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Krimfahrt_Leseprobe (6)

Nach 20 Jahren Fassade und unglücklicher Ehe fährt das Ehepaar Seidlitz zum ersten Mal wieder in Urlaub. Alle Reisevorschläge, die Erika zunächst macht, lehnt Wilhelm Seidlitz mit fadenscheinigen Begründungen ab. Schließlich überredet sie ihn zu einer Zugfahrt auf die Krim. Die Reise beginnt harmonisch, wird aber bald durch die Eigenheiten der Mitreisenden getrübt. Durch Zufall entdeckt Wilhelm, dass die Reise nicht zur Erholung gedacht ist, sondern ihrer beider Schicksal entscheiden wird. Schließlich bricht sich in der abgelegenen Schönheit der russischen Landschaft die aufgestaute Frustration von 20 Jahren Ehe Bahn. Für einen der beiden wird dieser Ausbruch den Untergang bedeuten, für den anderen vielleicht eine neue Lebensblüte und späte Zukunft.

Nach 20 Jahren Fassade und unglücklicher Ehe fährt das Ehepaar Seidlitz zum ersten Mal wieder in Urlaub. Alle Reisevorschläge, die Erika zunächst macht, lehnt Wilhelm Seidlitz mit fadenscheinigen Begründungen ab. Schließlich überredet sie ihn zu einer Zugfahrt auf die Krim. Die Reise beginnt harmonisch, wird aber bald durch die Eigenheiten der Mitreisenden getrübt. Durch Zufall entdeckt Wilhelm, dass die Reise nicht zur Erholung gedacht ist, sondern ihrer beider Schicksal entscheiden wird. Schließlich bricht sich in der abgelegenen Schönheit der russischen Landschaft die aufgestaute Frustration von 20 Jahren Ehe Bahn. Für einen der beiden wird dieser Ausbruch den Untergang bedeuten, für den anderen vielleicht eine neue Lebensblüte und späte Zukunft.

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war Russland. Vermutlich kannten nicht einmal die<br />

Russen ihr Land im Detail so gut wie das Ehepaar<br />

Seidlitz. Aber bei näherem Hinsehen, bei wiederholter<br />

Betrachtung möglicher Reiserouten entdeckte Seidlitz<br />

hinter der Fassade der Postkartenmotive eine andere<br />

Wirklichkeit, die ihm die Haare zu Berge stehen ließ.<br />

Der russische Winter beispielsweise, dessen<br />

watteweiße Landschaften in Verbindung mit<br />

Zimtgebäck bei ihm weihnachtliche Rührseligkeit<br />

auslöste, war in seiner Vorstellung auch<br />

verantwortlich für steifgefrorene Reisende, die sich<br />

mit zweifelhaften Mietwagen auf eigene Faust in die<br />

klirrende russische Puderzucker-Landschaft<br />

aufgemacht hatten.<br />

Und die Inflation? Was war eigentlich mit der<br />

Inflation, über die der Finanzminister oft mit strenger<br />

Miene sprach, die einen im wirklichen Leben nicht zu<br />

interessieren brauchte, die aber auf „Russland“<br />

angewandt plötzlich bedrohlich und unberechenbar<br />

schien. Was wären die getauschten Urlaubsgelder<br />

morgen wert? Vielleicht nur noch so viel wie ein<br />

einziges rohes Ei? Und was machte man dann mit<br />

einem einzigen rohen Ei ganz hinten in Sibirien?<br />

Wenn das alles nicht gewesen wäre, dann hätte<br />

man eventuell in diesem weiten Land schon einen<br />

Flecken finden können, wo man hinfahren hätte<br />

können. Theoretisch. Darüber waren sich die beiden<br />

einig.<br />

Andere Länder und Gegenden wurden von<br />

Anfang an aus verschiedenen Gründen als<br />

reiseuntauglich oder gar völlig diskussionsunwürdig<br />

eingestuft.<br />

„Und die Krim mit ihrem milden Klima?“, fragte<br />

einmal Anton Griebholz, ein weitläufiger Bekannter,<br />

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