,<br />
dass wir uns schwer vorstellen konnten, dort zu<br />
unterrichten. Mit viel Diplomatie lehnten wir <strong>als</strong>o<br />
ab. Schließlich ergab sich die Möglichkeit, Räume<br />
in der Landhausschule in der Blumenstraße zu<br />
nutzen. Die Eröffnungsfeier fand in einem Saal in<br />
der Christuskirche statt mit rund 55 Erst- und<br />
Zweitklässlern. Im zweiten Jahr kam dann eine<br />
dritte Klasse dazu, die wir in den Räumen einer<br />
stillgelegten Bäckerei unterbringen konnten. Für die<br />
dritte Klasse hatten wir bereits 108 Anmeldungen<br />
aus denen 38 Kinder aufgenommen wurden.<br />
Anfänge An Anfä fä fäng ng n e 33 3<br />
Wie kamen Sie dann nach Wieblingen?<br />
Kurz darauf bekamen wir von der katholischen Kirchenschaffnei<br />
(Bistum Freiburg) das Gelände in<br />
Wieblingen angeboten – eine Fläche von 3 Hektar.<br />
Es war nun alles möglich. Angefangen haben wir<br />
allerdings mit einer einzigen Baracke. Das war eine<br />
abenteuerliche Geschichte. Ein Vater hatte in der<br />
Zeitung gelesen, dass die Firma Teroson eine<br />
Baracke verkauft – allerdings mit der Aufl age, dass<br />
innerhalb von kürzester Zeit die ganze Baracke –<br />
das waren immerhin 700 Quadratmeter Fläche –<br />
abgebaut werden musste. Geld hatten wir eigentlich<br />
auch nicht genügend. In einem enormen<br />
Kraftakt haben wir es dann doch geschafft. Jedes<br />
Wochenende war Bauwochenende von 7 bis 22 Uhr.<br />
Wir haben die Baracke dann geteilt und einen<br />
Zwischenbau für das Lehrerzimmer eingezogen.<br />
Dafür hat jedes Schulkind einen Backstein eingesetzt.<br />
Die Ausgestaltung der Baracke war relativ<br />
einfach. Durch gestalterische Elemente in Holz<br />
und mit Farbe bekam sie eine ansprechende, gute<br />
Atmosphäre. Dies war einer <strong>Waldorfschule</strong> angemessen.<br />
Als wir Anfang 1984 mit dem Unterricht<br />
in Wieblingen begannen, waren damit die Kräfte<br />
erst einmal erschöpft.<br />
Waren Sie in der Stadt dann schnell etabliert?<br />
Ja, wir hatten in den ersten Jahren enormen Zulauf.<br />
Wir haben nach wie vor Vortragsreihen auch<br />
in der Schule angeboten. Wir gingen dann recht<br />
bald an den zweiten Bauabschnitt und begannen,<br />
das ganze Gelände einzuplanen. Die Frage war:<br />
„Wie ist es eigentlich für die Kinder, wenn wir einen<br />
großen Block auf das Gelände setzen“, und so<br />
haben wir nach anderen Modellen gesucht, damit<br />
die Kinder sich nicht verloren fühlen. Daraus wurde
34<br />
Anfänge<br />
Frau Sauer 1. Bauabschnitt 1983 2. Bauabschnitt 1984/85<br />
die Idee mit den Schulinnenhöfen geboren.<br />
Der Aufbau des zweiten und dritten Bauabschnitts<br />
war schon eine ganz große Sache. Im<br />
Lauf von zehn Jahren haben wir über das Oberschulamt<br />
Karlsruhe dreieinhalb Millionen Mark<br />
bekommen. Eine Zeit lang gab es auch das so genannte<br />
Waldorfsparen. Zusätzlich ist sehr viel an<br />
Eigenleistung eingefl ossen. Die ganze Verwandtschaft<br />
und der gesamte Freundeskreis wurde<br />
mobilisiert, um notwendige Gelder aufzubringen.<br />
Wie immer in Aufbauphasen gab es einen<br />
starken Zusammenhalt zwischen allen Beteiligten.<br />
Spätestens mit der Einführung der Oberstufe<br />
waren jedoch andere Strukturen gefragt.<br />
Die Zuständigkeiten haben sich zwangsläufi g im<br />
Laufe der Zeit weiter aufgegliedert. Abgeschlossen<br />
ist so ein Projekt ja nie, das wissen Sie aus<br />
eigener Erfahrung.<br />
Sie selber haben eine <strong>Waldorfschule</strong> besucht. Was<br />
hat Ihnen die Schule mitgegeben für Ihr Leben?<br />
Die Selbständigkeit ist stark geweckt worden und<br />
der Mut, etwas zu beginnen. Gleichzeitig sah der<br />
Unterrichtsplan schon auch sehr praktische Anregungen<br />
vor. So wurden an der <strong>Waldorfschule</strong> von<br />
jeher Fähigkeiten eingeübt, die für einen erfolgreichen<br />
Start in den Beruf notwendig sind. Vor<br />
allem aber habe ich gelernt, meine schöpferische<br />
Seite zu erfassen. Das halte ich für sehr wertvoll.<br />
Man kann sich fragen, wo sind denn heute eigentlich<br />
unsere genialen Leute in der Gesellschaft.<br />
Warum kommen die nicht so durch? Ich denke, in<br />
der heutigen Gesellschaft üben wir uns immer<br />
noch zu sehr in einer rein kognitiven Förderung<br />
unserer Kinder, es wird weniger ihre Kreativität<br />
und ihr Gestaltungswille geweckt.<br />
Das Gespräch führte Annette Wallmeyer.
3. Bauabschnitt 1986<br />
3. Bauabschnitt 1986<br />
4. Bauabschnitt 1991/92<br />
Oberstufen- und<br />
Mensagebäude 2004<br />
Anfänge 35
36<br />
Anfänge<br />
Schulgeschichte<br />
... im Zeitraffer<br />
5<br />
… erste Bauvisionen und Raumpläne<br />
erarbeitet, ein erster Neubauschnitt<br />
entsteht: die „Kathedrale“, neue<br />
Lehrer eingestellt, neue Kinder auf -<br />
genommen, Schule gehalten. Weitere<br />
Bauabschnitte entstehen: Haupthaus,<br />
„Dreierhaus“, Turnhalle und<br />
Oberstufenhaus. Damit ist erst mal<br />
das Bauen zu Ende. Alle Sorgfalt galt<br />
der Oberstufe, die aufgebaut und<br />
gestaltet wird.<br />
6<br />
… die Schule ist nach zehn Jahren<br />
vollständig mit 13 Klassen, erste<br />
Abi tur prüfungen, die Pionierphase<br />
ist abgeschlossen.<br />
4<br />
… weitere Sondierungen und Gespräche<br />
vorgenommen, das Gelände<br />
am Mittelgewannweg 16 auf 99 Jahre<br />
angepachtet, und zwei gespendete<br />
bauten an einem anderen Ort abgebaut,<br />
transportiert und in kürzester<br />
Zeit wieder aufgebaut. Die Schule zog<br />
in die Pavillons um. Sie bieten Platz<br />
für 6 Klassenräume.<br />
1985<br />
7<br />
… ein Kindergarten entsteht auf<br />
dem Schulgelände (1996), jetzt folgen<br />
innerer Umbau und Weiterentwicklung.<br />
Vor
3<br />
…. verschiedene Gebäude in <strong>Heidelberg</strong><br />
gesucht, mit der Stadt verhandelt,<br />
die Schule in der Blumenstraße<br />
in <strong>Heidelberg</strong> mit 52 Kindern in zwei<br />
Klassen und 6 Lehrern pünktlich zum<br />
Schuljahresbeginn 1982/83 eröffnet.<br />
Zwei Klassenräume, ein Hinterhof<br />
und eine ehemalige Bäckerei sind<br />
die erste Hülle der neuen Schule.<br />
25 und mehr Jahren …<br />
da wurden …<br />
8<br />
… die Ursprungs-Pavillons werden<br />
durch ein neues Werkhaus ersetzt<br />
(2003), die neue Schulmensa wird<br />
ge baut (2004) und nimmt Küche<br />
und neue Klassenräume auf, der<br />
Gartenbau-Unterricht erhält einen<br />
Stallbau für Tiere und Unterricht,<br />
die neue Ganztagesschule wird<br />
gegründet (2005).<br />
1<br />
… ein erster Waldorfkindergarten<br />
in <strong>Heidelberg</strong> eröffnet (1978), wurde<br />
der Waldorfschulverein <strong>Heidelberg</strong><br />
gegründet (1980), und nahm ein<br />
initiativer und reger Vorstand die<br />
Arbeit auf …<br />
2<br />
… Ulrich Meißner <strong>als</strong> Gründungslehrer<br />
gefunden, wurde das Anfangskollegium<br />
zusammengestellt:<br />
Marianne Vogt, Ute Kracht, Hermann<br />
Höffl in, Jürgen Paul, Elisabeth Paul,<br />
Carola Schwarte-Krämer, Christa King<br />
und Dorothea Berthold.<br />
Anfänge 37<br />
… und jetzt das 25-jährige Jubiläum.
38<br />
Leben und Lernen<br />
Die runde Ecke<br />
Warum die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> gut für mich war<br />
Diesen Sommer ging meine Schulzeit an der <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> zu Ende – mit einem<br />
sehr guten Abitur. Doch den Erfolg oder Misserfolg<br />
von 13 Jahren aufgrund einer Zahl bewerten<br />
zu wollen, würde weder dem Bildungsauftrag<br />
einer Schule gerecht, noch berücksichtigte ein<br />
solcher Bewertungsversuch, dass die Schule<br />
Menschen auch und vor allem im Umgang miteinander,<br />
<strong>als</strong>o im Bereich sozialer Kompetenzen,<br />
auf ein friedliches und rücksichtsvolles Leben in<br />
Gesellschaft und Umwelt vorbereiten soll. Deshalb<br />
arbeiten ja an einer Schule keine Wissenschaftler,<br />
sondern Pädagogen. Oder mit den Worten,<br />
die Goethe in seinem „Faust“ einem Schüler<br />
in den Mund legt, überspitzt ausgedrückt: „Denn<br />
was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost<br />
nachhause tragen.“ – oder zur ZVS.<br />
Um wirklich herauszufi nden, was mir die Schulzeit<br />
gebracht hat, ist es interessant und notwendig,<br />
die Ausgangssituation zu betrachten, in der<br />
ich mich befand, <strong>als</strong> ich eingeschult wurde. Ich interessierte<br />
mich schon früh für dieses und jenes,<br />
für die Natur und ihre Gesetze, für Technik. Als andere<br />
Kinder Karl May und Enid Blyton verschlangen,<br />
vertiefte ich mich in meinen nagelneuen<br />
Dumont-Atlas, und eines Tages entdeckte ich auch<br />
das Fremdwörterlexikon <strong>als</strong> Bettlektüre.<br />
Andererseits malte ich nicht besonders gerne Bilder,<br />
und wenn ich es tat, so hatten meine gemalten<br />
Menschen eigentlich nie Arme! Hier lässt sich<br />
eine geradezu krasse Einseitigkeit erkennen. Oder<br />
eine besondere Begabung? Talent? Hätte man<br />
mich nicht lieber auf eine Staatsschule schicken<br />
sollen? Ich hätte sicher noch deutlich mehr Wis-<br />
sen anhäufen können. Doch Wissen ist, wie schon<br />
gesagt, nur die halbe Miete.<br />
Besonders die Erfahrungen sind wichtig, und die<br />
habe ich in besonderem Maße dem Waldorf-<br />
system zu verdanken. Andere Schüler wissen wie<br />
man ein Haus baut, kennen vielleicht sogar die<br />
chemischen Vorgänge beim Festwerden von Zement.<br />
Ich jedoch habe ein Haus mitgebaut, gezimmert,<br />
Richtfest gefeiert und ein Dach gedeckt.<br />
Gerade diese praktischen Erfahrungen bleiben,<br />
selbst wenn man keine einzige Formel der Physik<br />
mehr im Kopf hat. Und nicht nur ein Haus haben<br />
wir gebaut, wir haben einen Acker gepfl ügt, gesät<br />
und geerntet, Gemüse gezogen, wir haben Küs-<br />
tenschutz auf Langeoog betrieben, in Tschechien<br />
einen noch unvermessenen Waldweg vermessen<br />
und kartiert. Auch wenn’s mal kalt wird und die<br />
Chinesen beim Nähen schlapp machen – kein<br />
Problem für einen Waldorfschüler, denn Stricken<br />
ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht<br />
mehr.<br />
Und dann kommt noch die Kunst hinzu: Plastizieren,<br />
Malen, Steinhauen, Musizieren, Theater spielen.<br />
All dies ist viel beständiger <strong>als</strong> bloßes, ja in der<br />
Luft hängendes Wissen. Und hinzu kommen die<br />
„Nebenwirkungen“ – rhetorische Fähigkeiten zum<br />
Beispiel, die sicher zu großen Teilen aus dem Theaterspielen,<br />
aber auch aus anderen Präsentationen<br />
erwachsen sind. Außerdem sind auch die intellektuellen<br />
und fremdsprachlichen Fähigkeiten nicht<br />
etwa, wie die lange Liste von Praktischem vermuten<br />
lassen könnte, zu kurz gekommen.
So fühle ich mich bestens gerüstet<br />
für die vielen Herausforderungen,<br />
die da kommen mögen,<br />
und die einseitige Betonung der<br />
intellektuellen, kopfbetonten<br />
Fähigkeiten ist, zumindest ein<br />
Stück weit, ausgeglichen.<br />
Ich wünsche mir, dass diese<br />
Schule, die dieses Jahr ihr 25-jähriges<br />
Bestehen feiert, sich beständig<br />
weiterentwickelnd noch<br />
vielen Generationen von Schülern<br />
zur Verfügung steht!<br />
Christian Majenz<br />
Abiturient des Jahrgangs 2007<br />
Leben und Lernen 39
40<br />
Leben und Lernen<br />
Offen und lernfähig<br />
Hochs und Tiefs einer Schulzeit<br />
Zu meiner Schulzeit kann ich sagen, dass sie mit<br />
all ihren Hoch- und Tiefpunkten für mich sowohl<br />
körperlich <strong>als</strong> auch geistig sehr lehrreich war. Und<br />
das trotz der auf der <strong>Waldorfschule</strong> genauso vertretenen<br />
Einstellung, nicht gerne zur Schule zu<br />
gehen. So gut es mir auch gefi el, vor allem mit<br />
dem sonst nur bei <strong>Waldorfschule</strong>n vertretenen<br />
großangelegten parkartigen Gelände, muss ich<br />
sagen, das ein Wechsel für mich nicht nur aus<br />
positiven Gründen nicht in Frage kam. Aufgrund<br />
anderer Lehrplaneinteilungen hätte ich auf einer<br />
anderen Schule erst Mal ein Jahr wiederholen<br />
müssen. Dies heißt natürlich nicht, dass man<br />
auf der <strong>Waldorfschule</strong> hinterherhinkt, immerhin<br />
konnte ich ebenso wie Schüler von anderen Schulen,<br />
nach 13 Jahren Schule mein Abitur machen.<br />
Skulpturen der Fachhochschulreifegruppe 2007/08<br />
Von Vorteil fi nde ich jetzt im Nachhinein z.B. , dass<br />
einem der Fremdsprachenunterricht schon ab der<br />
ersten Klasse nahegeführt wird, da man <strong>als</strong> Kind<br />
ja wesentlich offener und lernfähiger gegenüber<br />
anderen Sprachen ist, deswegen aber auch wichtig,<br />
dass dies in den ersten Jahren mehr spielerisch<br />
geschieht. An der <strong>Waldorfschule</strong> ist man stets<br />
dazu aufgefordert, das Lernen etwas selbstständiger<br />
zu tun und nicht durch den ständigen Notendruck<br />
und dass man sitzenbleiben könnte.<br />
Letzteres zeigt ganz deutlich einen Vorteil der<br />
<strong>Waldorfschule</strong>: dadurch, dass man nicht sitzenbleiben<br />
kann, bleibt man in einer Klassenge-<br />
meinschaft und damit auch unter Gleichaltrigen,<br />
was sich bewiesenermaßen positiv auf das Lern-<br />
verhalten auswirkt. Meiner Meinung nach ein<br />
Aspekt der Erziehung zum vergleichsweise sozialeren<br />
Menschen. Was natürlich nicht gewisse<br />
Rangeleien untereinander ausschloss, bis hin zum<br />
Alle-gegen-Einen...<br />
Aber auch, dass sehr viel Wert auf künstlerische<br />
Fähigkeiten und damit auf Kreativität gelegt wird,<br />
war sehr positiv für mich. Das ging von künstlerischer<br />
Gestaltung mit verschiedenen Materialien,<br />
über Zeichnen, Musik, bis hin zur <strong>als</strong> sehr kritisch<br />
gesehenen Eurythmie, deren Sinn für mich darin<br />
Bestand, ebenso wie der Sport, körperliche Entspannung<br />
zwischen der geistigen Arbeit zu fi nden,<br />
sei es nun Mathematik oder Deutsch. Ob dies<br />
dann letztendlich auch der Fall war, kam auf den<br />
unterrichtenden Lehrer an.<br />
Ein ebenso großer Kritikpunkt, wie der Lehrplan<br />
sind auch die Noten, die eigentlich in der <strong>Waldorfschule</strong><br />
nicht vorgesehen sind, weil man z.B. den<br />
Notendruck vermeiden möchte, die aber trotzdem
Leben und Lernen 41<br />
früher oder später zum Einsatz kommen – meistens<br />
in der Oberstufe. Dies fand ich persönlich am<br />
sinnvollsten. Klar, man konnte sich so vorher nicht<br />
mit anderen Schulen vergleichen, da man ein<br />
Textzeugnis bekam. Aber da die Noten sowieso<br />
nicht in den Abschluss miteinfl ießen und nur die<br />
Prüfungsnote zählt, ist das eigentlich nicht sonderlich<br />
tragisch.<br />
Aus der Waldorfschulzeit kann man auf jeden Fall<br />
eine starke Eigenständigkeit und Kreativität mitnehmen,<br />
ein selbstbewusstes Denken und soziale<br />
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Auf<br />
den Einen trifft davon vielleicht das eine mehr zu<br />
und das andere weniger, bei einem Anderen ist es<br />
dafür umgekehrt, ebenso wie bei mir. Da mein<br />
Freundeskreis hauptsächlich auf andere Schulen<br />
ging, habe ich durchaus einiges von anderen<br />
Schulen mitbekommen und würde jetzt im Nachhinein<br />
durchaus behaupten, dass ich die Prägung<br />
in oben genannten Eigenschaften auf einer Nicht-<br />
<strong>Waldorfschule</strong> wahrscheinlich nicht in dem Sinne<br />
erhalten hätte.<br />
Johannes Steudle<br />
Abiturient des Jahrgangs 2007
42<br />
Leben und Lernen<br />
Wege zum Bildungsglück<br />
Bewegung, christliche Spiritualität und Lebenstüchtigkeit <strong>als</strong> Eckpfeiler gelungener Erziehung<br />
Frühling ließ der Blüten Düfte wieder streifen<br />
durch die Lüfte, <strong>als</strong> sich Eltern und Lehrer zur pädagogischen<br />
Arbeit an unserer Schule trafen. Just<br />
am Vortage der Walpurgisnacht, die bereits Heinrich<br />
Faust inspirierte, den wahrscheinlich berühmtesten<br />
Kritiker des deutschen Bildungssystems.<br />
Habe nun, lamentiert jener, Philosophie,<br />
Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie<br />
durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Und doch<br />
fühlt sich der Gelehrte schon dam<strong>als</strong> wie ein<br />
Schüler nach den Sommerferien, „Da steh’ ich nun,<br />
ich armer Tor, Und bin so klug <strong>als</strong> wie zuvor!“<br />
Grund genug, sagten wir uns, die ewige Misere<br />
nun endlich einmal ordentlich zu hinterfragen<br />
und Lösungen zu erarbeiten, damit künftige Generationen<br />
ihr Leben besser meistern können, <strong>als</strong><br />
der verschrobene Privatgelehrte, den eine allzu<br />
kognitive Erziehung bekanntlich nur ungenügend<br />
auf die sozialen Fährnisse des Lebens vorbereitet<br />
hatte (1) .<br />
Dabei beschäftigte uns die Frage, welche Fähigkeiten,<br />
Kenntnisse, Qualitäten ein Waldorfschüler<br />
nach zwölf Jahren Schulbesuch eigentlich erworben<br />
haben sollte? Anstöße lieferten uns dabei zunächst<br />
die medialen Denker Dietrich Schwanitz<br />
und Ernst-Peter Fischer. Während Schwanitz im<br />
klassisch geisteswissenschaftlichen Kanon singt (2) ,<br />
erweitert Fischer diese Vorstellung von Bildung in<br />
den Bereich der Naturwissenschaften hinein (3) .<br />
Beide bleiben mit ihrem Bildungsbegriff im Bereich<br />
der kognitiven Rezeption. Das heißt, alleine<br />
die Lektüre des Faust ist, nach Schwanitz, Bildung.<br />
Der Entwurf eines eigenen Dramas oder Gedichtes,<br />
mit allen damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
jedoch nicht. Selbst wenn<br />
davor der Faust gelesen wurde. Ein derart beschränkter<br />
Bildungsbegriff eignet sich zwar zur<br />
Lektüre in Stadtbahnen, nicht aber für eine Schule,<br />
die menschliche Fähigkeiten entwickeln sollte.<br />
Der Blick auf Hartmut von Hentigs Essay zur Bildung<br />
(4) führte uns in eine weitere und freundlichere<br />
Landschaft. Hentig entwickelte darin sechs<br />
Kriterien. Zuerst die Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit,<br />
dann die Wahrnehmung von<br />
Glück, die Fähigkeit und den Willen, sich zu verständigen,<br />
das Bewusstsein von der Geschichtlichkeit<br />
der eigenen Existenz, die Wachheit für<br />
Foto: Günter Vahlkampf
letzte Fragen, sowie die Bereitschaft zur Selbstverantwortung<br />
und zur Verantwortung im Gemeinwesen.<br />
Diese Gesichtspunkte ließen sich für uns<br />
relativ exakt mit dem Konzept einer <strong>Waldorfschule</strong><br />
vereinbaren (5) . Allerdings spazierte, wie so oft,<br />
die Frage nach der konkreten Umsetzung durch<br />
den Raum. Hier galt es einerseits den Rekurs auf<br />
lieb gewordene Traditionen (Klassenspiel, Praktika,<br />
Epochenunterricht usf.) zu vermeiden. Andererseits<br />
musste auch das allzu aufwändige Verschrauben<br />
scheinbar innovativer Konzepte, wie<br />
der Bau von Solaranlagen, vermieden werden. Was<br />
Leben und Lernen 43<br />
wurde <strong>als</strong>o, über bereits Bestehendes hinaus, noch<br />
<strong>als</strong> wünschenswert erkannt? Wo wurde ein Entwicklungsbedarf<br />
ausgemacht? Im Gespräch wurden<br />
dabei drei Schwerpunkte gesehen: Bewegung,<br />
christliche Spiritualität und Lebenstüchtigkeit.<br />
Letzteres wird natürlich nicht durch Zahlen im<br />
Abiturzeugnis wiedergegeben, sondern entspricht<br />
der Fähigkeit, sein Leben glücklich zu meistern.<br />
Dabei wurden neben den ohnehin im Waldorfunterricht<br />
angelegten Fähigkeiten weitere,<br />
grundsätzliche Fertigkeiten und Kenntnisse gefordert.<br />
Beispielsweise gesunde Ernährung und die<br />
damit verbundenen Kochkenntnisse. So wurde<br />
eben nicht nur die gesunde Kost in der Mensa <strong>als</strong><br />
kräftige Zutat einer guten Schule gewürdigt, sondern<br />
auch angemahnt, dass Schüler wenigstens<br />
in Kochkursen, wie schon in den Projekttagen<br />
punktuell geschehen, hauswirtschaftliche Fähigkeiten<br />
anlegen sollten.<br />
Soziale Fähigkeiten (hier: das passende Auftreten<br />
am richtigen Ort), elementare medizinische<br />
Kenntnisse (<strong>als</strong>o nicht nur die schnellen Handgriffe<br />
der Ersten Hilfe), eine juristische und fi nanzielle<br />
Basisbildung (Mietrecht, Arbeitsrecht etc.)<br />
gehören sicher auch in den Bereich der life skills.<br />
Ansätze dazu sind im wirtschaftlichen Bereich bereits<br />
an unserer Schule vorhanden. „Profi “, eine<br />
Firma, die von Schülern geführt wird, vertreibt<br />
nicht nur Schulmaterial, sondern legt auch praktische<br />
Fähigkeiten an, die bei einer späteren Unternehmensgründung<br />
hilfreich sein könnten (6) .<br />
Wünschenswert wäre es hier, gerade auch im<br />
juristischen Bereich, ähnliche Möglichkeiten zu<br />
schaffen.
44<br />
Leben und Lernen<br />
Als relevant erschien auch die überlegte Studien-<br />
oder Berufswahl. Nicht jeder Schüler zeigt sich fähig,<br />
die Fach- oder Berufswahl nach rationalen<br />
Kriterien vorzunehmen und bricht stattdessen die<br />
Ausbildung ab. Wie viele in Frustration vergeudete<br />
Monate oder Jahre könnten auf diese Weise einem<br />
erfüllten Studium, einer fruchtbaren Tätigkeit gewidmet<br />
werden? In Zeiten starker Konkurrenz auf<br />
dem Arbeitsmarkt erweist sich darüber hinaus die<br />
größtmögliche Unterstützung der Schüler im Bewerbungsprozess<br />
<strong>als</strong> angebracht, wie dies antizipierend<br />
im Berufspraktikum der 10. Klasse geschieht.<br />
So ist gerade dieses Praktikum nicht nur der Ausbildung<br />
berufsspezifi scher Fähigkeiten gewidmet.<br />
Die materielle Dokumentation vollbrachter Taten<br />
stellt eine Einführung in die Portfolioarbeit dar (7) .<br />
Diese Technik der Leistungsdarstellung hilft jedoch<br />
auch, mögliche Spezialisierungen frühzeitig<br />
zu refl ektieren und könnte später <strong>als</strong> Eintrittskarte<br />
zum Studium genutzt werden, wie das an<br />
Kunstakademien bereits geschieht. Der Versuch<br />
einer täglichen, objektiven Selbsteinschätzung eigener,<br />
differenzierter Fähigkeiten bedeutet darüber<br />
hinaus einen wichtigen Schritt auf der Entwicklung<br />
zu echter Selbständigkeit.<br />
Ebenfalls wurde angeregt, weitere, bestehende<br />
Praktika auszubauen (8) . Dies könnte vor Ort in <strong>Heidelberg</strong><br />
geschehen, aber auch mit einer weiteren<br />
Reise verbunden werden. So wäre es wohl möglich,<br />
das schon bestehende Sozialpraktikum der 11.<br />
Klasse in Russland zu verlängern, und daran anschließend<br />
eine Reise durch den asiatischen Teil<br />
Russlands, die Mongolei und China durchführen.<br />
Bereits das Sozialpraktikum in Russland könnte<br />
<strong>als</strong> Resilienzübung (9) bezeichnet werden; eine längere<br />
Reise ohne Sternekomfort kann dagegen<br />
zum Initiationserlebnis werden (10) .<br />
Bewegung muss freilich nicht immer großräumig<br />
verlaufen. Werkunterricht, Gartenbau, aber auch<br />
die Eurythmie und der Sport stärken die Grundlage<br />
für das leibliche Ich. Und gerade in diesen Bereichen<br />
kann auch das soziale Element in besonders<br />
feiner Weise entwickelt werden, leichter <strong>als</strong><br />
beim Berechnen von Differentialen, oder beim
Eintrommeln von Russischvokabeln. Aus diesem<br />
Grunde war es wichtig, bei der baulichen Schulentwicklung<br />
Freiräume für die gemeinsame, soziale<br />
Bewegung einzuplanen. Eng an diesen Gedanken<br />
orientiert wurden von den Architekten Schäfer<br />
und Loebner großzügige Sportanlagen für das<br />
Schulgelände entworfen, die genau diese Belange<br />
berücksichtigen.<br />
Selbstverständlich in allen Bereichen des Schulwesens<br />
sollte christliche Spiritualität gelebt werden.<br />
Dabei darf das Christliche nicht im Munde<br />
geführt werden, sondern sollte <strong>als</strong> Haltung vielmehr<br />
den Blick der Lehrer auf das zur Entwicklung<br />
Drängende schärfen, um in einer positiven und<br />
wertschätzenden Atmosphäre individuell richtige<br />
und gute Entscheidungen zu treffen. Reiner Formalismus<br />
(d.h. die Beschränkung alleine auf eine<br />
Art von christlichem, möglicherweise benotetem<br />
Religionsunterricht) führt genau in diesem Bereich<br />
in eine Sackgasse.<br />
Andere wichtige Religionen werden daher auch<br />
nicht ignoriert, wie dies beispielsweise an manchen<br />
konfessionellen Schulen geschehen kann. Im<br />
Gegensatz auch zum positivistischen Laizismus<br />
staatlicher Schulen sollte die Gestaltung des<br />
Unterrichts mit Offenheit betrachtet werden (11) .<br />
Offenheit gegenüber den Lehrenden, aber auch<br />
Offenheit in der Lehre selbst ermöglichen wiederum<br />
ein pädagogisch wirksames Mittel, um das<br />
Abgleiten in die engen Winkel des Sektierertums<br />
zu verhindern. Das ritualisierte Feiern der Feste<br />
im Jahreslauf (Michaeli, Johanni, die Weihnachtsspiele)<br />
fördert nicht nur eine feine Form des Gemeinschaftssinnes,<br />
sondern stärkt durch Wiederholung<br />
auch die Erinnerungen (12) .<br />
Neben diesen inhaltlichen Aspekten wurden interessanterweise<br />
auch allgemeinere Wünsche arti-<br />
Leben Le Lebe be ben n un uund d Le Lern Lernen rn rnen en 45<br />
kuliert. Die Lehrer sollten mehr wagen, hieß es auf<br />
Seiten der Eltern. Von den Lehrern wurde dagegen<br />
für die Schulgemeinschaft mehr Realitätsnähe,<br />
ein stärker ausgeprägter Sinn für das tatsächlich<br />
Machbare angemahnt. Es stellte sich dabei rasch<br />
heraus, dass wirklich entscheidende Veränderungen<br />
nicht von einzelnen Schulen durchgeführt<br />
werden können. Eine Anpassung an international<br />
vergleichbare Strukturen, die den Waldorfansatz<br />
rein formal begünstigen würden, geschieht ausserhalb<br />
des Schulzaunes, im politischen Prozess.<br />
Die Abschaffung des Zentralabiturs (13) in Baden-<br />
Württemberg, die Verbesserung der Waldorfl ehrerausbildung<br />
(und folglich die Verbesserung der<br />
Unterrichtsqualität), die Erhöhung der Personalkapazität<br />
mit allen damit verbundenen Vorteilen<br />
(breiteres Fächerspektrum, kleinere Klassen, gezieltere<br />
Förderung) lassen sich nicht einfach durch<br />
Beschluss des Kollegiums oder des Schulträgerorganes<br />
herbeiführen (14) .<br />
Derartige Ziele mögen weit entfernt erscheinen.<br />
Doch jedes gute Buch, das nicht nur gelesen,<br />
sondern auch verstanden wird, jede Skulptur, die<br />
nicht alleine analysiert, sondern schaffend erlebt<br />
ist, jedes Lied, das die Seele in Schwingung versetzt,<br />
bedeutet schon einen weiteren Schritt auf<br />
diesem langen Weg ins Bildungsparadies. Möge<br />
auch diese Festschrift ein kleiner Weiser dazu<br />
sein.<br />
Matthias Fechner
46<br />
Ausblicke<br />
(1)<br />
Damit befi ndet sich Heinrich Faust in einer recht traumatisierten Gesellschaft.<br />
Schule wird in der Belletristik stets negativ dargestellt. Sadistische<br />
Lehrer und brutale Schüler terrorisieren die zumeist empfi<br />
ndsamen Protagonisten, die wenig Erbauliches und noch weniger<br />
echte Bildung in ihr Erwachsenendasein tragen (falls sie die Schule<br />
überleben). Eine knappe Einführung in das Genre des Schulromans<br />
liefert Matthias Luserke, Schule erzählt. Literarische Spiegelbilder im<br />
19. und 20. Jahrhundert (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht,<br />
1999).<br />
(2)<br />
Dietrich Schwanitz, Bildung. Alles was man wissen muss (Frankfurt<br />
am Main: Eichborn, 1999). Schwanitz erweitert diesen Ansatz allerdings<br />
im zweiten Teil seiner Monographie, wo er auch die Entwicklung<br />
menschlicher Fähigkeiten fordert.<br />
(3)<br />
Ernst Peter Fischer, Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften<br />
wissen muss (Berlin: Ullstein,2004).<br />
(4)<br />
Hartmut von Hentig, Bildung. Ein Essay (Weinheim: Beltz, 2004).<br />
(5)<br />
Letztendlich ist jeder Band der Gesamtausgabe der Werke Rudolf<br />
Steiners unterschiedlichsten Bildungsaspekten gewidmet.<br />
(6)<br />
Vgl. dazu ein ähnliches, allerdings zeitlich und formal begrenztes Projekt<br />
(Fahrradverkauf) in Patrick Boneberg, Gymnasiasten managen<br />
erfolgreich ein Fahrradunternehmen, in Magazin Schule Herbst Winter<br />
2007, S. 36/7.<br />
(7)<br />
Das gängigste Konzept der Portfolio-Methode entspricht der Fertigung,<br />
Dokumentation und Präsentation eines häufi g thematisch klar<br />
umrissenen Projektes. Es ist der Jahresarbeit damit nicht unähnlich,<br />
kann allerdings erweitert werden, würde sich dann eher an den Zulassungsmappen<br />
für Kunstakademien orientieren. Vgl. Bochumer<br />
Modell, auf www.rss-bochum.de, sowie das Potsdamer Modell, entwickelt<br />
von Thilo Koch, näher beschrieben in seinem Artikel Abitur<br />
mit Portfolio, in Erziehungskunst 9/2005. Vergleichbare Ansätze vertreten<br />
Thomas Wiedenhorn, Das Portfolio-Konzept in der Sekundarstufe<br />
(Mülheim: Verlag an der Ruhr, 2006), Thomas Häcker, Portfolio,<br />
ein Entwicklungsinstrument für selbstbestimmtes Lernen (Hohengehren:<br />
Schneider, 2007) und Silvia Pfeifer et al., Lernen mit Portfolios.<br />
Neue Wege des selbstgesteuerten Arbeitens in der Schule (Göttingen:<br />
Vandehoeck und Ruprecht, 2007)<br />
(8)<br />
Vgl. dazu auch das Jurasüdfußmodell, wo Waldorfschüler neben dem<br />
Unterricht einige Tage pro Woche in einem Betrieb arbeiten. Genauer<br />
erklärt in Thomas Stöckli/Rudolf Wepfer, Die Schule am Wildbach<br />
(Stuttgart: <strong>Freie</strong>s Geistesleben, 1997). Auch Rüdiger Ivan möchte das<br />
„Erfolgsmodell <strong>Waldorfschule</strong>“ mit Werkzeug aus der Portfoliomappe<br />
renovieren. Vgl. Rüdiger Iwan, Die Neue <strong>Waldorfschule</strong>. Ein Erfolgsmodell<br />
wird renoviert (Reinbek: Rowohlt, 2007). Ein verwandter, allerdings<br />
eher theoretischer Ansatz fi ndet sich bei Hentig, Bewährung.<br />
Von der nützlichen Erfahrung, nützlich zu sein (München/Wien: Hanser,<br />
2006).<br />
(9)<br />
Wissenschaftlichere Ansätze zeigen Gunther Opp (Hrsg.), Was Kinder<br />
stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz (München: Ernst<br />
Reinhardt Verlag, 2007) und Rosemarie Welter-Enderlin (Hrsg.), Resilienz<br />
- Gedeihen trotz widriger Umstände (<strong>Heidelberg</strong>: Carl Auer,<br />
2006).<br />
(10)<br />
Als ein Beispiel mag hier nur die Reise ehemaliger <strong>Heidelberg</strong>er Waldorfschüler<br />
dienen, die mit zwei Enten (Citroen 2CV) nach Sibirien<br />
(und zurück) fuhren. Daniel Demele, Daniel Schmelzer et al., Eine Reise<br />
mit zwei Enten nach Russland, in ka-news, 27.12.2005.<br />
(11)<br />
Manchen mag es überraschen, aber selbst Christus hatte weder das<br />
baden-württembergische Staatsexamen abgelegt, noch besaß er die<br />
deutsche Staatsangehörigkeit. Somit wäre er grundsätzlich formal<br />
nicht qualifi ziert, Religionsunterricht an einer staatlichen Schule zu<br />
erteilen. Ebensowenig wie Mohammed, Buddha oder, noch etwas realistischer,<br />
der Dalai Lama. An <strong>Waldorfschule</strong>n entscheidet dagegen<br />
der Personalkreis bzw. das Kollegium über die Einstellung neuer Religionslehrer.<br />
(12)<br />
Wichtig ist daher eben nicht, dass man die Zeit der Abende um Weihnachten<br />
mit Gebäck, Glühwein, Glöckchengedudel und Geschenken<br />
vertreibt, sondern durch das festliche Miterleben der Geburt Christi<br />
ein Bild in der Seele zeichnet, das in der Wiederholung vertrauter<br />
wird, zu leuchten beginnt und später, viel später sogar die Einsamkeit<br />
kalter und fi nsterer Winternächte mit dem warmen Glanz der Kindheit<br />
zu füllen vermag. Dies ist, wie man häufi g von ehemaligen Waldorfschülern<br />
hört, ein ganz besonderes Geschenk, das manchmal bis<br />
ans Lebensende bewahrt wird.<br />
(13)<br />
Schweden, Belgien und die Vereinigten Staaten führen überhaupt<br />
keine Abschlussprüfungen durch, was in diesen Ländern nicht <strong>als</strong><br />
problematisch empfunden wird. Die punktuelle Prüfungsleistung<br />
wird in den USA und Schweden durch das Sammeln von credit points<br />
ersetzt.<br />
(14)<br />
Ein Gefühl für die Aufgabe verschafft bereits die Tatsache, dass es<br />
selbst einer engagierten Schulreformerin wie Enja Riegel nicht gelungen<br />
ist, in jahrzehntelanger Tätigkeit eine Personalautonomie, die<br />
Abschaffung von, in Hessen allerdings dezentralen, Prüfungen oder<br />
eine echte, im besten Sinne akademische Freiheit der Lehre durchzusetzen.<br />
Vor diesem Hintergrund erscheint Enja Riegels medial inszenierter<br />
Erfolg doch <strong>als</strong> recht bescheiden. Vgl. Riegel, Schule kann gelingen!<br />
Wie unsere Kinder wirklich fürs Leben lernen (Frankfurt a.M.:<br />
Fischer Verlag, 2005) Möglichkeiten, die allgemeine Krise politisch zu<br />
überwinden, zeigt beispielsweise der Unternehmer Götz Werner in<br />
seiner Publikation Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen<br />
(Stuttgart: <strong>Freie</strong>s Geistesleben, 2006). Ein Grundeinkommen könnte<br />
das Gehalt von Assistenzlehrern, Bibliothekaren, Sozialarbeitern, Verwaltungsfachleuten<br />
und Lehrern mit geringem Deputat ersetzen. Die<br />
positiven pädagogischen Möglichkeiten auf diesem Gebiet sind leider<br />
noch nicht erforscht.
Ausblicke 47
48<br />
Leben und Lernen<br />
„Religion kann so heilsam sein“<br />
Interview mit Thomas Demele zur christlichen Spiritualität<br />
Thomas Demele ist Pfarrer der Christengemeinschaft und Religionslehrer an der <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong>.<br />
Im Gespräch erklärt er, wie ein gelungenes Miteinander von Religion und Schule aussehen kann.<br />
Religion ist ein Begriff, der sehr unterschiedliche<br />
Gefühle und Erwartungen wachruft. Was heißt Religion<br />
eigentlich in seiner wörtlichen Bedeutung?<br />
Religion heißt wörtlich Wiederverbindung. Gemeint<br />
ist die Wiederverbindung mit dem Göttlichen,<br />
von dem jeder Mensch auf die Welt gesandt<br />
wird. Religion ausüben, heißt diese Wiederverbindung<br />
auch leben.<br />
Religion ausüben: Wie sieht das im Schulalltag<br />
aus?<br />
Wir sprechen vom Christusimpuls, der den Schulalltag<br />
durchdringt: Das heißt nichts anderes, <strong>als</strong><br />
das eine verstehende-liebevolle Grundhaltung unsere<br />
Arbeit bestimmt. Jeder von uns versucht, jedes<br />
Kind in seiner Besonderheit und in seinem individuellen<br />
Schicksal anzunehmen. Andererseits<br />
bemühen wir uns darum, dass, was das Kind an<br />
Liebe und Gottesnähe mitbringt, weiter zu stärken.<br />
Nicht immer erfahren die Kinder diese Liebe <strong>als</strong> etwas<br />
spontan Erfreuliches. Manchmal braucht es<br />
Zeit, zu verstehen, dass auch Strenge im richtigen<br />
Augenblick ein Ausdruck von Liebe sein kann. Weil<br />
sie hilft, zu wachsen. Wichtig ist allerdings, dass<br />
Strenge niem<strong>als</strong> zum Selbstzweck wird.<br />
Diese verstehende, liebevolle Grundhaltung, die<br />
wir den Kindern entgegenbringen, bestimmt auch<br />
den Umgang der Lehrer untereinander. Das gelingt<br />
immer so gut, wie die Menschen es gerade schaffen.<br />
Was die Eltern angeht, die ja auch Teil der<br />
Schulgemeinschaft sind, ist die Begegnung mit<br />
dem Religionsunterricht in der <strong>Waldorfschule</strong> oft<br />
auch eine Begegnung mit der Frage, was es heißt,<br />
christlich zu leben.<br />
Unsere Kinder wachsen in einer Welt auf, die einerseits<br />
mit Religion gebrochen hat und andererseits<br />
religiösen Fanatismus hervorbringt. Wie kann religiöse<br />
Erziehung heute gelingen?<br />
Die Kinder bringen Glauben mit, wenn sie zu uns<br />
kommen. Diesen Glauben stärken wir in ihnen und<br />
wir begleiten sie darin, einen eigenständigen<br />
Glauben zu entwickeln. Gerade die Kleinen haben<br />
eine große Offenheit für Religion. Den Schülern in<br />
der Mittelstufe kann Religionsunterricht mit auf<br />
den Weg geben, Schicksale zu verstehen und das<br />
Christuswirken im Schicksal wahrzunehmen. So<br />
lernen sie, ihren eigenen Weg zu fi nden. In der<br />
Oberstufe lernen die Schüler, Verständnis zu entwickeln<br />
für unterschiedliche Wege und so anderen<br />
Menschen mit Toleranz zu begegnen.<br />
Welche Rolle spielt denn das Beten?<br />
Wir pfl egen das Gebet mit den Kindern. Dann ist<br />
es wichtig, dass auch die Lehrer beten. Das wirkt<br />
sich positiv aus auf ihre pädagogische Arbeit mit<br />
den Kindern.<br />
Was macht beten so kraftvoll?<br />
Zum einen entwickelt es eine innere Haltung der<br />
Dankbarkeit. Im Gebet habe ich außerdem die<br />
Möglichkeit, auch für andere Menschen und für<br />
die Erde etwas zu tun. Es gibt <strong>als</strong>o eine Innen- und<br />
eine Außenwirkung. Es ist gesund, zu beten.
Wird Religion in Zukunft wieder wichtiger werden?<br />
Ja. Es ist eine starke Sehnsucht nach Anbindung<br />
und eine zunehmende Offenheit für religiöse Fragen<br />
spürbar. Sie hilft uns, das, was wir auf der Erde<br />
tun, in Verbindung zu bringen mit dem Geistigen.<br />
Und andererseits unsere eigenen geistigen Ideale<br />
wirklich auf die Erde zu bringen. Überall dort, wo<br />
Religion getan wird, hat das eine positive Wirkung<br />
auf das gesamte Umfeld. So sind beispielsweise die<br />
religiösen Feiern der <strong>Waldorfschule</strong> ein geistiger<br />
Quell für die gesamte Schule, auch wenn nur einige<br />
wenige sie mitfeiern.<br />
Schauen wir über <strong>Heidelberg</strong> hinaus auf die gesamte<br />
Waldorfbewegung? Wie sehen Sie die Rolle<br />
von <strong>Waldorfschule</strong>n auf dem religiös-spirituellen<br />
Leben und Lernen 49<br />
Gebiet? Kann die <strong>Waldorfschule</strong><br />
ein Zukunftsmodell sein?<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n sind Orte, wo<br />
sich verschiedene Menschen<br />
begegnen und verstehen lernen<br />
können. Allein von daher<br />
sind sie Orte , die Strahlkraft<br />
entwickeln – auch für ein Verständnis<br />
der Religionen untereinander<br />
und für die Frage,<br />
wo können wir zusammen-<br />
arbeiten. Orte, die angesichts der<br />
Auseinandersetzungen, die heute<br />
an Schulen geführt werden –<br />
nehmen Sie beispielsweise den<br />
Kopftuchstreit – eine wunderbare<br />
Voraussetzung schaffen,<br />
mit solchen Themen besonnen<br />
umzugehen.<br />
Aber auch an den <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
ist Religion noch ein<br />
ausbaufähiges Thema. Religion<br />
hilft uns, uns <strong>als</strong> ganze Menschen<br />
mit Leib, Seele und Geist<br />
zu begreifen und zu erleben.<br />
Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein,<br />
wie heilsam Religion<br />
wirken kann, weiter wächst!<br />
Das Gespräch führte<br />
Annette Wallmeyer
50<br />
Leben und Lernen<br />
Jahresarbeiten der 8. und 12. Klasse<br />
Individuellen Gestaltungswillen fördern in einer Welt voller Möglichkeiten<br />
Bildbeispiele, Arbeiten der 8. Klasse<br />
Die praktischen Fächer müssen unbedingt in den<br />
Schulunterricht nach der Geschlechtsreife eintreten.<br />
Der Mensch muss den Sinn des modernen<br />
technischen Zeitalters kennen lernen. In der Schule,<br />
nicht in der Fabrik.<br />
Aufzeichnungen Rudolf Steiners auf einem Notizblatt<br />
Nun arbeiten wir nicht mehr alle in der Fabrik.<br />
Und die Technisierung hat für viele den initialen<br />
Schock verloren, den eventuell Steiner und seine<br />
Zeitgenossen empfunden haben mögen, <strong>als</strong> diese<br />
Überlegungen zu Anfang des letzten Jahrhunderts<br />
zu Papier gebracht wurden. Die Frage nach<br />
dem Sinn ist geblieben. Sie ist noch lauter geworden<br />
in den letzten Jahren, in einer Zeit, wo so viele<br />
Wege offen stehen, und sich Dinge in einem rasanten<br />
Tempo verändern.<br />
Was <strong>als</strong>o bleibt? Was können wir Kindern mitgeben?<br />
Mit der Jahresarbeit erproben die Schüler<br />
Fähigkeiten, die Bestand haben: Die Vielfältigkeit<br />
des Gelernten – eventuell auch neue Inhalte –<br />
wird durch selbständiges Erforschen zu einer individuellen<br />
Bildungsgestalt gebracht und öffentlich<br />
dargestellt. Die Jahresarbeit kann <strong>als</strong> Abschlussarbeit<br />
aus einem schriftlichen, einem mündlichen<br />
und einem praktisch-künstlerischen Teil bestehen.<br />
Eigene Forschungsarbeit in Form von exakten<br />
Beobachtungen und Wahrnehmungen, Befragungen,<br />
Versuchen, Gesprächen bildet die Grundlage,<br />
die durch das Literaturstudium und andere<br />
Informationsquellen ergänzt wird. Vom Schüler<br />
wird erwartet, dass er Sachverhalte in ihrem Kern<br />
erkennt, Ursachen und Zusammenhänge auf-<br />
decken kann, und eigenständig Lösungen auf<br />
seine eingangs formulierte Frage fi ndet.<br />
Kurzum – nichts ist so lehrreich wie die eigene Erfahrung.<br />
Sich selbst zu motivieren und zu organisieren<br />
und über einen langen Zeitraum sinnvoll<br />
einzelne Arbeitsschritte zu planen, lässt bei den<br />
Schülern ein tiefes Verständnis heranreifen, was<br />
es heißt, das Leben selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Und immer, wenn dies gelingt, stellt sich der Sinn<br />
wie von selbst ein.<br />
Maximilian Wagner „Bau eines Seekajaks“
Frederik Wangelik „Mein eigener Erkundungsroboter“<br />
Leben und Lernen 51
52<br />
Leben und Lernen<br />
Moritz Henkel<br />
„Bau eines Kaufl adens“<br />
Frans Hügel<br />
„Das neue <strong>Heidelberg</strong>-Monopoly“
Colin Märker<br />
„Bau eines Backhäuschens“<br />
Leben und Lernen 53
54<br />
Leben und Lernen<br />
Mehr Raum für Beziehung und Bewegung<br />
Die neu eingerichtete Bas<strong>als</strong>tufe zeigt Erfolg<br />
Grund für die Überlegungen<br />
und die neue Konzipierung der<br />
ersten beiden Schuljahre waren<br />
die Erfahrungen der vergan-<br />
genen Jahre. So war in den Einschulungsuntersuchungen<br />
der<br />
letzten Jahre den beteiligten<br />
Personen eine deutliche Veränderung<br />
der Entwicklungssituationen<br />
der Kinder aufgefallen.<br />
Untermauert wurden die eigenen Beobachtungen<br />
durch Umfragen an den <strong>Waldorfschule</strong>n in<br />
Deutschland, die ähnliche Ergebnisse offenbarten.<br />
Außerdem verändern sich die staatlichen Bestimmungen<br />
zur Einschulung und dem Einschulungsalter<br />
nach der PISA-Studie in immer kürzeren Abständen.<br />
So haben wir uns entschlossen, den Erkenntnissen<br />
und Erfahrungen Rechnung zu tragen, und<br />
den Schultag für die Kinder der ersten und zweiten<br />
Klasse neu zu gestalten. Eine zentrale Rolle<br />
spielt dabei in noch stärkerem Maße <strong>als</strong> bisher<br />
der Klassenlehrer/die Klassenlehrerin. Er begleitet<br />
seine Klasse den gesamten Morgen hindurch. Er<br />
begrüßt sie am Morgen, ist eine halbe Stunde vor<br />
offi ziellem Schulbeginn im Klassenzimmer präsent,<br />
und bleibt präsent, bis die Kinder um 12.15<br />
Uhr die Schule verlassen. Dadurch gibt er den Kindern<br />
den nötigen Halt und ist die feste Bezugsperson,<br />
bzw. Ansprechpartner für alle Sorgen und<br />
Probleme. Außerdem wurde das recht feste und<br />
starre Korsett des Stundenplanes gelockert. Der<br />
Klassenlehrer soll möglichst viele Fachunterrichte<br />
selbst geben und dadurch kann er auf die Erfordernisse<br />
der Klassensituation fl exibel reagieren.<br />
Für die hinzukommenden Fachlehrer gibt es feste<br />
Zeitfenster, die dem Wochenplan Struktur geben.<br />
So kann beispielsweise der Montag der Handarbeitstag<br />
sein.<br />
Ein besonderer Schwerpunkt wird in der ersten<br />
Schulzeit auf die Nachreifung der so genannten<br />
basalen Sinne, <strong>als</strong>o des Lebenssinnes, des Gleichgewichts-,<br />
des Tast- und des Eigenbewegungssinnes<br />
gelegt. Heute weiß man, welch wichtige<br />
Voraussetzung diese Sinne für das Lernen bilden.<br />
Hier fi ndet Lernen nicht nur im Kopf statt, sondern<br />
<strong>als</strong> sinnliches Erfahrungsfeld, wenn z.B. die Buchstaben<br />
geknetet oder aus Teig gebacken werden,<br />
oder wenn die Zahlen auf vielfältige Weise gehüpft,<br />
gelegt, gelaufen, gehört u.v.m. werden.<br />
Es zeigt sich auch, dass das Anknüpfen an die
Kindergartenzeit für die Kinder eine hilfreiche<br />
Stütze ist. Eine sinnvolle Ergänzung unseres Konzeptes<br />
schien uns das Mobiliar des „bewegten<br />
Klassenzimmers“ zu sein. Statt der gewohnten<br />
Tische und Stühle gibt es Bänke, die verschieden<br />
eingesetzt werden können. Sie dienen <strong>als</strong> Sitzbank,<br />
<strong>als</strong> Schreibtisch, aber auch <strong>als</strong> Bauteil oder<br />
Balancierbalken. Sie schaffen Platz im Klassenzimmer<br />
und bieten bessere Wahrnehmungsmöglichkeiten<br />
durch das Arbeiten im Kreis.<br />
Nun ist die Bas<strong>als</strong>tufe im zweiten Jahr und erste<br />
Erfahrungen zeigen, dass für Eltern und Kinder<br />
bestimmte Elemente aus dem Alltag gar nicht<br />
mehr wegzudenken sind. Besonders das Greifen<br />
des gesamten Schultages und das Abrunden des<br />
Morgens mit Besprechung und Erzählen am Ende<br />
des Unterrichtstages durch den Klassenlehrer hat<br />
sich sehr bewährt. Sichtbar wurde aber auch, dass<br />
diese Aufgabe gerade für neue Kolleginnen und<br />
Kollegen eine große Herausforderung und auch<br />
Belastung darstellt. Eine Zweitkraft soll hier im ersten<br />
Jahr Entlastung schaffen. Doch auch erfahrene<br />
Lehrer werden vor die Aufgabe gestellt, sich<br />
Leben und Lernen 55<br />
von liebgewonnenen Gewohnheiten zu verabschieden<br />
und mit einem neuen Griff auf die Bedürfnisse<br />
der Kinder in der Bas<strong>als</strong>tufe einzugehen.<br />
Die Zukunft wird zeigen, ob die veränderte Schuleingangsstufe<br />
mit dem dritten Schuljahr in den<br />
gewohnten Ablauf übergeht, oder ob die Kinder<br />
uns nicht auch weiterhin zum Nachdenken und<br />
Überdenken unserer bestehenden Strukturen anregen.<br />
Sabine Zund
56 5 Leben Le Lebe be b n un und<br />
d Le LLernen rn rnen en e<br />
Kunsttherapie an der Schule<br />
In der Begegnung mit Material, Bild und Farbe unbekannte Ressourcen entdecken<br />
In einer Welt der „emotionalen Kältezonen“ (wie<br />
Henning Köhler die heute oftm<strong>als</strong> vorherrschende<br />
Atmosphäre unserer Gesellschaft beschreibt)<br />
brauchen Kinder verstärkt Menschen,<br />
die sich ihnen mit Wärme, Ruhe und intensivem<br />
Interesse zuwenden. Menschen, die ihnen helfen<br />
wollen, mehr bei sich selbst und bei den anderen<br />
anzukommen, um so ihr eigenes Wesen entdecken,<br />
entfalten und verwirklichen zu können. So<br />
stellte sich die Frage: Brauchen wir neben dem<br />
Lernen und Leben in der Klassengemeinschaft<br />
zusätzliche Beziehungsräume, die eine noch intensivere<br />
Individualförderung möglich machen?<br />
Der neue Kunsttherapieraum will vor allem<br />
eines sein: Ein geschützter und bewertungsfreier<br />
„Wärme-, Beziehungs- und Vertrauensraum“<br />
für jedermann, ein Raum, der Freude und Begegnung,<br />
ein Raum der Entwicklung, des aktiven,<br />
tätigen Interesses, ein Raum, in welchem<br />
seelisches Berührt-werden zugelassen und zaghafte<br />
„Schritte-zu-sich-selbst“ gegangen werden<br />
können. Dabei ist Therapie immer ein Geschenk<br />
des Augenblicks – sie ist das Dritte zwischen Ich<br />
und Du. Das Dritte: das rechte Wort, die richtige<br />
Bewegung, die passende Farbe zur rechten Zeit.<br />
Die eigentliche Therapie und der Ansatzpunkt<br />
für alle wirkungsvollen Maßnahmen basieren<br />
<strong>als</strong>o auf der Beziehung selbst – ganz im Sinne<br />
Christof Wiecherts, Leiter der Pädagogischen<br />
Sektion, Dornach), der seinen Vortrag anlässlich<br />
der Eröffnung unserer Jubiläumsveranstaltungen<br />
am 11. Oktober 2007 in den Satz münden<br />
ließ: „Keine Erziehung ohne Beziehung!“<br />
In der kunsttherapeutischen Begegnung mit<br />
dem Material, dem Bild, dem Wort, dem Anderen<br />
und sich selbst können Kinder, Jugendliche<br />
und Erwachsene schöpferisch-kreative Fähigkeiten<br />
und bisher unbekannte Ressourcen entdecken.<br />
So kann Kunsttherapie nicht nur dem so<br />
genannten „schwierigen Kind“ dazu verhelfen,<br />
Selbstvertrauen zu entwickeln und aus der neu<br />
gewonnenen Stärke erste Schritte der Veränderung<br />
zu gehen, sondern auch bei allen Formen<br />
des „psychischen Ungleichgewichtes“ wie etwa<br />
depressive Verstimmungen, Essstörungen oder<br />
Suchtfragen kann der kunsttherapeutische Prozess<br />
hilfreich sein, ebenso wie in der Auseinandersetzung<br />
mit einem chronischen Krankheitsbild,<br />
wie etwa Rheuma, Asthma u.ä. Und obendrein<br />
darf der Ausdruck der eigenen Kreativität einfach<br />
nur Freude machen!<br />
„In der Kunsttherapie stehen die Bilder <strong>als</strong> Zeichen<br />
für die Welt, in der ein Mensch lebt. Wenn<br />
sich die Bilder verändern, verändert sich auch der<br />
eigene Platz in der Welt.“<br />
Ellen Fischer<br />
(Kunsttherapeutin an der<br />
<strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong>)
Leben Le Lebe be b n un uund d Le LLernen rn rnen en 57 5
58<br />
Leben und Lernen<br />
In der Bewegung<br />
wird der menschliche Wille wirksam<br />
Mit Eurythmie die Verbindung zur Seele stärken und eins sein mit der Welt<br />
Eurythmie ist eine Bewegungskunst, welche<br />
Rudolf Steiner 1912 entwickelte. Sie wurde 1919 <strong>als</strong><br />
zentrales Fach im Lehrplan der ersten <strong>Waldorfschule</strong><br />
aufgenommen. Sowohl der Lehrplan, <strong>als</strong><br />
auch die Art des Unterrichts in den <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
fördern die Entwicklung des Kindes und<br />
Jugendlichen darin, ein freier und verantwortungsvoll<br />
handelnder Mensch zu werden.<br />
Welche Aufgabe hat dabei die Eurythmie? In der<br />
Bewegung wird der menschliche Wille wirksam.<br />
Wenn ich etwas will – beispielsweise ein Buch aus<br />
dem Regal nehmen – muss ich mich dabei in Bewegung<br />
setzen, sonst bleibt mein Vorhaben<br />
Wunsch oder Absicht.<br />
Heute ist das Bewegen auf ein Minimum reduziert,<br />
wir verarmen diesbezüglich mit wachsendem<br />
technologischem Fortschritt. Man kann die<br />
Frage haben, welche Folgen und Auswirkungen<br />
abzusehen sind in der Gegenwart und in der Zukunft.<br />
Eine Willensschwäche, ja sogar Willenslähmung<br />
durchzieht mehr und mehr unsere hoch zivilisierte<br />
Welt.<br />
Die Eurythmie ist nicht nur Bewegung, sondern<br />
eine darstellende Kunst. Jede Kunst – im Gegensatz<br />
zum Handwerk – ist zweckfrei; ich kann es<br />
auch lassen. Zum einen heißt das, dass ich dort<br />
noch viel mehr Willen aufbringen muss, um etwas<br />
darzustellen, zu üben oder zum Erklingen zu bringen.<br />
Zum anderen ist diese Kunst materiell nicht<br />
messbar oder greifbar und steht nicht in einem lebensnotwendigen<br />
Verhältnis zum Menschen. Die<br />
Kunst vermittelt Schönheit, mit der sie unsere Seele<br />
nährt. Seelennahrung ist es, was wir heute im<br />
höchsten Maße brauchen! Nicht der Gewinn, der<br />
Erfolg, der Ehrgeiz regen mich in der Eurythmie<br />
zum Bewegen an – kein äußerer Anlass zwingt<br />
mich in der Kunst zum Handeln. Ein Willenseinsatz<br />
aus innerster Seele wird Handlungsimpuls.<br />
Die Elemente der Sprache und Musik – Konsonanten,<br />
Vokale, Takt, Versmaß, Rhythmus, Melos<br />
und vieles mehr – erscheinen durch Eurythmie<br />
<strong>als</strong> sichtbare Sprache und sichtbarer Gesang in
Bewe gungen mit Menschen und in Menschengruppen.<br />
Musik und Sprache sind urmenschliche<br />
Tätigkeiten und tief inner-seelischer Ausdruck,<br />
welcher durch die eurythmische Bewegung in die<br />
Sichtbarkeit übergeführt wird. Bei jedem Zuhören<br />
und selber Sprechen und Singen sind im gesamten<br />
Organismus feine Bewegungen stets vorhanden,<br />
die bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen.<br />
Jeder Ton, jeder Laut hat eine andere<br />
Schwingung und somit in der Eurythmie auch<br />
jeweils eine andere Bewegung. Wir greifen mit<br />
unserem physischen Leib etwas auf und setzen es<br />
in der Bewegung, in Zeit und Raum um, was universeller<br />
Herkunft ist, so wie wir letztlich auch.<br />
Leben und Lernen 59<br />
Dieses unbewusste – uns später mehr und mehr<br />
wachbewusste – Erleben “im eurythmischen Bewegen<br />
bin ich authentisch mit mir und der Welt”,<br />
stärkt und kräftig mein Menschsein und selbstverständlich<br />
den Willen, meine Urteilsfähigkeit,<br />
mein Gespür für Wahres. In diesem Sinne ist es<br />
ein zentrales Fach an der <strong>Waldorfschule</strong>, das den<br />
ganzen Menschen berührt, bewegt und erzieht.<br />
Helene Kilders
60 Leben Le L be ben n un uund d Le Lern Lernen rn rnen en<br />
Alles eine Frage der Selbstorganisation<br />
Betriebspraktikum – Hinaustreten aus dem Schutzraum des Schulalltags<br />
Der Nutzen eines Betriebspraktikums lässt sich<br />
doch leicht begründen, sollte man meinen. Angefangen<br />
damit, dass wir „ vom Leben lernen“ bis zu<br />
Fragen der Selbstorganisation „ Wie schaffe ich es,<br />
drei Wochen lang jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen<br />
und dann acht Stunden stehend Bleche in<br />
einer Bäckerei zu säubern“, enthält ein Betriebspraktikum<br />
alles, was einen jungen Menschen zu<br />
einer ersten ernsthaften Begegnung mit der<br />
Arbeitswelt und dem Arbeitsalltag von Erwachsenen<br />
führt. Kein Wunder <strong>als</strong>o, dass diese Praktika<br />
schon lange Bestandteil von Lehrplänen für die<br />
9. und 10. Klasse an Staatsschulen sind. Sie sind<br />
vor allem in der Haupt- und Re<strong>als</strong>chule nicht mehr<br />
wegzudenken, weil hier Schülern, die bald eine<br />
Ausbildung machen oder einen Arbeitsplatz<br />
suchen, Möglichkeiten der Information und<br />
Praxiserprobung geboten werden.<br />
All das gilt natürlich auch für Waldorfschüler.<br />
Auch sie werden bald oder doch in absehbarer<br />
Zeit Auszubildende sein, auch in einigen von ihnen<br />
leben Fragen danach, welchen Beruf, ja welche<br />
Berufsrichtung für sie wohl die richtige sei.<br />
Einige machen sich darüber Gedanken schon in<br />
der 9., öfter in der 10. Klasse, beispielsweise wenn<br />
Fragen nach Haupt- oder Re<strong>als</strong>chulabschluss<br />
Schüler und Eltern bewegen. Für viele unserer<br />
Schüler aber ist durch die zwölfjährige Waldorfschulzeit<br />
diese Frage noch lange nicht auf der Tagesordnung<br />
und die Auseinandersetzung mit<br />
Ausbildung, Beruf, Arbeitswelt, Leistung und Motivation<br />
in Hinblick auf einen bestimmten Abschluss<br />
noch völlig zweitrangig. Das ist gut so,<br />
könnte man sagen, denn die Schüler sollen noch<br />
frei von Einschränkung lernen und im geschützten<br />
Rahmen der Schule Bildung und ihrer Entwicklung<br />
angemessenes und förderliches Wissen erwerben.<br />
Warum <strong>als</strong>o Schulzeit opfern für eine Zeit im Betrieb,<br />
in der Schüler nur die Einschränkungen und<br />
Verengungen des spezialisierten Arbeitsvorgangs<br />
erleben, Pseudoalltagserfahrungen machen und<br />
dann ins sichere Nest (hinter die Schulbank) zurückkehren?<br />
Was kann ein Betriebspraktikum über<br />
dieses Hineinschnuppern hinaus leisten? Warum<br />
ist es gerade in der 9. Klasse, besser 10. Klasse ein<br />
großer Gewinn, der weit über die üblichen positiven<br />
Aspekte des Kennenlernens von Arbeitswelt<br />
hinausgeht?<br />
Das Hinaustreten aus dem Schutzraum des Schulalltages,<br />
das Abstreifen des Gewohnten im Tagesablauf,<br />
im Verhalten in der Gemeinschaft und das<br />
sich Bewähren in einer neuen Kommunikationssituation<br />
über einen Zeitraum von mehreren<br />
Wochen stellt in diesem Alter für manchen eine<br />
große Herausforderung dar.<br />
„Werde ich den Anforderungen gerecht werden?<br />
Nehmen mich die Kollegen freundlich auf? Werde<br />
ich mich zurechtfi nden? Werde ich pünktlich sein<br />
können? Was geschieht, wenn ich versage?<br />
Diese Fragen wecken auf, beunruhigen, machen<br />
wach in einer Zeit, in der man manches verschläft,<br />
weil man auf die soziale Hülle des Schulorganismus<br />
vertraut und auf die Nachsicht von Mitschülern,<br />
Lehrern und Eltern baut.
Was ist aber, wenn der neue Ort Leistungen,<br />
Wachheit, Teamfähigkeit, Umsicht selbstverständlich<br />
voraussetzt? In vorbereitenden Klassengesprächen<br />
wurden Fragen nach Anforderungen,<br />
Beurteilungskriterien für gute Mitarbeit, Bedeutung<br />
von Pünktlichkeit usw. besprochen und mit<br />
den Schülern Bewertungskriterien entwickelt, mit<br />
deren Hilfe sie sich selbst und ihre Arbeit einschätzen<br />
sollten und Bewertungsbögen für die<br />
Arbeitgeber entwickelt, die von der „anderen<br />
Seite“ den Schülern eine Rückmeldung über<br />
Fähigkeiten und Leistungen geben sollten. Ein<br />
solcher Spiegel weckt auf, fördert Selbsterkenntnis,<br />
Selbsteinschätzung, wache Auseinandersetzung<br />
mit Urteilen anderer.<br />
Darüber hinaus bekam jeder Schüler die Aufgabe,<br />
aus seinem Arbeitsbereich ein Thema auszuwählen<br />
und sich mit diesem im täglichen Arbeitsprozess<br />
,aber auch theoretisch auseinanderzusetzen<br />
und darüber zunächst eine schriftliche, dann eine<br />
mündliche Präsentation zu erarbeiten. Die Beschäftigung<br />
mit einem Thema, neben den bloßen<br />
Wahrnehmungen am Arbeitsplatz, intensiviert<br />
sowohl die Beziehung zur Arbeit – die Nutzung<br />
von Möglichkeiten, den Blick fürs Wesentliche –<br />
kurz sie macht wach für das, was geschieht, verhindert<br />
ein Überrolltwerden oder stumpfes Absitzen<br />
eines neuen Erfahrungszeitraums.<br />
Im Anschluss an das Praktikum wurde im zweiwöchigen<br />
PKE-Unterricht eine Mappe angelegt,<br />
die die Tätigkeit und das Spezialthema dokumentierte.<br />
Zum Schluss präsentierte jeder Schüler mit<br />
eigener Schwerpunktsetzung sein Gebiet und<br />
Thema vor der Schulöffentlichkeit: Mitschüler,<br />
Lehrer und Eltern wohnten einer<br />
Präsentation bei, bei der es<br />
auf Originalität, Verständlichkeit<br />
und Geistesgegenwart ankam,<br />
kurz auf Wachheit, Selbstkontrolle,<br />
Überwindung von<br />
Scheu usw..<br />
Die Schüler der 10. Klasse haben<br />
die Herausforderung angenommen,<br />
sie haben Erfahrungen gemacht<br />
mit anderen und mit<br />
sich. Sie sind wacher geworden,<br />
nicht zuletzt in ihrer Selbstwahrnehmung.<br />
Manche haben<br />
Ziele ins Auge gefasst. Wie es<br />
weitergeht, darauf darf man gespannt<br />
sein.<br />
Sonja Hecht-Jäckel<br />
„Ich habe einen Einblick in die Arbeit bei<br />
der GefaÖ in Walldorf gewonnen und<br />
nun einen konkreten Überblick, was das<br />
Berufsbild Landschafts- und Umweltplaner/in<br />
angeht“<br />
Bildmaterial zu dem Betriebspraktikum<br />
von Luisa Gester<br />
Leben und Lernen 61
62<br />
Leben und Lernen<br />
„Erfahrung wieder in die Schule tragen“<br />
Interview mit Gildard Huppmann zum Freundeskreis der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
Herr Huppmann, es gibt bereits den Waldorfschulverein.<br />
Darüber hinaus engagieren sich Eltern und<br />
Freunde der Schule in zahlreichen Projekten und<br />
haben <strong>als</strong> Schulgemeinschaft in den letzten 25 Jahren<br />
Beachtliches geleistet. Wozu brauchen wir einen<br />
weiteren Verein?<br />
Huppmann: Das ist richtig. Unsere Schule zeichnet<br />
sich durch ein hohes Maß an Eigeninitiative<br />
für die gemeinsame Sache aus. Menschen, die davon<br />
überzeugt waren, dass unsere Kinder eine andere<br />
Art der Förderung und Begleitung brauchen,<br />
haben die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> in <strong>Heidelberg</strong> gegründet.<br />
Und dieses Engagement hat sich über<br />
alle Elterngenerationen fortgesetzt – es ist ein<br />
ganz wesentliches Element der Waldorfschulbewegung.<br />
Doch warum soll diese Unterstützung<br />
enden nur weil die eigenen Kinder die Schule verlassen?<br />
Mit dem Freundeskreis wollen wir das Gefühl<br />
der Zusammengehörigkeit von ehemaligen<br />
Schülern und Eltern fördern. Wir wollen die Bindung<br />
zu unserer Schule erhalten. Sie sehen, der<br />
Waldorfschulverein <strong>als</strong> Schulträger und der Freundeskreis<br />
<strong>als</strong> Förderkreis können gut nebeneinander<br />
bestehen und sich in ihrer Arbeit ergänzen.<br />
Eine <strong>Waldorfschule</strong> lebt von der Initiative vieler<br />
Menschen.<br />
Wie kann diese Zusammenarbeit aussehen?<br />
Der Freundeskreis kann eine Plattform sein für<br />
Ehemalige – Eltern wie Schüler – die sich weiter<br />
einsetzen wollen für ihre Schule. Weil sie vielleicht<br />
gerade rückblickend anerkennen, was sie empfangen<br />
durften. Schüler erwerben besondere Fähigkeiten<br />
im sozialen Miteinander, ebenso fördert die<br />
Schule ihr kreatives Potenzial. Menschen, die diese<br />
Fertigkeiten ausbilden konnten, sind innerlich<br />
gefestigt. Sie gehen eher neue Wege und fi nden<br />
ungewöhnliche Lösungen in einer Zeit, die keine<br />
einfachen Sicherheiten mehr bietet. Jedes Jahr<br />
verlassen junge Menschen die Schule, lernen unterschiedliche<br />
Berufe, leben überall auf der Welt<br />
und machen ihre ganz individuellen Erfahrungen,<br />
wie sie das Gelernte in ihrem Leben unterstützen<br />
kann. Vielleicht spüren sie irgendwann den Impuls,<br />
zurückzugeben, etwas von ihrer Lebenserfahrung<br />
in die Schule zu tragen und weiterzugeben<br />
an heutige Schüler. Schule und Lernen ist ein<br />
lebendiger Austausch – auf allen Ebenen, nicht<br />
nur im Klassenzimmer und nicht nur während<br />
der 12-jährigen Zeit <strong>als</strong> Schüler. Im angelsächsischem<br />
Raum ist dieser Gedanke der gegen-<br />
seitigen, lebenslangen Förderung viel stärker<br />
verankert <strong>als</strong> bei uns. Denken Sie an die extrem<br />
machtvollen Netzwerke Ehemaliger an allen<br />
großen Universitäten, der so genannten Alumni.<br />
Alumni kommt aus dem Lateinischen und heißt<br />
Zögling, der Wortstamm ist alere, was nähren<br />
oder aufziehen bedeutet. Wer genährt wurde,<br />
kann die nach ihm Kommenden nähren – das ist<br />
das Prinzip. Auf der Basis von Geben und Nehmen<br />
können Netzwerke entstehen, die eine<br />
Dynamik entwickeln, die wir uns vielleicht jetzt<br />
noch gar nicht vorstellen können.<br />
Welche Projekte könnten das ganz konkret sein?<br />
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich helfend<br />
einzubringen: Patenschaften, Sponsoring,<br />
Sachspenden mit Geräten und Materialien für<br />
den Unterricht, handwerkliche Arbeiten, Knowhow<br />
zu bestimmten Themen, Arbeitszeit und<br />
vieles mehr. Der Freundeskreis will mit seinen Aktivitäten<br />
zum einen den Erfahrungsaustausch,
zum anderen die waldorfpädagogische Arbeit<br />
fördern. Darunter fallen ganz unterschiedliche<br />
Aufgaben: wie Adressverwaltung aller Ehemaligen,<br />
regelmäßige Rundbriefe mit aktuellen Informationen,<br />
Tauschbörsen, Betriebspraktika bei Ehemaligen,<br />
Vorträge, Seminare und Workshops. An anderen<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n gibt es beispielsweise auch<br />
Berufsorientierungstage, an denen Ehemalige den<br />
künftigen Schulabgängern verschiedenste Berufsprofi<br />
le lebensnah und praxisorientiert vorstellen.<br />
Es wurden außerdem Jahresarbeiten in der 12. Klasse<br />
von Ehemaligen begleitet. Weiterhin könnten<br />
größere Unter richts projekte, Exkursionen, Seminare<br />
etc. gefördert werden.<br />
Können nur Ehemalige Mitglied werden?<br />
Nein. Wir wollen nicht nur ein Freundeskreis von<br />
ehemaligen Schülern und Eltern sein, sondern<br />
sind offen für alle Personen und Institutionen, die<br />
unsere Ziele unterstützen und vielleicht sogar aktiv<br />
bei uns mitarbeiten wollen. Wir stehen außerhalb<br />
des alltäglichen Schulbetriebs und möchten –<br />
uns nach außen wendend – möglichst viele<br />
Menschen ansprechen. Wir freuen uns über jedes<br />
neue Mitglied, egal ob Lehrer, Mitarbeiter, Eltern,<br />
Freunde oder Förderer, egal ob aktuell an der Schule<br />
oder ehemalig oder einfach der Schule nahestehend.<br />
Denn naturgemäß steigt die Möglichkeit,<br />
Leben und Lernen 63<br />
etwas zu bewegen, mit der Zahl der Mitglieder.<br />
Der Freundeskreis kann rein passiv fi nanziell unterstützt<br />
werden oder aber durch aktive Mitarbeit<br />
bei der Ausgestaltung einzelner Aktivitäten wie<br />
Kontakt- und Verteilerpfl ege, Rundschreiben,<br />
Veranstaltungsorganisation, Mitgliederverwaltung<br />
oder der Betreuung einzelner Projekte. Menschen,<br />
die ein wenig Zeit mitbringen, um weiter<br />
beim Aufbau zu helfen, sind sehr willkommen.<br />
Wer Interesse hat für den Freundeskreis ehrenamtlich<br />
tätig zu sein oder andere Anregungen,<br />
wende sich direkt an mich.<br />
Das Gespräch führte Annette Wallmeyer.<br />
Freundeskreis der <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> e.V.<br />
Gildard Huppmann<br />
freundeskreis@waldorfschule-hd.de<br />
+49 (0) 160 96081127<br />
Bankverbindung: Sparkasse <strong>Heidelberg</strong><br />
Kto Nr. 9094415 · BLZ 672 500 20
64 Leben und Lernen n<br />
Menschliche Entwicklung<br />
<strong>als</strong> Kontinuum begreifen<br />
Die Kindertagesstätte: Basisfähigkeiten entwickeln und individuelles Wachstum fördern<br />
1988 wurde im Waldorfschulverein <strong>Heidelberg</strong><br />
e.V. zu der Schule ein Kindergarten eingerichtet;<br />
1995 entstand das Konzept einer Kindertagesstätte,<br />
die den Aufgaben der Zeit und den Bedürfnissen<br />
der Eltern entsprach. So sind wir heute<br />
eine Einrichtung für 120 Kinder im Alter von<br />
3-12 Jahren in 3 Kindergartengruppen, einer Ganztagesgruppe<br />
und zwei Schulkindergruppen, die<br />
<strong>als</strong> Fortführung dieser familienergänzenden<br />
Nachmittagsbetreuung für 40 Kinder im Schulalter<br />
eingerichtet wurden. Die Kindertagesstätte<br />
ist von 7 bis 17 Uhr geöffnet; in 5 Wochen der<br />
Schulferien können die Kinder zu der Ferienbetreuung<br />
kommen.<br />
16 KollegInnen teilen sich die Arbeit, für die<br />
Gruppenleitung ist eine waldorfpädagogische<br />
Ausbildung mit staatlicher Anerkennung obligatorisch.<br />
Geleitet wird die Kindertagesstätte von<br />
einem Leitungsteam („Interne Konferenz“: alle<br />
Gruppenleitungen und die von der pädagogischen<br />
Arbeit freigestellte Leiterin).<br />
Eltern und Pädagogen arbeiten gemeinsam in<br />
Elternabenden und/oder Gesprächen an Fragen<br />
der Erziehung, um den Kindern eine gesunde<br />
Lebensbasis zu ermöglichen. Im Eltern-Erzieher-<br />
Kreis stehen die Belange der Trägerschaft im Vordergrund.<br />
Wichtige Begegnungspunkte sind<br />
auch die so genannten Gartentage, das Elternfrühstück<br />
oder die gemeinsamen Feste.<br />
Es gehört zum Konzept der Waldorfpädagogik,<br />
dass Waldorfkindergarten und <strong>Waldorfschule</strong> sich<br />
<strong>als</strong> Einheit verstehen und in der bestmöglichsten<br />
Weise zusammenarbeiten. Denn die menschliche<br />
Entwicklung ist ein Kontinuum; sie kennt keine<br />
Grenzen zwischen Elementar- und Primarstufe,<br />
zwischen Vorschulzeit, Schulzeit und Jugend. Je<br />
ganzheitlicher die Entwicklungsjahre in den Blick<br />
genommen werden, desto mehr entspricht dies<br />
dem heranreifenden Menschen.<br />
Die ersten sechs bis sieben Jahre bilden das Fundament<br />
für das spätere Leben. Waldorfpädagogik<br />
möchte umfassende Gesundheitskräfte veranlagen,<br />
so dass dem jungen Menschen das volle Potential<br />
seiner leiblichen, seelischen und geistigen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht.<br />
Für die Pädagogik dieses Alters heißt dies: Die Lebenswelt<br />
der Kinder muss so gestaltet werden,<br />
dass mindestens drei Hauptkomponenten die Erziehung<br />
prägen (1) :<br />
1. Kinder sollen – und wollen – die Welt in ihren<br />
Zusammenhängen erkennen und verstehen lernen,<br />
wobei der methodische Weg hierbei vom<br />
Erfassen einfacher und gut durchschaubarer<br />
Zusammenhänge ausgeht und zu immer kom-<br />
plexeren hinführt (Verstehbarkeit).<br />
2. Kinder gewinnen Vertrauen in die eigenen<br />
wachsenden Kräfte und Fähigkeiten in erster Linie<br />
dadurch, dass sie viele Gelegenheiten bekommen,<br />
Dinge selber zu tun und Aufgaben zu meistern.<br />
Wo Hilfe nötig ist, soll sie selbstverständlich erfolgen<br />
(Handhabbarkeit).<br />
3. Kinder sollen sich die Sinnhaftigkeit des eigenen<br />
Handelns, Fühlens und Denkens Schritt für<br />
Schritt erschließen; dazu bedarf es in der Kindheit<br />
und Jugendzeit qualifi zierter Vorbilder <strong>als</strong> Orien-
tierung und Wegbegleitung (Bedeutsamkeit). Die<br />
Kindergartenzeit ist frei von schulischem (explizitem)<br />
Lernen, es sollen so genannte Basiskompetenzen<br />
(2) entwickelt werden auf denen später die<br />
schulische Erziehung und Bildung aufbauen kann,<br />
nicht jedoch „auf die Schule vorbereiten“. Mit diesen<br />
Basiskompetenzen sollen die jungen Menschen<br />
befähigt werden, die Anforderungen des<br />
täglichen Lebens möglichst gut zu meistern. Kindergartenspezifi<br />
sch ist das implizite Lernen, eine<br />
indirekte Lernweise, beispielsweise Vorbild und<br />
Nachahmung., Tätigkeit und Wahrnehmung.<br />
Dazu gehört auch die große Aufgabe der Selbsterziehung<br />
des Erziehers. Wichtig ist uns auch die<br />
pädagogische Gestaltung der Umgebung, die<br />
sich für das Kind in Ordnung und Verlässlichkeit<br />
und rhythmischer Tagesgliederung zeigt. Frühe<br />
Kindheit, Kindergarten- und Schulzeit werden<br />
von der Waldorfpädagogik <strong>als</strong> Stationen eines<br />
durchgehenden Bildungsprozesses gesehen. Seit<br />
1999 arbeiten Eltern und Pädagogen an der großen<br />
zeitnotwendigen Herausforderung, für die<br />
unter 3-jährigen Kinder eine Betreuungsmöglichkeit<br />
zu schaffen. Mit der gesellschaftspolitischen<br />
Akzeptanz und den gegenwärtigen fi nanzpolitischen<br />
Veränderungen können wir nun diese<br />
wichtige Aufgabe angehen und an der konkreten<br />
Planung für eine Krippenbetreuung für anfänglich<br />
10 (später 20) Kinder arbeiten.<br />
Und so wird in absehbarer Zeit hier auf dem Gelände<br />
die Möglichkeit von „Waldorfpädagogik von<br />
0-18 Jahren“ gegeben sein!<br />
Doris Weidenhammer<br />
Leben und Lernen 65<br />
(1) P. Lang, Erziehung und Bildung<br />
für Kinder bis zur Schulfähigkeit,<br />
Int. Vereinigung d. Waldorfkindergärten<br />
e.V.<br />
(2) P. Lang, ebd.
66<br />
Leben und Lernen<br />
Gegen Bewegungsarmut und Körperferne<br />
Ein neuer Sportplatz schafft neuen Bewegungsraum<br />
Sitzstufe<br />
Baugrenze<br />
Tor<br />
„Wir müssen die Gesamtwesenheit des Menschen ins Auge fassen und werden darauf Rücksicht<br />
nehmen müssen, dass das Leibliche, das Seelische, das Geistige in der gleichen Weise zu seinem Recht<br />
kommt.“ (Rudolf Steiner, Die gesunde Entwicklung des Menschenwesens, 15. Vortrag)<br />
Seit 1984 steht der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
das 30 000 qm große Gelände im Mittelgewannweg<br />
für den Schulbetrieb zur Verfügung. Die<br />
gesunde körperliche Entwicklung ist ein wesentliches<br />
Anliegen der Waldorfpädagogik und so<br />
wurde bereits 1986/87 die Turnhalle errichtet, welche<br />
zudem <strong>als</strong> Versammlungs- und Veranstaltungsort<br />
dient.<br />
Schon dam<strong>als</strong> wurde auf dem Gelände hinter der<br />
Halle ein Sportplatz geplant, der jedoch bisher zugunsten<br />
der Schaffung weiteren Schulraumes zurückgestellt<br />
wurde. Im Zuge der anstehenden<br />
Sitzstufe<br />
1. BA<br />
Sportplatz<br />
Feuerwehrzufahrt<br />
Sitzstufe<br />
Weg zu Schulgarten<br />
Baugrenze<br />
Steinsetzung<br />
Festwiese<br />
Spielfläche<br />
Kita<br />
2. BA<br />
Kita<br />
Kindergar<br />
baulichen Maßnahmen soll der Sportplatz nun<br />
endlich verwirklicht werden.<br />
Es zeigt sich in zunehmendem Umfang, dass viele<br />
Kinder und Jugendliche unter Bewegungsarmut<br />
leiden und ihren Körper nicht mehr selbstverständlich<br />
handhaben können. Daher wächst die<br />
Verantwortung der Schule, sinnvolle Bewegungsangebote<br />
auszuweiten.<br />
Für unsere Schülerinnen und Schüler benötigen<br />
wir daher Übungsfl ächen für Leichtathletik und<br />
große Sportspiele. So soll ein Kleinspielfeld für<br />
Volley-, Basket- und Handball sowie eine Laufbahn<br />
und eine Sprunggrube entstehen. Für die Wurfdisziplinen<br />
Diskus und Speer wird dank der angrenzenden<br />
Wiese weiterhin ausreichend Fläche<br />
zur Verfügung stehen. Auf vielfachen Wunsch der<br />
Oberstufenschüler möge auch ein Beachvolleyballfeld<br />
entstehen. Die gesamte Anlage wird künftig<br />
auch Ausweichraum sein, wenn in der Turnhalle<br />
für die herausragenden Theateraufführungen<br />
geprobt wird.<br />
Für die kleineren Kinder ist es wesentlich, Anregungen<br />
zum Balancieren und Klettern sowie Platz<br />
zum Ballspiel zu schaffen.<br />
Wir freuen uns, dass der Sportplatz nach nun 20<br />
Jahren Wirklichkeit wird.<br />
Thomas Diener
Aus Freude am Spiel<br />
Die Theatergruppe Shakespeare‘s Best bereichert die Kulturlandschaft der Schule<br />
Die Theatergruppe „Shakespeare‘s Best“ hat sich<br />
im Jahr 2000 zusammengefunden und seitdem<br />
nahezu jährlich ein großes Theaterstück auf die<br />
Bühne gebracht. Das Drama „King Lear“ (Shakespeare<br />
2000), die Romanze „Das Wintermärchen“<br />
(Shakespeare 2002), die Komödie „Die gelehrten<br />
Frauen“ (Moliere 2003), Shakesperae‘s Drama<br />
„Macbeth“ (2004) sowie zuletzt „Romeo und Julia“<br />
(Shakespeare 2006). Nach „Bernarda Albas<br />
Haus“ (Federico Garcia Lorca 2007) soll im Januar<br />
2008 wieder eine Komödie folgen: Shakespeare‘s<br />
„Was ihr wollt“.<br />
Unter der Regie von Karin Munser erarbeitet unsere<br />
Gruppe, die sich aus Theaterfreunden aus<br />
dem Umkreis der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
zusammensetzt, mit viel Spaß und Engagement<br />
die Stücke, um sie dann traditionell in zwei<br />
Aufführungen an der Schule sowie einer weiteren<br />
an einem anderen Ort zu präsentieren.<br />
Diese Aufführungen an einem anderen Ort –<br />
zum Beispiel im Bistro oder in der Backhalle der<br />
Bäckerei Mantei – ist dabei immer eine besondere<br />
Herausforderung für das Improvisationstalent<br />
der Schauspieler, die Flexibilität unserer Beleuchter<br />
sowie der Nerven der Regie, da sie unter<br />
völlig anderen Bedingungen – beispielsweise<br />
ohne Bühne – und immer ohne zusätzliche vorherige<br />
Probe stattfi ndet.<br />
Das Markenzeichen der Gruppe „Shakespeare‘s<br />
Best“ ist die „schwarze Bühne“. Wir versuchen,<br />
mit möglichst reduziertem Kulissenaufwand<br />
auszukommen; nicht auf Bühnenschmuck und<br />
Ausstattung soll das Gewicht gelegt werden,<br />
sondern auf das Schauspiel selbst, auf die dar-<br />
Leben und Lernen 67<br />
stellerische Leistung. Dadurch wird die Anforderung<br />
an die Schauspieler – übrigens fast allesamt<br />
Laien, die die Freude am Theaterspielen ver-<br />
bindet – noch einmal gesteigert, und so mancher<br />
fragt sich während der Proben, warum er das<br />
alles neben der Examensprüfung oder der Arbeit<br />
sich noch zusätzlich aufgeladen hat. Doch<br />
spätestens nach der Aufführung wusste es jeder<br />
wieder: aus Freude am Theaterspiel.<br />
Karin Munser<br />
Die gelehrten Damen, 2003
68<br />
Leben und Lernen<br />
Das Tier <strong>als</strong> guter Lehrer<br />
Der Schulbauernhof: Begegnen - Erleben - Erstaunen - Erwachen<br />
Als eine Zeitnotwendigkeit und natürlich auch <strong>als</strong><br />
Teil eines lebendigen Gartenorganismus gibt es<br />
an unserer Schule seit nunmehr 7 Jahren einen<br />
kleinen Schulbauernhof mit ein paar Nutztieren.<br />
Durch die immer größer werdende Entfremdung<br />
der Kinder von Pfl anzen und Tieren sowie von<br />
natürlichen Vorgängen wie Geburt und Tod werden<br />
ganze Lebensbereiche der Anteilnahme ent-<br />
zogen. Hochspezialisierte Methoden lassen das<br />
Dasein unserer Nutztiere außerhalb unserer<br />
Wahrnehmung stattfi nden.<br />
Eben dieser Entwicklung wollen auch wir ent-<br />
gegen arbeiten und uns in die immer stärker<br />
gefragte „Schulbauernhofbewegung“ einreihen.<br />
Gerade zum Haustier besitzt der Mensch doch ein<br />
besonderes seelisches Verhältnis, und bei Kindern<br />
werden die Wahrnehmung, die Erlebnisfähigkeit<br />
und die Fantasie angeregt. Durch den direkten<br />
Kontakt erlangt das Kind Kenntnisse über das jeweilige<br />
Tier und lernt dessen Bedürfnisse kennen.<br />
Ist es nicht ein großes Erlebnis, bei der Geburt von<br />
Ferkeln oder Lämmern dabei zu sein?<br />
Der selbst geschorenen Wolle der eigenen Schafe<br />
kommt eine ganz besondere Bedeutung zu.<br />
Neben all den positiven Erfahrungen, die Schülern<br />
im Zusammenhang mit der Tierhaltung vermittelt<br />
werden können, wie z.B. Verantwortung und<br />
Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Ordnung, Sinnesschulung,<br />
Begreifen von Naturzusammenhängen<br />
sowie die liebevolle Hingabe über das Lustprinzip<br />
hinaus, soll die Tierhaltung noch mehr in das Unterrichtsgeschehen<br />
einbezogen werden.<br />
Darüber hinaus können Tiere Trost spenden, sich<br />
positiv auf die Psyche der Kinder auswirken; so<br />
kann der Mensch sich so angenommen fühlen<br />
wie er ist, denn Tiere be- oder verurteilen nicht.<br />
Die tägliche Stallarbeit nimmt eine zentrale Stellung<br />
im Fachbereich Gartenbau ein. Die Versorgung<br />
am Wochenende und in den Ferien wird<br />
größtenteils von Freiwilligen (Schülern und Eltern)<br />
übernommen.<br />
Wir sind Mitglied in der „Gesellschaft zur Erhaltung<br />
alter und gefährdeter Haustiere e.V.“ undhoffen<br />
auf baldige Anerkennung <strong>als</strong> „Arche Hof“.<br />
Zurzeit halten wir 6 Schafe, 2 Muttersauen,<br />
2 Zwergziegen, 2 Enten, 15 Hühner und 2 Hähne<br />
sowie 2 Katzen und 9 Bienenvölker.<br />
Ein „Tierkreis“, bestehend aus derzeit 4 Eltern und<br />
dem Gartenbaulehrer <strong>als</strong> Mitglieder, trägt gemein<br />
sam Verantwortung für alle Belange der<br />
Tiere.<br />
Alph Lehmann<br />
Fotos: Günter Vahlkampf
Unsere Vision:<br />
Intensivierung der Tierhaltung, stärkere Integration in den Schulalltag und<br />
... eines Tages eine Kuh mit Kalb.<br />
Leben und Lernen 69
70 Leben und d Lernen<br />
Schule <strong>als</strong> Lebensraum<br />
Die Schulbibliothek fördert Lesekultur und Gemeinschaft<br />
Die Lesekultur an unserer Schule zu fördern, das<br />
war das Anliegen vieler Eltern. Es entstand eine<br />
Initiative zum Aufbau einer neuen, modernen Bibliothek<br />
im Rahmen des Mensaumzuges, die<br />
rasch auch die Unterstützung des Kollegiums<br />
fand. Es folgten Wochen aufwendiger Renovierungsarbeiten,<br />
um die ehemalige Mensa mit Hilfe<br />
großzügiger Spenden in die heutige Schulbibliothek<br />
umzubauen. Ein eigens erstelltes Computerprogramm<br />
erleichterte die Aufnahme und Verwaltung<br />
von anfangs 2000 Büchern, die aus<br />
zahlreichen Spenden sorgfältig ausgewählt wurden.<br />
Im September 2005 konnte die Bibliothek eröffnet<br />
werden und steht der Schulgemeinschaft seitdem<br />
durch freiwillige Dienste durch engagierte Eltern<br />
regelmäßig zur Verfügung. Hier soll für die jüngeren<br />
Schüler die Freude am Lesen gefördert und<br />
der Umgang mit Büchern vertraut gemacht werden.<br />
Für die älteren Schüler wird ein Raum angeboten,<br />
der mit Fachliteratur und Nachschlagewerken<br />
ein ruhiges Arbeiten ermöglicht.<br />
Atmosphäre und Einrichtung laden zum Verweilen<br />
und Schmökern ein. Die Besucher sollen gerne<br />
kommen, neugierig stöbern, selbstvergessen lesen,<br />
konzentriert arbeiten oder die Ruhe genießen.<br />
Die Bedürfnisse der Schüler wurden dabei besonders<br />
berücksichtigt. Der Lesebereich für die jüngeren<br />
Kinder bietet die Möglichkeit zum Vorlesen<br />
und Selberlesen und wird von den Kindern besonders<br />
gern genutzt, um Wartezeiten auszufüllen<br />
oder im abgetrennten Küchenbereich ein Pausen-<br />
schwätzchen zu halten. Die Kinder- und Jugendbuchsammlung<br />
umfasst inzwischen insgesamt<br />
ca. 1800 Bücher.<br />
Den Bedürfnissen der älteren Schüler, der Lehrer<br />
sowie der Eltern sollen die vielfältigen Angebote<br />
an Belletristik, Nachschlagewerken und Lexika,<br />
Zeitungen und Magazinen entgegenkommen. Ruhige<br />
Arbeitsbereiche werden in Freistunden gerne<br />
genutzt und stehen am Abend für unterschiedliche<br />
Arbeitsgemeinschaften aus der Schule zur<br />
Verfügung.
Bei der Auswahl des Buchangebotes wurden insbesondere<br />
die Fachbereiche des Unterrichts berücksichtigt.<br />
Der Bestand von anfänglich 2000<br />
Büchern konnte durch vielfältige Spenden inzwischen<br />
auf 6.300 erhöht werden. Hier fi ndet man<br />
beispielsweise im Bereich Literatur über 2000, in<br />
der Pädagogik ca. 400, in den Fremdsprachen ca.<br />
500 Bücher.<br />
Ein weiterer Beitrag der Bibliothek zum Lebensraum<br />
Schule ist das Angebot an unterschiedlichsten<br />
Veranstaltungen rund ums Lesen und<br />
Leben und Lernen 71<br />
das Buch. So konnten in den vergangenen zwei<br />
Jahren bereits einige Vorträge, mehrere Rezitationen,<br />
teilweise mit musikalischer Untermalung,<br />
Matineen, Autorenlesungen, Lesenächte und Konzerte<br />
organisiert und durchgeführt werden. In<br />
regelmäßigen Treffen bereitet das Bibliotheksteam<br />
diese Veranstaltungen vor, immer mit dem<br />
Bewusstsein, dass die Bibliothek für Schüler,<br />
Eltern und Lehrer Anregungen bieten soll, die<br />
das soziale Miteinander, sei es durch Zuhören,<br />
Vorlesen, Diskussionen oder gemeinsames Arbeiten<br />
konstruktiv fördern.
72<br />
Ausblicke<br />
Den ganzen Tag Zuhause: aus der Lernschule<br />
eine Lebensschule machen<br />
Ganztagsschule heute und in Zukunft<br />
…. es stimmt tatsächlich, dass in der <strong>Heidelberg</strong>er <strong>Waldorfschule</strong> den ganzen Tag über etwas los ist.<br />
Nach dem Unterricht steht den Kindern und Jugendlichen<br />
eine Vielfalt von Freizeitangeboten zur<br />
Verfügung. Geht man mit etwas Muße über das<br />
Schulgelände, kann man spielende Kindergruppen<br />
erleben; aus dem Eurythmiesaal erklingt<br />
Klaviermusik; Erwachsene begegnen sich, sprechen<br />
miteinander; im Werkraum arbeitet ein 8.-Klässler<br />
an seinem Kanu; nebenan in der Schneiderei näht<br />
eine Oberstufenschülerin einen Vorhang; ein<br />
Grüppchen unserer Kleinen führt junge Ziegen<br />
spazieren und lockt mit einem Brotkanten ein<br />
zahmes Hängebauchschwein hinter sich her.<br />
Wenn man Glück hat, sind die Fenster der „Kathedrale“<br />
offen und der ganze Schulhof ist erfüllt von<br />
der Musik des Schulorchesters. Einige kostümierte<br />
Mädchen eilen kichernd zur nächsten Theaterprobe.<br />
Vor der Turnhalle wird Basketball gespielt; aus<br />
dem Oberstufenhaus hört man Lachen und das<br />
Klack-Klack des Kickers.<br />
Nach 17 Uhr, wenn der letzte Schulbus abgefahren<br />
ist, wird die Schule geputzt. Während des Spätnachmittags<br />
und am Abend fi nden Konferenzen<br />
statt, treffen sich Arbeitsgruppen, und es werden<br />
Kurse für Erwachsene angeboten.<br />
In einer guten Schule wird gearbeitet und gelebt.<br />
Aus diesem Anliegen heraus beschloss die Schulgemeinschaft<br />
nach langjährigen Erfahrungen im<br />
Betreuungs- und Initiativbereich im Jahre 2005<br />
eine teilgebundene Ganztagesschule zu werden.<br />
Das heißt, dass alle Betreuungsangebote für die<br />
Klassen 1 - 10 verlässlich und verbindlich sind, die<br />
Kinder und Jugendlichen aber frei wählen können,
ob und welches Angebot sie nutzen möchten.<br />
Ganz besonders beliebt sind alle Sport- und Bewegungsangebote,<br />
Sprachkurse, die Theater-AG<br />
und bei den Jüngsten die Tierpfl egegruppe.<br />
Ein Gewinn für die Schulgemeinschaft ist es, dass<br />
nicht nur Erwachsene (LehrerInnen, Eltern Übungsleiter<br />
aus Sportvereinen) das Kursprogramm gestalten,<br />
sondern auch OberstufenschülerInnen<br />
ihre Kompetenzen einbringen, Arbeitsgemeinschaften<br />
leiten, Nachhilfe geben und die Erst- und<br />
Zweitklässler zum Mittagstisch begleiten.<br />
Neben den Freizeitangeboten liegt ein zweiter<br />
Schwerpunkt der Ganztages-Schularbeit in der<br />
gezielten Unterstützung und Förderung der schulischen<br />
Leistungen unserer Kinder und Jugendlichen.<br />
Zwischen Mittagspause und Kursbeginn<br />
wird die Arbeit an den Hausaufgaben durch LehrerInnen<br />
betreut. Ab der Mittelstufe gibt es fachspezifi<br />
sche Hausaufgabengruppen in Russisch<br />
oder Englisch und Mathematik und ab dem kommenden<br />
Schuljahr beginnt einer Kleingruppe mit<br />
der Förderung von Legasthenikern.<br />
Das Spielen, Lernen und Arbeiten mit den Kindern<br />
macht Freude und gibt ein „Zuhause-Gefühl“ in<br />
der Schule den ganzen Tag.<br />
Ausblicke 73
74<br />
Ausblicke<br />
In 10 Jahren wird es in der Schule vielleicht ein<br />
„Nachmittagshaus“ geben, welches umgeben von<br />
Sport-, Spiel- und Klettergelände verschiedene Arbeits-<br />
und Ruheräume, Werkstätten, ein Bistro,<br />
eine Galerie, Medienräume und eine Bib liothek<br />
beherbergt. Das Dachgeschoss ist mit Wohnungen<br />
ausgebaut. Einige Mitarbeiter, vor allem<br />
aber Jugendliche im Abschlussjahr leben in WG´s<br />
der Schule.<br />
Die Unterrichtstage sind in ihrem zeitlichen Ablauf<br />
so gestaltet, dass konzentriertes Arbeiten und<br />
gelöste Pausen sich rhythmisch beleben. Deshalb<br />
wird das „Nachmittagshaus“ mit seinen Freizeit-<br />
und Rückzugsmöglichkeiten, den Plätzen für<br />
kreatives Gestalten und stilles selbstständiges<br />
Arbeiten auch schon vormittags genutzt. Neben<br />
den bekannten Unterrichtsfächern sind viele<br />
lebenspraktische Tätigkeiten wie Backen, Kochen,<br />
Putzen, Umgang mit Kleidung in den Schulalltag<br />
integriert.<br />
Hierbei sind OberstufenschülerInnen fest eingebunden<br />
in die Anleitung und Betreuung der jüngeren<br />
Kinder. Sie spielen in den Pausen mit ihnen,<br />
kochen Spaghetti mit Tomatensauce für sie, zeigen<br />
ihnen wie man einen Knopf annäht. Das 1 x 1<br />
wird geübt, wie man auf russisch nach dem<br />
Schwimmbad fragt oder in Frankreich ein Brot<br />
kauft.<br />
Die Betreuungsarbeit der Jugendlichen wird am<br />
Ende des Schuljahres beurteilt und zertifi ziert. Sie<br />
fi ndet neben den Unterrichtsergebnissen, sozial-<br />
und betriebspraktischen Erfahrungen Eingang in<br />
ihre waldorfeigenen Abschlüsse.<br />
Kaufmännische und fi rmentechnische Kenntnisse<br />
können beim Führen des Bistros, des Schulbedarfs-<br />
oder Secondhandladens erworben werden.<br />
Organisatorische Fähigkeiten werden geschult,<br />
indem SchülerInnen mitwirken bei der Gestaltung<br />
von Theateraufführungen und Jahresfesten. Natürlich<br />
wird Mathe gelernt, Chemie praktiziert,<br />
Deutsch studiert, gesungen, musiziert, gemalt,<br />
geschmiedet, getanzt und geforscht.<br />
Das Leben ist spannend und die Welt voller Geheimnisse.<br />
Vielleicht ist aus der Lernschule eine<br />
Lebensschule geworden. Wie wird die Zukunft<br />
Schule machen ?<br />
Antje Frohmuth
Ausblicke 75
76<br />
Ausblicke<br />
Neue Formen der Zusammenarbeit<br />
Schulträgerorgan (STO) oder wie Eltern und Lehrer gemeinsam Lösungen fi nden für eine sich wandelnde Umwelt<br />
Die Suche nach einer geeigneten Form der Eltern-Lehrer-Zusammenarbeit<br />
hat in der <strong>Freie</strong>n<br />
<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong> eine lange Tradition.<br />
Einige Initiativen zu dieser Zusammenarbeit, wie<br />
zuletzt das SELF (Schüler-Eltern-Lehrer-Forum)<br />
waren über längere Zeit beständig. Jedoch entstand<br />
in den Jahren 2004 und 2005 ein Defi zit in<br />
der Zusammenarbeit, welches sowohl von Eltern<br />
<strong>als</strong> auch von Lehrern bemerkt und beanstandet<br />
wurde. Angeregt durch die Vorträge von Hans<br />
Wilhelm Colsmann und seinen Beispielen der<br />
Schulparlamente in Lübeck und Essen wurde ein<br />
Eltern-Lehrer-Wochenende im November 2005<br />
durchgeführt, an dem Visionen entworfen und<br />
die Aufgaben an ein neues Organ der Eltern-Lehrer-Zusammenarbeit<br />
skizziert wurden.<br />
Obwohl schon an diesem Wochenende deutlich<br />
wurde, dass eine neue Form der Zusammenarbeit<br />
von allen Seiten gewünscht wurde, konnte<br />
doch zunächst nur ein Auftrag an eine Arbeitsgruppe<br />
formuliert werden, den skizzierten Entwurf<br />
weiter auszuarbeiten. Nach etwa einem<br />
halben Jahr wurde eine neue Organbeschreibung<br />
für das Schulträgerorgan (STO) vorgestellt.<br />
Es bedurfte jedoch noch weiterer 6 Monate des<br />
Austausches und der Vertrauensbildung, um sowohl<br />
im Kollegium <strong>als</strong> auch in der Schulversammlung<br />
die Entscheidung zur Bildung des<br />
STO zu treffen.<br />
Hierin zeigt sich bereits ein großer Unterschied<br />
zu den Schulparlamenten, die in den Anfängen<br />
<strong>als</strong> Vorbild für dieses neue Organ dienten. In <strong>Heidelberg</strong><br />
wurde das neue Organ im Kollegium<br />
und in der Schulversammlung bestätigt. Die<br />
Form der Zusammenarbeit ist in einer Form beschrieben,<br />
die einer Satzung ähnelt, ohne jedoch<br />
in der Satzung des Schulvereins verankert zu<br />
sein. Somit beruht die Zusammenarbeit im STO<br />
auf einer gemeinsamen, freiwilligen Entscheidung<br />
und ist durch die Wahl der delegierten Eltern<br />
und Lehrer legitimiert. Die Organbeschreibung<br />
beschreibt die Bildung und Aufgaben des<br />
Organs und erlegt den Delegierten Regeln für<br />
eine kontinuierliche Zusammenarbeit, einen<br />
strukturierten Ablauf der Versammlungen und<br />
einen transparenten Prozess für Beschlussfassungen<br />
auf. Das muss geübt werden, aber nach<br />
einem Jahr der Zusammenarbeit können wir<br />
schon auf die ersten Erfolge zurückschauen.<br />
So wurde bereits in der ersten Sitzung nach der<br />
feierlichen Bildung des Organs beschlossen, im<br />
Februar 2008 die Bundeselternratstagung (BERT)<br />
in unserer Schule auszurichten und eine Delegation<br />
gebildet, die dieses große Ereignis seither<br />
vorbereitet. Es wurden zentrale Themen wie der<br />
neue Sportplatz, der Etat der Schule und eine Anpassung<br />
der Elternbeiträge diskutiert und beschlossen.<br />
Aktuelle Probleme und Aufgaben werden<br />
in jeder Sitzung direkt behandelt. Ebenso ist<br />
die möglichst weite Verbreitung von Informationen<br />
in der Schulgemeinschaft ein wichtiger<br />
Aspekt. Aktuell befasst sich das STO unter anderem<br />
mit der Bildung von zwei neuen Delegationen.<br />
In der Delegation „Medienkompetenz“<br />
sollen Hilfen für Eltern und Lehrer erarbeitet<br />
werden, um die Schüler im Umgang mit den<br />
neuen Medien verantwortungsvoll begleiten zu<br />
können. Auch die Wiederbelebung bzw. sinnvolle<br />
Einbindung der Computerkurse für Schüler und
Bild 11. Klasse<br />
damit die Nutzung der bereits vorhandenen Infrastruktur<br />
sind ein Ziel dieser Delegation.<br />
Die Delegation „Schulprofi l“ will sich mit den Herausforderungen<br />
der Zukunft befassen, die aus<br />
verschiedenen Richtungen an uns herange-<br />
tragen werden. Die Bas<strong>als</strong>tufe, das Abitur in der<br />
12. Klasse oder ein Waldorfabitur, Portfolioarbeit<br />
und Industriepraktika sind anstehende Themen.<br />
Jedoch beschäftigen uns auch interne Fragestellungen:<br />
Entsprechen die inhaltlichen Schwerpunkte<br />
unserer Schule weiterhin den Anforderungen,<br />
soll es mehr Ganztagesschule geben,<br />
wie wird die Bas<strong>als</strong>tufe weiter ausgestaltet, wie<br />
gewinnt die Schule mehr Gestaltungsspielraum,<br />
zeigen nur beispielhaft die Vielfalt der Themen.<br />
Ausblicke 77<br />
Die neue Delegation soll Impulse erarbeiten und<br />
diese gemeinsam mit den anderen Organen der<br />
Schule weiter bearbeiten und umsetzen. Dies<br />
wird die Schule nicht in einer Nacht verändern,<br />
über die Zeit soll die Schule jedoch Antworten<br />
auf die im Wandel befi ndliche Umwelt fi nden,<br />
mit einem überlegt angepassten Profi l attraktive<br />
Alternativen aufzeigen und so den Fortbestand<br />
unserer Schule sichern helfen.<br />
Matthias Opitz
78<br />
Ausblicke<br />
Toleranz und globales Lernen<br />
Interview mit Albert Schmelzer zur interkulturellen <strong>Waldorfschule</strong><br />
Welche Aufgaben hat die Waldorfschulbewegung<br />
heute?<br />
Die Schulbewegung umfasst inzwischen über<br />
200 Schulen in Deutschland und etwa 1000 Schulen<br />
weltweit, von ihr gehen vielfältige Impulse in<br />
der Bildungslandschaft aus: der Nachweis, dass<br />
die Schülerinnen und Schüler ohne den Druck des<br />
Sitzenbleibens zu Leistungen kommen, der Hinweis<br />
auf die Möglichkeit, schon ab der ersten<br />
Klasse in mehrere Fremdsprachen nachahmend<br />
hineinwachsen zu können, das Herausstellen der<br />
Bedeutung des Künstlerischen im Erziehungsprozess.<br />
Darüber hinaus sehe ich die Aufgabe, gesellschaftliche<br />
Problemfelder aufzugreifen und zu<br />
zeigen, welche Impulse in diesem Zusammenhang<br />
von der Waldorfpädagogik ausgehen können.<br />
Eines der zentralen pädagogischen Probleme<br />
ist dabei die systematische Benachteiligung der<br />
Migrantenkinder im dreigliedrigen Schulsystem:<br />
im Vergleich mit den Migrantenkindern verließen<br />
im Jahre 2004 dreimal so viele Deutsche die Schule<br />
mit Abitur, hingegen blieben doppelt so viele<br />
Migrantenkinder ohne Abschluss wie deutsche<br />
Schüler. Mit einigen Kolleginnen und Kollegen<br />
habe ich daher im Jahre 2003 eine erste interkulturelle<br />
<strong>Waldorfschule</strong> in Mannheim-Neckarstadt,<br />
einem sozialen Brennpunkt, begründet; die Hälfte<br />
der Kinder sind Deutsche, die andere Hälfte Migrantenkinder<br />
aus 11 Nationen.<br />
Nach welchem Konzept arbeitet diese Schule?<br />
Die pädagogische Grundlage der Schule ist die<br />
Waldorfpädagogik, in der Ausgestaltung hat sie<br />
einige Besonderheiten. Sie ist eine Ganztagsschule<br />
mit Unterricht bis 15 bzw. 16 Uhr, so dass die<br />
Möglichkeit besteht, in den frühen Nachmittags-<br />
stunden einen „Projektunterricht“ anzubieten.<br />
Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler zumeist<br />
in Gruppen von etwa 12 Teilnehmern, in<br />
Epochen von etwa 4 Wochen an vielfältigen Aufgaben:<br />
Da wird ein Kräutergärtchen angelegt, der<br />
Schulhof gestaltet, ein Theaterstück eingeübt<br />
oder Bogenschießen geübt. Was im Einzelnen<br />
unternommen wird, suchen die unterrichtenden<br />
Lehrerinnen und Lehrer – manchmal auch Eltern –<br />
im Blick auf die Bedürfnisse der Klasse aus. Eines<br />
aber haben die Projekte gemeinsam: Sie zielen darauf,<br />
die oft vorhandenen Defi zite in der Entwicklung<br />
der Feinmotorik, des Tast- und Gleichgewichtssinns<br />
zu beheben, ist doch – wie die neuere<br />
Wissenschaft gezeigt hat – eine gesunde Entwicklung<br />
der Körperlichkeit Grundlage auch des kognitiven<br />
Lernens. Darüber hinaus bieten wir – eine<br />
Erfi ndung der Interkulturellen <strong>Waldorfschule</strong> –<br />
Foto: Günter Vahlkampf<br />
Bilder zum Theaterstück „Besuch der altenDame“ 11. Klasse
Ausblicke 79<br />
das Fach „Begegnungssprache“ an: In jahrgangsübergreifenden<br />
Gruppen von der 1. bis zur 3. Klasse<br />
bekommen die Migrantenkinder Unterricht in<br />
ihrer Muttersprache, die deutschen Kinder können<br />
sich einer Gruppe ihrer Wahl anschließen. Augenblicklich<br />
gibt es Sprachgruppen in Türkisch,<br />
Russisch, Polnisch, Serbo-Kroatisch und Spanisch.<br />
Dabei wird die Sprache in künstlerischer Weise<br />
durch Rollenspiele, Lieder und Gedichte den Kindern<br />
nahe gebracht.<br />
Welche Erfahrungen hat das Kollegium mit diesem<br />
Konzept gemacht?<br />
Das Fach „Begegnungssprache“ ist sehr beliebt;<br />
den Migrantenkindern gibt es die Möglichkeit,<br />
ihre deutschen Mitschülerinnen und -schüler anleiten<br />
zu können, die deutschen Kinder haben die<br />
Chance, zumindest ein wenig sich mit einer ungewöhnlichen<br />
Sprache anfreunden zu können, bevor<br />
dann in der 4. Klasse der Französischunterricht<br />
beginnt; Englisch wird für alle Kinder ab der<br />
1. Klasse unterrichtet. Darüber hinaus zeigt sich,<br />
wie wertvoll die Einrichtung des Klassenlehrers<br />
ist, den die Kinder zumindest bis zum Mittag, oft<br />
noch darüber hinaus, in der Schule erleben: bei<br />
allen Unsicherheiten, den sprachlichen Defi ziten,<br />
den Verunsicherungen, die mit dem Wahrnehmen<br />
der eigenen kulturellen Differenz zusammenhängen,<br />
manchmal dem Zerbrechen der Familien, ist<br />
der Klassenlehrer, der dem Kind morgens bei der<br />
Begrüßung in die Augen schaut und ihm die Hand<br />
gibt, so etwas wie ein Fels in der Brandung. Er<br />
kennt das Kind seit der Aufnahmesprechstunde,<br />
er hat die Eltern mehrfach besucht, er weiß um<br />
die Lebensumstände, Schwierigkeiten und Begabungen<br />
des Kindes. Das gibt ihm die Möglichkeit,
80<br />
Ausblicke<br />
Foto: Günter Vahlkampf<br />
allmählich ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern<br />
zu entwickeln, und genau dieses Vertrauen<br />
öffnet die Seelen und schafft die Atmosphäre, in<br />
der die Kinder offen genug sind, ihre Schwächen zu<br />
zeigen und mutig genug, sich etwas zuzutrauen.<br />
Im Übrigen gibt es immer wieder Überraschungen,<br />
etwa wenn ein muslimisches Kind,<br />
begeisterter Besucher einer Koranschule, einem<br />
christlichen Freund und seiner Mutter mit tiefem<br />
Bedauern sagt: „Ihr werdet alle im ewigen Feuer<br />
enden, weil ihr Schweinefl eisch esst.“ In einer<br />
solchen Situation ist viel Fingerspitzengefühl gefordert:<br />
Einerseits sollte eine solche Aussage<br />
nicht unkommentiert stehen bleiben, anderer-<br />
seits wäre es schlecht, das Kind durch Zurückweisung<br />
einfach vor den Kopf zu stoßen. Hilfreich<br />
kann es sein, ein glattes Entweder-Oder zu vermeiden<br />
und erweiternde Gesichtspunkte ins<br />
Spiel zu bringen, im konkreten Falle etwa so:<br />
Glaubst du nicht, dass für Allah nicht noch anderes<br />
wichtig ist <strong>als</strong> die Frage, ob einer gelegentlich<br />
Schweinefl eisch isst? Allerdings ist bei einem<br />
solchen Gespräch der Ton wichtig: Jedes Gefühl<br />
aufgeklärter Überlegenheit sollte vermieden<br />
werden, es geht darum, in die Welt des Kindes<br />
einzutauchen und aus dieser Weltsicht heraus<br />
nach Auswegen zu suchen. Interkulturalität ist<br />
mehr <strong>als</strong> bloße Toleranz, es ist ein aktives Be-<br />
mühen um das Wahrnehmen des Anderen.
Die Interkulturelle <strong>Waldorfschule</strong> ist wissenschaftlich<br />
evaluiert worden. Zu welchen Ergebnissen sind<br />
die Wissenschaftler gekommen?<br />
Nach einer auf zwei Jahre angelegten Unter-<br />
suchung heißt es in dem zusammenfassenden<br />
Bericht: „Die Schule entspricht <strong>als</strong> Gesamtschule,<br />
<strong>als</strong> Ganztagsschule, <strong>als</strong> stadtteilorientierte Schule,<br />
<strong>als</strong> Schule mit einem international zusammengesetzten<br />
und interkulturell kompetenten Kollegium<br />
sowie <strong>als</strong> Schule mit handlungs- und<br />
erfassungsorientierten pädagogischen Konzepten<br />
in hohem Maße den nach aktuellem wissenschaftlichen<br />
Stand erforderlichen Vorstellungen<br />
von einer interkulturell und sozial-integrativ arbeitenden<br />
pädagogischen Einrichtung.“<br />
Ein weiteres wichtiges Ergebnis liegt auf sprachlichem<br />
Felde: Nach Ablauf der ersten zwei Jahre<br />
sind die sprachlichen Defi zite, mit denen zahlreiche<br />
Migrantenkinder in die Schule kamen, nicht<br />
mehr signifi kant! Das zeigt, dass auch ohne aufwendige<br />
Einzelförderung oder gesonderte Kurse<br />
eine sprachliche Integration möglich ist, wenn die<br />
Substanz ausgeschöpft wird, die in der Waldorfpädagogik<br />
liegt: eine tägliche Sprachpfl ege durch<br />
die Sprachübungen, Lieder und Gedichte im sog.<br />
„rhythmischen Teil“ des Hauptunterrichts und das<br />
Aufnehmen einer anspruchsvollen, künstlerischen<br />
Sprache im Erzählteil des Klassenlehrers mit den<br />
Märchen, Legenden, Sagen und Biografi en.<br />
Welches ist das Ziel der Schule?<br />
Augenblicklich hat die Schule 7 Klassen mit insgesamt<br />
etwa 180 Schülern; wir möchten die Schule<br />
zu einer 12jährigen interkulturellen <strong>Waldorfschule</strong><br />
ausbauen und dann auch die verschiedenen Abschlüsse:<br />
Hauptschul- und Re<strong>als</strong>chulabschluss, die<br />
Fachhochschulreife und das Abitur anbieten. Dabei<br />
denken wir daran, in der Oberstufe berufsausbildende<br />
Elemente zu integrieren – etwa durch<br />
Ausblicke 81<br />
ausgedehnte Praktika – so dass der Übergang in<br />
eine Berufsausbildung erleichtert wird.<br />
Welche Fähigkeiten sollten am Ende der Schulzeit<br />
ausgebildet sein?<br />
Wir hoffen, dass es für die Schülerinnen und Schüler,<br />
die die Interkulturelle <strong>Waldorfschule</strong> verlassen,<br />
selbstverständlich geworden ist, in einer interkulturellen<br />
Welt zu leben und dass sie ein aktives Interesse<br />
aufbringen für ungewohnte Sichtweisen<br />
und Lebensstile, auch für zunächst fremde religiöse<br />
Haltungen und Überzeugungen. Damit das<br />
erreicht werden kann, werden wir in der Oberstufe<br />
besondere Anstrengungen machen müssen,<br />
ein „globales Lernen“ zu veranlagen: Im Literatur-,<br />
Geschichts-, Geographie- und Religionsunterricht<br />
wird aufzuzeigen sein, welchen Beitrag die verschiedenen<br />
Kulturen und Religionen zur Entwicklung<br />
der Menschheit geleistet haben, wie in der<br />
Moderne die Menschheit durch die Transport- und<br />
Kommunikationsmittel zu einer Welt zusammengewachsen<br />
ist und in welchem Maße wir wirtschaftlich,<br />
aber auch kulturell auf einander angewiesen<br />
sind, um die Herausforderungen der<br />
Gegenwart und Zukunft zu bewältigen. Es zeichnet<br />
sich ab, dass für die Entwicklung solcher<br />
Fähigkeiten die traditionelle Trennung der Fächer<br />
wenig hilfreich ist. Von daher wird die Aufgabe<br />
sein, neue Formen interdisziplinären Lernens zu<br />
entwickeln.<br />
Albert Schmelzer
82<br />
Ausblicke<br />
Wissenschaftlicher Bestätigungsstrom:<br />
Hirnforscher belegen Steiners Menschenkunde<br />
Auszüge aus einem Vortrag Christof Wiecherts im Rahmen der 25-Jahr-Feierlichkeiten<br />
Schauen wir uns die Situation der <strong>Waldorfschule</strong>n<br />
heute an, können wir zwei Dinge feststellen.<br />
Zum einen wird gegen die Schulen aus bestimmten<br />
Richtungen heiße Luft geblasen: Mit steigender<br />
Intensität ziehen dunkle Wolken auf am Bildungshorizont,<br />
geschwängert mit Rassismus – oder<br />
Okkultismusvorwürfen. Diese heiße Luft wird irgendwie<br />
orchestriert. Das muss man sehen.<br />
Die <strong>Waldorfschule</strong>n gehen unterdessen weiter ihrer<br />
Arbeit nach. Was sollen sie auch sonst tun.<br />
Gleichzeitig passiert jedoch etwas sehr Interessantes<br />
und auch Neues: Die Waldorfpädagogik<br />
erhält Rückenwind aus unverhoffter Richtung.<br />
Augenblicklich werden laufend, in immer schnellerer<br />
Kadenz, aus den Neurowissenschaften Fakten<br />
zu Tage gefördert, die den ganzen Korpus der<br />
Erziehungskunst Rudolf Steiners naturwissenschaftlich<br />
unterstützen. Dieser Strom, der verborgene,<br />
wird eigentlich nicht wahrgenommen,<br />
er verhallt.<br />
Es ist <strong>als</strong>o etwas ganz Merkwürdiges zu beobachten:<br />
Einerseits ist da ein sehr starker wissenschaftlicher<br />
Bestätigungsstrom, der verborgen wirkt.<br />
Man muss diese Texte suchen und kann sie fi nden,<br />
aber die Zeitungen schreiben nicht darüber! Andererseits<br />
fi nden wir einen öffentlichen, lauten<br />
Bekämpfungsstrom!<br />
Wie sich diese beiden Bewegungen künftig zueinander<br />
verhalten werden, wissen wir nicht. Mit<br />
dem Thema „Aktueller denn je“, meine ich, es<br />
könnte eine Zukunft geben, wo dieser verborgene<br />
Strom öffentlich wird und schulstiftend wirkt –<br />
und wir ein gesundes Schulwesen haben. Haben<br />
die <strong>Waldorfschule</strong>n dann ihre Mission erfüllt und<br />
sich selbst überfl üssig gemacht? Ich hoffe nicht.<br />
Eventuell nimmt auch der Gegenwind so an Fahrt<br />
auf und negative Zuschreibungen durchtränken<br />
die öffentliche Meinung in einem Maß, dass tatsächlich<br />
eines Tages die Idee <strong>Waldorfschule</strong> politisch<br />
nicht mehr tragbar sein wird.<br />
Es könnte <strong>als</strong>o sein, dass Eltern und Vorstände<br />
aufgerufen sind, aktiv zu werden. Besonders seit<br />
der letzte Bundeskanzler die Lehrer <strong>als</strong> faule Säcke<br />
charakterisierte, ist der Berufsstand eigentlich<br />
zum Abschuss freigegeben. Nur Eltern können etwas<br />
erreichen: Wenn Bürger auftreten, die berufslos<br />
sind in der Sache, in der sie auftreten, dafür<br />
gibt es in der Politik noch Respekt.<br />
Was den Strom der zunehmenden Bestätigungen<br />
angeht, möchte ich einige nennen, um zu zeigen<br />
wie einschneidend, teilweise radikal die jüngsten<br />
wissenschaftlichen Ergebnisse der Hirnforschung<br />
klassische Schulmodelle in Frage stellen. Ein kanadischer<br />
Wissenschaftler, er heißt Albert Bandura,<br />
hat vor gut 15 Jahren entdeckt, dass es im Gehirn<br />
einen vollkommen autonom wirkenden Teil gibt,<br />
der das, was er wahrnimmt, betrachtet und nachahmt.<br />
Er hat dafür einen Namen gefunden: Spiegelneuronen.<br />
Und er hat darüber ein Buch „Lernen<br />
am Modell“ geschrieben, indem er die Meinung<br />
vertritt, dass ein Kind bis zum 10., 12. Lebensjahr<br />
durch Nachahmung lernt. Eine These, die schon<br />
Steiner formuliert hat, und die ganz wesentlich ist<br />
für die Waldorfpädagogik.
Die neuesten Forschungen, beispielsweise von<br />
Joachim Bauer (“Warum fühle ich, was du fühlst”),<br />
haben darüber hinaus gezeigt, dass nicht nur das<br />
Vorbild im Kinde auf seine Entfaltungsmöglichkeiten<br />
wirkt, sondern, dass sogar die Intentionen<br />
– in den Gesten des Vorbilds – wirken. Kurzum:<br />
Das Kind nimmt die Motivlage der Bezugsperson<br />
war, und schliesst daraus, wie es ist. Und diese<br />
Schlussfolgerung entscheidet darüber, ob Motivation<br />
oder Abwehr geweckt werden. Neurophysiologen<br />
sagen darum heute öffentlich mit lauter<br />
Stimme: Lehrer, die sich nur mit ihrem Lehrgegenstand<br />
beschäftigen, werden immer verlieren. Es<br />
gibt keine Erziehung ohne Beziehung! Bauer sagt:<br />
„Im ersten Kontakt am Morgen entscheidet sich<br />
die ganze Schulstunde! “ Weil die Schüler Experten<br />
sind in der Wahrnehmung der Seelenlage der<br />
Lehrer anhand ihrer Körpersprache, in der Art ihrer<br />
Stimmhandhabung. Ein Lehrer muss die Fähigkeit<br />
haben, diese Transparenz auszuhalten und durch<br />
diese Transparenz hindurch auch noch ein authentisches<br />
Wesen zu sein. Das ist gar nicht so<br />
einfach!<br />
Bauer fordert, der Staat soll Lehrern Gelegenheit<br />
geben, Schülern zu begegnen. Stundenpläne müssen<br />
entzerrt werden, sonst ist Lernen nicht möglich.<br />
Die jüngste Forschung sagt auch, dass für ein<br />
soziales Miteinander in einer Lerngemeinschaft<br />
Musik <strong>als</strong> Fach unerlässlich ist! Und da kommt einer<br />
von diesen Forschern zu dem Ergebnis, dass<br />
unbedingt Ganztagsschulen gebraucht werden –<br />
allerdings nicht, um die Kinder mit noch mehr<br />
Kopfwissen zu füllen. Unterrichtet wird nur bis<br />
um ein Uhr und danach gibt es Kunst und Tanz.<br />
Steiner hat bereits vor Gründung der Waldorf-<br />
Ausblicke 83<br />
schule in „Erziehungsfrage <strong>als</strong> soziale Frage“ einen<br />
Stundenplan vorgeschlagen, der genau so aussieht.<br />
Und die heutigen Neurologen bestätigen:<br />
Das ist gesund, alles andere ist schädlich! In der<br />
Umsetzung dieser Ergebnisse liegt die eigentliche<br />
Aktualität der <strong>Waldorfschule</strong>.<br />
Wenn die heutigen Politiker und die Bildungsministerien<br />
sich mehr von solchen Ausführungen<br />
und Quellen inspirieren lassen würden, würde es<br />
in der Schullandschaft ganz anders aussehen. Und<br />
es stört mich überhaupt nicht, dass es Menschen<br />
sind, die nichts über die <strong>Waldorfschule</strong> schreiben.<br />
Wichtig ist, dass solche Forschung stattfi ndet und<br />
öffentlich gemacht wird. Es wurde festgestellt,<br />
dass das sich Ausdrücken durch Bewegung eine<br />
Programmierung des neurologischen Motivationssystems<br />
ist: <strong>als</strong>o von ganz großer Bedeutung! Und<br />
die Forscher sagen: Neben Musik müsste in jeder<br />
Schule der Tanzunterricht obligatorisch sein, weil<br />
es zur psychischen Gesundheit des Menschen gehört.<br />
Und wir leisten uns einen Kleinkrieg nach<br />
dem anderen gegen die Eurythmie. Und nun bekommen<br />
wir die positive Wirkung von außen bestätigt.<br />
Oder Max Moser, der in einer Langzeitstudie<br />
an der Grazer Universität, mit Baufachleuten<br />
Eurythmie gemacht hat: Es stellte sich heraus, dass<br />
die Eurythmie-Gruppe 30 Prozent weniger Unfälle<br />
machte am Bau <strong>als</strong> die Kontrollgruppe, weil sie<br />
eine stärkere geistig-seelische Präsenz in ihrem<br />
Leib hatten.<br />
Derselbe Moser hat zudem zusammen mit<br />
Züricher Ärzten eine hochinteressante Forschung<br />
gemacht. Steiner sagte ja, dass in der<br />
5. und 6. Klasse das Sprechen von griechischen
84<br />
Ausblicke<br />
Rhythmen gesundend auf das Herz-Kreislauf-<br />
system wirken würde. Was macht nun Moser?<br />
Er hat nun frisch operierten Herzpatienten über<br />
Monate hinweg Sprachtherapie gegeben, in der in<br />
Hexametern gesprochen wurden. Und es stellte<br />
sich heraus, dass das Sprechen von den Hexametern<br />
eine stärkere Heilungswirkung auf das Herz<br />
hatte <strong>als</strong> bei der Kontrollgruppe, die nach der OP<br />
nur mit Medikamenten behandelt wurde.<br />
Soweit die Außensicht auf unsere Schule. Nun<br />
möchte ich die Innensicht schildern – welche Prozesse<br />
fi nden innerhalb der Waldorfschulbewegung<br />
statt – müssen stattfi nden, damit die Erziehungskunst<br />
den Sprung ins 21. Jahrhundert wie<br />
verjüngt machen kann? Wir stehen hier vor der<br />
paradoxen Situation, uns neu erfi nden zu müssen<br />
und zwar derart, dass wir nur das tun, was wir<br />
echt verstehen, oder was wir selber gefunden haben,<br />
oder was ich mir selber erarbeitet habe. Dass<br />
wir Dinge so machen, weil es sich so gehört, wird<br />
der moderne Zeitgeist nicht mehr akzeptieren.<br />
Hier ist ein ganz einfaches Beispiel: Nehmen wir<br />
Bezug auf die wissenschaftlichen Ergebnisse, die<br />
ich vorgestellt habe über das Freisetzen des Motivationssystems<br />
durch Wahrnehmen der Bezugsperson.<br />
Rudolf Steiner sagte, das Allerwichtigste<br />
am Pädagogen ist das, was er an Gedanken und<br />
Gesinnung hineinträgt in die Klasse. Ich hab das<br />
nie verstehen können. Ahnen – man kann das ahnen!<br />
Und jetzt kommt diese Naturwissenschaft mit<br />
solchen Erkenntnissen – die kann man sofort begreifen.<br />
Ist es das, was Steiner meinte? Solche Ab-<br />
wägungsprozesse stehen jetzt an. Dazu brauchen<br />
wir die Authentizität der Erziehungskunst an uns<br />
selbst.<br />
Und dann kann etwas geschehen, was ich an<br />
einem Beispiel deutlich machen möchte: Ich habe<br />
mal jemanden gekannt – es war einer meiner Vorgänger<br />
– der hatte das Authentische ganz stark.<br />
Wenn er einen pädagogischen Gegenstand bearbeitete,<br />
war er ganz von diesem geisteswissenschaftlichen<br />
Inhalt aufgesogen. Man merkte: Das<br />
ist Wahrheit! Man hatte das Erlebnis der unmittelbaren<br />
Evidenz erfahren. Welche Erinnerung<br />
bleibt? Die Erinnerung der Persönlichkeit, die das<br />
kann: Durch den Inhalt <strong>als</strong> Persönlichkeit zurückzutreten<br />
und dadurch in ihrer eigentlichen Wahrheit<br />
zum Vorschein kommen. Eben nicht <strong>als</strong> individuelle<br />
Person, sondern in dem Sinne von „So ist<br />
der Mensch gemeint“. Solche Prozesse müssen<br />
wir durchmachen, wenn wir diesen Kosmos der<br />
Waldorfpädagogik neu beleben wollen – aus uns<br />
selbst! Wir müssen uns ganz tief verlieren in dem<br />
Inhalt, um dadurch uns zu fi nden.<br />
Und wir hoffen so, dass wir trotzdem unsere<br />
Sachen noch so gut machen, dass sich auch in<br />
der Zukunft Eltern voller Sympathie und Freude<br />
engagieren an dieser Schule.<br />
Christof Wiechert
GLS Regiotag, Oktober 2005 · Fotos Sabine Lippert<br />
Die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
Beispiele ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Presseausschnitte ...<br />
Waldorfaktionswoche, September 2004, <strong>Heidelberg</strong>er Hauptsraße<br />
Ausblicke 85
Presseausschnitte der Rhein-Neckar-Zeitung, unterschiedlichen Datums ...
88<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Klassenspiele an der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
1989<br />
Klasse 8 „Die Lichtflamme“ (nach einer Legende von<br />
Selma Lagerlöf) ; Höfflin/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
Klasse 6 „Wovon der Mensch lebt“ (Leo Tolstoi) ; Diener<br />
Klasse 8 „Einen Jux will er sich machen“<br />
(Johann v. Nestroy) ; Paul/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
1990<br />
Klasse 8 „Die Sendung des Mädchens Jeanne d‘Arc“<br />
(eine dramatische Chronik v. Ulrich Meißner);<br />
Meißner/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
1991<br />
Klasse 8 „Der böse Geist Lumpazivagabundus“<br />
(Johann v. Nestroy) ; Th. Diener/Schünemann<br />
Klasse 12 „Des Teufels General“ (Carl Zuckmayer) ;<br />
Rüttinger<br />
..............................................................................................................................................<br />
1992<br />
Klasse 8 „Das Tagebuch der Anne Frank“<br />
(Ulrich Meißner) ; Meißner<br />
Klasse 10 „Die Welle“ (Ereignisse an einer Highschool<br />
in einer amerikanischen Kleinstadt von<br />
Morton Rhue) ; Davis<br />
Klasse 11 „Le Bourgeois Gentilhomme“ (Der Bürger<br />
<strong>als</strong> Edelmann von Moliere) Aufführung in<br />
französischer Sprache ; Munser<br />
..............................................................................................................................................<br />
1993<br />
Klasse 8 „Der kaukasische Kreidekreis“<br />
(nach Bertolt Brecht) ; Schedlbauer/Paulus<br />
Klasse 8 „Turandot“ (Friedrich Schiller) ; Stangier/<br />
Schünemann<br />
Klasse 12 „Die Gauneroper“ (Vaclav Havel) ; Rüttinger<br />
..............................................................................................................................................<br />
1994<br />
Klasse 8 „Ein Sommernachtstraum“<br />
(William Shakespeare) ; Wolff<br />
Klasse 12 „Der Sarkophag“<br />
(Wladimir Gubarew) ; Wälz-Brink<br />
..............................................................................................................................................<br />
1995<br />
Klasse 6 „Das kalte Herz“ (nach Wilhelm Hauff) ; Paul<br />
Klasse 8 „Das Gauklermärchen“ (Michael Ende) ;<br />
Fischer/Paulus<br />
Klasse 12 „Cyrano de Bergerac“ (Edmond Rostand);<br />
Hecht-Jäckel/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
1996<br />
Klasse 8 „Das Haus der Temperamente“<br />
(Johann v. Nestroy) ; Faßold<br />
Klasse 11 „Das Jubiläum“, „Der Bär“, „Der Heiratsantrag“<br />
(Anton Tschechow) Aufführungen in<br />
russischer Sprache ; Munser<br />
Klasse 12 „Der Gesang im Feuerofen“<br />
(Carl Zuckmayer) ; Wälz-Brink<br />
Klasse 12 „Unsere kleine Stadt“(Thornton Wilder) ; Brandauer<br />
..............................................................................................................................................<br />
1997<br />
1998<br />
Klasse 7 „Der Meisterdieb“ (Helga Latanowitz) ; Diener<br />
Klasse 8 „Wilhelm Tell“ (Friedrich Schiller); Paul/Paulus<br />
Theater-AG „An Inspector calls“ (John B. Priestley)<br />
Aufführung in englischer Sprache ; Linder<br />
Klasse 6 „Die Hand im Feuer“ (Fischer); Fischer<br />
Klasse 8 „Der Lügner“ (Carlo Goldoni); Diener<br />
Klasse 12 „Die Ratten“ (Gerhard Hauptmann); Rüttinger<br />
Klasse 12 „Der blaue Vogel“(Maurice Maeterlinck); Linder<br />
Oberstufen-Chor<br />
„Dido und Aeneas“ (Oper v. Henry Purcell)<br />
Aufführung in englischer Sprache; M. Rüttinger<br />
..............................................................................................................................................<br />
1999<br />
Klasse 8 „Figaro lässt sich scheiden“(Ödön v. Horváth)<br />
Meißer/Paulus<br />
Klasse 12 „Des Teufels General“ (Carl Zuckmayer); Linder<br />
Theater-AG „The Mousetrap“ (Agatha Christie)<br />
Aufführung in englischer Sprache; Gieffers<br />
..............................................................................................................................................<br />
2000<br />
Klasse 8 „Robert der Teufel“ (Johann v. Nestroy);<br />
Fischer/Paulus<br />
Klasse 12 „Warum bist du Romeo“ (Anton Tschechow);<br />
Fischer/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
2001<br />
Klasse 8 „Das Fräulein von Scuderi“ (nach E.T.A. Hoffmann);<br />
Fischer/Paulus<br />
Klasse 12 „Die chinesische Mauer“ (Max Frisch);<br />
Hecht-Jäckel/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
2002<br />
Klasse 7 „Ronja Räubertochter“ (nach Astrid Lindgren);<br />
Weimar<br />
Klasse 8 „Der kaukasische Kreidekreis“ (nach Bertolt<br />
Brecht); Paulus/Weimar<br />
Klasse 12 „Der Belagerungszustand“ (Albert Camus);<br />
Fischer/Paulus/Munser<br />
..............................................................................................................................................<br />
2003<br />
Klasse 8 „Don Gil von den grünen Hosen“ (Tirso de Molina);<br />
Weimar/Paulus<br />
Klasse 12 „Kaspar Hauser in Treblinka“ (Bernd Lampe);<br />
Linder/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
2004<br />
Klasse 9 „Die rote Zora“ (nach Kurt Held); Weimar/Paulus<br />
Klasse 12 „Viel Lärm um nichts“ (William Shakespeare);<br />
Munser/Paulus<br />
..............................................................................................................................................<br />
2005<br />
Klasse 7 „Die schwarze Galeere“ (Wilhelm Raabe); Paul<br />
Klasse 8 „Am Grund des Teiches“ (nach dem Film „Die Kinder<br />
des Monsieur Mathieu“) für die Bühne eingerichtet<br />
von den Schülern Gala, Anna-Lena, Thomas, Leo<br />
sowie Udo Weidenhammer;<br />
Weidenhammer/Antrobus-Thorweihe/Paulus/Mall<br />
Klasse 12 „Die Dreigroschenoper“ (Bertolt Brecht/<br />
Kurt Weill); Linder/Justus-Roth<br />
..............................................................................................................................................<br />
2006<br />
2007<br />
Klasse 8 „Die kluge Närrin“ (nach Lope de Vega);<br />
Fischer/Paulus<br />
Theater AG „Rot wie Blut“ (Ein Märchenkrimi von Ursula<br />
Ullrich); Arnold<br />
Klasse 11 „Der Besuch der alten Dame“ (Friedrich<br />
Dürrenmatt); Munser/Paulus
Besuch der alten Dame<br />
11.Klasse · 20003<br />
Zahlen, Daten, Fakten 89
90<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Abiturstatistik<br />
Waldorfschüler werden Ingenieure<br />
Die Ergebnisse der Studie von Barz / Randol (Herausgeber)<br />
Absolventen von <strong>Waldorfschule</strong>n –<br />
Eine empirische Studie zu Bildung und Lebensgestaltung<br />
Wiesbaden 2007 :<br />
Im Zeitraum Mitte 2003 bis Anfang 2005 wurden<br />
24 Personen in Einzelinterviews und weitere<br />
Personen in 6 Gruppen befragt. Aus den Antworten<br />
wurde ein Fragebogen erstellt und an 3500<br />
Absolventen der Geburtsjahrgänge 1938 bis<br />
1942, 1945 bis 1954 und 1967 bis 1974 verschickt.<br />
1124 Personen haben ihn zurückgegeben.<br />
Zu den Motiven für die Wahl der <strong>Waldorfschule</strong><br />
gaben 50% aller Befragten an, dass man im Elternhaus<br />
das besondere pädagogische Konzept<br />
favorisiert habe. 20% nannten die Unzufriedenheit<br />
mit den Angeboten der staatlichen Schulen.<br />
11% schätzten die anthroposophische Ausrichtung.<br />
61% dieser ehemaligen Waldorfschüler erreichten<br />
das Abitur, weitere 10,7% die Fachhochschulreife<br />
oder die fachgebundene Hochschulreife.<br />
(Zum Vergleich: 2004 im Bundesdurchschnitt<br />
zusammen 24%). Dabei werden in beachtlichem<br />
Umfang Aufstiegschancen eröffnet. Kinder von<br />
Vätern mit Hauptschulabschluss erwarben zu<br />
41% , solche von Vätern mit Re<strong>als</strong>chulabschluss<br />
zu 59% das Abitur.<br />
Die weitere Verteilung:<br />
21% Re<strong>als</strong>chul-, 2% Hauptschulabschluss.<br />
Die hohe Zahl der Absolventen mit Hochschul-<br />
reife spiegelt sich in der Quote der Akademiker<br />
wider. 46,8% der Befragten schlossen eine akademische<br />
Ausbildung ab (Zum Vergleich: 2004<br />
im Bundesdurchschnitt 12%). Bei den Abiturienten<br />
steigt diese Zahl auf 67% (Bundesdurchschnitt:<br />
33%).<br />
Interessant ist, dass ein bedeutsames Maß an<br />
Berufsvererbung stattfand.<br />
Zunächst der Blick auf die Berufe der Eltern:<br />
15,5% der Mütter und 14,2% der Väter übten den<br />
Lehrerberuf aus, allerdings nur zu einem ge-<br />
ringen Teil an <strong>Waldorfschule</strong>n (1,5% bzw. 1,4%).<br />
Überraschenderweise sind 12% der Väter Ingenieure;<br />
sie bilden die zweitstärkste Gruppe der Berufe<br />
und widerlegen damit das gängige Vorurteil,<br />
dass technisch geprägte Menschen von der<br />
<strong>Waldorfschule</strong> nichts hielten.<br />
Die Berufe auf den nächsten Rängen:<br />
11,4% Warenkaufl eute, 9,8% Unternehmer und<br />
Organisatoren sowie 7,7% Ärzte und Apotheker.<br />
Bei den Müttern bildet die Gruppe der Hausfrauen<br />
mit 16,8% den stärksten Teil. Nach den<br />
Lehrerinnen rangieren die Bürofachkräfte und<br />
Warenkaufl eute mit 11,3% bzw. 10,4% Anteil.<br />
Bei den Absolventen ergibt sich ein ähnliches<br />
Bild:<br />
14,6% ergriffen den Lehrerberuf, 9,8% wurden<br />
Ingenieure und 7,7% wurden Ärzte oder Apotheker.<br />
Dazwischen liegen hier die Gruppe der<br />
geistes- und naturwissenschaftlichen Berufe<br />
und die übrigen Gesundheitsdienstberufe mit<br />
9,5 und 8,6%.
Überraschen mag, dass nur 0,6% der Lehrerinnen<br />
und Lehrer an eine <strong>Waldorfschule</strong> gingen. Überhaupt<br />
ist die Zahl derjenigen, die eine anthroposophische<br />
Berufsausbildung gewählt haben, mit<br />
2,4% erstaunlich gering. Offensichtlich betreiben<br />
die <strong>Waldorfschule</strong>n damit nicht die gelegentlich<br />
behauptete Selbstrekrutierung.<br />
Im Vergleich zur Berufswahl der Gesamtbevölkerung<br />
fällt auf, dass die Absolventen fast 5mal so<br />
häufi g den Lehrerberuf oder den Beruf des Ingenieurs<br />
ergreifen. Bei den geistes- und naturwissenschaftlichen<br />
Berufen sowie bei den Ärzten<br />
und Apothekern sind die Werte noch höher<br />
(mehr <strong>als</strong> 12mal bzw. fast 7mal mehr).<br />
In den Interviews zeigte sich, dass die Ab-<br />
solventen mehr auf Berufszufriedenheit und<br />
Identifi kation achten. Weit weniger ist ihnen an<br />
äußeren Anreizen wie Einkommen, Prestige und<br />
Freizeit gelegen.<br />
In der Rückschau auf die Schulzeit betonen sie<br />
den Erwerb einer sehr guten Grundausstattung,<br />
einer positiven Lebenseinstellung, eines starken<br />
Gespürs für soziales Miteinander, Selbstvertrauen<br />
– und fehlende Autoritätsfurcht.<br />
Insgesamt darf <strong>als</strong>o gesagt werden, dass die<br />
<strong>Waldorfschule</strong> ihre Schülerinnen und Schüler<br />
nicht nur zu Persönlichkeiten formt; sie vermittelt<br />
ihnen die Essentiale für ein erfolgreiches Berufsleben<br />
und behauptet sich eindrucksvoll in<br />
der Bildungslandschaft des 21. Jahrhunderts.<br />
Zahlen, Daten, Fakten 91
92<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
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Belli: Zwölf Wege die Welt zu verstehen<br />
Soesman: Die zwölf Sinne – Tore der Seele<br />
Köhler: Schwierige Kinder gibt es nicht<br />
Köhler: Ursprung der Sehnsucht – Plädoyer für<br />
eine Umwandlung des pädagogischen Denkens<br />
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Schopf-Beige, M.: Bestanden – Lebenswege<br />
ehe maliger Waldorfschüler (19 Gespräche, die<br />
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und unruhigen Kindern – Grundlagen einer<br />
spirituellen Erziehungspraxis<br />
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Marti, Thomas: Wie kann Schule die Gesundheit<br />
fördern? (Erziehungskunst und Salutogenese <strong>als</strong><br />
medizinisch-pädagogisches Anliegen der<br />
<strong>Waldorfschule</strong>n)<br />
Verlag <strong>Freie</strong>s Geistesleben, 18,50 Euro<br />
Cordes/Miller: Die pädagogische Illusion<br />
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Gildard Huppmann, +49 (0) 160 96081127<br />
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Zahlen, Daten, Fakten 93<br />
... den vielen Helfern, herzlichen Dank, ohne<br />
ihre Hilfe wäre diese Festschrift nicht möglich<br />
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Redaktion:<br />
Gildard Huppmann (Freundeskreis, ehem. E),<br />
Walter Schlegel (GF), Annette Wallmeyer (E),<br />
Susanne Wierzimok (E)<br />
Gestaltung:<br />
sw grafi k, Susanne Wierzimok,<br />
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Fotografi e:<br />
Antje Bieneck, Leimen · Peter Gerking,<br />
Edingen · Sabine Lippert, Frankfurt<br />
Günter Vahlkampf, Eitorf · Archivbilder<br />
der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong> HD<br />
... auch den vielen uns namentlich unbekannten<br />
Fotografen herzlichen Dank.<br />
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