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2017_2
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KÜNSTLERPORTRÄT<br />
Ein Plot, so berühmt<br />
wie sein Verfasser<br />
© Martin Mascheski<br />
Wien 1945: In den Trümmern des Zweiten Weltkriegs blüht der Schwarzmarkt, und Rollo Martins<br />
steht vor einem Rätsel – war sein Jugendfreund Harry Lime tatsächlich der gewissenlose Kopf einer<br />
Schieberbande? Mit Der dritte Mann schuf Graham Greene einen zeitlosen Kriminalroman.<br />
Von Lisa-Marie Schöttler<br />
In der Pressgasse 25 in Wien findet man ein<br />
Museum, das nicht nur eine Anlaufstelle für<br />
Filmfreunde ist, sondern sehr authentisch<br />
vom Wien der Nachkriegszeit berichtet. Gerhard<br />
Strassgschwandtner und Karin Höfler haben<br />
sich dort einem Thema verschrieben, mit<br />
dem die Österreicher ihre Mühe zu haben scheinen.<br />
Ausgehend von dem Filmklassiker Der<br />
dritte Mann haben sie eine einzigartige private<br />
Sammlung aufgebaut. <strong>Das</strong> besetzte und<br />
zerstörte Wien und die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte<br />
des beispiellosen Films werden<br />
dokumentiert – 13 Räume mit 2300 Originalexponaten<br />
erwarten die Besucher. Und die<br />
Künstlerin Annika Siems war beeindruckt von<br />
dem, was sie im vierten Bezirk vorfand. Im April<br />
reiste die Hamburgerin nach Wien, um sich<br />
selbst einen Eindruck von der im Roman beschriebenen<br />
Atmosphäre zu verschaffen.<br />
Den Film – so bekannt wie einprägsam – wollte<br />
sie mit ihrem illustrierten Buch nicht kopieren.<br />
Siems lag viel daran, die Stimmung in<br />
der vom Krieg zerstörten Großstadt einzufangen<br />
und sich dabei nicht zu sehr in der realistischen<br />
Darstellung einzelner Figuren zu verlieren.<br />
Einfach war es nicht, dieses Vorhaben<br />
angemessen umzusetzen. Denn Bilder vom<br />
zerstörten Wien, gar Bewegtbildaufnahmen<br />
aus der Zeit nach dem Krieg, gibt es kaum.<br />
Selbstverständlich, so sagt sie, hätte sie sich<br />
an dem abarbeiten können, was von deutschen<br />
Großstädten bekannt ist. Doch um die<br />
Schlüsselszenen aus Der dritte Mann authentisch<br />
umzusetzen, wollte sie sich selbst ein<br />
Bild machen.<br />
Seit vier Jahren Arbeitsmittelpunkt und Entstehungsort<br />
der Tuschezeichnungen zu Greenes Krimiklassiker<br />
ist das Atelier Igor und die anderen<br />
in Hamburg-Ottensen. Besonders faszinieren<br />
Annika Siems’ großformatige Arbeiten,<br />
denen sich der Betrachter hier kaum entziehen<br />
kann. Handwerk und Haptik haben für<br />
die Künstlerin einen besonderen Stellenwert<br />
– das ist auch für den Laien auf den ersten<br />
Blick ersichtlich. <strong>Das</strong>s aus Zeit- und Budgetgründen<br />
in der Illustration mittlerweile<br />
oft digital gearbeitet werden muss, bedauert<br />
sie sehr. Neben dem Schreibtisch stehen<br />
allerhand Ölfarben, mit denen Annika Siems<br />
vorwiegend arbeitet, sowie mehrere große<br />
Glasgefäße mit Hunderten Pinseln. Auf ihrer<br />
Staffelei ist gerade ein Bild aus unserem illustrierten<br />
Buch aufgespannt. Eine Skizze und<br />
eine Farbstudie zu dem Motiv existieren bereits,<br />
denn von der Idee bis zum fertigen Blatt<br />
braucht es drei Arbeitsschritte. Zunächst entsteht<br />
die grobe Bleistiftskizze, um das Motiv<br />
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