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Krimfahrt_Leseprobe (6)

Nach 20 Jahren Fassade und unglücklicher Ehe fährt das Ehepaar Seidlitz zum ersten Mal wieder in Urlaub. Alle Reisevorschläge, die Erika zunächst macht, lehnt Wilhelm Seidlitz mit fadenscheinigen Begründungen ab. Schließlich überredet sie ihn zu einer Zugfahrt auf die Krim. Die Reise beginnt harmonisch, wird aber bald durch die Eigenheiten der Mitreisenden getrübt. Durch Zufall entdeckt Wilhelm, dass die Reise nicht zur Erholung gedacht ist, sondern ihrer beider Schicksal entscheiden wird. Schließlich bricht sich in der abgelegenen Schönheit der russischen Landschaft die aufgestaute Frustration von 20 Jahren Ehe Bahn. Für einen der beiden wird dieser Ausbruch den Untergang bedeuten, für den anderen vielleicht eine neue Lebensblüte und späte Zukunft.

Nach 20 Jahren Fassade und unglücklicher Ehe fährt das Ehepaar Seidlitz zum ersten Mal wieder in Urlaub. Alle Reisevorschläge, die Erika zunächst macht, lehnt Wilhelm Seidlitz mit fadenscheinigen Begründungen ab. Schließlich überredet sie ihn zu einer Zugfahrt auf die Krim. Die Reise beginnt harmonisch, wird aber bald durch die Eigenheiten der Mitreisenden getrübt. Durch Zufall entdeckt Wilhelm, dass die Reise nicht zur Erholung gedacht ist, sondern ihrer beider Schicksal entscheiden wird. Schließlich bricht sich in der abgelegenen Schönheit der russischen Landschaft die aufgestaute Frustration von 20 Jahren Ehe Bahn. Für einen der beiden wird dieser Ausbruch den Untergang bedeuten, für den anderen vielleicht eine neue Lebensblüte und späte Zukunft.

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auszuhelfen, hatte bereitwillig geöffnet, fand sich aber<br />

ungewollt plötzlich in ganz anderer Rolle,<br />

eingeklemmt zwischen Treppengeländer und einem<br />

roh gezimmerten Tisch, den der selbstlose Nachbar<br />

mit ihr, in Ermangelung anderer helfender Hände,<br />

drei Stockwerke tief in den Hof tragen musste. Der<br />

Spion in der Türe rettete ihr bei weiteren<br />

Rekrutierungsversuchen das Leben.<br />

Die schlimmeren Tage, an denen sie vor Gram<br />

und als Ausdruck ihres hilflosen Protestes Migräne<br />

bekam, waren jene, an denen Spuren von Sägemehl<br />

unter dem Türspalt durchkamen, dumpfes Brummen<br />

schon am frühen Morgen das Haus erfüllte und die<br />

Wucht schwerer Maschinen die Gläser im Schrank<br />

stundenweise klirren ließ.<br />

So war Wilhelm nicht. Er blieb am Feierabend<br />

wenigstens in seinem Studierzimmer ruhig am Fenster<br />

sitzen, ging nicht die ganze Zeit in der Wohnung<br />

herum, machte Fingerabdrücke am<br />

Wohnzimmerschrank oder zupfte ihre<br />

Häkeldeckchen auf den Beistelltischen zurecht.<br />

Nun war es aber nicht so, dass sich das Leben des<br />

Ehepaares Seidlitz auf gegenseitige Abgrenzung und<br />

Vermeidung des Unangenehmen beschränkte. In der<br />

Welt der beiden gab es auch eine Schnittmenge, über<br />

die sie sich verständigen konnten. Bei ihren<br />

Streifzügen durch diese gemeinsam bewohnte Insel<br />

saßen sie dann bis spät in die Nacht auf dem Sofa<br />

zusammen. Es war die Welt der Abenteuerromane<br />

und bebilderten Abenteuerberichte, die sie mit<br />

ungewohnter Leidenschaft debattieren ließ, etwa<br />

darüber, welche Länder und Gegenden man<br />

theoretisch guten Gewissens bereisen könnte.<br />

Ein gern besprochenes Thema an diesen Abenden<br />

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